Protocol of the Session on May 30, 2001

(Barbara Duden SPD: Schill! – Günter Frank SPD: Ja, Herr Schill!)

Herr Senator! Auch wenn Sie hier und heute in diesem Hause nicht die absolute Mehrheit erringen konnten und eigentlich mit einem sehr dünnen Ergebnis nunmehr Ihr Amt antreten müssen: Machen Sie es besser als Ihr Vorgänger, nehmen Sie die Sparmaßnahmen zurück, stellen Sie das Vertrauen der Polizei in die politische Führung wieder her, und gewinnen Sie das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger in die Innere Sicherheit zurück! Dazu reichen wir Ihnen gerne die Hand

(Lachen bei der SPD – Barbara Duden SPD: Wer hat denn das geschrieben?)

da könnt ihr ruhig lachen –, denn die Bürger unserer Stadt haben einen Anspruch und haben es verdient, sich in Hamburg nicht nur sicher zu fühlen, sondern sie haben auch den Anspruch, sich wohl zu fühlen. Leisten Sie dazu Ihren Beitrag.

Das Wort bekommt der Abgeordnete Vahldieck.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, ich fand Ihre Rede ziemlich enttäuschend.

(Oh-Rufe bei der SPD)

Ich hatte gehofft, daß hier ein Feuerwerk des neuen Senators abgebrannt wird, und statt dessen wird auf das länglichste Valium 10 verabreicht.

(Beifall bei der CDU)

Wenn der Erste Bürgermeister auch noch den politischen Nachruf auf den ausgeschiedenen Innensenator abgibt, dann sind das nichts als Krokodilstränen. Wenn gestern eine Zeitung – völlig zu Recht – den Aufmacher hat:

„Runde opfert den Innensenator“,

dann sagt das alles. Wenn dann derselbe Bürgermeister hier die Verdienste dieses Innensenators in den schillerndsten Farben malt, ist das unglaubwürdig. Dann sind das tatsächlich Krokodilstränen.

Im übrigen ist es bemerkenswert, Herr Runde, hier einen ehemaligen Senator so zu loben, ihn aber nicht daran zu hindern, noch in der „Welt am Sonntag“ markige Interviews zu geben – „Der schwache Herr von Beust und die CDU kriegen meinen Kopf nicht“ –, zu einem Zeitpunkt, als die Sache offenbar schon lange eingetütet war. Das ist sehr fragwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben auch etwas von „anonymen Hinweisen“ gesagt. Das ist sicherlich nicht immer das Schönste. Auf der anderen Seite wäre aber das, was wir als PUA-Filz gehabt haben, ohne anonyme Hinweise nicht herausgekommen. Insofern können anonyme Hinweise im Einzelfall auch Anlaß dazu geben, sich einer Sache anzunehmen und dann Tatbestände zutage zu fördern.

(Beifall bei der CDU)

Insofern sollte man sich über diese anonymen Hinweise etwas zurückhaltender äußern.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Nicht wenn die Hin- weise falsch sind!)

(Rolf-Rüdiger Forst fraktionslos)

Eine Sache noch, und dann lasse ich Sie auch in Frieden.

(Lachen bei der SPD)

Wo haben Sie Bilder gesehen, die Herrn von Beust fröhlich zusammen mit Kampfhundebesitzern zeigen?

(Dr. Holger Christier SPD: Doch natürlich vorm Rat- haus!)

Zeigen Sie uns diese Fotos.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich Wrocklage, wenn ich Wagner, wenn ich PeschelGutzeit hieße – bei denen ist das tägliches Brot –, dann würde ich sagen, bis morgen 12 Uhr geben Sie uns eine entsprechende Unterlassungserklärung ab. Wir arbeiten politisch. Herr Bürgermeister Runde, es gibt keine derartigen Fotos, und wenn Sie solche zeigen können, dann zeigen Sie sie. Es wird Ihnen aber nicht gelingen. Bis Sie die Fotos nicht gezeigt haben, müssen Sie sich gefallen lassen, daß man Ihnen vorwirft, Sie haben hier schlicht gelogen.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Herr Abgeordneter, ich rufe Sie zur Ordnung.

Ole von Beust und die CDU und ich persönlich haben diese Hundeverordnung zu jedem Zeitpunkt gutgeheißen. Wir haben sie verteidigt, wir haben sie auch öffentlich verteidigt. Bei jeder Gelegenheit haben wir gesagt, wir finden sie gut. Zu sagen, „von Beust fröhlich im Kreise von Kampfhundebesitzern“, ist schlicht eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU)

Erlauben Sie mir einige wenige Worte zu Herrn Mahr. Herr Mahr, wenn Sie sagen, die GAL-Fraktion habe geschlossen Herrn Scholz gewählt, dann ist es angesichts dieser peinlichen Ergebenheitsadressen, die Sie hier an die SPD leisten, absolut glaubwürdig. Es ist erstaunlich, wie eine Partei binnen vier Jahren in einer derartigen Weise domestiziert werden kann; das ist wirklich unglaublich.

(Beifall bei der CDU)

Zum Wrocklage-Rücktritt oder besser zum Rückzug: Er war natürlich überfällig, sonst hätten wir das auch nicht beantragt. Dieses Amt war diesem Mann nicht gerade auf den Leib geschneidert. Es ist ihm nie gelungen, in der Öffentlichkeit oder im Polizeiapparat den Eindruck zu vermitteln, er besitze auf diesem Gebiet irgendeine Kompetenz. Und es ist ihm auch nie gelungen, innerhalb der Polizei – bei der Polizeiführung mag das anders sein, die ist durchweg handverlesen und sozialdemokratisch – Vertrauen für sich selbst aufzubauen. Er war regelmäßig schlecht beraten, und dieses wunderschöne Adjektiv „beratungsresistent“ habe ich zum ersten Mal im Zusammenhang mit Wrocklage gehört. Ich glaube, es ist im Zusammenhang mit ihm kreiert worden, ein Wort, das inzwischen bestimmt auch im Duden steht, zumindest gehört es da hinein.

Und am Ende war Herr Senator Wrocklage – man kann beinahe sagen – von allen guten Geistern verlassen. Der Versuch, die Presse an die Kette zu legen, war völlig daneben, und die Konsequenz war unabwendbar.

Sein größtes Problem bestand darin, die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Angesichts der Polizeistatistik hat er

doch tatsächlich gesagt – ich habe das an dieser Stelle schon mehrfach erwähnt, aber es ist so bemerkenswert, daß man es noch einmal erwähnen darf –, die Sicherheitslage in Hamburg sei stabil. Das sagte Herr Wrocklage angesichts von 6 Prozent Steigerung bei der Gewaltkriminalität, angesichts von 19 Prozent Steigerung beim Straßenraub, angesichts der höchsten Kriminalitätsrate aller Länder und aller Metropolen, angesichts der niedrigsten Aufklärungsquote aller Länder und angesichts der wohl größten Drogenszene Deutschlands, wenn nicht Europas.

(Manfred Mahr GAL: Der Welt! – Dr. Martin Schmidt GAL: Wir machen noch eine Weltreise!)

Meine Damen und Herren, die Sicherheitslage ist nicht stabil. Die Sicherheitslage ist schlecht, sie ist in Teilbereichen katastrophal. Der morgen erscheinende „Stern“ wurde hier schon zitiert. In ihm wird der Satz auftauchen – ich zitiere –:

„In keiner deutschen Großstadt lebt es sich gefährlicher als in Hamburg.“

Wenn hier schon „Focus“ und andere zitiert werden, zitieren wir den unglaublich CDU-freundlichen „Stern“, der sagt, in keiner deutschen Großstadt lebt es sich gefährlicher als in Hamburg. Das ist eine Aussage, auf die wir nicht stolz sein können, aber wir wissen, wem wir sie zu verdanken haben.

(Beifall bei der CDU)

Angesichts dieser objektiven Umstände fühlte sich der Damals- noch-nicht-Senator Scholz nicht daran gehindert, die Gesundbeterei von Wrocklage nachzuplappern und ansonsten die Parole auszugeben, Leute, haltet dieses Thema auf kleiner Flamme. Und wenn die Wahlkampfleiterin der SPD an eine Bezirksfraktion der SPD die Empfehlung – kann man das Empfehlung nennen? – ausgibt, man möge doch bitte davon absehen, eine Veranstaltung zu diesem Thema zu machen, das würde nicht ganz in die Landschaft passen, dann sagt das eigentlich alles. Wer ist eigentlich der Vorgesetzte dieser Wahlkampfleiterin, auf wessen Veranlassung tut sie dies? Es war offenbar die Strategie der SPD, das Thema herunterzureden, so zu tun, als sei es überhaupt kein Thema; das ist aber kläglich gescheitert. Jetzt wurde das Ruder um 180 Grad herumgeworfen und das Ganze zu einem Schwerpunktthema erklärt. Das hat seit vielen Jahren sozialdemokratische Tradition.

Wir erinnern uns: Regelmäßig war es so, daß drei bis vier Monate vor der Wahl, wenn das Thema „Innere Sicherheit“ irgendwie virulent wurde, die sicherheitspolitische Windmaschine angeworfen wurde. Das hat schon Pawelczyk in den achtziger Jahren getan. Da gab es U- und S-Bahn-Begleitung, die natürlich nach den Wahlen sofort beendet wurde, ist ja klar. Da wurde etwas in der Hafenstraße getan. Voscherau verblüffte uns alle in den neunziger Jahren, als er sagte: „Law and order is an labour-issue“; das war eine völlig neue Erkenntnis. Und wir haben überhaupt keinen Zweifel, daß auch Herr Senator Olaf Scholz eine derartige Polit-Show abziehen wird. Sein großes Vorbild, der Spaß- und Medienkanzler, hat ihm ja vorgemacht, wie man so etwas macht.

Einen ersten Vorgeschmack haben wir schon vor einigen Wochen bekommen mit einer riesigen Drogenrazzia, mediengerecht aufbereitet. Die Presse war eher da als die Polizei, damit man die besten Bilder machen konnte. Polizisten – ich kann das nicht anders ausdrücken – wurden zu

(Heino Vahldieck CDU)

uniformierten Wahlkampfhelfern der SPD; das ist unwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Wer soll das eigentlich ernst nehmen? Ist das nicht vielmehr eine zynische Spekulation auf das kurze Gedächtnis des Wählers? Genau das sind die Ankündigungen des neuen Senators, vollmundig, selbstbewußt und selbstgerecht vorgetragen, die Grenze zur Arroganz zumindest touchierend. Da wird verkündet, das Sparprogramm werde aufgehoben, das Dealertum werde bekämpft, sogar Brechmittel würden eingesetzt. Herr Dr. Petersen hat damals gesagt, das wäre Quatsch, gleichwohl sind für Herrn Scholz Brechmittel nunmehr ein Thema. Das sollten Sie einmal unter den Altonaer Genossen erörtern. Es wird in der Tat Zeit, dies zu machen, aber wir sind überrascht, daß diese kluge Erkenntnis, daß es ein wirklich sinnvolles Mittel für die Polizei ist, erst jetzt kommt; wir machen uns allerdings unseren Reim darauf. Wir freuen uns, daß unsere Forderungen aufgegriffen werden, halten es aber für unglaubwürdig. Versäumnisse, die in 44 Jahren SPD-Dauerherrschaft eingetreten sind, lassen sich nicht in vier Monaten aufheben. Es wird sogar für uns schwierig genug, das Ganze in vier Jahren wieder auszubügeln.

(Beifall bei der CDU und Lachen bei der SPD)