Protocol of the Session on December 10, 2002

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Die Sitzung hat wieder begonnen und ich bitte Sie, jetzt so ruhig zu sein, dass die Rednerin auch von allen verstanden wird.

(Uwe Grund SPD: Das gilt auch für den Senator da hinten!)

Seit vielen Jahren wurde immer wieder von Praktikerinnen und Praktikern vor Ort, den Experten der Jugendhilfe, den regionalen Jugendausschüssen und auch zuletzt von uns als Ergebnis der Enquete-Kommission „Jugendkriminalität“ eine deutliche Stärkung der offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie die Förderung der Erziehung in den Familien gefordert. Wir bauen dabei auf die positiven Erfahrungen und Auswirkungen der verschiedenen Projekte, die Kinder- und Familienhilfezentren sowie die Modell- und Schnittstellenprojekte. Diesen auf den jeweiligen Bewegungsraum von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien aufbauenden Lebens- und Arbeitszusammenhängen gehört die Zukunft. Der Weg zu einer Entsäulung der Jugendhilfe ist damit geschaffen. Ein Exkurs an dieser Stelle muss auch noch sein. Es geistern Presseartikel in der Stadt herum, in denen von Kürzungen in der bezirklichen Kinder- und Jugendarbeit die Rede ist. Richtig ist, dass der Senat an keiner Stelle gekürzt hat.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Glocke)

(Britta Ernst SPD)

A C

B D

Meine Damen, meine Herren! Die mahnenden Worte des Präsidiums gelten nicht nur für die Abgeordneten, sondern auch für den Senat.

(Zuruf: Fürwahr!)

Allerdings, um jetzt noch einmal auf die Kürzungen zu kommen, ist schon 1998 unter dem alten Senat – das wissen Sie genau, Frau Steffen – einvernehmlich mit den Bezirken eine Umverteilung verabredet worden. Was die Jugendhilfeausschüsse in Bezug auf die Bedarfe vor Ort selber gemacht haben, war ihre eigene hoheitliche bezirkliche Entscheidung. Also, nochmals: Wir haben nicht gekürzt.

Sicherlich würden wir uns bei der Weiterentwicklung der Jugendhilfe eine noch deutlichere, bessere Verknüpfung der einzelnen Angebote der Jugendhilfe wünschen. Aber es zeigt sich, dass die Trägerlandschaft, die dieser Arbeit anfänglich skeptisch gegenüber stand, nun mit vollem Elan mitmacht. Genau hier besteht der Unterschied zu Ihnen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Es geht hier nicht um die „Lufthoheit über den Kinderbetten“, was im Übrigen eine verbale Entgleisung Ihres Landesvorsitzenden Scholz war.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wer keine Ahnung von tatsächlicher Kinder- und Jugendarbeit hat, der kann wohl nur in solchen Kategorien denken. Nein, wir wollen uns an dem tatsächlichen Handeln für die jungen Menschen und ihre Familien in dieser Stadt messen lassen. Sie sind gern zur Mitarbeit eingeladen. Ob die SPD dazu allerdings in der Lage ist, scheint angesichts dessen, was sie zu diesem Themenkomplex heute auf den Tisch gelegt hat, zweifelhaft.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Den Antrag der GAL zum Bereich Sozialraumbudget hingegen überweisen wir gern an den Jugendausschuss, da er uns in den Ansätzen und in der Umschichtung unterstützt. Da sind wir nicht auseinander, deswegen haben wir uns auch sehr über diesen Antrag gefreut. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Frau Weber.

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Böwer, ich kann verstehen, dass Sie sprachlos sind. Das habe ich auch nicht anders erwartet. Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass die SPD sich schon Ende dieses Jahres für geschlossene Heime ausspricht, hätte ich gesagt: Nein, eher fressen die Genossen Kreide.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dr. Andreas Mattner CDU: Das Schweigen der Lämmer! – Ingo Egloff SPD: Wir möchten von Ihnen nicht Genossen genannt werden! – Dr. Willfried Maier GAL: Man darf Genosse sagen!)

Aber, wie wir sehen können, sind die Zähne der SPDMannschaft nicht weißer geworden. Im Gegenteil. Sie

schäumen zwar manchmal ein bisschen vor Wut, aber mehr kommt dabei nicht herum.

Es geschehen tatsächlich noch Zeichen und Wunder und auf einmal fordern die Genossen geschlossene Heime. Zu verdanken haben sie das natürlich ihrem innenpolitischen Sprecher, Herrn Neumann, der in seinem fast schon legendär gewordenen Interview vom 26. Oktober in den „Harburger Anzeigen und Nachrichten“

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Herr Neumann macht noch Bürgergespräche. Er macht Herrn Schill alles nach!)

tatsächlich gesagt hat: Wir wollen jetzt geschlossene Heime. Er hat nicht nur die Ideen unserer Partei und der CDU übernommen. Nein, er hat abgeschrieben und gesagt, Erziehung könne nur stattfinden, wenn die Jugendlichen da sind. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Einsicht.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Leider – das meine ich ernst und ohne jede Polemik – kommt diese Einsicht für viele, viele Opfer in den Neunzigerjahren viel zu spät. Hätten Sie es eher eingesehen, hätten wir uns Crashkid Dennis sparen können, wir hätten uns den Schrecken von Berne höchstens in einem Horrorfilm vorstellen können und Willy Dabelstein wäre wahrscheinlich nicht ermordet worden und würde jetzt noch leben.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Aber späte Einsicht ist besser als gar keine Einsicht, auch wenn ich nicht glauben kann, dass diese Einsicht von einem großen Teil der SPD – jedenfalls nicht im Herzen – mitgetragen wird. Bei Ihrer Achtundsechziger-Ideologie kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie von einem auf den anderen Tag von „Menschen statt Mauern“ zu geschlossenen Heimen kommen und Herr Neumann sozusagen Vorturner in Sachen Wendemanöver im Innenbereich ist. Wahrscheinlich hat Herr Neumann Ihnen erzählt, dass Sie, wenn Sie so weiter machen und an ihren alten Parolen hängen, noch in 20 Jahren da sitzen werden, wo Sie jetzt sitzen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Wir, von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, glauben das, was wir fordern.

(Lachen bei der SPD und der GAL)

Deswegen sind wir froh und stolz, dass eine unserer Kernforderungen endlich durchgeführt werden kann, nämlich die Wiedereinführung geschlossener Heime und die Instandsetzung der Jugendarrestanstalt Wandsbek so, wie sie ursprünglich einmal geplant war, bis Sie sie weich machten und sie gar nicht mehr zu erkennen war. Unser Rahmenkonzept wird dafür sorgen, dass die Kinder und Jugendlichen nicht, wie Sie immer suggerieren, weggesperrt,

(Manfred Mahr GAL: Eingesperrt!)

sondern pädagogisch betreut und diese Heime zum Kindeswohl, aber auch zum Schutze der Bevölkerung in Anspruch genommen werden.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

(Bettina Pawlowski CDU)

Der Entzug des elterlichen Sorgerechts sowie die Herausnahme von Kindern und Jugendlichen aus ihrem familiären Umfeld ist natürlich immer nur der allerletzte Schritt. Darum liegt unser Schwerpunkt natürlich eindeutig auf der Prävention.

(Aha-Rufe von der SPD)

Den Eltern soll durch Stärkung ihrer Erziehungskompetenz die Möglichkeit gegeben werden, ihr eigenes Verhalten zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Das Eltern-Trainingsprogramm „Starke Eltern – starke Kinder“ oder auch das neue „Elterntelefon“ tragen dazu bei. Nur in besonders schwierigen Fällen kommt das Familien-Interventionsteam zum Zuge, das übrigens in Hamburg bundesweit eine Vorreiterrolle einnimmt.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Herr Neumann hat gleich das Elterntelefon angerufen!)

Durch die frühzeitige Unterstützung der Eltern rechnen wir endlich mit einer Reduzierung des Bedarfs an stationärer und ambulanter individueller Erziehungshilfe.

Rotgrün ist es trotz ständig steigender Kosten im HzEBereich nicht gelungen, hier eine erfolgreiche Jugendpolitik zu betreiben. Durch praktischere und bodenständigere Methoden werden wir Eltern, Kindern und Jugendlichen bei tendenziell geringeren Kosten eine optimierte Unterstützung anbieten. Wir werden Ihnen beweisen, dass das möglich ist.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Trotz der angespannten Haushaltslage nehmen wir im Vergleich zum Jahre 2002 im Bereich Jugend und Familie keine Kürzungen vor. Während in anderen Bundesländern Kürzungen bis zu 20 Prozent hingenommen werden müssen, müssen unsere Bezirke nicht sparen. Im Gegenteil. Sie haben rund 10 Prozent mehr Mittel zur Verfügung.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Dr. Andrea Hilgers SPD: Mondzahlen!)

Darüber hinaus sind wir im Bereich der Kindertagesbetreuung ein maßgebliches Stück weitergekommen. Nachdem Rotgrün trotz jahrelanger vergeblicher Versuche keine wirkliche Reform zustande gebracht hat, ist es nun gelungen, vergleichsweise zügig, nämlich zum 1. August, das Kita-Gutscheinsystem einzuführen. Dadurch wird die Nachfragemacht der Eltern verstärkt und die Effizienz des Systems maßgeblich verbessert. Das wird sich langfristig positiv auf die Angebotssituation auswirken. Durch die Nichtanrechnung des Kindergeldes werden die Familien entlastet und die Beiträge werden um 10 Prozent sinken.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, wir haben in kürzester Zeit schon viel angeschoben und mit Ideenreichtum und Engagement werden wir diese erfolgreiche Arbeit fortsetzen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ist das eine Drohung?)

Ich bin mir sicher, Herr Neumann, dass Sie weiterhin unsere Ideen in Interviews später zu Ihren Ideen machen. Das wird nicht das letzte Beispiel sein. Eines wollte ich aus Ihrem Interview noch anmerken.

(Michael Neumann SPD: Welches Interview? – Tho- mas Böwer SPD: Ein Autogramm bitte!)