Protocol of the Session on November 14, 2002

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn Sie sich schon auf den Weg machen, die Landschaft der beruflichen Schulen umzubauen – und da ist weiß Gott die Weiterentwicklung nötig, das will ich überhaupt nicht anzweifeln –, daran hätte ich wenigstens einmal eine Mängelanalyse von Ihnen, Herr Lange, erwartet. Davon haben wir bisher nichts gesehen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Wir wollen die Mängel beseitigen!)

Und auch in der Behörde, wenn wir an unsere Anfragen von SPD und GAL denken, ist natürlich eine gewisse Rat

(Katrin Freund Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

losigkeit vorhanden, weil wir keine konkreten Hinweise auf Verfahren und so weiter bekommen haben. Meine Damen und Herren, setzen sich die Kammern durch, dann geht es nicht um eine bessere Kooperation der unterschiedlichen Lernorte, duales System zwischen Betrieb und Schule, dann geht es um ausschließliche Bestimmungshoheit der Wirtschaft. Wenn Sie das so wollen, dann müssen Sie das hier offen sagen. Herr Drews ist ja eben schon eine ganze Portion zurückgerudert, sodass Sie anscheinend an das duale System weiterhin glauben, also Schule und Betrieb gleichwertig betrachten.

(Katrin Freund Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Das steht im Koalitionsvertrag!)

Ich will aber noch einmal auf die anfangs gestellten Fragen zurückkommen. Die Funktionäre der Kammern picken sich die Perle, die duale Ausbildung, heraus und die vollzeitschulischen Angebote sollen entweder abgeschafft oder an irgendwelche Unternehmen verkauft werden. Diejenigen Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, scheinen sowieso nicht zu interessieren. In der Ausführung heißt es, sie sollen in das allgemein bildende Schulwesen. Ich komme darauf noch zurück. Im Augenblick sitzen Sie in teilqualifizierenden Maßnahmen und das sind natürlich Warteschleifen. Das wissen wir, darüber haben wir oft genug diskutiert. Wir fordern schon seit langem die Umsteuerung der Ressourcen in die Sekundarstufe I und haben ein ausführliches Konzept schon vor zwei Jahren vorgelegt. Nur, Sie müssen das natürlich wie kommunizierende Röhren handhaben und nicht: Die Wirtschaft schnappt sich das duale System und der Rest muss irgendwie vom Staat gelöst werden.

Ich will überhaupt nicht verleugnen, dass es Probleme gibt im beruflichen Schulwesen. Ich will einige Punkte nennen: Die Berufsbilder verändern sich in einem immer schnelleren Maße und die Abstimmung mit den beruflichen Schulen ist nicht immer gewährleistet. Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement sind nicht immer gewährleistet. Die Schulen müssen im Grunde eine viel höhere Budget- und Personalhoheit erhalten. Die Rolle der Schulaufsicht ist neu zu gestalten, keine Frage. Aber trotzdem handelt der Senat mit Schnellschüssen. Mit der Trägerfrage allein lösen Sie keine Qualitätsprobleme.

Wie gesagt, auch wir fordern die Weiterentwicklung der beruflichen Schulen. Ich will noch einmal eines klarstellen: Gute Schule muss nicht unbedingt vom Staat betrieben werden. Es gibt auch genügend gute Schulen, die in privater Trägerschaft sind oder als GmbH angelegt sind. Aber ich bezweifle, dass sich die Betriebe in Hamburg wünschen, dass die Kammern die Schulen übernehmen. Für die GAL ist auch klar, dass der Bildungsauftrag, die Fachaufsicht und die Rechtsaufsicht in staatlicher Hand bleiben müssen.

Wenn wir tatsächlich Qualität erreichen wollen, ein Qualitätsmanagementsystem, externe Evaluation, all das, was sicherlich nötig ist, um berufliche Schulen weiterzuentwickeln, Organisation und Selbstverwaltungsstrukturen verbessern, dann stellt sich doch die Frage, ob das unter Veränderung der Trägerschaft laufen muss, vor allem unter Trägerschaft der Kammern. Da, denke ich, kann man ein klares Nein sagen. Wir müssen die Frage der Trägerschaft in der Öffentlichkeit mit allen Beteiligten diskutieren und ich denke, dass wir erst einmal fragen müssen, welche Organisationsform denn die richtige ist, um all die Qualitätskriterien dann tatsächlich zu erfüllen. Insofern sollten wir wirklich den demokratischen, parlamentarischen Prozess

endlich stattfinden lassen und nicht solche obskuren Geschichten, wie Frau Freund gerade sagte. Wir sind zur Diskussion bereit und erwarten jetzt nicht nur Ankündigungen, sondern die Auseinandersetzung hier im Parlament, vor allen Dingen unter Beteiligung aller Beteiligten. Und das ist bisher nicht geschehen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Woestmeyer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der SPD, Sie haben schon lange nicht mehr versucht, uns Ihre Geschichte vom sinkenden Bildungshaushalt zu verkaufen. Sie haben auch schon lange nicht mehr versucht, uns Ihre Version von finanzierten Lehrerstellen unterzujubeln. Sie sind stiller geworden im bildungspolitischen Bereich,

(Dr. Willfried Maier GAL: Wir sind doch dabei! Das ist doch der Fall!)

nachdem Sie merkten, dass die Gesamtschulen in diesem Schuljahr auch unter gerechteren Voraussetzungen gute schulische Bildung anbieten.

(Beifall bei Burkhardt Müller-Sönksen FDP – Dr. Willfried Maier GAL: 134 Millionen Euro weni- ger!)

Sie haben sogar auf Ihrem Parteitag Bildungsstandards und Leistungsvergleiche gefordert. Man hätte fast annehmen können, die SPD hätte ihre Begabung zur Vernunft erkannt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Weit gefehlt, meine Damen und Herren, man hätte auch stutzig werden können an dieser Stelle.

Nun haben Sie ein neues Feld zum Aufrühren gefunden. Dass die GAL da billig mitmacht und ob sie auf dieses Boot aufspringen will, sollte sie selbst einmal überdenken, das wäre doch ein bisschen zu schade.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das sinkende Boot der SPD!)

Die SPD hat, von den Kitas angefangen über die Schulen bis zum Hochschulgesetz – alles war bei Ihnen schon dran – , immer mal wieder draufgehauen, und zwar immer ohne selbst einmal durchdachte Konzepte zu hinterlassen und vorzustellen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Stimmt nicht! Das KITA- Gesetz liegt vor!)

Nun fehlte anscheinend noch die berufliche Bildung in Ihrer Sammlung, aber die fehlte schon immer in Ihrer Sammlung, die haben Sie nie richtig auf der Rechnung gehabt.

(Beifall bei FDP, der CDU und der Partei Rechts- staatlicher Offensive)

Und gerade jetzt rufen Sie nach der staatlichen Verantwortung. Schauen Sie sich doch an den Berufsschulen um. Da sehen Sie die staatliche Verantwortung, die Sie ungenügend wahrgenommen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

(Christa Goetsch GAL)

Wenn nun diese Bürgerkoalition mit neuen Ideen antritt, den Reformstau in diesem Bereich aufzulösen, kommt das für Sie einem Verfassungsbruch gleich.

(Zuruf von Wilfried Buss und Holger Kahlbohm, beide SPD)

Nichts anderes werfen Sie uns doch vor, wenn Sie in dem Einleitungstext Ihres Antrages Artikel 7 oder Artikel 13 – da scheinen Sie sich selbst nicht einig zu sein – zitieren. Meine Herren, über die Stränge schlagen darf man mal als Opposition, aber uns hier in die Nähe des Verfassungsbruches zu rücken, das ist eindeutig eine Frechheit.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wir hingegen, meine Damen und Herren, suchen Partner für die berufliche Bildung und Partner heißt nicht immer nur neue Trägerschaften und heißt nicht immer nur Handelskammer. Ich will Ihnen das erklären. Wir suchen neue Partner für die berufliche Bildung, um Folgendes zu erreichen: Warum sollen wir nicht Bildung öffnen? Gerade im berufsschulischen Bereich sind viele beteiligt. Da gibt es die Schüler, die beteiligt sind, da gibt es die Lehrer, die beteiligt sind, da gibt es die Sozialpartner der Schulen, die beteiligt sind, und da gibt es eben auch die Unternehmen und es gibt auch – und ich sage ausdrücklich auch – die Kammern.

(Christa Goetsch GAL: Quatsch! Warum heißt es duales System?)

Bringen wir doch die Anforderungen, die diese Partner alle an Bildung formulieren, endlich einmal in Einklang. Sprechen wir mit allen,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

statt ihnen nur ein fertiges, ein unbefriedigendes Produkt vorzusetzen, für das der Staat die Verantwortung trägt. Verantwortung tragen heißt eben nicht, ihr ungenügend nachzukommen, wie das bisher der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Ich frage Sie noch einmal: Warum wollen wir nicht berufliche Bildung öffnen? Lassen Sie uns doch darüber nachdenken, wie wir sie in ein modulares, berufliches Gesamtkonzept integrieren können.

(Wolfgang Drews CDU: Sehr richtig!)

Bildungsmodule sind dann einpassbar, sie sind kongruent zu sonstigen Bildungsangeboten, auch im Weiterbildungsbereich. Das eröffnet dann auch neue Chancen für Lehrer und deren Kompetenzen, die vielleicht auch jenseits von Schule wertvoll sein können. Und umgekehrt: Wie viel Wissen hätten wir gerne an unseren Schulen, welches bisher nicht den Weg in die Berufsschulen gefunden hat. Lassen Sie uns Bildung öffnen. Gucken Sie sich nur beispielhaft die IT-Entwicklung in Schulen in Hamburg an: Häufig chaotisch, häufig übersteuert, häufig überteuert und oftmals bedingt durch die technische und konzeptionelle Inkompetenz der Verantwortlichen. Bildung öffnen heißt an dieser Stelle beispielhaft: Administratoren müssen nicht zugleich Lehrer sein. Warum müssen wir immer dieses Scheuklappendenken haben? Warum können wir nicht an dieser Stelle von einer Öffnung profitieren?

Bildung öffnen heißt bei uns, die Selbstständigkeit zu stärken, Schulen mit ihren Partnern arbeiten zu lassen, viel selbst zu verwalten, selbst zu wirtschaften, sich am Markt

zu orientieren und auch selber ein Stück Markt zu sein, meine Damen und Herren.

(Günter Frank SPD: Laberdilaber!)

Ja, Markt mag für Sie ein Reizwort sein. Für uns ist Markt das, wo berufliche Bildung hinführt: Es ist der Arbeitsmarkt, denn wir bilden schließlich nicht für die Arbeitslosigkeit aus, und es ist auch der Marktplatz der Bildungschancen für die, die mit schlechteren Voraussetzungen in dieses System starten und die zu Recht viel von Bildung erwarten und für die wir Partner brauchen, um diese Chancen auch für sie zu erreichen. Wer sozial schlechter gestellt ist, erwartet viel von Bildung und er hat ein Recht darauf, diese Bildung auch vom Staat zu bekommen, der hier die Verantwortung trägt. Das ist die staatliche Verantwortung, zu der wir stehen. Wer seine Chancen ergreift, der muss auch im berufsschulischen Bereich alle Optionen haben, aber nur wenn wir Partner haben – zum Beispiel die Hochschulen –, können wir Bildungschancen auch in Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen oder Universitäten anbieten.

Zum Schluss noch einmal: Wir brauchen die Öffnung. Wir brauchen nicht das, was Sie in Ihrem Antrag stehen haben, ein Festhalten an einem überholten Gedankengerüst. Sie sehen in der Öffnung einen Ausverkauf. Sie sehen nur die Handelskammer. Wir sehen eine Chance, meine Damen und Herren, endlich den Muff von der beruflichen Bildung abzustreifen. Aber das machen wir nicht alleine. Wir machen das mit Partnern und das ist auch die Handelskammer. Aber wir machen das auch mit Ihnen, wenn Sie mögen. Allerdings nur dann, wenn Sie einsehen, dass wir hier nicht dabei sind, das Grundgesetz auszuhebeln. Hören Sie auf zu glauben, Sie könnten als Opposition nur mit Gegenwind gut segeln, indem Sie aufrühren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)