Protocol of the Session on February 5, 2003

Herr Rutter hat Recht, wenn er uns alle aufgefordert hat, an Lösungsmöglichkeiten zu arbeiten.

Das Thema Zivildienst ist nach der jetzigen Gesetzeslage untrennbar mit dem Thema Wehrpflicht verbunden. Ohne die Wehrpflicht gibt es keinen Zivildienst. Über die Wehrpflicht und die damit verbundene Gerechtigkeit für die Zivildienstleistenden ist in den letzten Jahren häufig gestritten worden. Diese Maßnahme der Bundesregierung ist ein Beitrag für die Wehrgerechtigkeit. Die Absenkung der Erstattung des Bundes für Zivildienstleistende ist übrigens nicht neu. Die Exbundesregierung – CDU, CSU und FDP – haben die größten Kürzungen bei den Zivildienstleistungen zu verantworten.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Nun lenken Sie doch nicht ab! Das sind alte Kamel- len!)

1994 trat das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms in Kraft, in dem die Erstattungsbezüge von 100 Prozent auf 75 Prozent gekürzt wurden, mit der Stimme des heutigen Wirtschaftssenators Herrn Uldall. 1996 kam die Streichung der Aufwandszuschüsse für Zivildienstleistende bei der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung hinzu. Dieses Mal nicht nur mit der Stimme des Wirtschaftssenators, sondern auch mit der Stimme unserer Sozialsenatorin Frau Schnieber-Jastram.

(Dietrich Wersich CDU: Und das haben Sie alles nicht rückgängig gemacht?)

Zur Zukunft der Wehrpflicht und damit verbunden zur Zukunft des Zivildienstes gibt es heute bei allen Parteien noch keine einheitliche Meinung.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Nur bei Ihnen nicht!)

Die CDU ist für die Wehrpflicht, die FDP dagegen, die Schill-Partei ist zum Glück nicht gefragt,

(Beifall bei der SPD)

für die SPD und die GAL heißt es im Koalitionsvertrag, dass die Bundesregierung bis 2006 entscheiden wird, ob die Wehrpflicht und damit der Zivildienst erhalten bleiben soll. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die Übergangszeit für eine eventuelle Neuordnung des Zivildienstes zu nutzen, Alternativen zu stärken und Rahmenbedingungen zu schaffen, um das Soziale und den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft zu fördern.

(Rolf Kruse CDU: Das haben Sie gut abgelesen!)

Die Bundesregierung hat dafür drei Beispiele gebracht, die ich kurz anbringen möchte.

Erstens: Die Bundesregierung hat nach Jahren des politischen Stillstandes das Stiftungsrecht modernisiert. Hamburg profitiert davon.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Nach vier Jahren!)

Zweitens: Sie hat beim freiwilligen sozialen Jahr und beim freiwilligen ökologischen Jahr mit finanziellen Mitteln die Platzzahl erhöht. Wir werden sehr genau hinsehen, was dieser Senat mit den Verbesserungen in Hamburg machen wird.

(Rolf Kruse CDU: Genau!)

Drittens: Die Bundesregierung hat die Rahmenbedingungen freiwilliger und ehrenamtlicher Arbeit in den Vereinen, Verbänden und Organisationen verbessert.

Dass die Sozialsenatorin auf Hamburger Ebene zusammen mit dem Aktivoli-Netz die Landesinitiative „Hamburg engagiert sich“ gestartet hat, wird von der SPD-Fraktion ausdrücklich begrüßt. Wir werden diese Initiative unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, darüber hinaus müssen Sie, Frau Senatorin, weitere Lösungsmöglichkeiten für Hamburg prüfen, denn es wird Ihre Aufgabe sein, die Probleme im Sozialbereich zu lösen. Ihre Vorgängerin zum Beispiel hat im Jahre 2000 anlässlich der Dienstzeitkürzung für Zivildienstleistende trotz Haushaltskonsolidierung Hamburger Mittel in die Hand genommen, um Abhilfe zu schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Schira.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Brinkmann, Sie haben einen interessanten Eiertanz vorgeführt.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Petra Brinkmann SPD: Sie haben es wahrscheinlich nicht verstanden!)

Am letzten Freitag hat der Bundestag mit den Stimmen der SPD und Grünen beschlossen, die Bundeszuschüsse für die Aufwendungen von Zivildienstleistenden um 20 Prozent zu kürzen. Die rotgrüne Regierung will ihren Haushalt auch in Hamburg auf Kosten der Schwachen sanieren. Diese Streichung nach dem Rasenmäherprinzip wird zur Folge haben, dass die Träger für einen Zivildienstleistenden Mehrkosten in Höhe von 66 Euro pro Monat zu verkraften haben. Das wird auch in unserer Stadt zum Wegfall von Zivildienststellen und zur Weitergabe dieser Kosten an die Pflegebedürftigen, Behinderten und alten Menschen führen. Dieser rotgrüne Kahlschlag ist zutiefst unsozial.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die SPD behauptet, diese Einschnitte wären einvernehmlich mit den Wohlfahrtsverbänden abgesprochen worden; das ist geradezu zynisch. Hier soll – bildlich gesprochen – die Leiche eine Kerze zur eigenen Beerdigung mitbringen. Die Verbände hatten bei Ihnen gar keine Chance; sie mussten zwischen Pest und Cholera entscheiden und wurden schlichtweg von der rotgrünen Bundesregierung erpresst: Entweder weniger Stellen oder weniger Geld.

Die Auswirkungen werden auch bei uns in Hamburg spürbar sein. Es sind circa 2500 Zivildienstleistende in unserer Stadt tätig. Die schwachen Menschen werden die rotgrüne Kahlschlagspolitik zu spüren bekommen. Die Bundesregierung sagt, dass die Einsparmaßnahme bis

(Petra Brinkmann SPD)

zum 31. Dezember dieses Jahres befristet sei; das glaubt ihr kein Mensch.

(Rolf Kruse CDU: Wer glaubt denen überhaupt noch?)

Für 2004 ist mit weiteren Einschnitten zu rechnen. Es stehen in diesem Bereich 110 Millionen Euro in Rede.

Der am Freitag im Bundestag beschlossene rotgrüne Antrag wurde von Krista Sager und Olaf Scholz unterzeichnet. Das ist eine interessante Konstellation.

(Erster Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Der SPD-Landesvorsitzende redet in Hamburg vom sozialen Kahlschlag und kalter Sozialpolitik des Senats und schreit: Haltet den Dieb! In Berlin beschließt er aber eine sozialpolitische Grausamkeit nach der anderen. Verlogener kann man nicht agieren!

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

So einfach geht es nicht. Die Menschen merken das und lassen es Ihnen nicht durchgehen. Am Wochenende haben Sie das in Niedersachsen und Hessen schmerzhaft gespürt.

Wir werden zur nächsten Bürgerschaftssitzung einen Antrag einbringen, mit dem wir den Senat auffordern, gegen diese unsinnige Maßnahme in Berlin zu kämpfen und für Hamburg zu prüfen, wie wir den Menschen mit Behinderungen helfen können, deren Lebensführung durch die rotgrünen Beschlüsse in Berlin gefährdet sind. Die Zeche für die desaströse Finanz- und Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren, in Berlin müssen die Hamburger Krankenhäuser, die Pflegeheime und die Stadt insgesamt und natürlich wieder die schwachen Menschen bezahlen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Freudenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist doch erfreulich, dass die Arbeit der Zivildienstleistenden, die früher oft als Drückeberger bezeichnet wurden, mittlerweile anerkannt wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Aus welcher Mottenkiste kommen Sie denn?)

Aber es ist reichlich übertrieben, wenn Sie wegen der monatlichen Kürzung des Bundeszuschusses um 66 Euro für einen Zivildienstleistenden den Zusammenbruch der Versorgung für die Pflegebedürftigen in dieser Stadt befürchten. Wir wissen es doch alle: Im Bund sind die öffentlichen Kassen genauso leer wie in den Ländern. Gespart wird an allen Ecken und Enden.

(Richard Braak Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Durch eure Politik natürlich!)

Wir sind nicht glücklich darüber, dass nun auch an den Bundeszuschüssen für den Zivildienst gespart wird. Aber wir dürfen die Auswirkungen des kürzlich verabschiedeten Zivildienständerungsgesetzes nicht dramatisieren.

Herr Schira, es ist richtig, dieses Gesetz wurde mit den Wohlfahrtsverbänden abgestimmt und von diesen auch so akzeptiert, denn die Alternative hierzu wäre die Absenkung der Zahl der Zivildienstleistenden schon in diesem Jahr gewesen. Das Gesetz ist ein Kompromiss, der ihre Zahl in diesem Jahr konstant hält. Aber dafür musste der Zuschuss abgesenkt werden. Wir wissen auch, dass schon weiterverhandelt wird, weil dieses Gesetz nur eine Laufzeit bis Ende des Jahres hat.

Begründet wird das Gesetz mit der Einberufungsgerechtigkeit. Mittlerweile werden weit mehr Zivildienstleistende als Wehrpflichtige zur Bundeswehr eingezogen. Das ist nicht gerecht. Deshalb werden die Stellen abgesenkt, ob uns das passt oder nicht.

(Rolf Kruse CDU: Aha, das ist Ihre Logik!)

Die Grünen fordern schon lange die Abschaffung der Wehrpflicht und die Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufsarmee. Die sicherheitspolitische Entwicklung der letzten Jahre macht dies auch immer wahrscheinlicher.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Sie sind doch an der Regierung!)

Wir brauchen eine ernsthafte Debatte darüber, wie der absehbare Verlust der günstigen Zivis von den Sozialeinrichtungen kompensiert werden kann.