Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Böwer, ein Kollege fragte mich gerade, was denn da eigentlich inhaltlich war. Da musste ich ihm leider sagen, gar nichts war inhaltlich.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Dr. Andrea Hilgers SPD: Sie müssen zuhören!)
Lassen Sie mich zu Beginn noch einmal für die Regierungsfraktionen und den Senat erklären, welche elementaren Punkte in den nächsten Jahren für den Ausbau
oder die Veränderung im Bereich der Kindertagesbetreuung obenan stehen: Erstens endlich ein System zu schaffen, welches gerecht und bedarfsgerecht ist – dieses System gibt es zurzeit in dieser Form nicht –, zweitens langfristig die Kindertagesbetreuung auszubauen und drittens – meine Damen und Herren von der SPD, da sollten Sie genau zuhören – Familien und Eltern in dieser Stadt finanziell zu entlasten. Das mögen auch die vorigen Senate gedacht haben, aber mit dem Unterschied, Herr Neumann, dass wir es machen. Wir haben die Elternbeiträge um 10 Prozent gesenkt.
auf die Maßgaben von Herrn Scholz und Herrn Schröder, nämlich die Familien zu belasten. Wir entlasten sie in Hamburg und das ist der erste Schritt in Richtung Veränderung der Kindertagesbetreuung.
Zweitens reden wir hier über einen Systemwechsel. Wir haben die Träger gehört, wir haben gestern die Eltern gehört und es war leider nicht alles so, wie Frau Steffen und Herr Böwer es erzählt haben. Wir haben gesagt, liebe Frau Steffen, dass dieser Systemwechsel nur dann klappen kann, wenn man auch die finanziellen Mittel bereitstellt. Da darf ich zum Beispiel einen Träger aus der Anhörung zitieren, Sie können das Zitat auf Seite 12 nachlesen, Herr Böwer.
„Es spricht umgekehrt vieles dafür, dass man gerade in der Situation von Knappheit und Mangel einen besonderen Wert auf ein rationales und effizientes Steuerungssystem legt.“
Genau das machen wir. Wir wollen diesen Systemwechsel, weil er Effektivität und letztendlich auch eine Form von Gerechtigkeit erzeugt.
Das Problem, das wir natürlich bei den gesamten Diskussionen im Kita-Bereich haben, sind die fehlenden finanziellen Mittel; dazu stehen wir auch. Wir sagen ganz offen, dass wir im Jahre 2003 einen Bedarf an finanziellen Mitteln haben. Aber wir sagen das den Menschen – Herr Böwer, jetzt komme ich zu Ihnen –, wir sind ehrlich zu den Menschen und streuen ihnen keinen Sand in die Augen mit irgendwelchen Initiativen, die nie zu halten sind.
Es gab Kritik zum Sprachbedarf. Da hieß es, dieser Senat hätte zu wenig Sprachbedarf installiert. Im Übrigen gab es noch nie in dieser Stadt so viel Sprachförderung. Wir haben diesen einmal von zwölf auf 18 Monate erhöht.
Es gab die Frage der Kontinuitäten. Kontinuitäten von mindestens drei Monaten werden mittlerweile gewährleistet. Dann hieß es, wir hätten keine Übergangszeiten während des Systemwechsels. Wir haben im Hortbereich Übergangszeiten von bis zu zwölf Monaten, das heißt, bis zum 31. Juli 2004 behält jedes Kind seine Betreuung.
Es gab die Kritik, dass die Bezirksämter Schwierigkeiten hätten, diesen Systemwechsel zu vollziehen. Natürlich haben die Bezirksämter da eine sehr schwierige Aufgabe, aber wir haben den Bezirksämtern Mittel zugewiesen und Ressourcen freigeschaufelt. Und da sehen Sie die Politik dieses Senats: Wir haben auf die ganzen Probleme und Anfragen reagiert und das ist dann auch eine bürgernahe Politik.
Meine Damen und Herren! Dann gucke ich einmal den Fraktionsvorsitzenden der SPD an. Auf die Initiative von Herrn Böwer – ich habe sie gelesen und bearbeitet – gab es für mich zwei Antworten. Einige Punkte sind bereits im Kita-Gutscheinsystem erfüllt und einige nicht zu finanzieren. In der Pressemitteilung von Herrn Scholz, Herrn Böwer und weiteren steht das, was wir fordern, dass es wohl über 50 Millionen Euro kosten wird. Das ist gut angelegtes Geld, Herr Zuckerer. Aber sagen Sie uns einmal, wo Sie die 50 Millionen hernehmen wollen.
Und dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Ich lebe mit der berechtigten Kritik, dass wir bei der Kindertagesbetreuung mehr Geld investieren müssen, und sage den Menschen ehrlich, dass wir zunächst einen Systemwechsel vorhaben, der Ausbau aber längerfristig gesichert wird. Ich fordere Sie von der SPD auf, endlich diese Potemkinschen Dörfer zu verlassen, endlich aufzuhören, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, als ob Sie das lösen könnten. Das können Sie nicht, Ihnen fehlen die finanziellen Mittel dafür.
Wir werden weiter mit Eltern und Trägern im Gespräch bleiben. Wenn Sie die Protokolle der Träger lesen, dann wissen Sie, dass die Träger diesen Systemwechsel durchaus wollen; lesen Sie es genau nach. Für uns ist elementar, in den nächsten Jahren – wir sprechen mittel- und langfristig von fünf bis zehn Jahren – in Hamburg ein System der Kindertagesbetreuung zu installieren, das einmalig in Deutschland ist, und damit ist Hamburg die schönste und sicherlich auch die kinderfreundlichste Stadt in Europa.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mein Vorredner war sehr sachlich. Ich werde mich bemühen, mich dem anzuschließen.
Es ist völlig unumstritten, dass das neue Kita-Gutscheinsystem von allen Beteiligten ein hohes Maß an Flexibilität und Engagement verlangt. Es ist auch richtig, dass wir zurzeit keine hundertprozentige Abdeckung in der Kindertagesbetreuung anbieten können. Und genau aus diesem Grund gibt es Bewilligungskriterien, die aus unserer Sicht so sozialverträglich wie möglich gestaltet worden sind. Selbst bei denjenigen, die meinen, nach den Kriterien quasi hintenrüberzufallen, ist das System bemüht, flexibel zu agieren und eine Betreuung anzubieten.
Aber ich möchte die Problematik auch einmal von der Seite der Machbarkeit betrachten. Der Ausbau der Kinderbetreuung würde – das hat Herr Böwer auch gesagt – roundabout 50 Millionen Euro kosten. Und seien Sie ganz sicher: Wenn wir das Geld zur Verfügung hätten, würden wir es hier investieren. Aber leider ist es nun einmal so, dass Hamburg hohe Steuerausfälle hat, dass die Bundesregierung fatale Signale aussendet und – ich muss es leider erwähnen – Hamburg eine SPD hat, die einen immensen Schuldenberg hinterlassen hat.
Bleiben Sie ganz ruhig, machen Sie sich keine Sorgen, ich werde Sie mit dem Gerede von 44 Jahren verfehlter Politik verschonen. Aber wenn Sie jetzt den Ausbau in dieser Art und Weise im Wissen um die Finanzen fordern, so ist es so, als wenn ein bestohlener Hehler „Haltet den Dieb“ ruft.
(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Michael Neumann SPD: Das ist ja eine Sichtweise!)
Offensichtlich hat der Abgeordnete Werner Dobritz, der jetzt den Vorsitz im Haushaltsausschuss hat, eine gewisse Objektivität erlangt und dem Senat Zusammenarbeit in der Finanz- und Steuerpolitik angeboten, weil er richtigerweise erkannt hat, dass sich die Stadt im Augenblick keine finanziell größeren Sprünge leisten kann.
Ich fordere Sie auf, sich die Erkenntnis von Herrn Dobritz zu Eigen zu machen und auf den Boden der Realitäten zurückzukommen.
Nehmen wir einmal den unwahrscheinlichen Fall an, dass Sie von diesem Ausbau Abstand nehmen, weil Sie erkannt haben, dass das finanziell nicht zu machen ist, dann – das geben Sie auch selber zu – braucht man Bewilligungskriterien, um Prioritäten zu setzen. Sie, meine Damen und Herren von der GAL, sprechen von Ausgrenzung, wenn nicht genügend Plätze vorhanden sind. Natürlich muss, wenn ich einen Tisch habe, an dem neun Stühle sind und ich zehn Gäste habe, einer stehen oder zwei müssen sich einen Platz teilen.
Aber Sie müssen uns dann auch sagen, wer denn Ihrer Meinung nach aufstehen soll, damit Ihr Wunschkind Platz nehmen kann. Bisher – und das ist Fakt – war leider hierüber von Ihnen überhaupt nichts zu hören.
Ich will das an einem kleinen Beispiel deutlich machen: Nach unseren Kriterien soll ein Kind, welches in einer Familie lebt, dessen Eltern vielleicht Alkoholiker sind und in ärmlichen Verhältnissen leben, einen Platz garantiert bekommen, damit es eine Chance auf ein vernünftiges Leben hat. Und genau deswegen sind wir der Überzeugung, dass es einer intakten Familie, die bereits ein Kind hat und wo ein Elternteil ohnehin im Hause sein wird, zuzumuten ist, dass die achtstündige Betreuung vielleicht auf eine vierstündige reduziert wird. Ich fordere hier auch ein Stück Solidarität ein.
Und weiter geht’s. Auf der gestrigen Elternanhörung habe ich leider ein paar Eindrücke gewonnen, die mich etwas nachdenklich stimmen. Ich musste hören, wie eine Frau äußerte, dass sie sich Sorgen um die Kinder mache, die ohne vorherigen Kita-Besuch eingeschult werden sollen. Der nächste geäußerte Punkt war, wer arbeitslos werde, bekomme für sein Kind nur noch eine vierstündige Betreuung. Meine Damen und Herren, können Sie sich überhaupt noch vorstellen, dass es Kinder gibt, die ohne Kita-Betreuung oder halbtägige Betreuung glücklich aufwachsen können? Ich glaube nicht.