Protocol of the Session on September 3, 2003

Um sie an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren, sollen sie nun einmal beweisen, warum man sie braucht. Nicht der Senat soll nachweisen, warum er ihre Leistungen bestellt hat. Sie sollen gleichsam die Maske fallen lassen. Herr Dr. Peiner, ich halte diese Schlachtordnung für fahrlässig. Sie schafft nicht den Vertrauensraum, den man benötigt, um auch in diesem, zugegebenermaßen finanziell ausgabenträchtigen Bereich Weiterentwicklungen und Kurskorrekturen zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Man sollte auch einmal den Gesamtkomplex Zuwendungsempfänger entmystifizieren. Allein wenige große Institutionen erhalten weit mehr als die Hälfte aller städtischen Zuwendungen: S- und U-Bahn, UKE, Staatsoper, Schauspielhaus, Bücherhallen, Forschung wie DESY und DFG und so weiter. Vom Kindertagesstättenbereich gar nicht zu reden.

Es reduziert sich also auf nicht wenige, aber im Einzelfall kleinteilige Projekte und Objekte. Natürlich kann und darf Politik die Sinnhaftigkeit dieser Projekte und Objekte infrage stellen und auch ihr Aus beschließen. Aber der Zuwendungsbericht schlummert seit einem Jahr im Haushaltsausschuss,

(Rose-Felicitas Pauly FDP: Wer ist denn der Vor- sitzende?)

ohne dass er vonseiten der Regierungsfraktion einer vernünftigen Beratung zugeführt wird. Die pauschale Unterstellung der Verschwendung durch Zuwendungen ist boshaft und nicht viele Einrichtungen, die klein sind, sind schon deshalb – in Ihrem Sprachgebrauch – „Sozialklimbim“. So ist Ihr Versuch, ohne auch nur mit den Betroffenen zu reden, die Geschichtswerkstätten in den Hamburger Stadtteilen wegzusparen, ein politisches Ganovenstück,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

und das europaweit geachtete Friedensinstitut in Hamburg in die Bedeutungslosigkeit durch Mittelbeschneidung zu führen, eine nationale Blamage.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auf der einen Seite, Herr Dr. Peiner, wird anderen ohne plausible Begründung Verschwendung unterstellt, wie eben dargestellt, und auf der anderen Seite wird der weiße Stehkragen getragen. Doch das ist Fassade. Auch dieser Senat verschwendet: Mal eben 100 000 Euro für Koons rauswerfen, just for fun.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aus einer Fachhochschule für den öffentlichen Dienst drei Schulen mit drei neuen Präsidenten machen. Baubehörde und Stadtentwicklungsbehörde zusammenlegen, Ämter von elf auf sechs reduzieren, aber alle 14 b-Stellen bleiben und einer wird noch befördert.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Vier Polizeidirektionen fallen weg, aber alle Leitungsstellen bleiben. Pressestellenleiter werden inzwischen mit B 3 besoldet, zwei Pressesprecher pro Senator sind bei diesem Senat üblich. In der Familienbehörde wird untätig eine Frau mit B 6 geparkt, 18 Stellen kümmern sich in Hamburg um das Marketing und nun kommt eine staatlich finanzierte neue Marketinggesellschaft als Senatspropaganda GmbH mit dem Namen „Wachsende Stadt“ hinzu.

In der Drogenpolitik wird für Millionen das WüstenrotHaus angemietet, obwohl die Spatzen auf den Dächern schon längst pfeifen, dass dieser gesamte Vorgang völlig ineffizient ist. Die Krankenhausinvestitionen werden auf hohem Niveau fortgeschrieben, obwohl ein weiterer Bettenabbau angesagt ist. Es wird eine Stiftung „Berufliche Schulen“ konzipiert, obwohl nachweislich die Bürokratiekosten steigen werden. Bei der Feuerwehrstrukturreform kostet das Gutachten soviel Geld, wie es überhaupt Einsparungen bringen wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Also, Herr Dr. Peiner, dieser Senat sollte sich, bevor er andere diskreditiert, erst einmal an die eigene Nase fassen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren! Zwei große steuerpolitische Reformvorhaben werden zurzeit in Berlin beraten und sind auch für Hamburg relevant: Das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform mit den Subventionsabbaugesetzen und die Gemeindefinanzreform. Ich komme zunächst zur Gemeindefinanzreform mit dem Gewerbesteueranteil.

Ich habe für meine Fraktion dem Senat hier eine Allianz für Hamburg angeboten. Die Gewerbesteuereinnahmen in Hamburg belaufen sich auf 1,25 Milliarden Euro. Das sind keine Peanuts, hier geht es um die Existenz Hamburgs. Wir brauchen eine Gewerbesteuerreform, die die Einnahmen der Kommunen und Städte konjunkturunabhängig gewährleistet und auf der Grundlage unserer Dienstleistungsgesellschaft auch die Freiberufler in einer angemessenen Art und Weise über die Gewerbesteuer an der dauerhaften Finanzierung der kommunalen Infrastruktur beteiligt. Es ist doch die Fragestellung erlaubt, warum ein Handwerksbetrieb mit zwei Gesellen Gewerbesteuer zahlt und ein gut gehendes Notariat am Alstertor nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ja, ja, ich habe schon das richtige Beispiel genommen.

Bundespräsident Rau hat dazu vor dem Deutschen Städtetag aus der „Stuttgarter Zeitung“ zitiert und gesagt:

„‚Welcher von den Folgenden zahlt Gewerbesteuer?’, hieß es da, ‚a) Steuerberater, b) Hellseher, c) Vermessungsingenieur. Es ist der Hellseher, weil er steuerrechtlich einem Gewerbe nachgeht, während die anderen Freiberufler sind.’“

Meine Damen und Herren, dies ist absurd.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Gewerbesteuer ist konstitutiver Bestandteil unseres Grundgesetzes seit 1995/1996. Die Kommunen und Städte brauchen sie als Finanzierungsgrundlage für ihre lebensnotwendige Infrastruktur. Was wir nicht brauchen,

meine Damen und Herren, ist eine Gewerbesteuerreform, die nach der Körperschaftsteuerreform den Großen noch einmal einen Schluck aus der Pulle gönnt. Deshalb sage ich für die SPD-Bürgerschaftsfraktion, dass der jetzige Entwurf der Bundesregierung so auch keinen Bestand haben kann.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Dr. Peiner, das ist auch unser Part – da haben Sie Recht –, aber auch Sie haben einen zu leisten. In Ihrer Regierung sitzt ein Koalitionspartner, nämlich die FDP, die die Gewerbesteuer abschaffen will. Der Vorschlag der FDP ist mit der existenziellen Interessenlage unserer Stadt unvereinbar.

(Jürgen Schmidt SPD: Genau!)

Aber auch Sie haben einen Part gegenüber Ihrer eigenen Partei zu spielen. Wir erwarten von Ihnen, Herr Dr. Peiner, dass das Modell des Deutschen Städtetages, so wie es auch als Ihr Modell im Finanzplan 2004 beschrieben wird und parteiübergreifend von Flensburg bis Rosenheim von allen verantwortlichen Kommunalpolitikern getragen wird, von Ihnen im Bundesrat für die gemeinsamen Interessen der Freien und Hansestadt Hamburg auch offensiv vertreten wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich aus wirtschaftspolitischen Gründen entschlossen, die dritte Stufe der Steuerreform vorzuziehen. Ab 1. Januar 2004 wird damit der Eingangssteuersatz in Deutschland historisch auf 15 Prozent sinken, der Höchststeuersatz auf 42 Prozent und der Grundfreibetrag wird auf dann neu 7000 Euro festgelegt. Eine beträchtliche Entlastung für den Bürger und den Mittelstand. Die SPDBürgerschaftsfraktion begrüßt diese Entscheidung der Bundesregierung ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Als Gegenfinanzierung ist neben der Kreditfinanzierung auch ein erheblicher Anteil an Subventionsabbau beschlossen worden. Wir erwarten hier Klarheit und Eindeutigkeit vom Hamburger Senat. Sagen Sie im Interesse der Hamburger Bürgerinnen und Bürger eindeutig Ja zum Vorziehen der Steuerreform und lassen Sie den Subventionsabbau nicht noch einmal scheitern wie vor einem Jahr. Mit dem damaligen Wirksamwerden des Gesetzes im Dezember 2002 wäre ein finanzielles Entlastungsvolumen für Hamburg für die Jahre 2003 bis 2006 von kumulierend 800 Millionen Euro möglich geworden. Nur aus Gründen der Parteitaktik sind diese Möglichkeiten damals von der CDU/CSU im Bundesrat verspielt worden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Dr. Peiner, man muss festhalten, dass auch in der Finanzpolitik das politische Barometer in dieser Stadt auf Null fällt. Sie zeigen sich im Gegensatz zu Ihren Vorgängern beim Konsolidieren nicht als sehr durchsetzungsfähig. Ihre Doppelrolle als Hamburger Finanzsenator und Bundesschatzmeister der CDU nimmt Ihnen die Spielräume, eindeutig für die Hamburger Interessen zu streiten. Sie sind im Bundesratsgeschäft für Hamburg ein stumpfes Schwert.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Wirken in der in Liquidation befindlichen Olympia GmbH war unrühmlich. Sie selbst haben, was die Unter

nehmensaufsicht angeht, an andere hohe Maßstäbe gesetzt. Bei der Olympia-Gesellschaft haben zwölf Aufsichtsräte sieben Mitarbeiter in ihrem Handeln kontrolliert. Sie waren dabei und die Wirtschaftsplanüberschreitungen waren trotzdem erheblich. Sie haben dort als schlechtes Vorbild gewirkt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Im Rahmen der Hein-Gas-Verhandlungen über die Verlängerung millionenträchtiger Konzessionserträge für die Stadt Spendenbitten zugunsten des Peter-TammMuseums anzuregen, eines prestigeträchtigen Projekts dieses Senats, ist – mit Verlaub gesagt – eines Hamburger Senators nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren, Herr Dr. Peiner, um Anselm Feuerbach zu zitieren:

„Die Mittelmäßigkeit wägt immer richtig, nur ihre Waage ist falsch.“

Sie, Herr Dr. Peiner, haben zum Wiegen Ihrer Bilanz einfach die Waage falsch eingestellt, um die Finanzpolitik in Hamburg auf das richtige Gewicht zu bekommen. Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Dr. Peiner, denn ich schätze Sie persönlich sogar, aber die Hamburger Finanzpolitik dieser Jahre ist inzwischen auch nur Mittelmaß.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Tants.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dobritz, in einem Punkt gebe ich Ihnen Recht. Das ist das, was Sie zum Schluss gebracht haben. Wenn es draußen kalt wird, weil es zum Beispiel Herbst oder Winter wird, dann sinken die Temperaturen und das Barometer fällt. Da haben Sie völlig Recht. Das ist ein Naturgesetz. Und, meine Damen und Herren Sozialdemokraten, wenn es draußen kalt wird, woher kommt denn das, dass uns nach Ihren Einschätzungen eine Milliarde Euro fehlt? Das ist doch nicht Hamburger Hauspolitik, sondern das sind Steuermindereinnahmen aufgrund von Außenwirkungen außerhalb Hamburgs. Dass wir dann in Hamburg weniger haben und weniger ausgeben können, ist auch klar. Das heißt, das Barometer fällt. Das ist richtig. Da gebe ich Ihnen Recht.

Nur, meine Damen und Herren, habe ich irgendwie den Eindruck, dass Sie hier mit viel Akribie und großen Worten, aber nicht so schrecklich vielen Inhalten von dieser Tatsache ablenken wollen, dass es draußen kalt geworden ist, und dass Sie die Leute immer auffordern zu demonstrieren, beginnend vom Hauptbahnhof gen Westen Richtung Rathausmarkt oder Finanzbehörde. Aber, meine Damen und Herren, das ist doch falsch. Sie müssen die Leute in andere Richtungen schicken, nicht in westliche, sondern in östliche Richtung gen Berlin,