Protocol of the Session on February 5, 2003

dann müsste ich sagen, Ihre Kritik, meine Damen und Herren, entspricht Ihrer Politik der Vergangenheit in diesem Bereich: ideenlos, teuer, ängstlich und blockiert.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Frau Dr. Freudenberg.

Meine Damen und Herren, Frau Senatorin! Es stimmt doch einfach nicht, Rotgrün hat schon angepackt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Michael Frey- tag CDU: Das Falsche angepackt!)

Sie wissen, dass Rotgrün in den letzten Jahren mit dem „Herkules“-Programm gerade im Bereich der einmaligen Hilfen zum Lebensunterhalt enorme Einsparungen vollzogen hat. Schon 1998 lagen laut Sozialhilfereport in Hamburg die einmaligen Hilfen zum Lebensunterhalt um 64 Euro unter dem Großstädtevergleich. Es stimmt nicht, was Sie sagen, wir haben einiges angepackt. Früher war Hamburg relativ großzügig, aber das hat sich in den letzten Jahren längst geändert.

Der zweite Punkt: die Krankenhilfe. Ich wünsche Ihnen viel Glück mit Ihrer Krankenkasse, aber ich glaube nicht, dass es funktioniert. Seit zehn Jahren gibt es, wie es Herr Petersen gesagt hat, Verhandlungen um die Aufnahme der Sozialhilfeempfänger in die gesetzlichen Kassen. Das klappt deshalb nicht, weil man sich nicht über den Beitragssatz einigen kann. Es ist eine Tatsache, dass Sozialhilfeempfänger oft chronisch krank sind, dass sie ein höheres Risiko haben, krank zu sein, und dass viele auch, weil sie krank sind, abhängig von Sozialhilfe geworden sind. Deshalb muss auch der Beitragssatz für sie relativ hoch werden. Aus all diesen Gründen hat man sich bisher nicht geeinigt und darum weiß ich nicht, wie Sie das mit einer eigenen Kasse besser hinkriegen wollen. Wir sollten wirklich auf dem Teppich bleiben und uns an den Fakten und nicht an irgendwelchen Unterstellungen oder Wunschträumen orientieren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Thema? – Herr Rutter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Doch noch ein Wort an Sie, Herr Dr. Petersen. Wenn Sie nach Beweisen fragen, ob das so ist, wie Sie es geschildert haben, dann heißt es doch, Sie unterstellen, dass Sozialhilfeempfänger generell kranker sind als Arbeitnehmer,

(Uwe Grund SPD: Das ist so! Sie haben eben keine Ahnung!)

denn die Kosten sind bei denen doch höher. Das ist aber sachlich in keiner Weise begründet.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Uwe Grund SPD: Doch!)

Wovon werden Sie es denn?

Wenn Sie sich über die Kosten von Zahnersatz und Brillen Gedanken machen, dann seien Sie doch bitte so nett und diskutieren diese Kosten bei den Sozialhilfeempfängern und nicht bei den Leuten, die das Geld aufbringen müssen.

Wenn wir den Sozialgedanken überhaupt ernst nehmen, dann müssen wir nicht nur an die Empfänger denken, sondern auch an die, die das Geld aufbringen. Sozial ist immer eine ausgewogene Sache zwischen Geben und Nehmen. Das dürfen wir nicht vergessen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

(Senatorin Birgit Schnieber-Jastram)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Zu diesem Thema wird das Wort nicht mehr gewünscht. Dann rufe ich das zweite Thema auf, von der Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive:

Zivildienst – kein Sparen auf Kosten von Pflegebedürftigen

Wer wünscht das Wort? – Herr Rutter hat es.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir die erste SPD-Regierung unter Willy Brandt hatten, da kam ein wahrer Schwall von Sozialleistungen über das Volk. Das war keine Gießkanne mehr, das war schon eine Beregnungsanlage. Damals ging es Deutschland gut. Die Wirtschaft boomte und man glaubte, alle Probleme mit Geld zuschieben zu können. Immerhin war damals die Regierung schlau genug, die Sozialgesetze in Bonn zu beschließen und die Ausführung anderen zu überlassen – auch die finanzielle Ausführung.

Aus einigen Bereichen konnte sich die Regierung nicht ausklinken, unter anderem nicht aus dem Zivildienst. Nun leitet die SPD wieder eine Regierung und inzwischen haben sich die Zeiten gewandelt, inzwischen ist Sparen angesagt, wir haben kein Geld mehr. Alles soll zurückgefahren werden.

(Wilfried Buss SPD: Kohl!)

Nun kommen Sie mir nicht mit Herrn Kohl. Es wird über Sozialleistungen, zum Beispiel Arbeitslosenhilfe, nachgedacht, darüber hat Herr Kohl nicht nachgedacht.

Einsparungen sind auch beim Zivildienst geplant. Ich will im Moment gar nicht die wahren Gründe untersuchen, sondern nur die vorgeschobenen Gründe. Nun könnte man meinen, dass ein Betrag von 2 Euro am Tag eigentlich nicht der Rede wert ist. Dazu sollte man vielleicht den gesamten Rahmen nehmen. Bisher wurde vom Bund ein Zuschuss von 6,22 Euro gezahlt. Jetzt sollen 2 Euro wegfallen, das heißt also, rund ein Drittel dieses Zuschusses.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Hört! Hört!)

Damit wir einmal eine Vorstellung von der Größenordnung der Zahlen bekommen.

Wir gehen in der Betrachtung dieser Zahlen weiter. Es wird immer wieder behauptet, dass die Sozialeinrichtungen sich an den Zivildienstleistenden eine goldene Nase verdienen. Man muss sich das einmal genauer ansehen. Bisher sieht es folgendermaßen aus: Ich habe einmal den mittleren Sold genommen, das sind ungefähr 460 Euro im Monat. Das sind die Kosten, die die Zivildienststelle für den Zivildienstleistenden hat. Davon werden bisher 186 Euro erstattet, in Zukunft also 60 Euro weniger. Das Entlassungsgeld beträgt 690 Euro, die Hälfte bezahlt das Bundesamt. Zum Weihnachtsgeld von 172 Euro zahlt das Bundesamt nichts dazu.

Jetzt wollen wir uns die Einsatzzeiten einmal ansehen: Zivildienst zehn Monate, mindestens 22 Tage – gleich sechs Wochen – Urlaub, ISB kann ein bisschen mehr sein, Lehrgang drei Wochen. Das heißt also, rund ein Viertel seiner Dienstzeit steht der Zivildienstleistende überhaupt nicht zur Verfügung. Bezahlen muss das aber die Dienststelle trotzdem in vollem Umfang.

Dann geht es weiter: Wenn der Zivildienstleistende Lust auf politische Bildung hat, kann er sich Urlaub nehmen und

steht wieder nicht zur Verfügung und wieder muss die Dienststelle alles bezahlen. Hinzu kommen noch Fahrtkosten für diese Reisen genauso wie zu Lehrgängen. Dann überlegen Sie sich einmal, was dann übrig bleibt. Wenn der Zivildienstleistende nicht voll eingesetzt werden kann – nehmen wir einmal Todesfall oder Ähnliches –, dann steht da: Die Zivildienststelle leistet weiter.

Wenn wir uns jetzt überlegen, meine Damen und Herren, wofür die Zivildienstleistenden eingesetzt werden, dann sind das in aller Regel Arbeiten, für die sie nicht bezahlt werden. Man kann nämlich diese Dinge nicht unterbringen, wenn es darum geht, Schwerstbehinderte zu betreuen, sie zu waschen, anzuziehen, mit ihnen Einkaufen zu fahren, da geht es in die nächste Stufe. Wenn Zivildienstleistende den Behinderten etwas vorlesen, ein bisschen dazu beitragen, die Lebensqualität dieser Menschen zu verbessern, dann wird das von keiner Seite bezahlt. Einige Einrichtungen arbeiten mit Spenden, die meisten – beispielsweise „Club 68“ oder „Hilfe im Haus“ – haben keine Möglichkeit, solche Kosten abzusetzen.

(Zuruf)

Waren Sie schon einmal dabei? Haben Sie das einmal gesehen?

Die Lebensqualität dieser Menschen, die ohnehin schon geschunden genug sind, wird jetzt dadurch systematisch verschlechtert, dass die Zivildienstleistenden nicht mehr zur Verfügung stehen. Das ist der Dreh- und Angelpunkt, das ist die Schande, die von der jetzigen Regierung kommt, was von niemandem so gesehen wird. Wir können nur hoffen, dass wir in der Lage sind, das ein wenig abzufedern. Ich fürchte nur, bisher geht es nicht. Aber wir sollten durch unsere Initiative erreichen, dass dort endlich wieder vernünftige Verhältnisse geschaffen werden, wo den Menschen direkt am Ort geholfen werden muss. Wir müssen die Bundesregierung deshalb auffordern, dass sie diese Entscheidung zurücknimmt.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Brinkmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Rutter, ich habe Ihren Beitrag nicht so ganz verstanden.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das haben wir nicht anders erwartet!)

Wir Sozialdemokraten bedauern, dass gerade in diesem Bereich gespart werden muss, sehen aber in dem Bereich Familienpolitik keine Alternative.

(Rolf Kruse CDU: Das ist interessant!)

Die Sozialdemokraten haben ihr soziales Gewissen nicht verloren, Herr Frühauf, auch dann nicht, wenn die Berliner Regierung die Erstattungskosten für Zivildienstleistungen um 90 Millionen Euro kürzt. Wir Sozialdemokraten stellen uns aber den Schwierigkeiten der Haushaltskonsolidierung in Berlin genauso, wie wir es in Hamburg getan haben.

(Beifall bei der SPD – Bernd Reinert CDU: Ach so! – Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Sozialer Kahlschlag!)

Der Schill-Fraktion ist überhaupt nicht bewusst, in welche Schwierigkeiten sie ihre Koalitionspartner mit der Anmeldung dieser Debatte bringen.

(Zuruf)

Das Problem ist sehr vielschichtiger, als man vielleicht zunächst denkt.

(Zuruf: Auf einmal!)

Herr Rutter hat Recht, wenn er uns alle aufgefordert hat, an Lösungsmöglichkeiten zu arbeiten.