Protocol of the Session on June 26, 2002

und deswegen gehören Sie auch nicht an die Spitze dieser Stadt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Pauly.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Noch ein Wort zu den Zahlen von Creditreform; ich habe sie auch, Herr Dobritz. Nach diesen Zahlen sind die Insolvenzen in den letzten beiden Jahren, also von 2000 bis 2002, gleichmäßig um 50 Prozent gestiegen sowohl bei den Unternehmensinsolvenzen als auch bei den privaten Insolvenzen. Schauen Sie sich das bitte noch einmal an und rechnen noch einmal nach. Was ich hier nun ganz schlimm finde, ist, dass Sie sich hinstellen und behaupten, der Einzelhandel hätte sich selbst ein Bein gestellt und sei an den Einbrüchen bei den Verbrauchern selber schuld. Sie wollen damit auf die Preispolitik des Einzelhandels anspielen.

(Henning Tants CDU)

A C

B D

Der größte Preistreiber in diesem Land ist die Bundesregierung mit zahlreichen Steuererhöhungen, der Ökosteuer, der Tabaksteuer und der Versicherungssteuer

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

allein drei Steuererhöhungen in diesem Jahr. Und sich dann hinzustellen und einen Teuro-Gipfel einzuberufen, ist für mich wirklich der Gipfel der Scheinheiligkeit; so kann man es nicht machen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Sie handeln nach dem Motto „haltet den Dieb“ und sind selber der Verursacher für das, was da passiert.

Zu Ihrer schönen Statistik zum Thema Beschäftigung: Sie haben in die statistisch erfassten Beschäftigtenzahlen die geringfügig Beschäftigten hineingenommen und trotzdem ist die Beschäftigung nicht weiter gestiegen. Wenn Sie diesen Rechentrick nicht gemacht hätten, wäre die Beschäftigung radikal um mindestens eine Million Arbeitnehmer im Jahr nach unten gegangen. Schon daran können Sie sehen, dass alles nur Rechentricks sind und nichts Konkretes und Vernünftiges dahinter steht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dobritz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Pauly, wir müssen ja mitdebattieren, weil wir natürlich wissen, warum Sie diese Debatte in die Länge ziehen, da Sie große Sorge haben, dass Ihr stärkster Mann auf der Senatsbank in der zweiten Debattenrunde zu einem bestimmten Thema noch antworten muss; aber wir machen an diesem Punkt mit.

(Beifall bei der SPD)

Frau Pauly, ich habe Ihnen die Dynamik in der Kreditaufnahme auf Bundesebene zwischen 1991 und 1998 schon aufgezeigt und in welcher Situation wir die Regierung übernommen haben. Ich lese Ihnen noch einmal aus der Statistik des Statistischen Bundesamts über die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen von 1991 bis 2001 vor: Im Jahre 1991 betrugen die Unternehmensinsolvenzen in diesem Land 8837, als Kohl 1998 abtrat, lagen die Unternehmensinsolvenzen bei 27828. Wenn Sie mitrechnen, sind das über 350 Prozent. Das können Sie doch nicht als Leistung deklarieren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Nur, damit die Zahlenreihe weiter geht: Die Unternehmensinsolvenzen im Jahre 2001 lagen bei 32 278, das sind in der Tat 4000 mehr. Die Dynamik kommt aber daher, weil wir in das neue Verbraucherinsolvenzverfahren auch die Kleinstunternehmer mit einbezogen haben, was auch Sinn macht.

(Ekkehard Rumpf FDP: Wieso Sie? Herr Funke hat das gesagt!)

Nun noch ein zweiter Punkt. Die Insolvenzen als solche sind ja nicht die richtige statistische Größe, sondern die Höhe des Netto-Saldos in der Bundesrepublik Deutschland. Und da lese ich Ihnen einmal die Zahlen vor, seitdem Schröder Bundeskanzler geworden ist: 1998 gab es

513 000 Unternehmensgründungen und 413 000 Liquidationen; ein Saldo von plus 100 000. Im Jahre 1999 hatten wir ein Plus von 70 000, im Jahre 2000 von 78 000 und 2001 von 73 000. In diesem Land ist in den letzten vier Jahren ein richtiger Gründungsboom ausgebrochen

(Dr. Michael Freytag CDU: Aber doch nicht wegen der Bundesregierung!)

und dieses ist auch mit ein Grund der guten Politik, die in Berlin gemacht worden ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Okun.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte zeigt deutlich, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik gibt. Herr Porschke, um Ihrer Legendenbildung vorzubeugen: Die Wirtschaft wirkt niemals kurzfristig, sondern das, was wir heute im Wirtschafts- und Arbeitsmarkt erleben, sind die Ergebnisse Ihrer Politik der letzten vier Jahre in Hamburg; so kann es ja nicht gehen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Herr Dobritz, es ist schon wichtig zu sagen, dass in den Jahren vor dem Wechsel der Bundesregierung 1998 die damalige Hamburger Landesregierung keine Gelegenheit ausgelassen hat, die erfolgreiche – das werden Sie nicht abstreiten können – Wirtschafts- und Finanzpolitik des Bundeskanzlers Helmut Kohl mies zu reden und die hausgemachten Hamburger Probleme der damaligen Bundesregierung in die Schuhe zu schieben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

In der Bilanzierung von Anspruch und Wirklichkeit der Wirtschaftspolitik der rotgrünen Regierung und deren Auswirkungen auf die Hamburger mittelständischen Betriebe kann man nur zu einem vernichtenden Ergebnis kommen. Sie waren zwar bereit, im Prinzip aber zu nichts in der Lage.

Es ist angesprochen worden, dass die größte Pleitewelle der Nachkriegsgeschichte über Deutschland hinwegrollt mit Steigerungsraten von Jahr zu Jahr. Das gilt für Deutschland, aber eben auch für Hamburg. Die Zahlen – ich werde sie konkretisieren – in der Bundesrepublik Deutschland liegen dieses Jahr bei voraussichtlich 40 000 Pleiten mit – und das ist das Entscheidende – einem Arbeitsplatzabbau von 600 000 Stellen. Hamburg hatte im Jahr 2001 2130 Pleiten und im ersten Quartal 2002 bereits 1031. Dieses Plus von 40 Prozent ist auch das Ergebnis, Herr Dobritz, Ihrer Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre in Hamburg.

Entscheidend neben den spektakulären Pleiten in den Schlagzeilen wie Brinkmann und anderen ist aber, dass es vorrangig kleine und mittlere Betriebe sind, die durch die veränderten Rahmenbedingungen bundesweiter rotgrüner Wirtschaftspolitik in die Pleite getrieben werden. Dabei ist bekannt, dass der Mittelstand bundesweit und auch in Hamburg die tragende Säule der Wirtschaft ist. 95 Prozent der 150 000 selbstständigen Unternehmen in Hamburg haben weniger als 20 Arbeitsplätze. Zugleich stellen kleine und mittlere Unternehmen den größten Teil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze und einen sehr beträchtlichen Anteil der Auszubildenden. Die Hauptursache

(Rose-Felicitas Pauly FDP)

für die gewaltige Pleitewelle ist die schlechte Wirtschaftslage. Wir brauchen deswegen bundesweit und auch in Hamburg eine Wirtschaftspolitik, die sich an den Erfordernissen und Bedürfnissen der kleinen und mittleren Unternehmen ausrichtet. Das wäre das beste Programm für Innovation, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung. Wir brauchen klare, berechenbare und verlässliche Leitbilder. Durch eine Politik, wie wir sie in den vergangenen vier Jahren von der Bundesregierung erleben, die neben konjunkturellen Problemen vor allem wichtige strukturelle Fehler aufweist, haben die Unternehmen wie auch die Bürger weitgehend das Vertrauen verloren. Der DAX mit einem Wert von heute unter 4000 macht deutlich, in welcher Dynamik wir stecken. Die Bundesregierung hat der wirtschaftlichen Entwicklung der Freien und Hansestadt Hamburg mit ihren negativen gesetzlichen Regelungen Schaden zugefügt und den Hamburger Arbeitsmarkt stark belastet. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen.

Erstens: Durch die Neuregelung der 630-DM-Jobs für geringfügig Beschäftigte wurde Arbeit abgebaut und wurden Arbeitsplätze vernichtet, die durch die angebotene Form von Teilzeitarbeitsplätzen nicht aufgefangen werden konnten. Mit diesem Gesetz wurde zum Beispiel im Handwerk der Arbeitskräftemangel gesetzlich verordnet, denn Teilzeitarbeit über 325 Euro hinaus ist für die Beschäftigten unattraktiv geworden. Sie haben damit eine Gerechtigkeitslücke geschaffen, denn sobald das Einkommen auch nur einen Cent über 325 Euro erhöht wird, trifft den Arbeitnehmer die volle Härte der Sozialabgaben und Steuern mit dem absurden Ergebnis, dass diese Mitarbeiter bei einem höheren Brutto- ein kleineres Nettoeinkommen haben.

Zweitens, auch das sagen wir Ihnen wiederholt in dieser Debatte: Die drastische Verschärfung des Betriebsverfassungsgesetzes führt gerade für mittelständische Betriebe zu einer extremen zusätzlichen Kostenbelastung, wenn zum Beispiel in einem Betrieb mit über 200 Beschäftigten ein Mitarbeiter vollständig freigestellt werden muss und weitere acht Mitarbeiter in den Betriebsrat gewählt werden können.

Diese Beispiele zeigen, die Gesetzgebung ist mittelstandsfeindlich und hinterlässt deutliche Spuren am Arbeitsmarkt gerade auch bei Jugendlichen und jüngeren Arbeitnehmern. Ein Beispiel aus meinem Bezirk in Altona, Ende Mai 2002: 216 Jugendliche und 1306 jüngere Menschen sind arbeitslos gemeldet. Das ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 13,7 Prozent beziehungsweise 34,9 Prozent.

Wir halten fest: Der Arbeitsmarkt ist durch die Politik der Bundesregierung überreguliert und zu stark verkrustet. Die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarkts muss durch konsequente Deregulierung sowie Flexibilisierung in Arbeitszeit und Arbeitskosten wieder hergestellt werden.

Der Hamburger Senat und Senator Uldall haben deutlich gemacht, er hat, er muss und er wird sich an einem Maßnahmenbündel für den Mittelstand beteiligen. Ab September gilt das auch für die Bundesrepublik Deutschland. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Der Abgeordnete Frühauf bekommt das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe nur eine kurze Anmerkung zum Wirtschaftsprogramm der Grünen, Frau Hajduk, zum Thema „Wirtschaftliche Erneuerung“.

(Ingrid Cords SPD: Zum Thema!)

Auf Seite 83 soll etwas zur Wirtschaftspolitik stehen. Da steht aber nichts.

(Michael Neumann SPD: Lächerlich!)

Das ist tatsächlich so.

Auf Seite 30 heißt es, die Steuerentlastung der kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Lohnnebenkosten seien zu senken. Das ist alles, was Sie zur „Wirtschaftlichen Erneuerung“ schreiben. Das ist zu wenig.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Weitere Wortmeldungen zum ersten Thema der Aktuellen Stunde liegen mir nicht vor. Ich frage die antragstellende SPD-Fraktion, ob ich für noch restliche dreidreiviertel bis vier Minuten das zweite Thema aufrufen soll. – Das ist der Fall.