Protocol of the Session on November 28, 2001

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Pumm, ich habe Verständnis für Ihren Aufschrei, aber Sie wissen, dass wir mit der Forderung angetreten sind, erstens weniger Senatoren

(Michael Neumann SPD: Weniger Senatorinnen!)

nein, davon hätte ich gern mehr gehabt – und zweitens sollte die Mammut- oder besser Filzbehörde transparenter werden; grundsätzlich sollte es mehr Effektivität in den Behörden geben.

Sie haben es genau richtig gesagt, dass das die Umstrukturierung und Neuorientierung bedeutet. Da wird Ihr Auf

(Erhard Pumm SPD)

schrei verständlich, denn wie war es doch vordem für Ihre Leute so bequem. Wir haben den kurzen Dienstweg, den Genossen-Dienstweg gehabt, die eingespielten Zuständigkeiten, einen frühen Informationsfluss, die mehr oder weniger feingesponnenen vertrauten Vernetzungen und Verflechtungen

(Uwe Grund SPD: Reden Sie doch mal zur Sache!)

und alles das ist jetzt natürlich zu Ende gegangen, das ist richtig. Aber das ist das Recht eines jeden Senats, die Behördenzuschnitte so zu gestalten, wie er es für effektiv hält, und das haben Sie auch in der Vergangenheit gemacht, Herr Pumm.

(Uwe Grund SPD: Aber sinnvoll soll es sein!)

Sinnvoll ist es für uns, auch wenn es Ihnen nicht so erscheint; aber es ist der Sinn der Demokratie, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann. Die Wirtschaftsbehörde ist mehrfach umgestaltet worden und die Finanzbehörde ist gespalten worden. Für uns ist das ein Fortschritt. Sie mögen glauben, dass Sie es besser gemacht haben. Wir wissen, dass dieser Neuschnitt der richtige ist.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wenn Sie sich überlegen, dass Sie selbst schon einmal darüber nachgedacht haben, dass die BAGS neugeordnet werden müsse, spätestens zu dem Zeitpunkt, als Sie gemerkt haben, dass eine mit sehr viel Vorschusslorbeeren bedachte und auch von unserer Seite sehr geschätzte Frau Roth hier in diesem Amt verheizt worden ist und scheitern musste aufgrund der Strukturen, die dort geherrscht haben, dann war das bitter notwendig.

Ich komme zur Auslagerung der Justiz- und Sozialgerichtsbarkeit. Als Nichtjuristin und Laie ist das für mich eine Erhöhung der Unabhängigkeit der Justiz, die im Rechtsstaat gefordert wird, wenn sie dahin gehört, wo der Hort der Unabhängigkeit der Gerichte ist. Alles andere wird man sehen.

Zur Verlagerung des Arbeitsbereichs zur Wirtschaftsbehörde ist es immer die Politik der CDU gewesen, den Ersten Arbeitsmarkt zu stärken und möglichst viele Menschen in diesem Bereich unterzubringen und nicht einen Zweiten Arbeitsmarkt als Selbstzweck oder als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme an sich aufzumachen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Dr. Wieland Schinnenburg FDP: Sehr gut! – Ingo Egloff SPD: Und warum hat Kohl das nicht gemacht?)

Ihre Zusatzanträge, die Sie eingebracht haben, werden von einem Lob der Tradition und des Bewährten getragen. Wir sind nicht davon überzeugt, dass das bewährt ist; deswegen haben wir es ja verändert.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Außerdem ist von Befürchtungen und Ahnungen die Rede, von Vermutungen und kommendem Fehlverhalten. Die scheinen Sie aus Ihrer eigenen Amtsführung zu kennen nach dem Motto: Was ich selber denk und tu, trau ich auch den anderen zu.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Warten Sie doch erst einmal die Folgen ab und kommen Sie dann mit Ihrer Kritik wieder; vier Wochen verheiratet

und immer noch kein Kind, das ist keine Einstellung, die man für die Politik haben kann.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Werner Dobritz SPD: Was machen die vielen Frauen in der Kredit-Kommission?)

Der Abgeordnete Maaß bekommt das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das hier vorgelegte Gesetz ist unter dem Strich ein Angriff auf den Umwelt- und Verbraucherschutz in dieser Stadt. Der Senat tut in der Gesetzesbegründung so, als ob eine echte Verbraucherschutzbehörde geschaffen werden soll. In der Realität wird der Verbraucherschutz verschlechtert, denn die zentrale Aufgabe der ökologischen Umgestaltung unserer Nahrungsmittelherstellung wird aus der Umweltbehörde ausgegliedert und künftig der Wirtschaftsbehörde zugeschlagen.

Wenn ich dann seitens des Senats höre, dass die neue Behörde für Umwelt und Gesundheit so etwas wie eine Verbraucherschutzbehörde darstellen soll, dann fällt mir dazu nur eins ein: Das ist Etikettenschwindel.

(Beifall bei der GAL und bei Ingo Egloff SPD)

Meine Damen und Herren, vor einem Jahr und vier Tagen wurde in Deutschland der erste BSE-Fall entdeckt. Die Bilder der Verfütterung von Tierkadavern an Pflanzenfresser, die millionenfache Käfighaltung auf engstem Raum, die Verseuchung unserer Nahrung mit Antibiotika und weitere unappetitliche Missstände bei der Produktion unseres Essens sind uns noch alle im Gedächtnis.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Christian Maaß: Gerne.

Herr Abgeordneter Maaß, wenn Sie das große Loblied auf den Verbraucherschutz singen, ist Ihnen dann bewusst, dass Ihr rotgrüner Senat im Zeichen des BSE die Zuschüsse der Verbraucher-Zentrale fast im gesamten Bundesgebiet gesenkt hat und sich die Leute hinsichtlich ihrer Ängste zum Thema BSE drei oder vier Tage nicht erkundigen konnten?

Herr Abgeordneter, ich darf mit einer Gegenfrage antworten: Ist Ihnen bewusst, dass es die rotgrüne Bundesregierung war, die aus dieser Krise die richtige Konsequenz gezogen hat, ein Verbraucherschutzministerium geschaffen hat und seitdem gegen den Widerstand Ihrer Partei und der Agrarlobby eine echte Agrarwende durchsetzt? Das ist das Verdienst von Rotgrün.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Ist das der Beginn des Bundestagswahlkampfes?)

Die strukturelle Veränderung des Behördenzuschnitts auf Bundesebene und die politische Entschlossenheit von Renate Künast haben in den letzten Wochen zu ernsthaften Verbesserungen für die Umwelt und die Verbraucherinnen und Verbraucher geführt. Ich nenne als Beispiele das gesetzliche Verbot der Legehennenbatterien, die Ein

(Karen Koop CDU)

führung eines Öko-Siegels und striktere Regeln für die Landwirtschaft durch das neue Bundesnaturschutzgesetz.

(Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

Auch von Ihnen hätte ich mir eine solche Entschlossenheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Hamburg gewünscht.

(Beifall bei der GAL)

Der neue Senat stellt die Weichen genau in die entgegengesetzte Richtung. Bisher war die Zuständigkeit für die ökologische Land- und Forstwirtschaft da angesiedelt, wo sie hingehört, nämlich bei der Umweltbehörde. Hamburg hätte tatsächlich gute Voraussetzungen, bei der Agrarwende eine Vorreiterstellung einzunehmen, denn über 20 Prozent unserer Landesfläche werden landwirtschaftlich genutzt. Die unmittelbare Nähe zu den umwelt- und gesundheitsbewussten Verbrauchern der Metropolregion bietet hervorragende Möglichkeiten für eine Vermarktung.

Die Wirtschaftsbehörde hat sich beim ökologischen Umbau der Landwirtschaft in Hamburg hauptsächlich als Bremserin hervorgetan. Herr Abgeordneter, die richtige Konsequenz aus diesem Missstand, den wir erkennen, wäre gewesen, dass man die Landwirtschaft aus der Wirtschaftsbehörde ausgliedert und der Umweltbehörde zuschlägt, und nicht umgekehrt, nämlich die ökologische Landwirtschaft, für die die Umweltbehörde zuständig war, nun bei der Wirtschaftsbehörde anzusiedeln.

Indem Sie jetzt die Landwirtschaft vollständig der Wirtschaftsbehörde zuschlagen, machen Sie den Bock zum Gärtner. Es ist dreist, bei der Umweltbehörde dann noch von einer Verbraucherschutzbehörde zu sprechen.

(Beifall bei der GAL)

Die Zuständigkeitsverteilung für die Hamburger Waldgüter bedeutet auch einen umweltpolitischen Rückschritt, denn zukünftig soll die Wirtschaftsbehörde zuständig sein. Die Umweltbehörde hat auch hier in den letzten Jahren eine Wende hin zur ökologischen Forstwirtschaft eingeleitet, die unsere Wälder nicht nur als Holzplantagen, sondern auch als Erholungsraum für den Menschen und als Rückzugsraum für die Natur ansieht.

Die Verlagerung der Zuständigkeit in die Wirtschaftsbehörde ist ein Signal zur Rückkehr der rein wirtschaftsorientierten Betrachtung des Waldes. Ich bin gespannt, wie der neue Senat den Schutz des Waldes in Zukunft bewerkstelligen will. Vielleicht muss man gegen das Waldund das Artensterben bei den zu erwartenden Holzplantagen einmal hart durchgreifen. Ich habe einen Vorschlag: Sie könnten die Förster mit blauen Uniformen ausstatten und Schilder mit folgendem Text aufstellen lassen: „Das Wald- und Artensterben ist unter Androhung von Gefängnisstrafen verboten!“ Das hilft mit Sicherheit!

(Beifall bei der GAL)

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Sie haben vor der Wahl vollmundig versprochen, den Senat zu verkleinern und die Zahl der Behörden kräftig zu reduzieren. Alles, was dabei herauskam, ist die Zerschlagung der ohnehin schon kleinsten Behörde, nämlich der Stadtentwicklungsbehörde.

Die Art und Weise, wie Sie die Stadtentwicklungsbehörde aufteilen, geht wiederum zulasten der Umwelt und der sozial Schwachen. Zulasten der Umwelt, weil Sie das Amt für Landschaftsplanung nicht in die Umweltbehörde inte

grieren, wo es war und wo es hingehört. Zulasten der sozial Schwachen, weil sinnvolle Konzepte zur sozialen Stadtteilentwicklung bei Ihnen keine Beachtung finden. Die Missachtung der guten Arbeit der Stadtentwicklungsbehörde findet ihren Ausdruck auch darin, dass Sie diese noch nicht einmal im Namen der neu zu schaffenden Behörde für Bau und Verkehr erscheinen lassen wollen, obwohl die gesamte Belegschaft der Stadtentwicklungsbehörde in einem offenen Brief darum gebeten hat. Das ist ein singulärer Vorgang in der hamburgischen Verwaltung. Ihre trotzige Reaktion auf diesen Wunsch nach einer kleinen Geste der Anerkennung gegenüber den Mitarbeitern der Stadtentwicklungsbehörde