Nein, es gibt keinen letzten Satz, Frau Abgeordnete. Sie sind 24, 29, jetzt 30 Sekunden über die Zeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Lebensmittelgesetz und der Verbraucherschutz verdienen deutlich mehr an Bedeutung als bisher. Immer häufiger zeigen sich schwerwiegende Verfehlungen, die durch die Öffnung in der EU und entsprechende Globalisierungen blitzschnell an Ausweitung und Schwere zum GAU für den Handel und für die Produkte der Agrarwirtschaft und insbesondere für den Verbraucher werden können.
Der Nitrofen-Skandal hat erneut gezeigt, dass der Verbraucher besser und konsequenter geschützt werden muss. Auf der anderen Seite ist zu vermeiden, dass Betriebe und Arbeitsplätze durch falsches Anprangern oder Hysterie gefährdet oder ruiniert werden; hier ist sehr verantwortungsvolles Handeln nötig. Entsprechende Maßnahmen wie Veröffentlichungen von Produktnamen, Rückruf von Produkten oder Schließungen von Produktionsstätten sind mit der Gefahrenschwere abzuwägen; dies wurde durch unseren Senat entsprechend wahrgenommen.
Wir reden hier auch über Bundesgesetze und Verordnungen. Ich will nicht mit dem Finger auf unsere Bundesverbraucherschutzministerin Frau Künast als Schuldige für den Nitrofen-Skandal zeigen.
Hier muss es heißen: Prävention, Kontrolle und die schwarzen Schafe bestrafen. Letztendlich geht es bei Lebensmitteln um Körperverletzungen, wenn diese gesundheitsgefährdend sind. Es darf da keinen Spielraum geben, denn jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Dazu gehört endlich ein schnelles Frühwarn- und Informationssystem und eine intensive Vernetzung innerhalb der Bundes- und Landesbehörden und der Europäischen Union. Dazu gehört ein Konzept, das Lebensmittelinstitute und Labore bei entsprechender Strafordnung verpflichtet, Untersuchungsergebnisse schnell an die zuständigen Behörden weiterzuleiten. Geschieht dies nicht, muss die Zulassung entzogen werden.
In der Agrarwirtschaft müssen Qualitätsnormen und Prozessabläufe definiert werden; in der Industrie sind sie seit langem nach ISO-Norm vorhanden. Wo ist seit der Agrarwende die verschärfte Produkthaftung für die Agrarwirtschaft? Welche Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel, Futtermittel und Herstellung müssen seit der Agrarwende, auch für den Verbraucher verständlich, genau definiert und eingehalten werden? Sind für die Menschen Öko-Lebensmittel in Zeiten der Agrarwende klar und deutlich erkennbar? Bedeutet Agrarwende, wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin? Der Verbraucher hat darauf einen Rechtsanspruch.
Hier muss sich die grüne Führung, nämlich Frau Künast, fragen lassen, wo die Konzepte und Durchführungsverordnungen seit der Agrarwende sind.
Hat sie aus der Rinderseuche gelernt? Sind entsprechende Maßnahmen getroffen worden? Sind die Verursacher zur Rechenschaft gezogen worden? Wo sind verschärfte Strafandrohungen für den Bereich der Wirtschaftskriminalität? Wo sind die entsprechenden juristischen Schritte, um die Körperverletzung durch diese Kriminellen auszuschalten?
Weitgehende gesetzliche Bestimmungen sind vorhanden, aber in Auslegung, konsequenter Umsetzung und Vollziehung mangelhaft. Insbesondere der Auslegung des neuen EU-Produkthaftungsgesetzes und den entsprechenden Durchführungsbestimmungen muss auch auf Landesebene mehr Rechnung getragen werden.
Frau Künast, es ist Ihre Aufgabe, den Ländern dafür entsprechende Rechtsgrundlagen zu schaffen. Wir müssen dafür sorgen, dass Lebensmittel diesen Namen verdienen „Mittel zum Leben und nicht Mittel zum Ableben“. – Ich danke Ihnen.
Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Nach BSE und MKS ist es nun Nitrofen, das die Verbraucher verunsichert und die Landwirtschaft erschüttert.
Sie haben dieses Thema zur Aktuellen Stunde angemeldet und in Ihren Beiträgen versucht, politische Verantwortlichkeiten, insbesondere auf dem Informationssektor, auf den Hamburger Senat zu übertragen; das ist mehr als mutig.
Reden wir doch einmal über die politischen Verantwortlichkeiten. Eindeutig keine Schuld, da sind wir uns einig, trifft die Öko-Bauern. Die entscheidende Quelle und Ursache für diesen Skandal ist, dass Ministerin Künast ihr Ministerium und ihre nachgeordneten Behörden nicht im Griff hat.
Deshalb haben sich bekannte Abläufe und Fehler wiederholt. Schließlich muss geklärt werden, was Frau Künast und ihre Mitarbeiter zu welchem Zeitpunkt wussten und ob sie der Öffentlichkeit gezielt entscheidende Informationen verschwiegen haben.
Herr Rumpf, warten Sie einen Moment. Es gibt keine Zwischenfrage, meine Damen und Herren, es ist einfach zu laut im Raum. Ich bitte Sie, die Gespräche etwas mehr einzustellen.
Obwohl Sie angeblich am 25. Januar alle ihr unterstellten Behörden angewiesen hat, Unregelmäßigkeiten im Bereich der Lebensmittelrückstände sofort zu melden, ist dies nachweislich nicht geschehen. So sind zum Beispiel Laboruntersuchungen der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach nicht weitergegeben worden. Spätestens seit der Öko-Messe, die im Februar in Nürnberg stattgefunden hat, ist den Beamten bekannt, dass es Probleme mit nitrofenbelastetem Fleisch gibt. Dort war das ein großes Thema, über das jeder gesprochen hat. Ihre Beamten haben es zwar gehört, aber nicht weitergegeben. Stattdessen wurden seitens der Bundesregierung schon heute 900 000 Euro für eine Informationskampagne ausgegeben, bei der es um eine neue Eier-Richtlinie geht, die erst 2004 in Kraft tritt. Es wäre sinnvoller gewesen, mit diesen 900 000 Euro den jetzt betroffenen Öko-Bauern zu helfen.
Dies lohnt auch einen Seitenblick auf die agrarpolitische Ausrichtung des Bundeskanzlers. In seiner bisherigen Regierungszeit hat er vier verschiedene Positionen eingenommen. Im Jahr 2000 hat er sich in Cottbus noch für die wettbewerbsfähige Landwirtschaft ausgesprochen. 2001, nach dem BSE-Skandal, hat er gesagt, dass die Agrarfabriken abgeschafft werden müssen. Vor der Wahl in Sachsen-Anhalt hat er natürlich vor dem Hintergrund der dortigen Großstrukturen die Regierungspolitik wieder geändert und gesagt, dass Großstrukturen erhaltenswert seien und auch in Zukunft entsprechend produziert werden solle. Aufgrund des Nitrofen-Skandals vollzieht er jetzt eine
erneute Kehrtwende. Er sagt, dass die Agrarwende fortgesetzt werden solle, und unterstützt damit Frau Künast. Welche Agrarpolitik gilt denn nun? Zick, zack?
Ursache dieses Kurses ist die unsachgemäße Vermischung der Themen Agrarwende und Verbraucherschutz. Der gegenwärtige Skandal zeigt recht deutlich, dass die Lebensmittelsicherheit mit der Herstellungsmethode nur mittelbar etwas zu tun hat. Sicher und gesund können Lebensmittel sowohl aus biologischer als auch aus konventioneller Landwirtschaft sein. Für die Sicherheit allein entscheidend ist die Kontrolle des Produktes, die in der notwendigen Breite und Intensität nur von der Wirtschaft und den Verbänden selbst geleistet werden kann.
Mehrere ökologisch arbeitende Bauern haben mir im Laufe der letzten zwölf Monate geschildert, dass ökologische Landwirtschaft aufgrund bürokratischer Hemmnisse und Defizite zwischen Vorschriften und der Umsetzungsmöglichkeit der Verwaltung, zum Beispiel Dokumentationsund Meldepflichten, die die Landesveterinärämter kapazitätsmäßig gar nicht verarbeiten können, noch nie so schwer war wie heute und sich angesichts der zunehmenden Auflage der Grenze der Wirtschaftlichkeit nähert.
Im Kern geht es also nur darum, die Landwirte von bürokratisch verwalteter Planwirtschaft zu befreien und sie wieder zu Unternehmern zu machen und sie so in die Lage zu versetzen, selbst und aus eigenem Interesse für die qualitative Sicherheit ihrer Produkte zu sorgen, die sich durch entsprechende Auszeichnung von ganz alleine am Markt durchsetzen werden, unabhängig von der Produktionsmethode. Dann und nur dann kann der Verbraucher selbst entscheiden, wie hoch der Anteil an biologischer Landwirtschaft in Deutschland sein soll. Der Staat hat dann vor allem noch die Aufgabe, die Importe zu prüfen.
Lassen Sie mich zum Schluss die Befürchtung aussprechen, dass es voraussichtlich in wenigen Wochen oder Monaten einen neuen Skandal geben wird, weil mit Nitrofuran belastetes Geflügelfleisch beispielsweise aus Thailand oder Brasilien importiert wird.