Protocol of the Session on September 19, 2002

(Beifall bei der GAL)

Damit schließe ich nicht aus, dass es im Einzelfall durchaus Sinn machen kann, Gesetze einer veränderten Lage anzupassen. Wenn wir dabei aber das Augenmaß verlieren, wenn wir es in der öffentlichen Diskussion, wie es hier zum Teil geschieht, als Allheilmittel verkaufen, wenn Datenschutz, der immerhin aus den Artikeln 1 und 2 Grundgesetz hergeleitet wird, als Täterschutz disqualifiziert wird, dann, meine Damen und Herren, ist eine sachliche Diskussion in der Tat nicht mehr möglich.

Es überrascht mich zudem schon oder auch nicht, dass die FDP sich hat breitschlagen lassen und den großen Lauschangriff durch den Verfassungsschutz mitträgt. Wo ist eigentlich Ihr bürgerrechtlicher Anspruch geblieben? Sie können nicht auf Bundesebene den Bürgerrechtler heraushängen lassen und sich dann auf Länderebene in Ihren Koalitionen völlig entgegengesetzt verhalten. Das ist unglaubwürdig, meine Damen und Herren von der FDP.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Nein.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen. In dem Entwurf zur Änderung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz heißt es in Paragraph 1 Absatz 5:

„Sie“

gemeint ist die Kommission zur Kontrolle des Verfassungsschutzes –

„kann dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes geben.“

Das ist zunächst einmal sicher eine gute Regelung. Ich hätte mir aber darüber hinaus gewünscht, wenn dem Datenschutzbeauftragten, auch angesichts des tiefen Eingriffes, der dieses Gesetz möglich macht, ein Initiativrecht zugestanden worden wäre, also wenn er von sich aus Probleme des Datenschutzes im Zusammenhang mit der Arbeit des Verfassungsschutzes in die Kommission hätte einbringen könnte. Aber darüber können wir gerne noch im

Innenausschuss und im Rechtsausschuss diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL, vereinzelt bei der SPD und bei Burkhardt Müller-Sönksen FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Schrader.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburg wurde als logistische Plattform zur Vorbereitung der Terroranschläge in den USA genutzt. Aus diesem Grund trifft Hamburg auch eine ganz besondere Verantwortung, mit allen sinnvollen rechtsstaatlichen Mitteln dafür zu sorgen, dass so etwas in Zukunft nie wieder möglich ist. Denn wie auf keine andere Stadt wird die Welt auf Hamburg schauen, welche Maßnahmen wir ergreifen, um Netzwerkverbindungen von Terroristen künftig zu unterbinden. Ich denke, in diesem Licht müssen wir auch die nun anstehenden Gesetzentwürfe sehen, meine Damen und Herren.

Aus diesem Grund unterstützt die FDP den vorgelegten Gesetzentwurf. Mit dem Entwurf wird sehr wohl in allererster Linie die Umsetzung der Anti-Terrorgesetze auf Bundesebene verfolgt. Obgleich wir Liberalen meinen, dass eine sorgfältige Beratung dieser Bundesgesetze im Bundestag sehr gut getan hätte und es klüger gewesen wäre, dort vielleicht noch ein bisschen mehr über die einzelnen Maßnahmen nachzudenken, insbesondere darüber, ob Reiseunternehmen und Telekommunikationsdienste nicht doch zu sehr belastet werden durch diese Regelungen und ob nicht doch eine striktere Begrenzung in der Dauer dieser Gesetze sinnvoll gewesen wäre. Trotz dieser Bedenken, meine Damen und Herren, sind wir der Meinung, dass es nicht angehen kann, die Verfassungsschutzbehörden im Bund und in den Ländern aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen arbeiten zu lassen, schon gar nicht in einem so wichtigen Bereich wie in der Terrorismusbekämpfung.

(Manfred Mahr GAL: Warum machen Sie das denn nicht?)

Sofern hier gerügt wird, dass in dem vorgelegten Gesetzentwurf Bestandteile des so genannten großen Lauschangriffs mitgeregelt werden, meine Damen und Herren von der Opposition, möchte ich doch einmal daran erinnern, dass diese Bestandteile sehr wohl schon längst bundesgesetzlich geregelt worden sind, auch unter Mitwirkung der FDP, die in einer Mitgliederbefragung Mitte der Neunzigerjahre sich bereits dazu entschlossen hatte, unter strengen rechtsstaatlichen Grundsätzen, die hier auch allesamt beachtet sind, den Großen Lauschangriff, wie er immer genannt wird, mitzutragen. Nichts anderes wird jetzt umgesetzt, was der SPD-Senat sicherlich aufgrund der Grünen-Beteiligung nicht getan hat, denn die SPD hat bekanntlich damals den Bundesgesetzen zum Großen Lauschangriff zugestimmt.

(Michael Neumann SPD: Aber nicht für den Verfas- sungsschutz!)

Die Eingriffe, die mit diesem Gesetzentwurf gemacht sind, sind erheblich. Darüber gibt es keinen Streit, das sehen alle drei Partner in dieser Regierungskoalition genauso.

(Michael Neumann SPD: Wir auch!)

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, hat dieses Gesetz einen ganz vorbildlichen Anhang, es ist nämlich

(Manfred Mahr GAL)

zeitlich befristet, und seien Sie gewiss, dass gerade wir Liberalen mit besonderer Sorgfalt nach Ablauf der Frist prüfen werden,

(Michael Neumann SPD: Sie regieren dann schon lange nicht mehr Hamburg!)

ob die Gefahrenlage immer noch so groß ist, dass diese Eingriffe gerechtfertigt sind. Ich bin sicher, das gilt für alle Parteien in der Regierungskoalition.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wegen der Bedeutung dieser gesetzlichen Regelungen haben wir auch selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden, den Entwurf im Innen- und im Rechtsausschuss noch vertiefend zu behandeln.

Nicht verhehlen will ich aber, dass ich den offenbar jetzt doch sehr hohen Beratungsbedarf der SPD nicht ganz verstehe. Den Presseberichten haben wir alle entnehmen können – über das Sommertheater hinweg –, dass der Senat gar nicht schnell genug diesen Gesetzentwurf machen konnte. Dabei hat Herr Neumann übersehen, dass es noch kein SPD-Land gab, das diese Anti-Terrorgesetze schon umbenannt hat.

(Michael Neumann SPD: Darum geht es doch gar nicht! Es geht um Hamburg!)

Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Ertappt!)

Ich bin sicher, solch ein Fehler passiert Ihnen nie wieder, Herr Neumann.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Ich jedenfalls finde es sehr richtig, dass man über ein solches Gesetz mit der notwendigen Sorgfalt im Senat nachgedacht hat

(Michael Neumann SPD: Schlaftrunken!)

und trotzdem noch das dritte Land ist, das einen solchen Gesetzesvorschlag macht und umsetzen kann.

Nun passiert genau das Gegenteil und man droht, die zweite Lesung zu verweigern, wenn es nicht in die Ausschüsse geht. Herr Neumann, ich kann Ihnen sagen, wenn Sie einfach nur gesagt hätten, wir möchten es gerne im Ausschuss besprechen, hätten wir es ja gemacht. Das ist doch überhaupt kein Thema.

(Michael Neumann SPD: Haben wir!)

Selbstverständlich wird solch ein Gesetz im Ausschuss besprochen werden, wenn in einer so wichtigen Frage Beratungsbedarf besteht.

(Michael Neumann SPD: Selbstverständlich, Sie als Liberaler müssten das wissen!)

Nein, dieser Senat hat mit dem Gesetz ganz bestimmt nicht zu langsam reagiert.

(Michael Neumann SPD: Und warum beschäftigt sich der Senat nicht mehr mit diesem Bericht?)

Aber eine Anmerkung muss ich doch noch machen. Es ist nicht getan mit solchen Gesetzen, wie wir jetzt eines behandeln, denn man muss sehen: Unsere Hamburger Verfassungsschutzbehörde ist nicht untätig gewesen ohne dieses Gesetz. Ich zeige Ihnen jetzt einmal eine Seite aus

dem Verfassungsschutzbericht von 1998 und Sie werden sehen, selbst in diesem Jahr schon sind Erkenntnisse vorhanden gewesen, dass die Al-Kaida-Gruppe in Hamburg Strukturen aufbaut.

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL: Die erkennt man gar nicht auf dem Bild!)

Das ist nicht komisch, wirklich nicht. Vor diesem Hintergrund finde ich schon, dass es wichtig ist zu erkennen, dass man eine Behörde, wie das Landesamt für Verfassungsschutz, auch ernst nehmen muss, und wenn dort Erkenntnisse gewonnen werden, müssen diese qualifiziert verarbeitet werden.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dirk Nockemann Par- tei Rechtsstaatlicher Offensive: Schlaftrunken!)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Der Redner gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Herr Schrader, wie erklären Sie sich denn, dass auf meine Anfrage hin der Senat erklärt hat, dass er sich mit dem Verfassungsschutzbericht 2001 noch gar nicht beschäftigt hat?