Heino Vahldieck
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Last Statements
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag heute mit einem Zitat des Kollegen Mahr beginnen,
ebenfalls aus der Debatte vom 14. Februar 2001. Darin sagt er – ich zitiere –:
„In der letzten Woche wurde uns wieder einmal in Wundertütenmanier von Ihnen“
der CDU –
„vorgestellt, was man gegen die Drogenproblematik in Hamburg tun kann: Mehr Polizisten, Verschärfung des Polizeirechts und der Einsatz von Brechmitteln sollen es richten. Dann ist die Welt wieder in Ordnung, und Hamburg kann ruhig schlafen. Meine Damen und Herren, das ist Unsinn. Für wie blöd hält die CDU eigentlich die Menschen in dieser Stadt.“
In der Tat ist die Frage: Für wie blöd hält eigentlich Rotgrün die Menschen in dieser Stadt?
Was glauben Sie, was man den Männern und Frauen in Hamburg eigentlich noch zumuten kann? Zehn Wochen vor der Wahl wird alles, was bisher da gewesen ist, in Frage gestellt. Das Ruder wird um 180 Grad herumgerissen, und es wird genau das, was jahrelang richtig war und leidenschaftlich und mit Inbrunst vertreten wurde, in Frage gestellt; und nun ist genau das Gegenteil richtig. Wer soll das eigentlich glauben?
Und wie lange soll diese harte Linie gelten? Ich wage einmal eine Prognose, die etwas anders ist als das, was Herr Kleist sagte. Ich sage Ihnen, diese harte Linie gilt im wesentlichen bis zum 23. September 2001, 18 Uhr, und dann wird alles vergessen sein. Das ist die Wahrheit.
Angenommen, die Wähler lassen sich wiederum täuschen, angenommen, die Wähler honorieren diesen Opportunismus, angenommen, die Wähler sorgen dafür, daß Rotgrün weiter regieren kann: Wer schützt uns eigentlich davor, daß nicht sofort wieder neue Erkenntnisse auf den Markt kommen, die einen dazu bringen, wieder 180 Prozent umzuschwenken und wieder das zu sagen, was noch bis zum letzten Monat galt?
Meine Damen und Herren! Neue Erkenntnisse sind im Moment sehr in Mode. Sogar der oberste Sozialdemokrat hatte am Wochenende neue Erkenntnisse. Er kam auf einmal zu der Überzeugung, daß man bestimmte Dinge mit Sexualstraftätern tun sollte. Er sprang sozusagen mit einem Hops auf den Stammtisch, stellte sich nach oben
und erzählte etwas, was an Undifferenziertheit und Plattheit nicht mehr zu überbieten ist.
Und was tut der sozialdemokratische Landesvorsitzende und Innensenator am Tag darauf? – Er ist sozusagen der erste Claqueur von allen.
Im NDR 4 erzählt er nahezu mit denselben Worten, wie großartig und wie toll und wie vernünftig das alles ist.
Meine Damen und Herren! Abgesehen davon, daß es schon auffällig ist, wenn man mit solchen Erkenntnissen genau an dem Wochenende aufwarten kann, an dem man kleinlaut verkünden muß, daß man seine Ziele in der Bekämpfung der Arbeitslosenreduzierung nicht erreichen wird, und man davon ablenken muß – dafür habe ich Verständnis –, ist das doch unglaubwürdig.
Wir hatten doch hier die Nagelprobe. Wir haben vor einigen Wochen einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Maßregelvollzugsgesetzes vorgelegt mit dem Ziel, die Sicherheit für die Bürger zu verbessern. Und was ist das Ergebnis? – Sie haben es in die Ausschüsse überwiesen, und dort wird es durch Filibuster bis zum Sankt-NimmerleinsTag dazu gebracht, daß es versandet, und wir werden es nicht mehr in dieser Legislaturperiode beschließen, und das ist Ihre Schuld, meine Damen und Herren.
Zwischen den Worten und Taten liegen hier Welten. Aber auch Hamburger, nicht nur Gerhard Schröder, haben zuweilen neue Erkenntnisse. Da erklärt Herr Scholz in der Pressekonferenz, es gebe ein neues Medikament, einen mexikanischen Sirup, der es jetzt ermöglichen würde, mit diesem Brechmittel zu arbeiten. Das heißt übrigens Ipecacuanha. Dann gebe es neuerdings Beweisschwierigkeiten, weil Schluckbewegungen nicht als Beweis anerkannt werden.
Meine Damen und Herren! Das ist absoluter Unsinn, das eine wie das andere. Erstens gibt es dieses Medikament seit Jahrhunderten, und es wird seit ungefähr zehn Jahren in Deutschland in Hunderten von Fällen erfolgreich ange
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wandt, und zweitens hat es Beweisprobleme zu jedem Zeitpunkt gegeben. Natürlich sind die Gerichte nicht so, daß sie sagen, Schluckbewegungen werden akzeptiert. Schluckbewegungen sind zunächst einmal Schluckbewegungen und kein Beweis. Insofern war es schon immer notwendig, so etwas zu fordern.
Das einzige, was anders ist als früher, ist, daß es früher von Rotgrün bestritten wurde, jetzt wird es akzeptiert.
Jetzt zu Ihnen, Herr Dr. Schmidt. Ich lese in der Zeitung, daß Sie die Verabreichung von Brechmitteln nunmehr für vertretbar halten, weil es nicht mehr darum geht, Kochsalzlösung zu verabreichen, sondern dieses bewußte mexikanische Medikament, und dann sei das Ganze vertretbar.
Ich darf aus der Debatte vom 17. September 1998 zitieren,
und zwar mich selbst. Da habe ich nämlich den Chef der Rechtsmedizin der Frankfurter Johann-Wolfgang-vonGoethe-Universität mit folgenden Worten zitiert:
„Ich bin nach wie vor der Meinung, daß die Gabe von Ipecacuanha an Gesunde zu den harmlosesten ärztlichen Eingriffen gehört.“
Dann hat er noch mehr gesagt, und das wurde von Herrn Dr. Petersen – wie so oft – mit unqualifizierten Zwischenrufen bedacht.
Meine Damen und Herren! Es war also zu jedem Zeitpunkt klar, daß unser Ansinnen, Brechmittel an Dealer zu verabreichen, nie etwas mit Kochsalzlösungen zu tun hatte, sondern wir wollten natürlich dieses neuartige Medikament, das es jetzt seit einigen Wochen, aber in Wirklichkeit seit einigen hundert Jahren gibt. Meine Damen und Herren, wer soll das eigentlich alles noch glauben?
Wenn jetzt die Polizei ihre Energie insbesondere auf den Stadtteil St. Georg konzentriert, dann kann ich das gut verstehen. Die Situation in St. Georg ist katastrophal schlecht. Sie ist in der Tat unerträglich für die Bewohner, und das größte Problem ist – zumindest für die Regierenden –, daß es sichtbar ist. 400 000 Menschen gehen jeden Tag ein und aus und sehen, was dort geschieht, und das ist natürlich besonders spektakulär. Ich habe volles Verständnis dafür, wenn man sich dieses Themas annimmt. Nur, meine Damen und Herren, wenn man seine Energie auf diesen einen Stadtteil konzentriert, dann heißt es doch im Umkehrschluß, daß in anderen Bereichen entsprechend weniger geschieht.
Wenn eine Decke an einer Stelle zu kurz ist, zum Beispiel über den Füßen, und man zieht sie hoch, dann ist auch noch der Bauch frei.
Die Decke wird immer zu kurz sein.
Nein, ich zeig das nicht, Herr Schmidt. Sie sind vergnügungssüchtig.
Ohne eine adäquate Personalaufstockung, sowohl im Bereich der Polizei als auch im Bereich der Staatsanwaltschaft und der Gerichte, wird man diese Ziele nicht erreichen können.
Es gibt doch nicht nur die offene Drogenszene in St.Georg, meine Damen und Herren. Es gibt Drogenszenen in vielen Teilen der Stadt, insbesondere auch in Altona und St. Pauli.
Wohl weniger. Ich dachte mehr an Altona und St. Pauli. Es ist doch klar, daß es einen Verdrängungswettbewerb in diese Bereiche geben wird. Und es ist doch auch völlig klar, daß, wenn man nicht mehr Polizei hat, man diese Situation nicht in den Griff bekommen wird. Man wird es vielleicht in St. Georg schaffen, aber man wird woanders Lücken aufreißen.
Nun heißt es, es gibt ja die 61 neuen Beamten vom BGS. Aber die helfen doch nicht sofort. Das sind Leute, die vom Bundesgrenzschutz kommen. Die haben bislang möglicherweise ihren schweren Dienst an den Außengrenzen geschoben und sollen sich jetzt auf einmal im Hamburger Drogendschungel auskennen. Das ist doch eine völlig neue Situation. Sie müssen lernen, Hamburger Gesetze vernünftig anzuwenden.
Herr Dr. Schmidt, ich darf Sie insoweit aufklären, daß Polizeirecht Ländersache ist.
In der Tat, das sind komplizierte Fragen, um die es da geht. Diese Polizisten werden nicht zu Unrecht zwei, teilweise drei Jahre ausgebildet, weil sie solch einen schwierigen Stoff beherrschen müssen.
BGS-Beamte können nicht von heute auf morgen den Dienst in Hamburg aufnehmen. Sie müßten mindestens ein halbes Jahr umgeschult werden auf die Situation. Wenn man das nicht tun sollte – wir werden das sicherlich noch hören –, dann ist das völlig unverantwortlich.
Im übrigen kommt es auch darauf an, daß man entsprechende Kapazitäten bei der Staatsanwaltschaft schafft, denn wir haben gelernt, daß das Verabreichen von Brechmitteln erst nach staatsanwaltschaftlicher Anordnung erfolgen dürfen soll. Aber, meine Damen und Herren, Staatsanwälte arbeiten üblicherweise montags bis freitags von 8 Uhr bis 17 Uhr. Die meiste Zeit des Tages ist eben die andere Zeit, und dann gibt es auch noch das Wochenende. Es muß also gelingen, daß auch Staatsanwälte für diesen Bereitschaftsdienst zur Verfügung stehen. Dies ist noch nicht geregelt.
Insofern ist das Ganze unausgegoren, es ist ein Wahlkampfbluff, es ist viel heiße Luft, es ist Wahlkampfgetöse, es wird – wie ich schon einmal an dieser Stelle gesagt habe – die sicherheitspolitische Windmaschine angeworfen, sie bläst zwar erheblich, aber es kommt nur ein ganz laues Lüftlein raus.
Wir halten das für unglaubwürdig. Wir sind der Auffassung, daß dies eine Sache ist, die spätestens am 23. September gegen 18 Uhr abgeblasen wird, und dann wird es so weitergehen wie immer. Das hat sozialdemokratische Tradition, und darauf verlassen wir uns. Wir hoffen, daß die Bürger das auch noch erinnern werden, daß kein Verlaß auf die Last-minute-Aktivitäten ist, die bei der SPD Tradition haben. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, ich fand Ihre Rede ziemlich enttäuschend.
Ich hatte gehofft, daß hier ein Feuerwerk des neuen Senators abgebrannt wird, und statt dessen wird auf das länglichste Valium 10 verabreicht.
Wenn der Erste Bürgermeister auch noch den politischen Nachruf auf den ausgeschiedenen Innensenator abgibt, dann sind das nichts als Krokodilstränen. Wenn gestern eine Zeitung – völlig zu Recht – den Aufmacher hat:
„Runde opfert den Innensenator“,
dann sagt das alles. Wenn dann derselbe Bürgermeister hier die Verdienste dieses Innensenators in den schillerndsten Farben malt, ist das unglaubwürdig. Dann sind das tatsächlich Krokodilstränen.
Im übrigen ist es bemerkenswert, Herr Runde, hier einen ehemaligen Senator so zu loben, ihn aber nicht daran zu hindern, noch in der „Welt am Sonntag“ markige Interviews zu geben – „Der schwache Herr von Beust und die CDU kriegen meinen Kopf nicht“ –, zu einem Zeitpunkt, als die Sache offenbar schon lange eingetütet war. Das ist sehr fragwürdig.
Sie haben auch etwas von „anonymen Hinweisen“ gesagt. Das ist sicherlich nicht immer das Schönste. Auf der anderen Seite wäre aber das, was wir als PUA-Filz gehabt haben, ohne anonyme Hinweise nicht herausgekommen. Insofern können anonyme Hinweise im Einzelfall auch Anlaß dazu geben, sich einer Sache anzunehmen und dann Tatbestände zutage zu fördern.
Insofern sollte man sich über diese anonymen Hinweise etwas zurückhaltender äußern.
Eine Sache noch, und dann lasse ich Sie auch in Frieden.
Wo haben Sie Bilder gesehen, die Herrn von Beust fröhlich zusammen mit Kampfhundebesitzern zeigen?
Zeigen Sie uns diese Fotos.
Wenn ich Wrocklage, wenn ich Wagner, wenn ich PeschelGutzeit hieße – bei denen ist das tägliches Brot –, dann würde ich sagen, bis morgen 12 Uhr geben Sie uns eine entsprechende Unterlassungserklärung ab. Wir arbeiten politisch. Herr Bürgermeister Runde, es gibt keine derartigen Fotos, und wenn Sie solche zeigen können, dann zeigen Sie sie. Es wird Ihnen aber nicht gelingen. Bis Sie die Fotos nicht gezeigt haben, müssen Sie sich gefallen lassen, daß man Ihnen vorwirft, Sie haben hier schlicht gelogen.
Ole von Beust und die CDU und ich persönlich haben diese Hundeverordnung zu jedem Zeitpunkt gutgeheißen. Wir haben sie verteidigt, wir haben sie auch öffentlich verteidigt. Bei jeder Gelegenheit haben wir gesagt, wir finden sie gut. Zu sagen, „von Beust fröhlich im Kreise von Kampfhundebesitzern“, ist schlicht eine Unverschämtheit.
Erlauben Sie mir einige wenige Worte zu Herrn Mahr. Herr Mahr, wenn Sie sagen, die GAL-Fraktion habe geschlossen Herrn Scholz gewählt, dann ist es angesichts dieser peinlichen Ergebenheitsadressen, die Sie hier an die SPD leisten, absolut glaubwürdig. Es ist erstaunlich, wie eine Partei binnen vier Jahren in einer derartigen Weise domestiziert werden kann; das ist wirklich unglaublich.
Zum Wrocklage-Rücktritt oder besser zum Rückzug: Er war natürlich überfällig, sonst hätten wir das auch nicht beantragt. Dieses Amt war diesem Mann nicht gerade auf den Leib geschneidert. Es ist ihm nie gelungen, in der Öffentlichkeit oder im Polizeiapparat den Eindruck zu vermitteln, er besitze auf diesem Gebiet irgendeine Kompetenz. Und es ist ihm auch nie gelungen, innerhalb der Polizei – bei der Polizeiführung mag das anders sein, die ist durchweg handverlesen und sozialdemokratisch – Vertrauen für sich selbst aufzubauen. Er war regelmäßig schlecht beraten, und dieses wunderschöne Adjektiv „beratungsresistent“ habe ich zum ersten Mal im Zusammenhang mit Wrocklage gehört. Ich glaube, es ist im Zusammenhang mit ihm kreiert worden, ein Wort, das inzwischen bestimmt auch im Duden steht, zumindest gehört es da hinein.
Und am Ende war Herr Senator Wrocklage – man kann beinahe sagen – von allen guten Geistern verlassen. Der Versuch, die Presse an die Kette zu legen, war völlig daneben, und die Konsequenz war unabwendbar.
Sein größtes Problem bestand darin, die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Angesichts der Polizeistatistik hat er
doch tatsächlich gesagt – ich habe das an dieser Stelle schon mehrfach erwähnt, aber es ist so bemerkenswert, daß man es noch einmal erwähnen darf –, die Sicherheitslage in Hamburg sei stabil. Das sagte Herr Wrocklage angesichts von 6 Prozent Steigerung bei der Gewaltkriminalität, angesichts von 19 Prozent Steigerung beim Straßenraub, angesichts der höchsten Kriminalitätsrate aller Länder und aller Metropolen, angesichts der niedrigsten Aufklärungsquote aller Länder und angesichts der wohl größten Drogenszene Deutschlands, wenn nicht Europas.
Meine Damen und Herren, die Sicherheitslage ist nicht stabil. Die Sicherheitslage ist schlecht, sie ist in Teilbereichen katastrophal. Der morgen erscheinende „Stern“ wurde hier schon zitiert. In ihm wird der Satz auftauchen – ich zitiere –:
„In keiner deutschen Großstadt lebt es sich gefährlicher als in Hamburg.“
Wenn hier schon „Focus“ und andere zitiert werden, zitieren wir den unglaublich CDU-freundlichen „Stern“, der sagt, in keiner deutschen Großstadt lebt es sich gefährlicher als in Hamburg. Das ist eine Aussage, auf die wir nicht stolz sein können, aber wir wissen, wem wir sie zu verdanken haben.
Angesichts dieser objektiven Umstände fühlte sich der Damals- noch-nicht-Senator Scholz nicht daran gehindert, die Gesundbeterei von Wrocklage nachzuplappern und ansonsten die Parole auszugeben, Leute, haltet dieses Thema auf kleiner Flamme. Und wenn die Wahlkampfleiterin der SPD an eine Bezirksfraktion der SPD die Empfehlung – kann man das Empfehlung nennen? – ausgibt, man möge doch bitte davon absehen, eine Veranstaltung zu diesem Thema zu machen, das würde nicht ganz in die Landschaft passen, dann sagt das eigentlich alles. Wer ist eigentlich der Vorgesetzte dieser Wahlkampfleiterin, auf wessen Veranlassung tut sie dies? Es war offenbar die Strategie der SPD, das Thema herunterzureden, so zu tun, als sei es überhaupt kein Thema; das ist aber kläglich gescheitert. Jetzt wurde das Ruder um 180 Grad herumgeworfen und das Ganze zu einem Schwerpunktthema erklärt. Das hat seit vielen Jahren sozialdemokratische Tradition.
Wir erinnern uns: Regelmäßig war es so, daß drei bis vier Monate vor der Wahl, wenn das Thema „Innere Sicherheit“ irgendwie virulent wurde, die sicherheitspolitische Windmaschine angeworfen wurde. Das hat schon Pawelczyk in den achtziger Jahren getan. Da gab es U- und S-Bahn-Begleitung, die natürlich nach den Wahlen sofort beendet wurde, ist ja klar. Da wurde etwas in der Hafenstraße getan. Voscherau verblüffte uns alle in den neunziger Jahren, als er sagte: „Law and order is an labour-issue“; das war eine völlig neue Erkenntnis. Und wir haben überhaupt keinen Zweifel, daß auch Herr Senator Olaf Scholz eine derartige Polit-Show abziehen wird. Sein großes Vorbild, der Spaß- und Medienkanzler, hat ihm ja vorgemacht, wie man so etwas macht.
Einen ersten Vorgeschmack haben wir schon vor einigen Wochen bekommen mit einer riesigen Drogenrazzia, mediengerecht aufbereitet. Die Presse war eher da als die Polizei, damit man die besten Bilder machen konnte. Polizisten – ich kann das nicht anders ausdrücken – wurden zu
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uniformierten Wahlkampfhelfern der SPD; das ist unwürdig.
Wer soll das eigentlich ernst nehmen? Ist das nicht vielmehr eine zynische Spekulation auf das kurze Gedächtnis des Wählers? Genau das sind die Ankündigungen des neuen Senators, vollmundig, selbstbewußt und selbstgerecht vorgetragen, die Grenze zur Arroganz zumindest touchierend. Da wird verkündet, das Sparprogramm werde aufgehoben, das Dealertum werde bekämpft, sogar Brechmittel würden eingesetzt. Herr Dr. Petersen hat damals gesagt, das wäre Quatsch, gleichwohl sind für Herrn Scholz Brechmittel nunmehr ein Thema. Das sollten Sie einmal unter den Altonaer Genossen erörtern. Es wird in der Tat Zeit, dies zu machen, aber wir sind überrascht, daß diese kluge Erkenntnis, daß es ein wirklich sinnvolles Mittel für die Polizei ist, erst jetzt kommt; wir machen uns allerdings unseren Reim darauf. Wir freuen uns, daß unsere Forderungen aufgegriffen werden, halten es aber für unglaubwürdig. Versäumnisse, die in 44 Jahren SPD-Dauerherrschaft eingetreten sind, lassen sich nicht in vier Monaten aufheben. Es wird sogar für uns schwierig genug, das Ganze in vier Jahren wieder auszubügeln.
Das wird schwierig genug, aber wir werden es schaffen.
Meine Damen und Herren! Starke Sprüche können fehlende Kompetenz nicht ersetzen.
Der Herr Senator hat gesagt, wir brauchten keine starken Sprüche, sondern starke Taten. Bisher haben wir nur starke Sprüche von ihm gehört; auch die fand ich noch nicht einmal besonders stark.
Aber Zweifel an seiner innenpolitischen Kompetenz wußte er geschickt zu zerstreuen. Im „Hamburger Abendblatt“ von gestern kam der Hinweis, er, Scholz, sei ja schließlich stellvertretendes Mitglied im Innenausschuß des Deutschen Bundestages; mit anderen Worten: eine echte Herzensangelegenheit. Dann ist es auch konsequent, daß er seit September 1999 von 39 Sitzungen immerhin an zwei teilgenommen hat.
Das ist für mich ein Indiz für ein leidenschaftliches Interesse an diesem Thema.
Zusammenfassend möchte ich sagen:
Die Freude über Wrocklages Rücktritt ist nicht nur in der Polizei, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch hier im Hause offenbar ziemlich groß. Und wenn Herr Dr. Christier das Ganze als geschickten politischen Schachzug darstellt, dann müßte doch konsequenterweise die SPD unserem Antrag: „Wir begrüßen den Rücktritt“, folgen, Herr Dr. Christier. Ich erwarte diese Konsequenz nicht, das wäre ja völlig neu, aber es wäre konsequent.
Die Freude über den neuen Innensenator ist angesichts des Wahlergebnisses verhalten. Bei uns gibt es sie nicht, bei den Grünen ist sie riesig und bei der SPD, nun ja.
Es gibt aber immerhin – das ist mir wichtig – einen Personenkreis in dieser Stadt, für den die Wahl von Herrn Olaf Scholz zum Senator ohne jede Einschränkung positiv ist, das sind die Mandanten von Herrn Scholz, die ab Oktober einen Anwalt haben, der für sie jede Menge Zeit hat: kein Amt mehr im Deutschen Bundestag, kein Amt mehr im Senat, alle Kraft für die Mandanten. Darüber freuen wir uns, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jeder Stammtisch, der auf sich hält, ist sich beim fünften Bier sicher, die Beamten sind faul und der öffentliche Dienst ist ineffizient.
Doch, doch, das ist so. Vielleicht nicht in Ihrer Anwesenheit, Herr Grund, weil man weiß, daß Sie auch öffentlich Bedienstete professionell vertreten müssen, aber mir gegenüber hat man da weniger Skrupel. Ein berühmter Politiker – der Name ist mir jetzt entfallen – hat mal einen ganzen Berufsstand als faule Säcke apostrophiert.
Die öffentliche Meinung ist da relativ schnell bei der Hand, und der eine oder andere von uns wird sicher auch die Erfahrung gemacht haben, daß diese Charakterisierung zum Teil durchaus zutrifft. Es gibt derartige Beamte und öffentlich Bedienstete, die man als wenig effizient bezeichnen kann, aber es gibt zum Glück auch öffentlich Bedienstete, die diesem Klischee überhaupt nicht entsprechen.
Das sind sogar mehr. In der Tat, Herr Grund, schön, daß Sie das sagen. Insofern wird jeder von uns, die wir hier im Raum sind, Erfahrungen mit dem öffentlichen Dienst gemacht haben, und zwar mit solchen und mit solchen öffentlich Bediensteten, also mit Faulen und mit solchen, die wirklich sehr viel leisten, sehr engagiert sind und einen guten Job machen.
Unter Fachleuten ist völlig unbestritten, daß es notwendig ist, Leistungsträger zu motivieren. Das bedeutet, ihnen Anerkennung zukommen zu lassen, und das darf und soll sich gerne auch finanziell auswirken.
Das ist ein modernes Personalmanagement, das in der Wirtschaft gang und gäbe ist. Glücklicherweise besteht seit 1997 nach dem Bundesbeamtenrecht die Möglichkeit, dieses auch im öffentlichen Dienst durchzuführen.
Man kann für öffentlich Bedienstete – wenn sie Leistungsträger sind – Prämien auszahlen, auf ein Jahr begrenzte Leistungszulagen gewähren und auch dafür sorgen, daß sie in der jeweiligen Dienstaltersstufe schneller aufsteigen. Das ist für maximal 10 Prozent des betroffenen Personenkreises möglich.
Gegenfinanziert wird dies durch den Umbau der Grundgehaltstabelle, was schon seit einigen Jahren praktiziert wird. Insofern ist beim Bund und bei den Ländern inzwischen auch ein finanzieller Ertrag eingetreten, der für die Gewährung von Leistungsanreizen eingesetzt werden soll; in Hamburg ist dies noch nicht geschehen. Der Senat hat erklärt, er wolle derartige Leistungsanreize bis zum Jahr 2000 einführen. Allerdings ist davon derzeit noch nichts in Sicht.
Der Bund hat finanzielle Leistungsanreize eingeführt. Auch viele Länder wie Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein handeln so. Sie gewähren den öffentlich Bediensteten Zulagen und finanzielle Leistungsanreize, die sich als Leistungsträger qualifiziert haben. In Hamburg ist es derzeit noch nicht der Fall.
Es ist unbestritten, daß dieses Vorgehen auch eine Vielzahl von Problemen mit sich bringt. Die Probleme stecken wie immer im Detail. Man muß eine Leistungsbewertung vornehmen, die im Einzelfall für Vorgesetzte schwierig ist. Denn wenn man dem einen eine Leistungsprämie zukommen lassen will, kann man dies im Umkehrschluß dem anderen nicht gewähren. Hier befinden sich die Vorgesetzten in einer großen Verantwortung.
Gleichwohl ist es die Aufgabe der Politik, diese Probleme zu lösen. Andere Länder haben das schon getan. Wir sind der Auffassung, daß in Hamburg dies schnellstens geschehen muß. Ich bin froh, daß dieses Thema aufgrund der Initiative der GAL an den Innenausschuß überwiesen wird, denn dort können wir das alles erörtern. Wir würden dann gern vom Senat erfahren, warum derartiges in Hamburg noch nicht umgesetzt wurde.
Zum Thema Mobilität, das wir auch in einem Antrag angesprochen haben. Wir stellen fest, daß es immer schwieriger wird, die Durchlässigkeit für Bedienstete von einer Behörde in die andere zu gewährleisten. Bei Lehrern ist das sicherlich ein nicht so großes Problem, denn sie werden in der Regel als solche arbeiten. Aber innerhalb der allgemeinen Verwaltung ist es schon sinnvoll, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einer Fachbehörde in die andere und vom Bezirksamt in die Fachbehörde wechseln können und umgekehrt. Das ist sinnvoll, geschieht in den letzten Jahren aber kaum noch.
Durch die Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst ist jede Behörde peinlich darauf bedacht, möglichst keine Bewerberinnen und Bewerber von außen aufnehmen zu müssen, weil jede einzelne Behörde im Rahmen der Haushaltskonsolidierung damit befaßt ist, ihre eigenen Probleme zu lösen. Trotzdem ist das auf Dauer keine Lösung. Die Immobilität im hamburgischen öffentlichen Dienst ist inzwischen so weit fortgeschritten, daß man von Erstarrung reden kann.
Deshalb wollen wir auch dieses Thema im Innenausschuß erörtern. Ich freue mich auf die Diskussion und hoffe, daß in diesem Jahr endlich etwas geschieht und wir zum einen finanzielle Anreize für Leistungsträger bekommen und zum anderen etwas für die Mobilität des öffentlichen Dienstes tun. Denn das sind moderne Personalmanagementinstrumente, die wir dringend brauchen. Ansonsten hinken wir der Wirtschaft hinterher, und das kann sich der öffentliche Dienst in Hamburg am wenigsten erlauben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor Jahren gab es hier in Hamburg das Motto: Hamburg ist das Hoch im Norden. Zum Glück stimmt dieser Titel auch zum großen Teil. Er stimmt aber leider auch in einem Punkt, der uns überhaupt nicht freudig erregen kann, nämlich in bezug auf die Kriminalitätsbelastung. Hamburg ist inzwischen Spitzenreiter bei der Kriminalität, und das nicht nur unter den Ländern – denn daß es ein Stadtstaat sein würde, ist relativ naheliegend –, sondern inzwischen auch unter den Großstädten, unter den Metropolen der Bundesrepublik Deutschland.
Wir haben in Hamburg im Jahr 2000 16 675 Straftaten auf 100 000 Einwohner gehabt. Während wir 1999 noch den dritten Platz innehatten – auch nicht gerade berauschend, aber immerhin den dritten Platz –
und Berlin und Frankfurt noch vor uns waren, sind wir inzwischen tatsächlich nicht nur das Hoch im Norden, sondern auch im Süden, im Westen und im Osten. Wir sind, was die Kriminalität betrifft, das Hoch in Deutschland, und das ist ein Titel, auf den wir nicht stolz sind.
Wenn man sich einzelne Deliktsbereiche ansieht, ist das Bild noch betrüblicher. Bei der besonders schweren Straftat Raub kommen auf 100 000 Einwohner – ich nenne jetzt nur einmal vier Städte, die von der soziologischen Struktur alle vergleichbar sind – in München 79 Raube, in Frankfurt/Main 207, in Berlin 249 und in Hamburg 349. Das heißt, in Hamburg ist die Zahl der Raube im Jahr 2000 noch einmal deutlich gestiegen. Ein Beispiel, wie es auch anders laufen kann, ist Frankfurt. Dort war man im Jahr 1999 bei mehr als 290 Rauben auf 100 000 Einwohner und ist jetzt bei 207. Das ist immer noch viel zuviel, aber es ist eine Entwicklung in die richtige Richtung und scheint an der Sicherheitspolitik zu liegen, die in Frankfurt von der christlich-liberalen Regierung und von Innenminister Bouffier gemacht wird. Offenbar ist es möglich, Zahlen, die bisher schlimm waren, in die richtige Richtung zu verändern.
Man könnte eine Vielzahl von Beispielen nennen. Das Ergebnis ist immer gleich: Die Situation in Hamburg ist schlecht bis katastrophal. Wenn Innensenator Wrocklage angesichts dieser Zahlen von einer stabilen Sicherheitslage spricht, verstehe ich überhaupt nicht, was er damit meint; man kann sich eigentlich nur an den Kopf fassen, um es einmal ganz deutlich auszudrücken.
In der Kriminalität sind wir locker in der Champions League. In Sachen Aufklärung sind wir sicherer Absteiger, mit der Tendenz, sogar in der Zweiten Liga nach unten durchgereicht zu werden.
Die Entwicklung in der Kriminalität ist genau umgekehrt wie die Entwicklung im Bereich des Personals. Ich möchte Sie mit einigen Zahlen konfrontieren, die zwar in den letzten Tagen durch die Presse gegangen sind, die man sich aber noch einmal vergegenwärtigen sollte. Im Jahre 1994 hatten wir etwa 8800 Polizeivollzugsstellen, heute sind es weniger als 8000, das bedeutet einen Rückgang um circa 10 Prozent.
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Welche Konsequenzen werden daraus gezogen? Die Konsequenz, die der Senat hier in Hamburg aus dieser Entwicklung zieht, lautet: Wir setzen den Personalabbau fort. Vielleicht geschieht es nicht mehr konsolidierungsbedingt, wie in den letzten sieben Jahren, aber in der Konsequenz ist es dasselbe, ob sich das Personal konsolidierungsbedingt verringert oder weil Stellen in Verwaltungsstellen umgewandelt oder Pensionierungen nicht durch entsprechende Neueinstellungen ausgeglichen werden. Es wird zumindest so sein, daß bis zum Jahr 2006, das heißt in den nächsten fünf Jahren, noch weitere 429 Stellen wegfallen. Damit werden wir im Bereich des Polizeivollzugs in den Jahren 1994 bis 2006 ungefähr 1200 Stellen weniger haben, und das angesichts einer sich in einigen Deliktsbereichen geradezu explosionsartig steigernden Kriminalität. Wir halten das für vollkommen unverantwortlich.
Die Polizei braucht nicht weniger, sondern mehr Personal. Der Personalabbau muß sofort eingestellt werden. Um wenigstens den Stellenbestand des Jahres 1997 wieder herzustellen, als die Kriminalitätszahlen in etwa so wie im Jahr 2000 waren, brauchen wir die Schaffung von 428 Stellen. Das ist unsere Politik, die wir hier gefordert haben. Sie haben das abgelehnt. Wir halten dies nach wie vor für schlecht. Ich kann Ihnen versichern, daß wir alles dafür tun werden, damit diese Entwicklung umgedreht wird. Im übrigen brauchen wir eine Politik und einen Senat, der sich mit der Polizei identifiziert und ihr nicht mit Mißtrauen entgegenkommt. Wir brauchen eine Politik, die der Polizei die Mittel in die Hand gibt, die sie benötigt,
Vielen Dank für den Hinweis, Frau Präsidentin; ich beende nur noch diesen Satz –
nämlich Brechmittel für Dealer sowie Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten. Das sind unsere Forderungen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wrocklage, mit monokausalen Konzepten dürfe man nicht vorgehen. Herr Wrocklage, wir wären dankbar, wenn überhaupt mit irgendwelchen Konzepten vorgegangen würde.
Daran fehlt es doch schon.
Wenn wir hier – Herr Wersich hat das geschildert – die größte offene Drogenszene Deutschlands, möglicherweise Europas haben...
Ja, so ist es. Da gibt es gar nichts zu lachen.
Wenn hier 2000 Menschen der offenen Drogenszene angehören, wenn Stadtteile unter der offenen Drogenszene leiden und der SPD nichts anderes einfällt, als in einer Presseerklärung vom 7. Februar zu schreiben, der Kurs in der Drogenpolitik stimmt, dann frage ich mich, ob Sie uns veralbern wollen. Ist das Zeugnis von exzessivem Rindfleischgenuß, oder wollen Sie sich für eine Satirezeitung qualifizieren? Dafür würde es reichen, aber auch nur dafür, Herr Christier.
Natürlich ist die Bekämpfung der offenen Drogenszene völlig erfolglos geblieben in dieser Stadt. Wir haben überall Dealer in der Stadt, am Hauptbahnhof ein bißchen weniger, das ist zugestanden, aber immer noch viel zu viele. Im Schanzenviertel, in Teilen von St. Pauli, in den U- und S-Bahnen, in den Bahnhöfen, sogar in Hamburgs guter
Stube, hier vor der Tür, am Jungfernstieg und am Neuen Wall sind Dealer zu finden.
Hunderttausende von Platzverweisen und Tausende von Ingewahrsamnahmen in den letzten Jahren haben überhaupt nichts bewirkt und keinen nachhaltigen Erfolg gezeigt.
Die Situation ist für die Menschen in der Stadt und insbesondere in den betroffenen Stadtteilen eine schlichte Zumutung. Insbesondere für die Männer und Frauen ist es eine Zumutung, die die Aufgabe haben, die Sicherheit in der Stadt zu gewähren, nämlich für die Polizei.
Die Polizisten arbeiten sozusagen nur für die Statistik, haben relativ wenig Erfolge, viel zu wenige Verurteilungen, sie sind personell schlecht bestückt. Die sogenannte Drogeneinsatzgruppe ist mit 20 Mann ausgerüstet. Das ist angesichts einer solchen Drogenszene eine lächerlich geringe Zahl. Sie werden von den Dealern veralbert und verlacht. Der Kokainhandel aus dem Mund ist das beste Beispiel dafür, wenn Dealer beim Erscheinen der Polizei – meistens sind es farbige Dealer – die Kugeln verschlucken.
Nicht ah, das ist ein Faktum.
Das hat nichts mit der Farbe zu tun.
Wenn Sie die Wahrheit nicht ertragen können, Herr Mahr, kann ich Ihnen auch nicht helfen.
Die Kokainkugeln werden bei Erscheinen der Polizei verschluckt, und es wird darauf verzichtet, den Stoff wieder zutage zu befördern. Ergebnis: Der Stoff kommt auf natürlichem Wege spätestens am nächsten Tag wieder zutage, wird etwas gereinigt und wiederum aus dem Mund heraus verkauft. Sie können mir nicht erzählen, daß das ein erträglicher Zustand ist, meine Damen und Herren.
Wir halten das für nicht hinnehmbar. Wir betrachten die Verabreichung von Brechmittel in diesem Zusammenhang nicht nur als notwendig, sondern auch als verhältnismäßig. Sie wird in anderen Städten und Ländern in Deutschland praktiziert. Das hat zur Folge, daß wir ein sicheres Beweismittel haben, anders als bei den Sprüchen des Senats nach dem Motto: Schluckbewegungen und szenetypisches Verhalten würden zur Verurteilung reichen.
Meine Damen und Herren, die Justiz in Hamburg, die den Ruf hat, sehr lasch zu sein, und die im Hinblick auf die Jugendgerichtsbarkeit nach meiner Überzeugung auch zu lasch ist, soll nun tatsächlich aufgrund szenetypischen Verhaltens und Schluckbewegungen jemanden wegen Drogenhandels verurteilen? Wer glaubt denn so etwas? Das ist ein Witz, meine Damen und Herren.
Im übrigen halten wir es für unverantwortlich, den Dealern den Stoff zu belassen. Man überläßt doch auch den Die
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ben nicht ihre Beute. Man muß den Dealern den Stoff abnehmen, damit sie damit nicht weiter handeln können, das muß das Ziel sein.
Ferner hätte das den Nebeneffekt, daß der nächste Dealer mit Sicherheit darauf verzichtet, den Stoff zu verschlucken, denn es würde sich in der Szene herumsprechen. Wenn die Dealer erst einmal wissen, daß eine andere härtere Gangart angelegt wird, dann werden sie darauf verzichten, in dieser Art und Weise mit der Polizei umzuspringen. Das müssen wir erreichen.
Schon die Drohung mit der Verabreichung von Brechmitteln würde sich positiv auswirken. Das wäre die richtige Botschaft an die Dealer.
Deshalb fordern wir die Verabreichung von Brechmitteln gegen Kokaindealer. Das halten wir für ein sinnvolles Mittel. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kürzlich gab es im Fernsehen den Film „Der Untertan“, die Verfilmung des berühmten Romans von Heinrich Mann. Wenn man solche Filme sieht, könnte man glauben, die Deutschen seien besonders obrigkeitshörig. Zum Teil sind sie es tatsächlich, aber offenbar gibt es zunehmend Leute, die nicht bereit sind, Entscheidungen von öffentlich Bediensteten hinzunehmen. Das kann sich sehr zivil äußern, indem man Widerspruch einlegt oder Klage erhebt.
Aber es gibt auch Menschen, die glauben, man dürfe gegen öffentlich Bedienstete Gewalt anwenden, wenn sie Entscheidungen getroffen haben, die einem nicht gefallen haben. Das ist in den letzten Jahren mehrmals geschehen. Der Höhepunkt war im vergangenen Jahr die entsetzliche Tragödie in der Ortsdienststelle Osdorf, als auf eine Mitarbeiterin geschossen wurde. Außerdem werden Sie sich an das schreckliche Ereignis in Sachsen erinnern, als ein Schüler eine Lehrerin zu Tode brachte.
Wenn ich von Beamten spreche, meine ich öffentlich Bedienstete. Das beinhaltet auch Angestellte, aber der Kürze halber sage ich Beamte.
Sie haben recht, Frau Sudmann, Entschuldigung.
Beamte und Beamtinnen sind einmal freundlich und einmal weniger freundlich, einmal gewährend und einmal verweigernd. Es kommt vor, daß ein verweigernder Beamter auch noch unfreundlich ist. Ich hoffe, das ist nicht die Regel,
Siehe Seiten 4537 B und 4553 ff.
aber vielleicht hat der eine oder andere schon derartige Erfahrungen gemacht. Das ist natürlich keine Rechtfertigung dafür, gegen einen solchen Menschen in irgendeiner Weise Gewalt anzuwenden. Aber es gibt Übergriffe auf Beamtinnen und Beamte, und zwar nicht nur in den Bereichen, an die man in diesem Zusammenhang zuerst denkt. Wenn man beispielsweise auf der Straße fragt, welcher öffentlich Bedienstete am ehesten in der Gefahr ist, mit einem Bürger in einen körperlichen Konflikt zu geraten, würde vermutlich spontan die Antwort lauten: Polizeibeamter. Der eine oder andere wird dabei auch noch an Strafvollzugsbeamte denken. In der Tat gibt es in diesen Bereichen außerordentlich gravierende Zahlen.
Gegen Polizisten wurden in den Jahren 1997 bis 2000 910 körperliche Übergriffe vorgenommen, und im Bereich des Strafvollzugs gab es im selben Zeitraum 93 derartige Fälle.
Aber auch die sogenannte allgemeine Verwaltung, bei der man dieses Problem zunächst nicht vermutet, kann mit teilweise schockierenden Zahlen aufwarten.
In den Bezirksämtern ist die Statistik leider nicht so gut, wie sie sein sollte, so daß wir die Zahlen nicht genau wissen. Aber mehrere 100 Fälle sind in jedem Fall festgehalten. Im Landessozialamt sind in dem genannten Zeitraum 90 Fälle vorgekommen. Der Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung hat in dem Zeitraum 1997 bis 2000 38 Fälle zu vermelden. Das ist der Beweis, hier liegt ein erhebliches Problem vor.
Daß Bürgerinnen und Bürger gegen öffentlich Bedienstete Gewalt anwenden, liegt natürlich nicht in der Verantwortung des Senats. Aber in der Verantwortung des Senats liegt die Aufgabe, wie man mit diesem Problem umgeht. Wie schützt man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und wie geht man mit denen um, die derartige Situationen durchlebt haben? Wie betreibt man beispielsweise Nachsorge? Das ist eine Frage der Fürsorgepflicht, und hier ist der Senat gefordert.
Zu diesem Punkt gibt es einige Anmerkungen zu machen, weil die Anfrage ergeben hat, daß hier nicht alles zum besten steht.
Offenbar gibt es keine zentrale Erfassung von körperlichen Übergriffen auf öffentlich Bedienstete. Deshalb hat der Senat keinen Gesamtüberblick über die Situation und kann dementsprechend keine Schlüsse für die Zukunft ziehen. Das liegt zum Teil auch daran, daß der Begriff „Übergriff“ durchaus unterschiedlich interpretiert wird. Die Polizei stellt sich offenbar auf den Standpunkt, ein Übergriff auf einen Beamten oder eine Beamtin läge erst vor, wenn die Grenze zur Körperverletzung erreicht wird. Man kann sich auch Übergriffe – verbale Gewalt oder Bedrohung – vorstellen, bei denen Körperverletzung in dem Sinne nicht gegeben ist. Weil der Begriff „Übergriff“ offenbar unterschiedlich interpretiert wird, können die uns vorgelegten Zahlen teilweise nicht überzeugen.
Wenn wir lesen, es habe im Bezirksamt Hamburg-Mitte im Zeitraum 1997 bis 1999 17 Fälle und im Jahre 2000 sechs Fälle gegeben – zusammen also 23 Fälle –, wohingegen im Bezirk Harburg insgesamt 104 Fälle vorgekommen sind, kann das nicht daran liegen, daß die Harburger besonders gewalttätig sind.
Ich glaube auch nicht, daß die Bewohner im Bereich Hamburg-Mitte besonders zartfühlend sind. Das liegt schlicht daran, daß offenbar ein unterschiedlicher Maßstab ange
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legt wird. Im Bezirk Hamburg-Nord wird überhaupt nichts festgehalten. Wenn wir der Antwort auf die Große Anfrage glauben dürfen, gibt es hier überhaupt keine Fälle. Das glauben wir aber nicht.
Es gibt zum einen offenbar einen unterschiedlichen Maßstab dessen, was man als Übergriff definiert, und zum anderen ein unterschiedliches Problembewußtsein. Wenn im Bezirksamt Hamburg-Nord gar nichts festgehalten wird, zeugt das von einem fehlenden Problembewußtsein.
Wenig überzeugend ist die Rolle, die die Schulbehörde spielt. Wer an den Beratungen im Innenausschuß oder im Haushaltsausschuß teilgenommen hat, wird sich an das Thema „Genehmigung von Nebentätigkeiten“ erinnern. Die Schulbehörde war bis zum Schluß nicht dazu in der Lage, mitzuteilen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer Genehmigungen von Nebentätigkeiten haben. Jetzt sind sie nicht dazu in der Lage, zu sagen, wie häufig es zu Übergriffen gegen diesen Personenkreis gekommen ist. Es wird eine Schätzung dargelegt, nach der es heißt, es gebe ungefähr zehn Fälle pro Jahr. Das glaube ich nicht. Ich halte diese Zahl für absolut geschönt. Ein Lehrer, den ich darauf angesprochen habe,
sagte mir, an seiner Schule, die nicht in einem sogenannten Brennpunktgebiet liegt, habe es in dem genannten Zeitraum eine Handvoll Fälle gegeben. Insofern ist die Zahl von zehn Fällen pro Jahr nicht glaubwürdig, so schön sie wäre. Offenbar spielt hier eine Rolle, daß bestimmte Ereignisse, mit denen man sich nicht rühmen kann, nicht weitergemeldet werden.
(Anja Hajduk GAL: Von wem an wen wird nicht wei- tergemeldet? Das Motto heißt offenbar: Schwamm drüber, den Mantel der Liebe darüber decken, Schnauze halten, das muß nicht nach draußen dringen. Eine solche Haltung wollen wir nicht. Derartige Vorfälle müssen auf den Tisch des Hauses kommen, denn nur wenn wir sie kennen, können wir Maß- nahmen ergreifen. Vertuschen ist die absolut falsche Me- thode. Das ist mein Appell an die Schulleiterinnen und Schulleiter. (Beifall bei der CDU)
Wenn ich die Große Anfrage lese und feststelle, daß es bei der Feuerwehr keine Fälle gibt, habe ich das auch nicht anders erwartet. Daß aber beim Einwohner-Zentralamt, bei der Ausländerbehörde, offenbar kein einziger Fall gewesen sein soll, will ich nicht glauben.
Ich hoffe, wir erfahren da Genaueres.
Der Senat ist gefordert, an Prävention alles zu tun, was möglich ist. Gesprächskreise, die abgehalten werden, sind sicherlich sinnvoll, aber es gibt auch handfestere Dinge, die geschehen müssen. Teilweise muß baulich etwas verändert werden. Es müssen Schulungen stattfinden, es müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden und beispielsweise Alarmknöpfe installiert werden. Nach unserem Eindruck und nach der Lektüre der Antwort auf die Große Anfrage ist das alles nicht so gut, wie es sein sollte.
Das ist ein Abwägungsprozeß, Herr Dr. Christier. Ich habe auch nicht gesagt, die Beamten sollen sich hinter Glas ver
schanzen wie einstmals die Taxifahrer oder wie die Bankangestellten bei der Haspa. Das ist jetzt nicht das Thema. Man muß sich aber über diese Dinge Gedanken machen, man muß auch die Personalvertretungen zu diesen Fragen hören. Das wird eine interessante Diskussion im Innenausschuß. Ich glaube, wir vertreten bei diesem Thema gar nicht so unterschiedliche Auffassungen. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt haben es verdient, daß sich das Parlament, die Vertreter dieser Stadt, für sie einsetzen. Das wollen wir im Innenausschuß tun und gemeinsam darüber beraten. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einige wenige Anmerkungen zu den Stichworten, die eben gefallen sind: Hochsicherheitstrakt, Frau Franken, Bunkermentalität, Herr Senator Wrocklage. Nichts liegt mir ferner, als so etwas zu fordern. Es ist richtig, daß man den Kontakt zu den Beamten suchen kann. Aber das enthebt die Behörden nicht der Pflicht, zu überlegen, wie man trotz einer solchen Offenheit das an Sicherheit, was irgendwie möglich ist, realisieren kann. Dazu kann man sinnvollerweise auch die Personalvertretungen hören, wie die sich das vorstellen. Vielleicht ist mit relativ wenig Investitionsmitteln das eine oder andere auch zu bewirken. Ich kann mir das zumindest vorstellen. Eine Verwaltung, die sich verschanzt, dürfen wir alle nicht wollen, und am wenigsten will ich die.
Frau Franken, ich habe keinesfalls gesagt, Gewalt gegen öffentlich Bedienstete stelle die Resonanz auf die soziale Situation in dieser Stadt dar. Sie haben gesagt, das schiene bei meinen Äußerungen so durch. Ganz im Gegenteil. Ich bin der Meinung, die von Frau Sudmann zitierte Verzweiflung und Enttäuschung des einen oder anderen Sozialhilfeempfängers darf keinesfalls eine – wie auch immer – geartete Rechtfertigung für die Anwendung von Gewalt sein.
Das will ich Ihnen auch nicht unterstellt haben.
Um es noch einmal klarzustellen: Es gibt für nichts und niemanden die geringste Gerechtfertigung dafür, gegen öffentlich Bedienstete Gewalt anzuwenden. Darüber darf es gar keine Diskussion geben. Ich halte das für eine schiere
Selbstverständlichkeit, aber es muß offenbar noch einmal erwähnt werden.
Ein letztes Wort an den Kollegen Dr. Schäfer. Sie haben eine Äußerung unseres Fraktionsvorsitzenden aus dem letzten Wahlkampf erwähnt und gesagt, wenn ausgeführt werde, 20 000 Planstellen im öffentlichen Dienst seien entbehrlich, dann würde damit auch suggeriert, die Menschen seien entbehrlich. Das könne den einen oder anderen auf den Gedanken bringen, diese Menschen seien offenbar weniger Wert und man müsse sich ihnen gegenüber nicht so benehmen, wie man das allgemein tut. Das in die Äußerung von von Beust hineinzuinterpretieren, ist sicherlich genauso falsch wie eine entsprechende Interpretation der Aussage eines früheren Ministerpräsidenten. Der hat eine ganze Berufsgruppe, die auch hier vertreten ist, als „faule Säcke“ bezeichnet. Auch das stellt keine Rechtfertigung für die Schüler dar, gegen diesen Personenkreis vorzugehen. Lassen wir also derartige Vergleiche. Das ist etwas neben der Sache. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal herzlichen Dank an alle diejenigen, die nach dem Essen den Weg hierher gefunden haben.
Wenn Sie hier nach dem schweren Essen sanft entschlummern, nehme ich das nicht persönlich, sondern ist das den Umständen geschuldet. Der Kollege Dr. Christier, der dankenswerterweise jetzt auch hier ist, hat gestern in seinem Redebeitrag so en passant gesagt, die Kriminalität ginge runter. Das wurde hier so zur Kenntnis genommen.
Ich habe daraufhin noch einmal die Anfrage, die ich zum Thema Kriminalitätsentwicklung in den ersten drei Quartalen dieses Jahres in Relation zu den ersten drei Quartalen 1999 gestellt hatte, zur Hand genommen. Da stellte ich fest, daß in bezug auf die Gesamtkriminalität in der Tat 4 Prozent Verminderung zu vermelden ist – wunderbar –,
in bezug auf die Gewaltkriminalität jedoch eine Steigerung von 6,6 Prozent zu vermelden ist. Beides Zahlen, die wir zur Kenntnis nehmen müssen, die beide nicht in irgendeiner Weise sensationell sind, die aber auch keinesfalls den Schluß erlauben, hier sei alles in trockenen Tüchern. Aber Herr Dr. Christier war sehr zufrieden. Ich habe mir gedacht, vielleicht gibt es eine Diskrepanz zwischen der Statistik einerseits und dem Wohnumfeld andererseits. Ich dachte mir, wenn er immer nur wahrnimmt, daß es keine Kriminalität gibt,
dann wird das schon seine Gründe haben. Sie sind vielleicht nicht gerade der Hammer, aber Sie sind ein Hammer, Sie wohnen in Hamm.
Daraufhin habe ich mir das Thema Gewaltkriminalität in Hamm angesehen: Hamm-Nord 62,2 Prozent, HammMitte 60,7 Prozent, jeweils plus, Hamm-Süd – man halte sich fest – 150 Prozent.
Das war das Thema Gewaltkriminalität. Wenn ich jetzt Herrn Dr. Christier wirklich ängstigen würde, aber das tue ich nicht, würde ich noch die Gesamtkriminalität in HammSüd erwähnen, daß die 474,9 Prozent gestiegen ist.
Aber ich erwähne das an dieser Stelle nicht, Sie sollen ruhig schlafen. Mit anderen Worten, Herr Dr. Christier: Ihre Wahrnehmung, die Kriminalität gehe runter, ist leider unzutreffend. Das gilt nicht nur für Hamm, das gilt auch für den Stadtteil, den Herr Wrocklage und ich so lieben, nämlich für Uhlenhorst. Dort ist die Gesamtkriminalität um 16 Prozent gestiegen. In anderen Stadtteilen gibt es ganz ähnliche, teilweise bedrückende Zahlen: Niendorf plus 52 Prozent, Eilbek plus 31 Prozent, Blankenese plus 12 Prozent, und das alles ist nicht nur regional zu beobachten, sondern es ist auch an einzelnen Taten festzumachen.
Wir haben festzustellen, daß in dem genannten Zeitraum die Zahl der Raube um 10,6 Prozent gestiegen ist und die der Straßenraube sogar um 21,7 Prozent. Herr Dr. Christier, wenn Sie sagen, die Kriminalität gehe runter, dann lachen wirklich die Hühner oder die Hammerinnen und Hammer. Alle lachen darüber. Es ist einfach nicht wahr.
Sie sagten gestern – an Herrn von Beust gewandt –, streiten wir um die besseren Argumente, aber machen wir den Menschen keine Angst.
Das haben Sie gesagt und ist auch völlig richtig. Nur, zu einer vernünftigen Streitkultur gehört auch Wahrheit und Wahrhaftigkeit,
und es gehört dazu, daß man nicht den Versuch unternimmt, die Realität schönzureden, sondern man muß die Realität zur Kenntnis nehmen. Man darf auch nicht den Versuch unternehmen, die Menschen für dumm zu verkaufen,
und bei ihnen den Eindruck erwecken, daß Realität und Propaganda auseinanderfallen, denn dieser Eindruck ist das, was Mißtrauen sät, das ist das, was das Geschäft der Populisten und Vereinfacher erleichtert. Das Gefühl der Unsicherheit entsteht auch durch eine gnadenlos zusammengesparte Polizei, meine Damen und Herren.
1994 hatten wir 8789 Polizeivollzugsbeamte und in diesem Jahr nur noch 7996, das heißt, in den letzten sechs Jahren sind circa 800 Stellen im Polizeivollzug eingespart worden. Das führt dazu, daß die Reviere, das Landeskriminalamt und die Bereitschaftspolizei personell geradezu ausbluten.
Es gibt Reviere, die vor einigen Jahren noch fünf oder sechs Streifenwagen hatten, zum Beispiel in Billstedt, und jetzt nur noch zwei oder drei. Das ist die Realität, und das führt dazu, daß die Bürger, die die Polizei rufen, die Erfahrung machen, teilweise unangemessen lange auf die Polizei warten zu müssen. Diese Erfahrung hat auch jemand machen müssen, der hier im Raum ist, nämlich Herr Staatsrat Prill, und ich zitiere aus der „Morgenpost“ von vor einigen Wochen. Da heißt es:
„Der zweithöchste Beamte der Innenbehörde war Zeuge eines Unfalls geworden. Er rief die Polizei, weil sich der Unfallverursacher aus dem Staub machen wollte. Die Minuten vergingen – nichts geschah. Nach einer Viertelstunde rief Staatsrat Prill erneut 110. Deutlich ungehalten (Polizisten sprechen von einem Wutanfall)“
kann ich mir gar nicht vorstellen –
„erneuerte er seine Meldung. Dr. Susanne Fischer, Büroleiterin des Innensenators, bestätigte den Vorfall, dementierte aber den Wutausbruch. Die Regierungsdirektorin sagte aber: ,Es war zu der Zeit ziemlich frisch, man könnte auch sagen: saukalt.‘ Nach MOPO-Informationen soll der Innen-Staatsrat schließlich eine Stunde auf eine Funkstreife gewartet haben. Frau Dr. Fischer: ,Höchstens 30 Minuten.‘“
Lassen wir es 45 Minuten gewesen sein, in jedem Fall viel zuviel, und das ist das Schicksal, das nicht nur Sie, Herr Prill, sondern auch unsere Bürger erleben, wenn sie die Polizei rufen.
Wir haben gestern in der Zeitung lesen dürfen, daß bis Mitte des Jahres 800 000 Überstunden im Bereich der Polizei angefallen sind, allein beim LKA waren es 200 000. Überstunden sind dazu da, um konjunkturelle Spitzen abzufangen; man muß nicht Gewerkschafter sein, um das zu wissen. Sie sind aber nicht dazu da, eine dauernde Überlast zu fahren, und das ist derzeit die Realität bei der Polizei.
Der Senator und sein Staatsrat, der gerade diese Erfahrungen machen durfte, haben nicht nur die Verantwortung
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für die Sicherheit der Bürger, sondern auch eine Fürsorgepflicht für ihre Beamten. Und eine Behördenleitung, die dafür sorgt, daß bis Mitte des Jahres 800 000 Überstunden angefallen sind, nimmt ihre Fürsorgepflichten gegenüber den Polizistinnen und Polizisten nicht so ernst, wie sie es tun sollte.
Die Personaldecke bei der Polizei – diese Erfahrung macht man immer, wenn man mit Beamtinnen und Beamten spricht – ist überall zu kurz. Die Polizei muß ständig sich neu ergebende Aufgaben oder in ihrer Bedeutung erschwerende Aufgaben wahrnehmen. Es gibt die immer mehr Metastasen bildende offene Drogenszene, es gibt Gewalt in und vor Diskos, es gibt eine Schwemme von Rauben, es gibt die Notwendigkeit, jüdische Einrichtungen zu schützen und DNA-Analysen zu machen. Das sind alles neue Aufgaben, für die immer wieder neue Projektgruppen, neue Einheiten geschaffen werden. Das ist auch richtig so, aber wo kommen die Männer und Frauen denn her. Die wachsen nicht auf den Bäumen, die kann man auch nicht sonstwo ernten, die muß man aus bestehenden Einheiten abziehen.
Das führt dazu, daß bestehende Einheiten immer mehr ausbluten, und vor diesem Problem stehen wir derzeit.
Deshalb kann es nur darum gehen, nicht immer neue Löcher zu reißen, sondern wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Es hat keinen Zweck, die zu kurze Decke ständig auf dem Körper hin- und herzuschieben nach dem Motto: Die Füße sind im Moment warm, dann kann ich jetzt versuchen, die Brust zu bedecken, aber dann hat man ganz schnell wieder kalte Knie. Das kann nicht die Politik sein, die wir wollen. Wir brauchen bei der Polizei – und das ist jetzt wirklich dringend – neue Stellen. Deshalb haben wir 428 neue Stellen beantragt
nicht 2000, das war jemand anderes, dessen Namen ich hier nicht erwähne –, und Herr Dr. Freytag hat gestern belegt, wie wir das finanzieren. Damit hätten wir wenigstens den Stellenbestand von 1997. Das ist immer noch bitter wenig, aber schon erheblich besser als derzeit.
Es wäre ein guter Anfang und würde dazu führen, daß jede Polizeirevierwache ein bis zwei Streifenwagen mehr zur Verfügung hätte. Wir könnten, was dringend notwendig ist, in den Stadtteilen Eidelstedt und Lurup eine zusätzliche neue Revierwache schaffen. Wir könnten die bestehende ehemalige Revierwache in der Straße Hohe Bleichen reaktivieren, derzeit ist sie keine Revierwache. Das wären sicherheitspolitische Fortschritte und Schritte hin zu mehr Sicherheit für den Bürger.
Herr Dr. Christier, wenn Sie gestern vorgetragen haben, unsere Anträge seien Indiz für einen Rechtsruck, dann hat das mit Rechts überhaupt nichts zu tun, es geht um die Sicherheit für die Bürger.
Das ist nicht rechts, das ist nicht links, das ist unser aller Verantwortung, und der müssen wir uns stellen.
Die Polizei hat die Aufgabe, gerade die heute und gestern schon viel zitierten Armen und Schwachen zu schützen. Wenn sie personell nicht dazu in der Lage ist, kann sie das nicht. Und gerade diejenigen, die nicht die Möglichkeit haben, sich mit viel Geld Sicherheit zu kaufen, sind auf die Polizei angewiesen. Diesen Leuten und ihren Ansprüchen müssen wir gerecht werden, und darum bitte ich Sie, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Solidarität mit meinen wirtschaftspolitischen Sprechern nach mir erlaubt es mir, nur zwei Minuten etwas zu sagen, so daß ich nicht den ganzen Blödsinn, der hier abgeladen wurde, aufnehmen kann,
aber einige Dinge müssen doch sein. Herr Wrocklage, als Unerleuchteter kann ich es mir, glaube ich, erlauben. Wenn Sie hier als der Erleuchtete auftreten und Hamburg als das sicherheitspolitische Mekka schildern, in das man Pilgerfahrten macht, dann muß ich Sie fragen, Herr Wrocklage, wovon träumen Sie eigentlich nachts? Wovon Sie tagsüber träumen, haben Sie soeben bewiesen.
Ich möchte nur ein Stichwort aufnehmen, das genannt wurde, weil es mir wichtig ist. Das ist das Stichwort Polizeikommission. Frau Sudmann, Sie sprechen von schwarzen Schafen. Für wie dämlich halten Sie mich eigentlich? Offenbar für unendlich dämlich. Das ist doch völlig klar, daß es schwarze Schafe bei der Polizei gibt. Es gibt in jeder Berufsgruppe schwarze Schafe, genauso bei der Polizei, in der Justiz, in der Beamtenschaft, bei den Uhrmachern, bei den Dachdeckern oder wo auch immer. Natürlich auch in der Polizei, auch bei den Parlamentariern. Machen wir uns doch nichts vor. Natürlich bedarf die Polizei einer effizienten Kontrolle. Nur, die gibt es doch. Es gibt ein Parlament, es gibt einen Innenausschuß, es gibt Gerichte, es gibt eine Deputation, es gibt Fachaufsicht, es gibt Dienstaufsicht, es gibt eine Dienststelle Interne Ermittlung.
Nein, ich habe nur zwei Minuten Redezeit, und die nutze ich aus. Ich bitte um Verständnis.
Nun bedarf es aus Ihrer Sicht noch einer zusätzlichen Kontrollinstanz neben den sechs, sieben oder acht Instanzen, die ich genannt habe. Was ist denn die Ratio einer solchen Kontrollinstanz? Das kann doch nur heißen, wir, die Bürger, die Politiker treten der Polizei mit einem abgrundtiefen Mißtrauen entgegen, und das ist nicht das Signal, das wir geben dürfen.
Die Polizei hat es verdient, daß wir hinter ihr stehen, und nicht, daß wir ihr mit Mißtrauen begegnen, und das ist der Eindruck, der bei den Beamtinnen und Beamten ankommt. Die haben den Eindruck, die Politik, insbesondere natürlich die rotgrüne – wir sind da in diesem Falle ausgenommen –, begegnen ihr mit Mißtrauen, und das führt zu Demotivation und schürt damit die Unsicherheit. Deshalb: Weg mit der Polizeikommission.
Herr Dr. Schmidt, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal an das Thema, das wir hier debattieren, erinnern.Es lautet genau: „Was leistet der NPD-Verbotsantrag zur Verminderung rechtsradikaler Gewalt?“ Darauf könnte man etwas provozierend antworten: „Für sich genommen, so gut wie nichts.“