Wie lautet im Grunde genommen unsere Botschaft? – Mehr Investitionen, weniger Bürokratie. Wir steigern die Investitionen schrittweise, wir senken die Ausgaben für die öffentliche Verwaltung und schichten aktiv Vermögen für eine geringere Neuverschuldung um; dazu gehören auch Immobilien und Beteiligungen. Wir sparen sinnvoll bei allen und können dadurch unsere Prioritäten finanzieren.
Mit diesen Maßnahmen sind keine Steuer- und Abgabenerhöhungen, sondern ist eine Förderung der Wachstumskräfte verbunden. Mit diesem Haushalt und der mittelfristigen Finanzplanung stellen wir sicher, dass das Ziel der Wachsenden Stadt zum Wohle Hamburgs, seiner Bürger und seiner Unternehmen erfüllt werden kann.
Wenn seitens des Senats kein weiterer Redewunsch besteht, dann geht die Redezeit an die Abgeordneten. Ich gebe das Wort Herrn Dobritz.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Steuerstaat Deutschland ist in einer schweren Finanzkrise.
Wir erleben ein Jahr der Rezession. Die Städte und Gemeinden in Deutschland, egal, ob sie von Schwarz oder Rot regiert werden, leben mehr denn je auf Pump.
Der Satz von Helmut Kohl nach der deutschen Einheit Anfang der Neunzigerjahre, allen solle es besser, keinem solle es schlechter gehen, hat den morbiden Charme alter Zeiten, obwohl er erst zwölf Jahre alt ist und als Opium für das Volk noch heute fatal nachwirkt.
So ist im Ergebnis die Verschuldung des Bundes in der Zeit von 1982 bis 1998 – unter einer CDU-/FDPRegierung – von 300 Milliarden DM auf 1,4 Billionen DM, also um 350 Prozent, angestiegen. Die Verschuldung Hamburgs wuchs im gleichen Zeitraum um 11,7 Prozent auf 35 Milliarden DM, also um gut 200 Prozent.
Fragen wir uns nach zwei Jahren Rechtssenat aus Anlass der Vorlage des Haushaltes und des Finanzplanes 2004: Welchen Beitrag hat die Finanzpolitik zur weiteren zwingenden Konsolidierung des Haushalts dieser Stadt real geleistet? Wie hat sie die notwendigen Lasten verteilt? Wie konkret ist das abstrakte Ziel der Wachsenden Stadt? Welches reale, sichtbare Gesicht hat die Wach
Zunächst hat der Rechtssenat im Jahre 2002 die siebenjährige finanzpolitische Konsolidierungspolitik seiner Vorgängerregierungen fahrlässig ausgesetzt und mit mehr als 2 Prozent – und dies in voller Kenntnis der allgemein wegbrechenden Steuereinnahmen – den höchsten Ausgabenanstieg des Betriebshaushaltes seit 1995 beschlossen. Dies, Herr Dr. Peiner, war Ihre erste Niederlage im Senat.
Für die Jahre 2003 und 2004 haben Sie ein aufwachsendes Sparvolumen von nunmehr 145 Millionen Euro beschlossen. Knapp 75 Millionen Euro werden Sie möglicherweise in 2003 schaffen, aber dies vermutlich nur, weil Sie den Beamten beim Weihnachtsgeld in die Tasche greifen wollen.
Im Haushaltsplan für das Jahr 2004 haben Sie die zweite Rate erst zur Hälfte planerisch benannt; der Rest ist eine globale Minderausgabe. Ihr Ziel, durch Schuldenabbau die Zinsausgaben dauerhaft um 75 Millionen Euro abzusenken, haben Sie völlig begraben.
Herr Dr. Peiner, Sie hängen also Ihren eigenen planerischen und realen haushaltspolitischen Zielen weit hinterher. Dies müssen Sie sich als Ihre zweite Niederlage im Senat zurechnen lassen.
Die weiteren Steuerrückgänge der letzten Steuerschätzung haben den Senat veranlasst, ein weiteres dauerhaftes Aufwachsen des Sparvolumens bis 2006 auf 300 Millionen Euro zu beschließen. Die SPD ist mit diesem Volumen in Einschätzung der erkennbaren Haushaltslage zum jetzigen Zeitpunkt wohl einverstanden, aber sie fragt diesen Finanzsenator: Wollen Sie die Konkretisierung dieser 300 Millionen Euro mit der gleichen Leichtigkeit des Seins durchsetzen, wie Sie dies in den Jahren 2002 und 2003 versucht haben?
Weder im Finanzplan noch in Ihrer heutigen Rede ist Ihr Gestaltungswille sichtbar geworden. Warum das Jahr 2006 als Zielmarke? Erst ein Jahr nach der Bürgerschaftswahl soll das Ziel erreicht werden. Ausgerechnet im Wahljahr soll mit einem Doppelhaushalt auf die Vorlage eines konkreten Haushaltes verzichtet werden. Wie viele globale Minderausgaben wird im nächsten Jahr der Doppelhaushalt haben, damit der Bürger dieser Stadt nicht erfährt, wo Sie ihn zwicken und zwacken wollen?
Die finanzielle Konsolidierungspolitik der beiden Vorgängersenate war wirkungsvoller; das haben Sie eben auch zugegeben. Es waren jährlich 150 Millionen Euro. Wir haben in diesem Zeitraum zusätzlich sogar Schwerpunktsetzungen finanzieren können. Im Kindertagesstättenausbauprogramm wuchsen die Betriebsausgaben von 1994 bis 2001 von 130 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro; im Investitionsbereich konnten Projekte wie Airbus und Hafenerweiterung ohne Neuverschuldungen gemeistert werden.
Herr Dr. Peiner, gemessen an diesen realisierten Zielen wirkt Ihre Finanz- und Haushaltspolitik zur Halbzeit kraftlos.
Das alles überragende Leitziel des Mitte-rechts-Senats ist die Wachsende Stadt. So steht es auch im Finanzplan 2004. Es soll – so konnte man lesen – dem Erfindungsreichtum von Herrn Dr. Peiner entstammen. Zunächst einmal könnte man sagen, nicht schlecht, Herr Specht. Nur, was ist das reale Gesicht dieses abstrakten Zieles? Die Arbeitslosigkeit in Hamburg, die 2001 bei 69 000 arbeitslosen Menschen gelegen hat, steigt. Sie liegt heute wieder bei 86 000, der höchste prozentuale Anstieg in Deutschland. Der Unterrichtsausfall an Hamburgs Schulen steigt. Die Stimmung an den Schulen ist schlecht und gerade an den Gymnasien mies. Im Kindertagesstättenbereich fehlen zwischen 5000 und 6000 Plätze. Der bezahlbare Wohnraum wird wieder sehr knapp. Die staatlichen Wohnungsbaumittel sinken. Ausweislich des Statistischen Landesamtes ziehen vermehrt leistungsfähige Familien wieder ins Umland. Baugrundstücke fehlen, große Konversionsflächen liegen brach. Die HafenCity dümpelt in ihrer Entwicklung vor sich hin. Der Verkauf von Grundstücken in der HafenCity kommt nicht voran. Wenn wir nicht ab und zu über die wolkigen Projekte wie Aqua Dom und neue Musikhalle lesen würden, würde die HafenCity schon aus dem Gedächtnis der Hamburger Bürgerinnen und Bürger entschwunden sein. Auch die Einwechslung des Ersten Bürgermeisters als neuen Aufsichtsratsvorsitzenden bei der GHS verschafft keinen neuen Schwung.
Auch die versprochene Wende bei der Abwanderung von Konzernsitzen bleibt aus. Bei Vattenfall haben wir noch gegen Berlin verloren, bei Hein Gas schon gegen Quickborn.
Nicht zu vergessen: Hamburgs Kulturpolitik wird seit zwei Jahren durch den Kakao dieser Republik gezogen.
Herr Dr. Peiner, was ist in zwei Jahren, nachdem Sie Ihre Erfindung patentiert haben, aus dem Ziel „Wachsende Stadt“ geworden, so wie es von Ihnen ausdrücklich im Finanzplan 2004 formuliert worden ist? Ich denke immer an den Satz: Schließlich erreicht jeder Mensch jedes Ziel, er muss nur genügend weit zurückstecken. So gesehen, Herr Dr. Peiner, erweist sich das Logo „Wachsende Stadt“ gemessen an der Realität in Hamburg als politische Propaganda.
Was ist mit den weiteren großen Strukturvorhaben in dieser Stadt? Zunächst Ihr jüngstes Vorhaben, was die Stadt verkaufen will und was nicht. Entweder ist es nichts Neues, was Sie verkünden, oder es ist eine politische Mogelpackung oder es ist nur zum Schmunzeln. Da wollen Sie in Kategorie II bis zu 75 Prozent der Messe und des Kongresszentrums verkaufen. Auch nach dem Messeausbau bleibt dieses Unternehmen dauerhaft ein Verlustbringer für seine Gesellschafter, wie in den letzten 40 Jahren. Wen finden Sie denn da als neuen Mitunternehmer? Soll der Verlust denn weiterhin in voller Höhe von der Stadt getragen werden oder wollen Sie mit den Grundstücken und Gebäuden nur das Vermögen verscherbeln? Sie wollen in der Kategorie III bei der Staatsoper nur noch eine Mindestbeteiligung halten. Ja, aber die Staatsoper erhält doch jährlich 40 Millionen Euro Zuwendungen von der Stadt. Wen finden Sie denn da als
Mitunternehmer, der gut 30 bis 35 Millionen Euro als Zuwendung mitbringt? Oder wollen Sie nur das Gebäude am Dammtor verkaufen und die Zuwendungen weiterhin von der Stadt zahlen lassen?
Dann der absolute Höhepunkt. In Kategorie IV wollen Sie die „Hamburg für Spiele 2012 GmbH“ an den Markt bringen,
ganz verkaufen. Ja, Herr Dr. Peiner, die wird doch gerade auch dank Ihrer ganz persönlichen Controllingleistung mit einem großen Defizit liquidiert.
Und jetzt zur Mogelpackung. Hinter der hochtrabenden Überschrift „Unternehmerisches Beteiligungskonzept“ ist nur eins wirklich ein Konzept. Mit dem angestrebten Verkauf von 49 Prozent des städtischen Wohnungsbesitzes können sich über 100 000 Hamburger Mieterinnen und Mieter auf drastische Mieterhöhungen einstellen. Ich finde, das sollten Sie diesen auch vor der Wahl noch offen sagen.
Weitere Strukturvorhaben. In der Konsolidierungsphase der Vorgängersenate ist der öffentliche Dienst durch Effizienz und Modernisierung im Rahmen der normalen Fluktuation um ganze 5000 Stellen reduziert worden, wobei der Lehrerstellenplan außen vor blieb. In den nächsten Jahren bis 2015 werden roundabout 10 000 bis 12 000 Stellen neu frei. Der Erste Bürgermeister hat sich selbst zum Chef des Personalamtes machen lassen. Sie, Herr Dr. Peiner, sind Chef des Organisationsamtes. Wir haben natürlich gedacht, Sie beide würden einen großen Masterplan für die Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstes in Hamburg vorlegen. Einen großen Wurf hatten Sie uns versprochen. Aber was geschieht? Sie drohen mit betriebsbedingten Kündigungen und kürzen den Mitarbeitern das Weihnachtsgeld. Im Rahmen eines Masterplans hätte alles mit Sinn und Verstand und nicht mit Drohung seinen Platz. Ich nenne nur drei.
Zum Beispiel – darüber dürfen wir diskutieren –: Wie viele Mitarbeiter braucht der öffentliche Dienst in Hamburg, um das gleiche Niveau an sozialer Dienstleistung zu produzieren? Muss ein öffentlicher Dienst inzwischen fast zu 55 Prozent aus dem gehobenen oder höheren Dienst bestehen? Selbstverständlich können auch Sonderzahlungen vom Grundsatz und von der Höhe korrigiert werden. Sie greifen Mitarbeitern aber drei Monate vor Auszahlung ihres Weihnachtsgeldes in die Tasche. Diese Art des Vorgehens wird sich auf die Motivation an den Arbeitsplätzen nicht förderlich auswirken und die Bereitschaft zu wirklichen Reformschritten auf der Seite der Arbeitnehmer eher schwinden lassen. Ich persönlich halte die Entscheidung, sie in diesem Jahr umzusetzen, allerdings auch konjunkturell für völlig falsch. Die Binnenkonjunktur mit dem privaten Konsum lahmt gewaltig. Das Weihnachtsgeld wird nachweislich zu 100 Prozent in den Konsum gesteckt. Entscheidungen, wie dieser Senat – und ich sage ganz ausdrücklich, auch Frau Simonis – sie treffen, stärken die Kaufzurückhaltung beim Konsumenten. Der Einzelhandel in Hamburg bedankt sich jetzt schon mal.
So, Herr Dr. Peiner, wie in dieser Sache vorgegangen wird, ist auch das Handling des Senats beim Konsolidieren in anderen Bereichen geprägt. Der Mitte-rechts-Senat hatte immer zwei klassische Feindbilder: Die Arbeitslosen und die Sozialhilfeempfänger. Hinzu kommen in Hamburg inzwischen die Zuwendungsempfänger. Hinter dieser Vokabel verbergen sich nach dem Mitte-rechts-Senat geheimnisvolle Organisationen mit düsteren Gestalten.
Um sie an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren, sollen sie nun einmal beweisen, warum man sie braucht. Nicht der Senat soll nachweisen, warum er ihre Leistungen bestellt hat. Sie sollen gleichsam die Maske fallen lassen. Herr Dr. Peiner, ich halte diese Schlachtordnung für fahrlässig. Sie schafft nicht den Vertrauensraum, den man benötigt, um auch in diesem, zugegebenermaßen finanziell ausgabenträchtigen Bereich Weiterentwicklungen und Kurskorrekturen zu ermöglichen.