Protocol of the Session on November 14, 2001

Irgendwie ist der Start des neuen Senats im doppelten Sinne des Wortes zu einer kulturlosen Veranstaltung geworden, zu einer tragischen Abfolge von Pleiten, Pech und Pannen. Ich erkenne an Ihren Handlungen aber schon ein gewisses Muster für den Politikstil dieser Koalition: Zu

nächst Duftmarken versprühen, Symbole postulieren und dann ausprobieren, wie weit man mit den politischen Zumutungen gehen kann, danach als flotter Dreier ohne Steuermann zurückrudern, wenn der öffentliche Druck zu groß wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Bei der Hamburger FDP hatte ich die Hoffnung, dass sie sich auf ihre eigene Geschichte besinnt, doch der Befund ist tragisch. Eine Traditionsgeschichte weltoffener Liberalität in der Hansestadt wird geopfert für einen Schulsenatorenposten und ein paar Doppeldiäten. Ein Mann wie Herr Lange, der erst vor zwei Jahren in die Partei eintrat, hat sich für „Schill-ernde“ Politik zum Beust-Wahlverein gemacht. Das war zu billig, Herr Lange. So wenig ist Ihre Partei nicht wert, dass Sie sie samt liberaler Werte für eine Spießbürger-Kleinkoalition verkaufen.

(Beifall bei der SPD)

Zu Ihrem Koalitionsvertrag fiel mir das Zitat eines chinesischen Philosophen ein, der sich zum Thema „hochfliegende Pläne“ mahnend geäußert hat.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Mao Tse-tung wahr- scheinlich!)

„Die Pläne sind wie fallender Schnee, wunderschön gleichmäßig und perfekt anzusehen, glitzernd und strahlend. Doch wenn der Boden der Tatsachen erreicht ist, wird alles zu grauem Matsch.“

(Dr. Michael Freytag CDU: Deshalb seid ihr abge- wählt worden!)

Sie haben mit heißer Nadel diesen Koalitionsvertrag gestrickt und der ist wenig perfekt und glitzernd. Dieser Turbotext entstand zu Lasten der Qualität; jetzt fällt Ihnen das Ganze vor die Füße.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Darüber beklagen wir uns nicht. Die Opposition ist schließlich für jede Steilvorlage dankbar und die liefern Sie wirklich reichlich.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zur Arbeitsmarktpolitik hat die neue Regierung im Koalitionsvertrag zum Beispiel nichts zu sagen, der Begriff kommt überhaupt nicht vor. Es wird lediglich davon gesprochen, Mittel des Zweiten Arbeitsmarkts in Lohnkostenzuschüsse umzuwandeln und die verbleibenden Angebote zu dezentralisieren. Inhaltliche Vorstellungen, konkrete Überlegungen oder Konzepte: Fehlanzeige. Etwas konkreter hat sich dann der neue Wirtschaftssenator Uldall geäußert. Originalzitat:

„Der Arbeitsmarkt ist keine soziale Aufgabe.“

Falsch, Herr Uldall, ganz falsch. Es gibt keine bessere Sozialpolitik, als arbeitslose Menschen in Arbeit zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Bei 70 000 Arbeitslosen in Hamburg, davon 7000 junge Menschen, ist die Aussage, dass der Arbeitsmarkt kein soziales Problem sei, mehr als ein rhetorischer Fehlgriff.

(Rolf Kruse CDU: So hat er das nicht gesagt!)

Ihnen muss doch klar werden, dass es Menschen gibt, die zunächst wieder einmal an Arbeit herangeführt werden müssen oder für deren Qualifikation es entsprechende

(Uwe Grund SPD)

Arbeitsplätze gar nicht gibt. Hier müssen niedrig schwellige Beschäftigungsmaßnahmen und Qualifizierungsmaßnahmen bereitgestellt werden.

(Horst Zwengel Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie haben doch nichts getan!)

Dieser Senat glaubt, keine Arbeitsmarktpolitik zu brauchen und die Beschäftigungsträger platt zu machen. Und was ist dann, Herr Uldall? Ich werde Ihnen sagen, was dann geschieht. Die Arbeitslosigkeit wird zunehmen, die Sozialhilfekosten werden steigen und Frau Schnieber-Jastram wird bei Ihnen anklopfen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Und hinterher wird der Bürgerblock erklären, das lag an den Arbeitslosen, die wollten nicht.

Was geschieht denn mit den Übriggebliebenen? Da finden sich dann innovative neue Regierungsansätze wie für drei Mark fegen im Park; na Klasse. Sie glauben, es müssten nur genügend Schmiermittel in die Betriebe und dann nehmen die uns die Arbeitslosen ab; das ist ein fataler Irrtum. Reden Sie mit den Unternehmern. Die Betriebe stellen die Menschen ein, die sie für konkret anliegende Aufgaben brauchen, und lassen sich auch nicht durch noch so großzügige Lohnkostenzuschüsse ermuntern, Langzeitarbeitslose einzustellen. Wir haben das alles versucht, wir haben das Geld wie Sauerbier in der Stadt angeboten. Herr Uldall, dieses Konzept wird scheitern, Sie werden es erleben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Hauen Sie die Beschäftigungsträger nicht zu Klump, gehen Sie hin, reden Sie mit den Betroffenen und den Fachleuten, wenn Sie uns schon nicht glauben wollen.

Sie selbst, Herr von Beust, haben eben gesagt, die beste Prävention sei die berufliche Perspektive; das sehen wir genauso. Aber wenn Sie die Arbeitsmarktpolitik aufgeben und an dieser Stelle Konzepte von Zero tolerance, wie sie Herrn Schill vorschweben, setzen, dann stehen Ihnen Entwicklungen wie in den USA bevor. Die Jugend- und Migrantenkriminalität wird dann steigen. Herr von Beust, machen Sie wie Ihr Vorgänger das Thema Berufsausbildung zur Chefsache, das lohnt sich. Es ist jedenfalls besser, als Ampeln zur Bürgermeistersache zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Vergessen Sie nicht, dass, wer viel gegen Arbeitslosigkeit tut, am Ende viel für Innere Sicherheit macht, und dies im Sinne des Gemeinwohls unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Meine Damen und Herren! Bei der Inneren Sicherheit akzeptiert die SPD ausdrücklich manche Kritik, die an ihrer Politik in der Vergangenheit geübt wurde. Nicht erst seit Olaf Scholz das Amt des Innensenators übernommen hat, haben wir viele Positionen überprüft und uns inhaltlich neu aufgestellt. Es gibt für uns keinen Anlass, von dieser Linie wieder abzurücken. Dieser Senat ist gewählt worden, weil sich viele Menschen in dieser Stadt nicht sicher fühlen und meinen, das rechte Bündnis werde das ändern. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele der vollmundigen Versprechungen schon wieder kassiert sind und andere nur halbherzig erfüllt werden. Wir garantieren der neuen Regierung, sie an ihren eigenen Zusagen zu messen. Wir werden jeden Polizeibeamten und jeden Vollzugsbediensteten zählen, der neu eingestellt wird, seien Sie sicher.

(Beifall bei der SPD)

Sorge bereitet uns, worauf der Senat im Zusammenhang mit Sicherheit überhaupt nicht eingegangen ist, zum Beispiel Strategien zur Prävention von Kriminalität und Drogenmissbrauch zu entwickeln, Förderung des Täter-Opfer-Ausgleichs, Bekämpfung der häuslichen Gewalt, Förderung der Anzeige- und Aussagebereitschaft besonders bei Jugendkriminalität, Sicherheitspartnerschaften, die Polizeikommissariate, Abschöpfen von Verbrechensgewinnen – was passiert mit dem Geld? –, ärztlich kontrollierte Heroinabgabe an Schwerstabhängige, Änderung des SOG. Planen Sie eigentlich ein neues Polizeigesetz?

Sie sehen, an Handlungsfeldern, die wir mitgestalten wollen, mangelt es nicht. Wir werden die Koalition auch unterstützen, und zwar in so wichtigen Fragen wie der schnellen Besetzung der offenen Stellen bei Justiz und Polizei. Wir unterstützen sie bei der vermehrten Einstellung von Mitarbeitern nichtdeutscher Herkunft bei der Polizei, bei der Fortführung der Handlungskonzepte St. Georg und bei der Stärkung des Opferschutzes.

Herr Schill, bei der Innenministerkonferenz haben Sie sich statt blauer Uniformen blaue Augen geholt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie merken, dass man hier mit Symbolik nicht weiterkommt. Nur große Töne spucken reicht eben nicht. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass hier kluges und verantwortliches Handeln gefragt ist.

Dies gilt auch für den Finanzbereich; Sie sprechen von Kassensturz und großer Erblast. Dazu kann ich Ihnen nur eines sagen: Wenn Ihnen das Erbe zu schwer wird, sagen Sie uns einfach Bescheid.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren von der Regierung, es ist klar, dass Sie jetzt mit der Legende kommen, das Defizit liege viel höher, als man ahnen konnte. Deshalb stelle ich hier fest: Sie haben die besondere Chance, nach jahrelangem harten Konsolidierungskurs die Stadt mit einem sanierten Betriebshaushalt zu übernehmen, und nicht nur das. Sie übernehmen eine hochmoderne effiziente Verwaltung öffentlicher Unternehmen und einige sehr clever ausgehandelte Verkaufsoptionen öffentlicher Beteiligungen. Mich erstaunt, wie locker Sie mal eben erklärt haben, dass Sie all Ihre Wahlversprechen ohne zusätzliche Defizite bezahlen wollen.

Ein Wort zu den sinkenden Einnahmen. Sie selbst, Herr von Beust, haben eben gute Gründe genannt, die Neuregelung des Familienlastenausgleichs und die Steuerreform. Da sei daran erinnert, dass wir in der Familienpolitik heute für Fehler bezahlen, die die Kohl-Regierung 16 Jahre lang gemacht hat.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Natürlich ist das so.

Die Steuerreform ging der CDU doch gar nicht weit genug. Wenn Sie sich durchgesetzt hätten, wären die Einnahmeverluste für Hamburg noch viel größer, als sie gegenwärtig sind.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Da sind Sie leicht im Irrtum!)

Wir bauen auf den neuen Finanzsenator. Herr Senator Peiner, die Erwartungshaltung in der Stadt ist, dass Sie die Begehrlichkeiten Ihrer Fachkollegen im Zaune halten. Die vagen Andeutungen Ihrer Kollegen, das Vermögen der

(Uwe Grund SPD)