Protocol of the Session on November 14, 2001

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Habe ich jetzt schon gekriegt!)

Nach der Wahl feiert sich die neue Regierung. Das kann ich verstehen. Aber während Sie sich fröhlich feiern lassen, verkünden Sie für Arbeitslose, für Obdachlose und Arme schwere Zeiten. Ihr Handschlag besiegelte für Hamburg leider den Weg zurück. Ihre Koalitionsvereinbarung atmet den Geist vergangener Jahre. Wenn man sie studiert, weht einem der Muff der sechziger Jahre entgegen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das war die Zeit, als die Welt noch in Ordnung war. Der HSV bot Spitzenfußball und das Rundstück kostete einen Groschen.

(Dietrich Wersich CDU: Wo Sie groß geworden sind!)

Sie haben Hardliner-Ziele, aber wenig Fingerspitzengefühl. Ihr Koalitionsvertrag hebt hervor, dass vor allem in vorwiegend von Zuwanderern bewohnten Gebieten mehr Polizei auf der Straße patrouillieren soll. Ich möchte es in Bildern ausdrücken, die Herr Lange so schätzt: Wenn dieser Koalitionsdampfer die Hamburger Politik vier Jahre lang durch Stürme und schlechtes Wetter führen soll, ist mir nicht wohl.

(Beifall bei der SPD)

Auf mich wirkt diese Schönwetter-Troika wie das Personal eines Butterdampfers.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Dr. Michael Freytag CDU: Butterdampfer gibt’s nicht mehr, das ist nicht mehr aktuell!)

Bei der ersten Untiefe könnte das koalitionäre Partyschiff zerschellen, trotz Admiral, trotz Bürgermeister und trotz Schill am Ruder.

(Ekkehard Rumpf FDP: Jetzt fangen Sie mal mit der Rede an!)

Lieber Herr von Beust! Ich habe mir die Mühe gemacht, Ihre Rede zur Regierungserklärung von Ortwin Runde 1997 nachzulesen. Sie klagten damals über hohe Arbeitslosigkeit und warfen uns vor, nichts dagegen zu tun. Es gab fast 100 000 Arbeitslose in der Stadt. Nun sind es 70 000. Mich treibt die Sorge um – und, ich glaube, nicht mich alleine –, wie viele wir in Hamburg in vier Jahren zählen werden müssen, da Sie diesem Thema so gut wie keine Beachtung schenken.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Für mich ist dieser Koalitionsvertrag so etwas wie ein lückenhafter Migränetext. Es steht nichts darin von Ar

beitslosen, nichts von Arbeitsmarktpolitik, nichts vom Airbus, nichts von Gleichstellung, kein Wort zur Integration. Die Liste wäre beliebig fortzusetzen. Wo sind die Inhalte? Wo ist die Begeisterung? Wo ist der Mut? Wo sind die Visionen?

(Beifall bei der SPD und der GAL – Karl-Heinz Ehlers CDU: Fragen Sie mal Schröder, der weiß, wie man das macht!)

Nur gähnende Langeweile. Sie sind ja schon bei der Rede eingeschlafen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr von Beust, Sie sind der eigentliche Wahlverlierer. Sie sind der Bürgermeister mit dem schlechtesten Wahlergebnis, das je ein Hamburger Regierungschef hatte.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aus dem einstigen „jungen Wilden“ wurde erst ein junger Milder und jetzt – wie es die Zeitungen formulieren – ein Bürgermeister von Schills Gnaden. Schade eigentlich. Aber irgendwie ist das auch wieder konsequent. Schließlich sind die CDU in Hamburg wie auch die CDU in Berlin keine Volksparteien mehr. Nicht einmal jeder fünfte Wahlberechtigte in Hamburg hat CDU gewählt. Dagegen bleibt die SPD die Hamburg-Partei. Das ist ein Fakt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zwei Dinge gilt es festzuhalten: Wenn die Opposition die Schule fürs Regieren ist, dann müssen wir sagen, dass wir von der CDU nach einer so langen Ausbildungszeit mehr erwartet haben, als sie geliefert hat.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Bisher sorgten Sie nur durch zweifelhafte Rekorde für Aufsehen. Noch nie hat sich eine neue Regierung in dieser Republik so schnell und so kaltschnäuzig von ihren Wahlversprechen verabschiedet, wie Sie das getan haben. Gleichzeitig gibt es ein paar unrühmliche Premieren. Zum ersten Mal muss sich ein Hamburger Senator vor Gericht verantworten, zum ersten Mal wird die Gewaltenteilung – ein Grundpfeiler der Demokratie – missachtet, indem leitende Mitarbeiter von Senatoren in der Bürgerschaft sitzen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Damit haben Sie nach nur zwei Wochen im Amt, Herr Schill, Ihren ersten Filzskandal.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Damit aber nicht genug.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Sie sind ein Clown! – Zuruf von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie sollten gar nicht über Filz reden! – Glocke)

Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Grund hat das Wort und soll es auch behalten.

Ich freue mich, dass ich Sie aufgeweckt habe.

(Heiterkeit bei der SPD)

Damit aber nicht genug. Es ist nicht zu fassen, wen dieser Senat in so kurzer Zeit schon alles gegen Hamburg aufgebracht hat.

(Dr. Michael Freytag CDU: Sie vor allem!)

(Uwe Grund SPD)

Hamburg wurde zum Gespött der deutschen Kulturszene.

(Beifall bei der SPD)

Die Weltöffentlichkeit ist empört wegen Neuengamme. Der Vorsitzende von Amicale Internationale in Frankreich musste anreisen, um das Schlimmste zu verhüten. Alle Innenminister aus Nord und Süd, von Herrn Buß in Kiel bis zu Herrn Beckstein in München, sind über Hamburgs starken Mann aufgebracht. Die Elternkammer protestiert gegen die Aufhebung der Schulbereiche und die Gewerkschaften formieren sich gegen den Ausverkauf der öffentlichen Unternehmen. Die Kirchen sprechen von sozialer Kälte

(Beifall bei der SPD)

und selbst die Handelskammer, hanseatisch vornehm, wie sie ist, sieht Nachbesserungsbedarf. Das alles in vierzehn Tagen, Donnerwetter, meine Damen und Herren, tolle Leistung.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

In Wahrheit ist es alles andere als lustig. Herr von Beust, Sie haben einen Zweiten Bürgermeister, der von sich behauptet, er sei der verkörperte Protest. Nun sucht er verzweifelt nach einem neuen Image, denn jeder weiß, dass der Protest nicht lange regiert. Schills Versprechungen hatten eine erstaunlich kurze Halbwertszeit. Kürzlich sagte ein Bürger auf der Straße, der neue Innensenator habe die Qualität eines schlechten Schaumweins, perlt kurz auf der Zunge, danach hängt er irgendwie lau im Gaumen.

(Beifall bei der SPD)

Nun gibt der neue Senat Interviews, in denen er von tieferer Symbolik redet. Überhaupt halten Sie, Herr von Beust, und Ihre beiden Freunde es nun viel und gerne mit Symbolik, von leuchtenden Denkmälern über blaue Uniformen bis zu grünen Pfeilen für Rechtsabbieger. Wir haben nichts gegen ein paar blaue und grüne Farbklecksereien, aber viel mehr als politische Graffiti kommt dabei nicht heraus.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Jetzt ist Schluss mit lustig, jetzt muss regiert werden. Diese Regierung muss sich den Mühen der politischen Realität stellen und sich damit auseinander setzen.

(Beifall bei der SPD)

Über die Handlungskompetenz der neuen Regierung gibt es einen Schwank zu erzählen. Die politische Arbeit des neuen Senats beginnt mit einem Kompetenzwirrwarr, meldet die „Welt am Sonntag“ am Beispiel der geschlossenen Jugendheime. Für das Thema fühlt sich im Moment keine Behörde richtig zuständig. Justizsenator Kusch betont gegenüber der „Welt am Sonntag“, dass er den Schwerpunkt der Problematik nicht im Justizbereich sehe. Die Sozialministerin Schnieber-Jastram wollte sich nicht äußern, schiebt den Ball in Richtung Schulbehörde, doch Schulsenator Lange muss erst klären, ob das seine Kompetenz ist. Die harte Realität holt einen schnell ein, vor allem, wenn man nicht einmal in der Lage ist, vor den Problemen, die auf einen zukommen, rechtzeitig zur Seite zu springen.

(Beifall bei der SPD)

Irgendwie ist der Start des neuen Senats im doppelten Sinne des Wortes zu einer kulturlosen Veranstaltung geworden, zu einer tragischen Abfolge von Pleiten, Pech und Pannen. Ich erkenne an Ihren Handlungen aber schon ein gewisses Muster für den Politikstil dieser Koalition: Zu