Protocol of the Session on December 10, 2002

(Michael Neumann SPD: Welches Interview? – Tho- mas Böwer SPD: Ein Autogramm bitte!)

Sie waren leider am Anfang nicht da. Auf jeden Fall wurden Sie zitiert.

(Zuruf von Michael Neumann SPD)

Ich weiß nicht, warum man sonst zitiert wird.

(Zuruf von Michael Neumann SPD)

Ach so, das Interview ist verboten worden.

Tatsache ist, Herr Neumann, dass Sie in Hamburg im Bereich Jugendarbeit und Jugendkriminalität verbrannte Erde hinterlassen haben und in den Maßnahmen vielleicht heiße Luft. Das haben wir gewusst.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Oh-Rufe bei der SPD)

Dass Sie aber selber zugeben, dass Sie ein Vakuum hinterlassen haben, zeigt: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. – Danke schön.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Steffen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da haben wir jetzt also einen Senat, der sich bürgerlich nennt

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

was auch immer das ist oder was die anderen sind –, und da meint man doch allgemein, der steht für Recht und Ordnung.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Und was ist? – Das Chaos hat Konjunktur.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Chaos, welches dieser Senat – hervorgerufen durch seinen Jesteburger Gehirnsturm – verbreitet, macht natürlich auch nicht vor dem Bereich der Jugendhilfe Halt, obwohl ich Frau Pawlowski gerne zugestehe, dass in diesem Bereich in der Tat nicht gekürzt worden ist. Umso dramatischer sind die Auswirkungen.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Ach so!)

Hören Sie zu, dann werden Sie es vielleicht verstehen.

Im April 2002 haben Sie die Drucksache „Weiterentwicklung der Jugendhilfe“ beschlossen mit dem Auftrag, bis zu den Haushaltsberatungen 2003 – die sind jetzt, meine Damen und Herren – ein Gesamtkonzept zur Durchsetzung und Umsetzung der in dieser Drucksache beschlossenen Ziele vorzulegen. Passiert ist bisher wenig bis nichts. Ich kenne nämlich bisher kein solches Konzept.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie sind ja auch später gekommen!)

Das hat damit nichts zu tun. Das müsste jetzt vorliegen. Die Bemerkung war ein bisschen unlogisch.

Das Konzept müsste also jetzt vorliegen, um deutlich zu machen, wie diese Zielsetzungen erreicht werden können. Im Gegenteil. Obwohl in den meisten Bezirken Koalitionen mit Beteiligung der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive vorhanden sind und somit auch die Mehrheitsverhältnisse in den bezirklichen Jugendhilfeausschüssen denen auf Bürgerschaftsebene gleichen, scheint die Re

(Karina Weber Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

gierungsmeinung nicht bis auf die Ebene der Bezirke durchzudringen. Und dies, obwohl, meine Damen und Herren, nahe Verwandte von Senatoren und Mitarbeiter von Bürgerschaftsabgeordneten Ihrer Fraktion in diesen Jugendhilfeausschüssen sitzen. Da muss man sich schon wundern.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Rolf Gerhard Rutter Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Absolut nicht. Da sind Sie aber schlecht informiert!)

In einem Bezirk werden Beschlüsse gefasst, Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit zu schließen. Der Jugendhilfeausschuss war dort vielleicht ein bisschen voreilig. Man kürzt sogar um 350 000 Euro. In einem anderen Bezirk versucht man das Gleiche unter Zuhilfenahme eines in seinen Kriterien durchaus zweifelhaften Algorithmus mit dem Hinweis umzuschichten, man könne sonst neue Einrichtungen nicht mit Personal bestücken. Das ist im Prinzip richtig. Nur haben die Kollegen dort natürlich verkannt, dass dieser Senat gerade die Investitionen für neue Einrichtungen gestreckt und damit gekürzt hat und sie in den Bezirken gar nicht in dem Maße umgesetzt werden, wie es eigentlich einmal angedacht war.

Dass natürlich damit das Ziel, das in der vergangenen Legislaturperiode unstrittig über alle Fraktionen hinweg in dieser Bürgerschaft vorhanden gewesen ist, dass Einrichtungen, die familienfördernde und ergänzende Angebote vorhalten, möglichst weiter ausgebaut werden, nicht erreicht wird, scheint nicht klar zu sein. So geht es nicht nur in zwei Bezirken, so geht es in allen Bezirken. In Anlehnung an einen James-Dean-Klassiker könnte man sagen:

„Denn sie wissen nicht, was sie tun.“

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Jeder macht, was er will, aber keiner, was er soll. Die Führungslehre beschreibt diese Phänomene bei einem Führungsstil in einer Gruppe, in der Führungslosigkeit herrscht. Das sollte der Bürgermeister sich vielleicht einmal hinter die Ohren schreiben. Das Personalamt bietet übrigens gute Führungskurse an. Vielleicht darf er da einmal partizipieren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Angesichts der fehlenden Konzepte und der Desorientierung der Jugendämter wundert es nicht, dass der Antrag „Weiterentwicklung der Jugendhilfe; Konkretisierung für den Haushalt 2003“ der CDU und der anderen Regierungsfraktionen nur insofern konkretisiert ist, als dass er statt in der vorherigen Drucksache angekündigten 6 Prozent Umschichtung nun ein Umschichtungsvolumen von mindestens 4 Millionen Euro fordert. Heute haben Sie einen veränderten Antrag vorgelegt, in dem Sie den Zusatz

„... soweit gesetzliche Leistungen dem nicht entgegenstehen“

gestrichen haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Darf ich diesen Änderungsantrag als eine Aufforderung zum Rechtsbruch verstehen? –

(Thomas Böwer SPD: Ja!)

Nein? Sie merken schon, wir stehen kurz vor Weihnachten und die Regierungskoalition wünscht sich etwas im Bereich der Jugendhilfe und im Jugendhilfehaushalt. Und das ist es auch schon.

Meine Damen und Herren! Das ist eine glatte Nullnummer. Da hätten Sie ehrlicherweise sagen können, wir wünschen es uns, dass wir diese 4 Millionen Euro umschichten, aber wenn das nicht klappt, dann eben nicht.

Mit unserem Antrag „Sozialraumbudgets und sozialraumorientierte Jugendhilfe“ geben wir Ihnen gern etwas Nachhilfeunterricht. Damit sozialraumorientierte Angebote und Arbeitsweisen auch verbindlich erfolgen und auch das letzte Jugendhilfeausschussmitglied versteht, auf welcher Grundlage es Beschlüsse fasst, bedarf es neben dem noch zu erstellenden Konzept, auf das wir alle gespannt warten, einer Globalrichtlinie, die dieses verbindlich regelt. Damit dieser jedoch nicht erst zum nächsten Haushalt wirksam wird, werden die bezirklichen Jugendämter mit unserem Antrag aufgefordert, die positiven Erkenntnisse aus den Evaluationen der Schnittstellen und Modellprojekte in weiteren Angeboten der Jugendhilfe zu nutzen. Solange es noch keine entsprechende Globalrichtlinie gibt – die wird es auch erst geben, wenn Sie irgendwann Ihr Konzept vorlegen –, löst man so etwas verwaltungstechnisch bei Trägern der freien Jugendhilfe durch Auflagen im Zuwendungsbescheid. Dies ist eine konkrete Vorgabe, die eine politische Zielsetzung deutlich macht und die Zielsetzung von Ihnen und von uns in die gewünschte Richtung einer Stärkung und Umschichtung zugunsten der Bereiche Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Familienförderung lenkt und auch erreicht.

Ein weiteres Lieblingsprojekt des Senats und der Regierungskoalition, die geschlossene oder auch verbindliche Unterbringung, leidet an der gleichen konzeptionellen Auszehrung wie alles, was der Senat im Bereich der Jugendhilfe zu bieten hat.

Wie uns im Ausschuss für Jugend und Sport mitgeteilt wurde, wird hier operative Hektik und Learning by doing – man könnte die Methode auch mit „Versuch und Irrtum“ umschreiben – zur Leitlinie des Handelns erhoben.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Rolf Kruse CDU: Das ist ja schön!)

Eigentlich scheint keiner von Ihnen so recht zu wissen, für wen dieses Jugendhilfeangebot sein soll. Für Kinder, denen Fremdgefährdung diagnostiziert wird, aber nur wenn ein Familienrichter den Eltern das Sorgerecht entzieht und dann noch der Auffassung ist, dass dieser Selbst- und Fremdgefährdung nur durch eine geschlossene Unterbringung begegnet werden kann,

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Kennen Sie den Sinn eines Konzepts?)

wobei dieses aber erst einmal sozialpädagogisch untermauert sein muss, denn auf die Stellungnahmen der Sozialpädagogen begründet das Gericht seine Entscheidung. Da man schon fürchtete, hier ins Leere zu laufen, und unter Umständen ein teures Angebot im stationären Bereich vorhält, den man eigentlich reduzieren wollte, ohne dass vielleicht jemals eine Mannschaft in dieser Einrichtung entsteht – wir haben im Jugend- und Sportausschuss auch von den sozialen Errungenschaften des Mannschaftssports gehört –, hat man das Familieninterventionsteam erfunden und bei dem neu geschaffenen achten überbezirklichen Jugendamt angebunden. Dieses wird zukünftig gegebenenfalls die Sorgerechtsentzüge veranlassen und die Berichte für das Gericht gleich selbst schreiben, damit gewährleistet ist, dass die zur Einweisung erforderlichen Stellungnahmen abgegeben werden. So schafft man eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

(Sabine Steffen GAL)