Herr Schrader, wie erklären Sie sich denn, dass auf meine Anfrage hin der Senat erklärt hat, dass er sich mit dem Verfassungsschutzbericht 2001 noch gar nicht beschäftigt hat?
Erstens spreche ich vom Verfassungsschutzbericht 1999 und dass man ähnliche Erkenntnisse auch schon in dem von 1998 nachlesen konnte. Zweitens liegt der Verfassungsschutzbericht von 2001 noch nicht sonderlich lange vor. Insofern warten Sie man ab. Vor allen Dingen kommt es ja wohl auf das Ergebnis an und nicht auf die Frage, wann genau man sich damit ganz formell auf Senatsebene befasst.
Nein, meine Damen und Herren, in der Vergangenheit hat man den Verfassungsschutz weder im Bund noch in den Ländern in der Art und Weise ernst genommen, wie man sich jetzt beeilt, dies zu tun. Insbesondere auch auf Seiten der rotgrünen Koalition kam es zu Stellenkürzungen in den Verfassungsschutzbehörden und – wie vorhin schon ganz richtig erwähnt wurde – gab es Zeiten, wo insbesondere die grüne Partei den Verfassungsschutz gänzlich für abschaffenswert hielt. Ich bin sehr froh, dass Herr Mahr heute andere Erkenntnisse gezeigt hat.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dirk Nockemann Par- tei Rechtsstaatlicher Offensive: Da liegt die Verant- wortung! Aus Schaden wird man klug!)
Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf ist fundiert, ist auch in angemessener Zeit vor dem Hintergrund seiner Bedeutung erarbeitet worden. Was noch viel wichtiger ist als dieser Gesetzentwurf, ist übrigens, wenn wir in den Haushaltsplan hineingucken, dass auch das Landesamt für Verfassungsschutz jetzt wieder mehr Stellen bekommt, meine Damen und Herren.
Ich gehe davon aus, dass wir im Innenausschuss und im Rechtsausschuss noch viel zu diskutieren haben werden. Ich hoffe, dass wir es etwas sachlicher tun können, als das vorhin bei manchen Beiträgen in diesem Haus der Fall war.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Ereignisse nach dem 11. September 2001 haben gezeigt, dass die weltweite Bedrohung durch international agierende Terroristen, insbesondere militante islamistische Terroristen, nicht nachgelassen hat. Der grausame Brandanschlag auf deutsche Touristen in der Synagoge auf Djerba und der Fund von 130 Kilogramm Sprengstoff bei einem Terroristen in Heidelberg zeigen auf eindrucksvolle Weise, dass Deutschland nicht nur als idealer Vorbereitungsraum für internationalen Terrorismus dient – darauf wurde schon durch die Vorredner hingewiesen –, sondern auch im Zielfokus tätiger, insbesondere islamistischer Terroristen steht.
Bereits unmittelbar nach dem 11. September 2001 ist begonnen worden, die Arbeitsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden und damit insbesondere auch des Verfassungsschutzes zu verbessern. Das so genannte Antiterrorpaket 1 führte dazu, dass es Verbesserungen gab bei der Überprüfung des Flughafenpersonals, das sich in den Sicherheitsbereichen bewegt.
In Hamburg hat das im Bereich des Landesamts für Verfassungsschutz zu einer Steigerung der Überprüfung von jährlich 4000 auf 12 000 Personen geführt. Der Senat hat deshalb auch den Verfassungsschutz um 15,5 Stellen gestärkt sowie bei der Staatsschutzabteilung der Polizei jeweils einen Islamwissenschaftler eingestellt.
Am 1. Januar 2002 trat auf Bundesebene das so genannte Antiterrorpaket 2 unter dem Begriff des Terrorismusbekämpfungsgesetzes in Kraft. Mit diesem Gesetz erhielt das Bundesamt für Verfassungsschutz Befugnisse, mit denen nunmehr auch das Landesamt für Verfassungsschutz ausgestattet werden soll.
Der Bund wird dringend ein Terrorismusbekämpfungsgesetz 3 verabschieden müssen, um der Terrorismusbegrenzung angemessen Herr werden zu können. Dafür werden wir sorgen, denn nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gibt es in Deutschland fast 32 000 islamistische Fanatiker, davon allein 1200 in Hamburg.
Diese stehen bekanntermaßen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung sehr feindselig gegenüber und sie stehen Terrororganisationen, die überall tätig sind, insbesondere der Al Kaida, aber auch Hamas, Hisbollah und Sonstigen, als willkommenes Reservoire für die Rekrutierung von Terroristen zur Verfügung. Wir dürfen nicht darauf warten, dass Terroristen ihre Planung vollenden oder sogar Anschläge – wo auch immer in der Welt – ausführen können. Es muss deshalb eine Gesetzeslage geschaffen werden, die eine Ausweisung bereits bei einem Verdacht
der Unterstützung oder Befürwortung von terroristischen Aktivitäten ermöglicht – auch bei Sympathiewerbung.
Auch das Vereinsrecht, meine Damen und Herren, wird weiter zu verschärfen sein. Es muss jeder Verein verbietbar sein, der sich gegen die freiheitlich demokratische
Grundordnung wendet. Dazu wird auch gehören müssen, dass Vereine, die Ausländer einladen, damit diese zu Gewalttaten aufrufen, verboten werden können. Ich verweise hier insbesondere auf ein Video, das unsere Polizei gefunden hat und das Aufnahmen eines ausländischen Imams zeigt, der auf dem Boden unserer Stadt zum Heiligen Krieg aufruft. Hier missbraucht nicht nur der Gast sein Gastrecht, sondern auch der Gastgeber verwirkt seine Rechte am Verein. Bekanntermaßen ist es so: Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eines: raus, und zwar schnell.
Bedauerlich ist nur, dass der Urheber dieser Rechte, der jetzige Bundeskanzler Schröder, bekanntermaßen seinen markigen Worten keine Taten hat folgen lassen, obwohl er es jetzt als Bundeskanzler mit seinem Innenminister Schily könnte. Aber das kennen wir ja.
Künftig werden auch die Flüchtlinge aus Gefährderstaaten auf alle Bundesländer zu verteilen sein, damit es nicht zu einer Konzentration krimineller Energien von Angehörigen aus solchen Staaten in einem Bundesland kommen kann.
Wir legen für Hamburg unseren Gesetzesentwurf vor, der das Terrorismusbekämpfungspaket 2 für Hamburg umsetzt und zu dem es sicher keine vernünftigen abweichenden Auffassungen geben kann. Entscheidend ist der Schutz der Bürger und unseres Staates, nicht der Schutz der Terroristen – der Touristen.
Der Terroristen. Ich hatte ja auch schon von den Touristen von Djerba gesprochen. Insofern ist die Klarstellung, die Sie anmahnen, durchaus vernünftig.
Deshalb habe ich wenig Verständnis für datenschutzrechtliche Anforderungen, die sich ersichtlich nicht an diesem Ziel eines angemessenen Schutzes der Bevölkerung vor Terrorismus orientieren.
Ich habe bei dem einen oder anderen Beitrag in der Bürgerschaft den Eindruck, dass nach dem terroristischen Anschlag vom 11. September und den nachfolgenden terroristischen Anschlägen mehr die Befürchtung besteht, dass das eine oder andere Freiheitsrecht eingeschränkt werden muss, als die Befürchtung, dass Tausende von Menschen Opfer dieser Anschläge werden. Das ist bezeichnend.
Der hier vorliegende Gesetzesentwurf des Senats verfolgt das Ziel, den nationalen, aber insbesondere auch den internationalen Terrorismus besser zu bekämpfen, indem die Möglichkeit des Bundesterrorismusbekämpfungsgesetzes für das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg anwendbar gemacht werden soll. Im gleichen Zusammenhang soll dem Landesamt für Verfassungsschutz die Möglichkeit gegeben werden, auf der Grundlage von Artikel 13 Grundgesetz in Wohnungen akustische und optische Aufzeichnungen durchzuführen.
Das führt insgesamt zur notwendigen Änderung von drei Gesetzen: erstens dem Hamburgischen Verfassungsschutzgesetz, zweitens dem Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz und drittens dem Hamburgischen Ausführungsgesetz zum Bundes-G10-Gesetz.
Die Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes im Hamburgischen Verfassungsschutzgesetz führt dazu, dass das Landesamt für Verfassungsschutz einen Anspruch auf Auskünfte erhält, bei denen es sonst auf den Goodwill der Auskunftsgeber angewiesen war. Es handelt sich hierbei um rechtsstaatliche, geregelte Auskunftsansprüche bei Kreditinstituten, Finanzleistungsunternehmen und Finanzunternehmen über Kunden, Konteninhaber und sonstige Berechtigte sowie weitere am Zahlungsverkehr Beteiligte; kurz gesagt: Auskünfte zur Überwachung der terroristischen Geldströme.
Wie allgemein bekannt und auch der Presse zu entnehmen war, haben gerade diese Nachweise über Geldbewegungen wichtige Hinweise zur Aufdeckung der Netzstrukturen – insbesondere der Al-Kaida-Terroristen – geben können.
Weiter wird das Landesamt für Verfassungsschutz in die Lage versetzt, die Reisewege von Terroristen besser überwachen zu können, indem es bei Luftfahrtunternehmen Auskünfte zu Namen, Anschriften und zu einer Inanspruchnahme von Transportleistungen erhält.
Ein weiterer wichtiger, nicht zu unterschätzender Auskunftsanspruch besteht nun gegen Telekommunikationsund Postdienstleistungsunternehmen. Sie werden verpflichtet werden, dem Landesamt für Verfassungsschutz Auskünfte über Namen, Anschriften, Postfächer und sonstige Umstände des Postverkehrs zu geben. Telekommunikationsanbieter werden verpflichtet zu Auskünften über Teledienstnutzungsdaten, wie zum Beispiel Berechtigungskennung, Kartennummern von Mobiltelefonen, die Standortkennung mit Rufnummern und Anschlusskennung sowie Verbindungszeiten. Wesentlich bei diesen Befugnissen ist, dass es nicht einer Maßnahme nach dem G10-Gesetz bedarf, weil Gesprächsinhalte hierdurch nicht bekannt werden. In diesem Zusammenhang soll das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg auch befugt werden, den so genannten IMSI-Catcher einzusetzen. Hierbei handelt es sich um ein spezielles Gerät, mit dem sowohl der Standort eines Mobiltelefons als auch seine Kartenund Gerätenummer sowie weitere technische Daten ermittelt werden können. Mit diesem IMSI-Catcher können theoretisch auch Gespräche abgehört werden. Hierzu soll das Landesamt für Verfassungsschutz aber nicht befugt werden. Abhörmaßnahmen sind nach wie vor nur im Rahmen des G10-Gesetzes zulässig.
Nun noch ein Wort zum IMSI-Catcher. Der Einsatz dieses Geräts hat vor einigen Tagen die erfolgte Festnahme des Ramzi Binalshibh in Pakistan ermöglicht. Nur durch den Einsatz dieses Geräts konnte der Aufenthaltsort dieses Terroristen festgestellt werden, der uns aus Hamburg durch seine Mitgliedschaft in der Zelle hinlänglich bekannt ist.
Die bisher vorhandenen nachrichtendienstlichen Mittel des Landesamts für Verfassungsschutz allein bieten nach dem 11. September 2001 trotz eines größeren Personaleinsatzes keine ausreichendende Aussicht auf Erfolg. Deshalb
soll im Landesamt für Verfassungsschutz das Mittel des wohnungstechnischen Eingriffs zur Verfügung gestellt werden. Hierbei handelt es sich um die verdeckte, akustische und optische Aufnahme von Vorgängen in der Wohnung, die durch Artikel 13 Grundgesetz besonders geschützt ist. Artikel 13 Grundgesetz wurde 1998 geändert, indem die Voraussetzungen für einen Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung klargestellt wurden. Insoweit erfolgt durch den vorliegenden Gesetzentwurf nunmehr eine Umsetzung von Artikel 13 Grundgesetz für das Landesamt für Verfassungsschutz.
Wegen der Bedeutung dieses wichtigen Grundrechts werden die Voraussetzungen für einen derartigen Eingriff an den Straftatenkatalog des G10-Gesetzes gebunden werden. Hier handelt es sich um besonders schwere Straftaten. Diese nachrichtendienstlichen Mittel der akustischen und optischen Überwachung dürfen bereits das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz in Bayern, Thüringen und Saarland anwenden. Allen übrigen Landesämtern für Verfassungsschutz steht zurzeit nur die akustische Überwachung von Wohnungen zur Verfügung. Dem Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg stand bislang weder die optische noch die akustische Überwachung zur Verfügung.
Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes ist das eine große Lücke, die wir nun – wie der Bund – in Hamburg schließen werden.