Protocol of the Session on March 27, 2002

(Uwe Grund SPD: Nein, das habe ich nicht gesagt!)

Das haben Sie nicht gesagt? – Dann erspare ich mir den Satz, den ich dazu sagen wollte.

Bei der Lektüre des Rechnungshofsberichts kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Da werden vom Senat Aufgabenbereiche verselbständigt nach Paragraph 15 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung mit eigenen Wirtschaftsplänen, mit eigenen Jahresabschlüssen. Nur geprüft wird das Ganze hinterher nicht. Das nenne ich wahrhaft schlanke Verwaltung. Die dürfen machen, was sie wollen, und niemand prüft es.

Offensichtlich weiß in diesem Staat auch niemand so genau, welches bewegliche Vermögen Hamburg sein Eigen nennen darf. Bestandslisten werden mangelhaft geführt, Sinn und Zweck von Inventuren scheint sich manchen Behörden noch nicht erschlossen zu haben. Aber nicht nur das, nicht nur beim beweglichen Vermögen, nein, es besteht sogar Unklarheit darüber, welche Grundstücke sich eigentlich noch im Eigentum der Stadt befinden, welche gerade verkauft und welche gekauft worden sind. Auch hier herrscht weitgehend Unwissen. Da kann ich als Klein

unternehmerin nur sagen, mit solchen Bilanzen, meine Damen und Herren, in einer Steuererklärung sollte mal ein Kaufmann vor das Finanzamt treten. Er würde – nicht wahr, Herr Senator? – sofort mit einem Bein im Kittchen stehen.

Die Finanzbehörde hat nun bei der Vermögensübersicht, die im Zusammenhang mit dem Abschluss 2001 erstellt werden soll, Besserung gelobt. Dort sollen die Fehler ausgemerzt werden. Ich hoffe, das geschieht dann auch so.

Offensichtlich bedurfte es eines Regierungswechsels, um endlich Ordnung in die Buchhaltung zu bekommen.

Zum Zuwendungsbereich will ich nicht allzu viel sagen, denn wir werden uns in diesem Sommer aus Anlass des Zuwendungsberichts intensiv damit befassen. Ich will an dieser Stelle nur so viel sagen: Es ist in meinen Augen wirklich zu begrüßen, dass das Parlament nach jahrelangen Beanstandungen des Rechnungshofs endlich bereit ist, sich mit diesem Sumpf zu befassen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Meine Erfahrungen aus der 13. Legislaturperiode – das ist schon eine Weile her –: Bei Bitten um Kontrolle der Mittelverwendung, insbesondere bei Freien Trägern im Sozialbereich, bekam man sofort den Stempel der sozialen Kälte aufgedrückt. Der Grundsatz unseres damaligen Koalitionspartners lautete: Überall da, wo sozial drauf steht, ist auch sozial drin, und Kontrolle ist überflüssig. Von Ziel- und Leistungsvereinbarungen – Frau Hajduk ist leider nicht mehr im Plenum – hatte damals noch niemand etwas gehört. Nachfragen gehörte sich nicht, das war unanständig, sozial kalt. Wir werden uns mit diesem Thema sehr intensiv befassen, denn hier ist Kontrolle vonnöten.

Ich will nicht auf die vielen Einzelpunkte des Rechnungshofsberichts eingehen, das werden wir im Haushaltsausschuss machen.

Auf einen Umstand, der mir besonders am Herzen liegt, möchte ich jedoch noch einmal eingehen. Ich bin gespannt, Herr Kahlbohm, ob Sie das auch als Petitesse bezeichnen.

An verschiedenen Stellen seines Berichts weist der Rechnungshof darauf hin, dass Behörden Haushaltsansätze wesentlich überschritten haben, ohne die Zustimmung des Parlaments einzuholen. Von der Bürgerschaft bewilligte Projekte – auch das ist geschehen – wurden nachträglich vom Senat auch inhaltlich verändert. Darüber wurde die Bürgerschaft nicht informiert. Ich nenne das Projekt FISCUS in der Finanzbehörde.

(Walter Zuckerer SPD: Ja, ein sehr schönes Pro- jekt!)

Soll man das nun unter rotem Filz abbuchen, weil die Informationen sich informelle Kanäle gesucht haben? Oder handelt es sich um grobe Missachtung des Parlaments? Wenn man es unter „Filz“ und „informelle Informationen“ abbuchen muss, dann ist es ein grober Missbrauch der Demokratie, denn dann wurde die Regierungsfraktion informiert, aber die Opposition nicht.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Jan Ehlers SPD: Das ist unglaublich!)

Sehr stark berührt hat mich, dass das Parlament – auch das hat der Rechnungshof festgestellt – vom Senat mitunter wissentlich falsch informiert wurde. Zum Thema

(Anja Hajduk GAL)

„Alarmanlage“, das wir heute in der Aktuellen Stunde diskutiert haben, hat Herr Mahr auf einen seiner Briefe offensichtlich eine falsche Antwort des Senats bekommen.

(Vizepräsident Farid Müller übernimmt den Vorsitz.)

Es ist im Zusammenhang mit dem Kartenverkauf des Kulturrings eine Kleine Anfrage gestellt worden. Da ist wissentlich falsch geantwortet worden. Es wurden falsche Zahlen in der Beantwortung der Kleinen Anfrage angegeben.

Ich kann von dieser Stelle aus dem neuen Senat dringend empfehlen, sich dergleichen Verstöße nicht zu Schulden kommen zu lassen.

Für die Rechte des Parlaments werden Sie immer eine äußerst streitbare Haushälterin erleben.

(Anja Hajduk GAL: Das ist gut, Frau Pauly!)

Frau Hajduk, ich bin wirklich vorsichtig mit Vorwürfen, weil klar ist, dass da, wo Menschen am Werk sind, Fehler passieren.

Deshalb geben sich die Menschen auch Regelwerke, um diese Fehler einzudämmen; das ist vernünftig. Ich hoffe, dass sich der Senat diese Verstöße, die hier aufgezeigt werden, zu Herzen nimmt und dafür sorgt – das müssen wir als Parlament auch, mit dem begrenzten Wissen und den begrenzten Erfahrungen, die wir haben –, dass Ähnliches künftig nicht mehr passiert.

Ich möchte es nicht erleben, dass wir uns künftig wieder mit grob fahrlässigen oder gar vorsätzlichen Fehlern befassen müssen, wie sie der Bericht in diesem Jahr beschreibt. Ferner möchte ich es nicht erleben, dass wir uns mit Fehlern befassen müssen, die der Rechnungshof zu Recht viele Jahre lang, wie eine Art Fortsetzungsroman, immer wieder in seinem Bericht niederschreibt und wo dann effektiv nichts passiert. Ich habe mir fest vorgenommen, dieses nicht durchgehen zu lassen. Wenn es doch passiert, werde ich als Mitglied der Regierungsfraktion meinen Mund nicht verschließen, sondern weit aufmachen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat Herr Tants.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kahlbohm, mit Ihnen möchte ich gern beginnen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, der Rechnungshofsbericht sei nichts Besonderes, so sei eben Verwaltungshandeln, das müsse man akzeptieren.

(Elisabeth Kiausch SPD: Nein, das ist nicht richtig! – Uwe Grund SPD: Nein, das hat er nicht gesagt!)

Ich darf dem Rechnungshof ausdrücklich danken, dass er dieses nicht akzeptiert,

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive)

denn es ist kein normales Verwaltungshandeln. Sie haben auch gesagt, wenn nicht mehr herausgekommen ist – es liegt im Promille-Bereich –, dann sei das im Grunde genommen eine ganz positive Bilanz. Ich verstehe den Rechnungshof so, dass er stichprobenartig prüft und nicht die gesamte Verwaltung und dass das, was im roten Buch steht,

(Zuruf von Wolfgang Franz SPD)

nicht die Summe allen Verwaltungshandelns ist. Wenn ich den Rechnungshof richtig verstehe, habe ich vielmehr den Eindruck, dass das, was er mit seiner Kapazität erarbeiten kann, eher die Spitze des Eisbergs ist.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive)

Das ist genau diametral das Entgegengesetzte dessen, was Sie vermuten, Herr Kahlbohm. Die Kritikpunkte, die ich genannt habe – Frau Pauly bin ich dankbar dafür, dass sie das gesagt hat – und zu denen ich gleich komme, werde ich in meiner Eigenschaft als Mitglied einer Regierungsfraktion nicht hinten anstellen.

In einem Punkt muss ich Ihnen widersprechen, Frau Hajduk – vielen Dank, dass Sie bemerkt haben, dass ich auch als Mitglied einer Regierungsfraktion sehr kritisch hinterfragt habe –, dass ich nicht feststellen konnte und es auch nicht als Aufgabe eines jeden Senators ansehe, dass er bis ins kleinste Detail genau über Dinge Bescheid wissen muss, sondern sich auf Fachbeamte auf Amtsleiterebene verlassen können muss. Dazu komme ich gleich.

Zunächst möchte ich auf einen Punkt kommen, der von den Oppositionsfraktionen noch gar nicht angesprochen worden ist, nämlich das Selbstverständnis des Parlaments. Im Bericht des Rechnungshofs gibt es noch eine andere Sache, die uns als Parlament sehr berühren muss, nämlich die Verletzung des Budgetrechts der Bürgerschaft.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Genau!)

Dazu möchte ich kommen.

Meine Damen und Herren, wenn ich an die letzte Legislaturperiode denke, an eine Sitzung des Haushaltsausschusses wie auch an Sitzungen des Bauausschusses, in denen es um die Brücke des 17. Juni ging

(Anja Hajduk GAL: Das ist wohl wahr!)

vielen Dank – und in der wir kritische Fragen gestellt haben, bekamen wir darauf die Antwort, dass das alles zum Wohle der Stadt und dies die Lage sei und man nicht mehr sage – Punkt, dann habe ich das nicht akzeptiert und werde es künftig nicht akzeptieren. Ich bin nachhaltig verärgert, wenn ich an diese Sitzung denke. Man muss es einmal lesen, dass statt 300000 Quadratmeter Fläche, die zu malen waren, tatsächlich nur 150000 Quadratmeter angegeben wurden; das sind erhebliche Zahlen.

Des Weiteren ging es um Nachtragsangebote, deren Bearbeitung zwischen 20 Tagen und 398 Tagen dauerte, und des Weiteren wurden mündliche Aufträge erteilt. Weiterhin sind 30 Prozent Mehrkosten entstanden. Wenn ich mir den Bericht durchlese, kann ich nur jedem, der an dieser Haushaltsausschusssitzung teilgenommen hat, das Gleiche empfehlen.

Ich erinnere noch gut die Äußerungen des damaligen Senats, wie er die Mitglieder der Opposition abgebügelt hat. Das ist für mich, meine Damen und Herren vom Rechnungshof, auf der einen Seite natürlich eine Genugtuung, wenn all das, was wir vermutet haben, zutrifft. Ich möchte aber ebenso sagen, dass auch Mitglieder aus der damaligen Regierungskoalition gefragt haben. Das Parlament kann es sich nicht gefallen lassen, wie es hier abgebügelt wurde.

(Rolf Kruse CDU: Verdammt noch mal!)

(Rose-Felicitas Pauly FDP)