Protocol of the Session on December 10, 2002

(Sabine Steffen GAL)

Klar ist immerhin, wer nicht für diese Einrichtung vorgesehen ist: Mädchen – für sie soll nämlich eine gesonderte Einrichtung geschaffen werden, ein Rückfall ins Mittelalter der Jugendhilfe – und Jugendliche mit Suchtproblemen, wobei die meisten der durch Kleinkriminalität auffälligen Jugendlichen Suchtprobleme haben. Die Kollegen, die in der Enquete-Kommission waren, wissen das. Die Kollegen von der PRO und von der FDP können das nicht wissen, sie waren noch nicht dabei. Im Übrigen haben viele der so genannten Intensivtäter Suchtprobleme. Aber, Fehlanzeige. Auch für diese ist die Einrichtung nicht gedacht.

Bisher wurden viele der Jugendlichen in Jugendwohnungen und Wohngruppen untergebracht. Wir sind der Auffassung, eine Standardverbesserung dieser Angebote, bei denen eine intensive und ständige Betreuung auch schwieriger Jugendlicher verbindlich gewährleistet werden kann, ist weitaus sinnvoller als das konzeptlose Betreiben einer Einrichtung, deren Hauptanliegen zu sein scheint, eine Flucht zu verhindern.

Die Idee, die zur Auflösung der geschlossenen Heime führte und stattdessen nach Menschen verlangte, anstatt die Kinder und Jugendlichen hinter Mauern wegzusperren, ist noch immer richtig, um orientierungslosen Jugendlichen Normen und Werte zu vermitteln. Nur, man muss die Menschen auch zur Verfügung stellen.

Flexibel einsetzbares Fachpersonal, das in Krisensituationen schnell reagieren kann und rund um die Uhr auch für eine längere Zeit zur Verfügung steht, wird für die Jugendlichen mehr bewirken als ein gesichertes Gebäude, deren Betreiber Versuch und Irrtum zur pädagogischen Methode erheben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Den Bereich der Kindertagesbetreuung überlasse ich dann gern den anderen Kollegen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Schrader.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Versuch, das Konzept der geschlossenen Unterbringung schlecht zu reden, war ganz bestimmt ein Irrtum.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Der Senat hat mit dem Konzept der geschlossenen Unterbringung ein sehr vernünftiges pädagogisches Konzept vorgelegt. Und wenn hier gesagt wird, damit sei ein möglichst gesichertes Wegschließen verbunden, ohne dass irgendeine Arbeit mit den Menschen verrichtet würde, so ist das schlicht falsch. Wenn Sie das Konzept gelesen hätten, dann hätten Sie die vorgesehenen Abstufungen gesehen,

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

dass nämlich nach vier Wochen selbstverständlich die Möglichkeit einer Lockerung besteht und dies alles auch pädagogisch vernünftig eingesetzt wird, um den Leuten eine Perspektive zu bieten, um sie zu erziehen, um ihnen wieder Werte zu vermitteln und sie in eine vernünftige Bahn zu lenken.

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Das glaube ich ganz sicher, denn ich habe ja sehen müssen, was dabei herausgekommen ist, als man – ich weiß nicht, vor wie vielen Jahren, ich bin noch jung – die geschlossenen Heime in Hamburg abgeschafft hat. Es kam dabei heraus, dass man mit sehr viel finanziellem Aufwand und sehr viel Mühe Menschen hat ins Unglück fallen lassen, sie in die Kriminalität abgerutscht sind.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Dass man das Familieninterventionsteam hier für eine erste Einschätzung einbindet, ist übrigens auch Bestandteil dieses pädagogischen und sehr vernünftigen Konzepts, dass die Entscheidung eben an erster Stelle bei den Fachleuten liegt und man erst an zweiter Stelle die Richter bemüht. Vorher kümmert man sich selbstverständlich darum, ob niedrigschwelligere Möglichkeiten denkbar sind.

Der falsche Weg hingegen ist gewesen, erst einmal Straftaten begehen zu lassen, um dann familienrechtlich nicht mehr zuständig zu sein, weil dann nämlich die Strafjustiz zuständig ist. Die Möglichkeiten, die sich dort bieten, sind pädagogisch in der Tat weniger wirkungsvoll und deswegen ist der Senat hier auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dr. Willfried Maier GAL: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Nur am Rande möchte ich erwähnen, dass das Konzept, das Sie so scharf kritisiert haben, seit vielen Jahren in Baden-Württemberg und Bayern erfolgreich durchgeführt wird. Das hat nichts mit Try and error zu tun, das hat mit Erfahrung zu tun. Error war der vergangene Senat auf diesem Gebiet.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das hat die SPD mittlerweile auch eingesehen – Herr Neumann ist nicht hier, ich habe ihn jetzt genug gelobt –, ob er es als Interview gesagt hat oder als Pressemitteilung, ist egal. Wenn er einmal Ihr Vorsitzender ist, darf er auch Interviews geben, da bin ich mir sicher.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Die Jugendhilfe wird in einem ersten Schritt über 4 Millionen Euro umgesteuert. Dies ist ein Anfang, es ist nicht das, was die FDP gerne gehabt hätte – das gilt sicher auch für die beiden anderen Regierungsfraktionen –, aber es ist das, was im Rahmen des Haushalts derzeit möglich ist. Hier sind wir auf dem richtigen Weg. Die Freien Träger sind diejenigen, die kostengünstiger und niedrigschwelliger arbeiten können, und hier werden wir auch fortfahren.

Damit verbunden ist eine strenge Mittelvergabeanalyse, was Sie als Kürzung diskreditieren. Die Tatsache allein, dass eine Initiative im Jugendbereich über Jahre an der Mutterbrust der SPD groß geworden ist, rechtfertigt es nicht, dass heute noch gieriges Saugen vonstatten geht. Hier müssen wir gucken, ob die Mittel effizient eingesetzt werden. Hier müssen wir überprüfen, ob tatsächlich solche Mittel noch notwendig sind. Und wenn sie das nicht sind, müssen wir auch einmal an andere Träger denken und umlenken. Das ist ein ganz normaler wirtschaftlicher Analyseprozess.

(Sabine Steffen GAL)

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wir werden also lediglich überprüfen, wem welche Gelder zu welchem Zweck zufließen sollen. Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass es dieser Senat war, der einen Zuwendungsbericht in einem Umfang vorgelegt hat, wie wir es bisher noch nicht gekannt haben, und somit eine solide Entscheidungsgrundlage gerade im Bereich der Jugendhilfe geschaffen hat. So macht es jedes wirtschaftlich arbeitende Unternehmen, so macht es die Hausfrau und eigentlich jeder, der vernünftig haushalten will.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Alles andere wäre nämlich – vor den Wahlen ist dies gerade von unseren Vorgängern im Senat wieder unter Beweis gestellt worden – Augenwischerei, ein kurzfristiges Erhöhen, um hinterher zu sehen, dass die Mittel an anderer Stelle fehlen. Das ist das zentrale Problem, das momentan gerade in den Bezirken virulent wird. Niemand kann bestreiten, dass die Jugendarbeit in den Bezirken von diesem Senat, um den Kollegen Woestmeyer zu zitieren, mit über 2,6 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet worden ist, 10 Prozent mehr, als es der SPD-Senat geschafft hat.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Und bei den Beispielen, wo es in den Bezirken Probleme gibt, fallen mir komischerweise zwei Bezirke ein, in denen die SPD mit jeweils anderen Koalitionspartnern die Mehrheit stellt. Schimpfen wir deshalb nicht auf die Bezirke, dort werden teilweise sicherlich Lücken gestopft, die früher aufgerissen worden sind, als man die große Gießkanne vor Bürgerschaftswahlen angesetzt hat, aber diese Probleme werden in den Bezirken zu lösen sein. Dieser Senat hat die Mittel dafür zur Verfügung gestellt. Mehr ist auf Landesebene, wenn man es ernst mit bezirklichen Rechten meint, nicht zu machen und deswegen ist dieser Haushalt im Jugendbereich vorbildlich.

An dieser Stelle höre ich erst einmal auf. Wir sehen uns wieder, wenn ich das richtig stelle, was Herr Böwer gleich alles falsch sagen wird.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Herr Böwer, jetzt haben Sie das Wort.

Herr Kollege, darf ich Ihnen noch Ihr Manuskript nachreichen?

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Sie sollen die Chance haben, was Richtiges zu sagen!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss sich schon wundern. Da bittet man die Regierungskoalition, zum Bereich Jugendpolitik zu reden, und sie reden über Themen wie „Hilfen zur Erziehung“ und „geschlossene Heime Feuerbergstraße“ und die zuständige Fachsenatorin ist bei dieser Beratung in der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg nicht anwesend.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Also stellt sich die Frage, ob die Koalition gerade das Thema verfehlt hat oder der Senat die Haushaltsberatun

gen in einem so wichtigen zentralen Fachbereich nicht mehr ernst nimmt. Diese Frage muss man sich stellen, denn zumindest der Staatsrat der zuständigen Behörde könnte ja anwesend sein.

Beim Nachdenken, worüber wir hier reden, habe ich die Bitte an Herrn Senator Lange, mir eine Protokollnotiz aus dem Haushaltsausschuss zu erläutern. Wenn wir nämlich über den Kita-Bereich reden, so führten die Senatsvertreter im Haushaltsausschusses im Zusammenhang mit den Investitionsmitteln wörtlich aus:

„Die Beschlüsse für 2002 und die Haushaltsplanungen für 2003 sehen keine Expansion der Angebote vor. Es ist weder ein Ausbauprogramm in Sicht noch finanziell vorbereitet. Deshalb ist es auch nicht erforderlich, an einem Standort disponibel gewordene Mittel an anderer Stelle für einen Ausbau zur Verfügung zu stellen.“

Dann sind wir beim Kernproblem Ihrer Kita-Politik. Sie versuchen, ein nachfrageorientiertes System der Kindertagesbetreuung auf die Beine zu stellen mit dem von Frau Weber vorhin angekündigten Kita-Gutscheinsystem, aber Sie ziehen aus Ihrer eigenen in Auftrag gegebenen Studie keine entsprechenden Rückschlüsse. Ihre eigene, von Ihnen selbst mit 130 000 Euro bezahlte Studie sagt, in Hamburg fehlen 14 000 bis 18 000 Kita-Plätze. In der gleichen Haushaltsplanberatung für das Jahr 2003 sagen Sie, ein Ausbau sei in dem Bereich nicht vorgesehen. Von daher hätte ich die Bitte, mir dieses einmal zu erläutern. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Weinberg.

(Rolf Harlinghausen CDU: Herr Böwer war schon ganz schön langweilig!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Böwer, auch der zweite Anlauf war relativ schlecht. Entschuldigen Sie bitte, aber so, wie Sie es gerade gemacht haben, können wir keine Politik betreiben.