Protocol of the Session on September 19, 2002

Eine beeindruckende Zahl, kann man sagen, zweifellos, doch welche Konsequenzen ergeben sich für potenzielle Existenzgründer? Er hat im Grunde – sprichwörtlich – die Qual der Wahl. Woher soll er wissen, welche Institution gerade ihn mit seinen speziellen Anforderungen am besten unterstützen kann? Woher weiß er, welche Einrichtung seine Geschäftsidee auch finanziell unterstützt? Die Liste des Gründungsnetzwerks, die sich auch bei der H.E.I. findet, hilft ihm da nur eingeschränkt weiter. So findet er dort unter „Finanzierungshilfen“ Hinweise auf die BG und die BTG. Dass es eine Vielzahl anderer und weiterer Institutionen gibt, kann er nicht ohne Weiteres erkennen. Beispiele wären c:channel business services oder die „siebte säule microlending“ oder weitere ENIGMA-Projekte.

Letzteres bedeutet eine enorme Vielzahl an Angeboten für den Ratsuchenden und zunächst eine mühsame Recherche. Es kann nicht sein, dass wir – überspitzt formuliert – von einem zukünftigen Unternehmer verlangen, dass er erst einmal den Nachweis erbringt, komplexe Verwaltungsstrukturen und Programme zu durchschauen. Aus meiner persönlichen Erfahrung gibt es viele beherzte Jungunternehmer, die genau dies eben nicht können, obwohl sie ein gutes Konzept haben, das auch erfolgreich sein kann.

Idealerweise muss es für den Interessenten zunächst eine Anlaufstelle geben, die für ihn zuständig ist, egal, welches Spezialprofil er aufweist. Ob er dann noch an weitere Institutionen weitergeleitet werden muss oder ob nur eine Stelle ein sehr kompaktes Verfahren durchführen kann, bei dem am Ende Förderungen, Genehmigungen und womög

lich sogar ein Gewerbeschein konzentriert werden kann, muss für die Zukunft geprüft und umgesetzt werden. Wenn dann die erste Anlaufstelle weiterhin Kontakt zu der geförderten Person halten kann, könnte man auch eine bessere Übersicht gewinnen, welche Programme sich am besten ergänzen oder vielleicht mittelfristig sogar zusammengelegt werden könnten.

Ergänzend könnte eine öffentliche Datenbank im Internet eingerichtet werden, in die relevante Daten, wie etwa Branchen, voraussichtlicher finanzieller Bedarf, Studentenstatus, Stadtteil und ähnliche wichtige Fakten, die dabei eine Rolle spielen, eingegeben werden können. Auf diese Weise könnten bei entsprechender Aufbereitung dieser Daten spezielle Förderprogramme viel schneller für den Bedürftigen ermittelt werden. Auf jeden Fall sollte eine derartige zentrale Anlaufstelle intensiv beworben werden, um eine schnellstmögliche Akzeptanz bei unseren Zielgruppen zu erreichen.

Welche Änderungen auch immer verwirklicht werden, wir sollten sicherstellen, dass Existenzgründer sich in Hamburg umsorgt fühlen und nicht das Gefühl haben müssen, lästige Bittsteller in einem Dschungel aus Institutionen zu sein. Ich bin ganz sicher, dass uns dies mit unserem Senat und Senator Uldall an der Spitze auch gelingen wird.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Dabei ist die Existenzgründungsförderung aus meiner Sicht nicht primär eine staatliche Aufgabe, sie ist bei Kammern und Institutionen besser aufgehoben. Existenzgründung darf nicht weiterhin atomisiert werden, sondern muss konzentriert und effizient gestaltet werden. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Egloff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antwort auf die Große Anfrage, die die Regierungskoalition zum Thema Existenzgründung gestellt hat, zeigt, dass in Hamburg in den letzten Jahren – das heißt, auch schon unter den Vorgängersenaten – viel getan worden ist.

Existenzgründungsförderung findet also nicht erst statt, seitdem dieser Senat regiert. Die von Ihnen, Herr Dr. Mattner, dargestellten Ergebnisse, dass es im Moment mehr Existenzgründungen gibt, sind auf die Programme zurückzuführen, die der Vorgängersenat oder die Vorgängersenate aufgelegt haben und die in der Vergangenheit schon erhebliche Erfolge gezeitigt haben.

(Beifall bei der SPD)

Die Aussage in der Antwort des Senats, dass das Hamburger Gründernetzwerk der Hamburger Initiative für Existenzgründungen und Innovationen bundesweit zum Begriff geworden sei, zeigt, dass hier bisher eine beispielgebende Arbeit im Bereich der Existenzgründungen geleistet worden ist.

Auch die Beratungstätigkeit der Kammern sowie die Arbeit von ENIGMA und der Innovationsstiftung sowie die Ausgründung der TU Harburg im Rahmen des Mikroelektronikanwendungszentrums sind Beispiele dafür, wie in Hamburg bisher erfolgreich Existenzgründungsförderung betrieben worden ist.

(Dr. Andreas Mattner CDU)

Selbstverständlich begrüßen wir es, wenn der Senat jetzt Menschen fördern will, die sich mit kleineren Krediten von bis zu 12 500 Euro aus der Arbeitslosigkeit heraus eine Existenz schaffen wollen. Das ist wichtig, dieses zu tun, und deswegen unterstützen wir dieses auch. Wenn allerdings feststeht, meine Damen und Herren, dass die Selbstständigenquote in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland sehr gering ist und der Senat gleichzeitig behauptet, er würde versuchen, Arbeitsplätze auf dem Ersten Arbeitsmarkt zu schaffen, verstehe ich die Antwort nicht, die er unter Nummer 12 gegeben hat. Dort heißt es nämlich, dass der Senat keine Ausweitung der zur Verfügung stehenden Mittel vornehmen will. Die Konsequenz müsste daraus sein, wenn man sagt, man will nicht mehr in den Zweiten Arbeitsmarkt investieren, sondern in den Ersten, dass man anfängt, woanders Mittel einzusetzen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Die man abzieht!)

Dann müsste nach der Politik, die der Senat hier zumindest verbal formuliert hat, die Konsequenz sein, dieses im Bereich der Mittelstandsförderung und der Existenzgründung zu tun. Dieses können wir jedenfalls nach den vorliegenden Haushaltsplänen nicht feststellen.

(Beifall bei der SPD – Barbara Ahrons CDU: Warten Sie es erst einmal ab!)

Das heißt, hier ist zunächst im Bereich der Arbeitsmarktförderung ein erheblicher Teil gestrichen worden und es ist nur ein kleinerer Teil dieser Mittel genommen worden, um im Bereich der Mittelstandsförderung und der Existenzgründung irgendetwas zu tun. Der Senator hat in den Beratungen des Wirtschaftsausschusses zugegeben, dass der andere Teil zur Haushaltskonsolidierung benutzt wird. Dieses ist, was die Förderung von Arbeitsplätzen, von Existenzgründungen, von Mittelstand in Hamburg angeht, die falsche Politik.

(Beifall bei der SPD)

Gerade im Bereich der Existenzgründungen und der Mittelstandsförderung liegt bei der Hamburger Wirtschaftsstruktur, die sehr mittelständisch geprägt ist, eine Chance, etwas für die wirtschaftliche Entwicklung und den Arbeitsmarkt in dieser Stadt zu tun.

Die SPD-Fraktion hat in ihrem Eckpunktepapier zum Thema Mittelstandspolitik etliche Dinge aufgezählt, die sinnvoll sind, umgesetzt zu werden.

Ich möchte nur darauf hinweisen – Sie haben es angesprochen, Herr Dr. Mattner –, dass es im Bereich von Existenzgründungen ganz entscheidend auf die Frage von Beratungen ankommt, dass man hier Beratungsaktivitäten, die es an verschiedenen Stellen – von Kammern und anderen Institutionen – gibt, zusammenfassen muss. Man muss es den Existenzgründern ermöglichen, leicht durch diesen Förderdschungel, den es in der Tat mit den vielen Möglichkeiten gibt, zu finden. Deswegen ist es wichtig, hier eine Vereinfachung herbeizuführen, verschiedene Förderprogramme zusammenzufassen und beispielsweise, wie wir es auch vorgeschlagen haben, eine entsprechende Internetplattform herzustellen, auf der der Existenzgründer einerseits durch die verschiedenen Fördermöglichkeiten geführt wird und erfahren kann, wo er diese beantragen kann, und andererseits auch die Möglichkeit hat zu sehen, inwieweit er in der Lage ist, Gewerbeflächen und dergleichen für das, was er plant, zu erhalten.

Dieses ist eine Aufgabe, die noch vor uns steht und die der Senat in der nächsten Zeit oder in den nächsten Jahren zu

vollbringen hat. Wir werden darauf achten, dass dieses passiert.

Ein anderer Punkt, den Sie auch angesprochen haben, ist die Frage der Fördermittel. Die Fördermittel des Bundes, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, werden teilweise nicht abgefordert, weil die Geschäftsbanken sich weigern, diese auszuzahlen, weil sie nicht genug daran verdienen. Das ist ein Punkt, Frau Ahrons, wo der Senat gefordert ist, hier gegenzulenken und dafür zu sorgen, dass die Existenzgründer, die die Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Anspruch nehmen wollen, auch die Möglichkeit haben, sie zu bekommen. Wenn Geschäftsbanken dieses nicht tun, muss es ein Mittelstandsinstitut in Hamburg machen. Dieses muss im Zweifelsfall aus den bestehenden Institutionen, wie Beteiligungsgesellschaft und Bürgschaftsgemeinschaft, Innovationsstiftung, gegründet werden, um vor Ort eine entsprechende Politik zu forcieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke – das ergibt sich aus den Äußerungen, die Herr Dr. Mattner hier gemacht hat, und auch aus dem, was wir in dieser Frage bisher schon diskutiert haben –, dass wir in vielen Punkten gar nicht so weit auseinander liegen. Wir sollten die Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 24. Oktober nutzen, in dieser Sache sehr sachlich miteinander die einzelnen Möglichkeiten zu diskutieren, und versuchen, im Interesse der Wirtschaft und im Interesse dieser Stadt zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Butenschön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Angesichts der fatalen Lage auf dem Arbeitsmarkt sollten wir über alle Möglichkeiten, die Arbeitslosenzahlen zu reduzieren, nachdenken. Gleichzeitig machen sich viele kleinere Unternehmen Sorgen um die Nachfolgeregelung.

Auch hier ist von der Politik dringender Handlungsbedarf gefordert. Aus Arbeitnehmern Arbeitgeber zu machen, die weitere Arbeitsplätze schaffen, sollte zum Beispiel eines der zentralen Engagements unserer Arbeitsmarktpolitik sein.

In den nächsten zehn Jahren müssen 19 000 Hamburger Unternehmen ihr Geschäft an Jüngere übergeben. Jeder Vierte von ihnen findet niemanden. Laut einer Studie der Universität Witten überlebt die Hälfte der Betriebe den Übergang zur zweiten Generation nicht. Ähnlich, wie die großen Unternehmen an den Hamburger Hochschulen für sich Werbung machen, könnten zum Beispiel auch kleine mittelständische Unternehmen, gegebenenfalls durch eine zentrale Institution vertreten, Werbung für sich und ihr Unternehmen machen und vielleicht so einen geeigneten Nachfolger finden.

Auch der Anreiz, wieder zu arbeiten, sollte angehoben werden. Jeder ist hier in die Verantwortung zu ziehen. Ebenso sollten bestehende Sanktionsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Auch dieses ist in Hamburg in der Vergangenheit nicht mit dem nötigen Nachdruck geschehen.

Die Zahl der Existenzgründungen in Hamburg ist zwischen 1993 und 2000 um ganze 30 Prozent zurückgegangen. Erst durch den Regierungswechsel in 2001 ist erstmals

(Ingo Egloff SPD)

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wieder ein Zuwachs an Gründungen zu verzeichnen. Politiker, die die Beschäftigung ausweiten und verbessern wollen, sollten sich nicht nur auf Großunternehmen konzentrieren. Dieses ist unter Ihrer Führung, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, sträflich vernachlässigt worden.

80 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland sind bei kleinen und mittleren Unternehmen beschäftigt. Nur mit einer ausreichenden Eigenkapitalquote wird es dem Mittelstand gelingen, in Krisenzeiten zu überleben. Hier müssen steuerliche Hilfen zum Tragen kommen. Das heißt Förderung der Eigenkapitalbildung. Auch eine Entbürokratisierung ist für Unternehmen dringend erforderlich.

Mit dem Hamburger Modell und dem Programm zur Förderung der Gründung von Kleinstunternehmen haben wir jedenfalls endlich einen Schritt in die richtige Richtung getan. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Porschke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es freut mich, dass ich heute zu einem so konsensualen Thema reden kann. Ich habe mich schon gefragt, warum die CDU das Thema überhaupt angemeldet hat. Wir sind uns ja scheinbar im Prinzip in allen Fragen einig. Es gibt ein paar Probleme, bei denen man im Detail auf Zielwidersprüche stößt. Die haben Sie genannt. Ich bin gespannt, ob sich der neue Senator anders durchwurschtelt, als wir das früher gemacht haben. Ich möchte ein Beispiel dafür nennen.

Sie sagen, man muss sich quasi durch den Dschungel der Institutionslandschaften durchwurschteln.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Daran darf man doch nicht verzweifeln!)

Es ist seit Jahren immer die gleiche Zielrichtung, die wir alle gemeinsam verfolgen, dass man es auf der einen Seite einfacher macht, sich zurechtzufinden, und sich aber auf der anderen Seite die notwendige Differenziertheit erhält, damit die verschiedenen Existenzgründer vom Pizza-Service bis zur IT-Firma ihre passgenaue Beratung bekommen. Wenn Sie sich zum Beispiel bei der Arbeitsmarktberatung umhören, werden Sie erfahren, dass alle sagen, es muss passgenau sein. Die Arbeitslosen sollen zum Beispiel so qualifiziert werden, wie gerade die Nachfrage am Arbeitsmarkt ist. Das ist natürlich auch mit den Existenzgründern so. Die versuchen, überall eine kleine Lücke zu finden, und wollen ja nicht den hundertfünfzigsten PizzaService gründen. Also haben sie immer unterschiedliche Konstellationen. Für die jeweils eine passgenaue Lösung zu finden, hat natürlich auch ein Stück weit zur ausdifferenzierten Trägerlandschaft geführt.

Ein zweites Problem, auf das Sie stoßen, wenn Sie die zusammenfassen wollen: Fragen Sie bei den Kammern, fragen Sie bei der HWF, fragen Sie bei den Wirtschaftsbeauftragten in den Bezirken. Jeder wird Ihnen sagen, er sei der Pfadfinder durch diesen Förderdschungel und alle sollen zu ihm kommen. Deswegen kann Ihnen dann das Paradoxe passieren, dass sie sozusagen noch eine Institution schaffen, die sozusagen der Pfadfinder unter den Pfadfindern ist, wenn sie aus dieser Situation heraus wollen. Es ist ein Realkonflikt und ich wünsche uns allen viel Glück

dabei, dass man diesen Zielkonflikt auflösen kann. Aber ich sage Ihnen, mit dem Zusatzhinweis, den Sie gegeben haben, man solle aufpassen, dass Beratung nicht unbedingt eine staatliche ist, sondern auch von nichtstaatlichen Stellen wahrgenommen wird, haben Sie das Problem noch vergrößert. Sie haben natürlich viele nichtstaatliche Stellen, die ein Stück auch um ihre Einflusssphäre ringen – zum Beispiel die Kammern – und die sich mitnichten zusammenlegen lassen wollen, um dann ihre jeweilige Institutionspolitik zu vereinheitlichen. Sie haben dem Senator jetzt eine schöne Aufgabe an die Hand gegeben.