Protocol of the Session on December 10, 2002

Wer möchte die Textzahl 196 aus der Drucksache 17/1800 beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Textzahl 197.

[Textzahl 197]

Wer stimmt der Textzahl 197 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Über die Abschlusszahlen aus der Textzahl 198 stimmen wir erst morgen ab.

Ich rufe auf den

Einzelplan 3.1: Behörde für Bildung und Sport

Die Fraktionen sind übereingekommen, diesen Einzelplan in zwei Teilen zu behandeln, und zwar zunächst den Bereich Bildung und anschließend den Bereich Jugend.

Wer wünscht zum Bereich Bildung das Wort? – Frau Ernst wünscht das Wort und erhält es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Jahr Schulpolitik unter Schulsenator Lange zeigt eine traurige Bilanz, die ich an einigen Punkten deutlich machen will.

(Rolf-Dieter Klooß SPD)

Erstens: Ihre Schulpolitik ist eine ideologische Schulpolitik.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Oh-Rufe bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Sie sind – und das hat das letzte Jahr sehr deutlich gezeigt – grundsätzlich gegen Integration an Schulen. Es widerspricht Ihren Überzeugungen, dass es zum Wohle von Kindern sein kann, diese, auch wenn sie unterschiedliche Stärken und Schwächen mitbringen, gemeinsam zu unterrichten, und dass die Kinder davon profitieren. Deshalb schaffen Sie die integrativen Regelklassen ab, deshalb sparen Sie bei den Hamburger Gesamtschulen. Frühe Ausgrenzung ist das genaue Gegenteil dessen, was man in Deutschland als Konsequenz aus PISA ziehen muss. Leider wird dies im Hamburger Senat nicht beachtet.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie haben Ihre ideologischen Vorbehalte, die aus der Mottenkiste der Fünfzigerjahre kommen, nicht überwunden und das geht zulasten der Hamburger Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zweitens: Ihre Politik ist überhastet und nicht sorgfältig. Überstürzte Entscheidungen, die wieder zurückgenommen werden, Unklarheiten über die Rahmenbedingungen herrschen seit Monaten an Hamburgs Schulen. Erst wollen Sie die Fachoberschulen ganz abschaffen, dann verlängern Sie für ein Jahr. Jetzt legen Sie einen Schulgesetzentwurf vor, in dem diese Schulen wieder nicht vorkommen, aber die Vertreter der Regierungsfraktionen erklären, noch sei nichts entschieden.

Auch bei der Lehrerarbeitszeit weiß niemand, was kommt. Beschluss in Jesteburg, die Arbeitszeit zu erhöhen, dann überschlagen Sie sich in Dementis, widersprechen auch Ihrem Senatskollegen Peiner. Dann versichern Sie den Kolleginnen und Kollegen an den Schulen sogar schriftlich, dass sie nicht mehr arbeiten müssen, und dann setzen Sie eine Arbeitszeitkommission ein, die einen Einsparbeitrag bringen soll, was Sie dann anschließend natürlich auch gleich wieder dementieren.

Das Abitur nach zwölf Jahren wird überstürzt eingeführt. Im Koalitionsvertrag haben Sie sich verpflichtet, die Schulgebietsgrenzen abzuschaffen. Nach monatelangem Chaos und Unsicherheit an den Schulen haben Sie jetzt hier einen Antrag eingebracht, dass im Prinzip alles so bleibt. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Drittens: Sie reduzieren die Bildungschancen in Hamburg, indem frühe Festlegungen auf Bildungswege nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Sie haben ein Schulgesetz vorgelegt, in dem die Dreigliedrigkeit noch stärker betont wird. Sie wollen die Möglichkeit abschaffen, in Hamburg nach der Realschule die Fachoberschule, das Fachabitur, zu machen. Sie wollen nach Klasse 5 eine zusätzliche Prüfung einführen und damit die Beobachtungsstufe entwerten und Schüler vom Gymnasium vertreiben.

(Beifall bei Doris Mandel SPD)

Sie planen, Schülerinnen und Schüler wegen mangelnder sprachlicher Fähigkeiten gar nicht erst einzuschulen.

(Vizepräsident Farid Müller übernimmt den Vorsitz.)

Sie begreifen nicht, dass Sie mit dieser Politik Kindern Chancen für ihr Leben nehmen, und Sie begreifen auch nicht, dass Sie dabei sind, den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in Hamburg aufzubauen, und damit schaden Sie Hamburgs Zukunft.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Viertens: Sie, Herr Senator Lange, und die Schulpolitik spielen im Senat überhaupt keine Rolle. Bildung hat keine Priorität. Sie kürzen 345 Lehrerstellen in diesem Jahr und sparen über 12 Millionen Euro ein.

(Ekkehard Rumpf FDP: Ammenmärchen!)

Diesen Haushaltsplan haben Sie hier vorgelegt. Der Schulsenator Lange hat im Senat keine Bedeutung und leider reißt er die Bildung mit hinunter.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die SPD-Fraktion hat einen Antrag vorgelegt, in dem wir Bildung zu einem Schwerpunkt gemacht haben, ebenso wie die Familienpolitik. Sie hingegen bauen hier ab und zerschlagen das, was in zehn Jahren manchmal – das gestehe ich auch zu – mühsam aufgebaut wurde, und fahren die Zahl der Lehrkräfte zurück auf den Stand Anfang der Neunzigerjahre und wollen uns durch eine Kassensturzlegende auch noch weismachen, dass es sich hierbei um einen Ausbau handeln soll.

Zusätzlich wollen Sie die Eltern zur Kasse bitten, indem Sie die Lernmittelfreiheit abschaffen wollen. Leider ist die Initiative des Abgeordneten Silberbach gescheitert, hier innezuhalten. Herr Silberbach, Sie haben heute noch einmal Gelegenheit, unserem Antrag zuzustimmen. Vielleicht überdenken Sie das noch einmal.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Fünftens: Sie fürchten sich, Herr Senator Lange, für die, für die Sie arbeiten wollen, und verschanzen sich. Die Führung einer Behörde gelingt nicht. Wir erinnern uns noch daran, wie Sie hier öffentlich Ihre leitenden Beamten demontiert haben, und ich sage Ihnen, die Stimmung an den Schulen ist gegen Sie. Sie interessieren sich nicht für die Meinung an den Schulen, Sie interessieren sich nicht für die Stellungnahmen der Kammern. Statt politischem Dialog und Überzeugungskraft der Politik sind Ignoranz und Abschottung das Markenzeichen von Schulsenator Lange.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Letzter Punkt: Keiner will diesen Schulsenator Lange.

(Ekkehard Rumpf FDP: Doch, hier!)

Täglich erreichen uns Proteste von Schulen. Vor der Sommerpause gab es eine große Demonstration.

(Karl-Heinz Winkler Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Da sind die Schüler von den Lehrern ange- stiftet worden!)

Meinungsumfragen stellen Ihnen ein vernichtendes Zeugnis aus. Über 70 Prozent der befragten Eltern stehen in Opposition zu Ihrer Schulpolitik. Über 59 Prozent fordern Ihren Rücktritt. Deutlicher kann es eigentlich kaum noch werden.

(Martin Woestmeyer FDP: Sie haben die Jahres- zahlen verwechselt!)

40 000 Hamburgerinnen und Hamburger haben in einer Volkspetition gegen diese Schulpolitik protestiert und es gibt einen weiteren gewichtigen Zeugen. Selbst der Erste

(Britta Ernst SPD)

Bürgermeister hat in seinem Sommerinterview erklärt, dass er unzufrieden mit Ihnen sei und dass die Schulpolitik ein Schwachpunkt im Senat sei. Keiner will diesen Senator mehr, aber leider bleibt die Frage, wie lange Lange noch im Amt bleibt, weiterhin unbeantwortet und das ist eine verheerende Bilanz nach einem Jahr. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort wünscht Herr Drews.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ernst, das ist wieder typisch. Ihre Rede ist aufgebaut, selbst in der Haushaltsdebatte, aus einer Menge von Legenden und Falschheiten, die Sie sich angesichts eines Haushaltes für die Zukunft nicht scheuen, hier im Parlament einzubringen. Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie viele Punkte inhaltlich anders sehen. Was ich Ihnen nicht zugestehe, ist, dass Sie hier bei einem Haushaltsplan der Freien und Hansestadt Hamburg, bei der Diskussion über das Jahr 2003, zum fünfhundertsechsundsiebzigsten Mal Dinge wiederholen, von denen Sie wissen, dass sie nicht wahr sind. Die Integrationsklassen werden nicht abgeschafft.

(Günter Frank SPD: Was denn?)