Protocol of the Session on April 5, 2001

(Beifall bei der SPD, bei Dr. Dorothee Freudenberg GAL und Bettina Machaczek CDU)

Ich bitte Sie, höchst sorgfältig in der Wahl Ihrer Worte zu sein. Ich glaube gar nicht, daß wir inhaltlich so weit auseinander liegen, aber hier hat die Wortwahl viel mit dem zu tun, was man machen möchte, und da sollte man sehr vorsichtig sein.

Aber die nachträgliche Überweisung – das haben Sie auch gesagt – ist eine Chance, Mißverständnisse dieser Art auszuräumen. Auch ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuß. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der GAL, bei Bettina Macha- czek und Vera Jürs, beide CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Rudolph.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Durch diesen Antrag bin ich in meiner ehemaligen jahrelangen Funktion als jugendpolitische Sprecherin angesprochen. Ich will jetzt nicht zu dem Frauenaspekt etwas sagen, den ich hier auch jahrzehntelang vertreten habe, sondern darüber etwas sagen, was mir in meinem politischen Gedächtnis geblieben ist.

Anfang der achtziger Jahre haben wir uns in diesem Hause und in dieser Stadt einige Jahre mit Fragen zu den Adop

tionsakten beschäftigen müssen, denn das Amt für Jugend beabsichtigte, die Adoptionsakten zu vernichten. Der wesentliche Grund dafür war, daß durch diese vorhandenen Akten die Frauen, die ihre Kinder zur Adoption freigaben, stigmatisiert wurden. Das war ein sehr langer Prozeß.

Es meldeten sich sehr aktive Hamburger Adoptiveltern zu diesem Thema. Damals hat – neben anderen – die Soziologin Christa Hoffmann-Riem sehr lange daran gearbeitet und sich dabei auf amerikanische Studien bezogen, die eindeutig ergaben, daß junge erwachsene Adoptivkinder mit 20 Jahren oder darüber keine Ruhe geben, bis sie ihre wirkliche Identität erfahren haben. Sie nannte mir damals ein paar Hamburger Beispiele, unter anderem, daß ein junger Mann in St. Pauli herumirrte, weil er aus dieser Gegend irgend etwas über seine Mutter gehört hatte. Er war über 20 Jahre und konnte nicht heiraten, bis er wußte, wer seine Mutter war. Dieses Unwissen quält einen jungen Menschen schon sehr. Von daher meine ich, daß bei allen rechtlichen Prüfungen gut überlegt werden muß, wie man eine Sicherheit einbauen kann, daß die jungen Menschen später erfahren können, wer ihre Mutter ist.

Frau Freudenberg, Ihr Modell ist sehr schön und einleuchtend, aber werden solche Vertrauenspersonen nach über 20 Jahren noch greifbar sein? Die Daten müssen schon irgendwo fixiert werden. Ich bitte den Senat, dieses sehr dringliche Problem weiter zu transportieren. Ich halte es für wichtig, daß das abgesichert ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Sudmann.

Ich möchte noch einmal auf den zweiten Beitrag von Frau Kiausch eingehen. Ich habe das Gefühl, daß Sie wiederum nicht ganz verstanden haben, was Frau Koppke gesagt hat. Sie hat gesagt, daß das ein sehr schwieriges Thema ist. Ich glaube, die meisten hier im Hause sind der gleichen Meinung.

Mir ist nicht ganz klar geworden, warum Sie sich als SPDlerin angegriffen fühlen, wenn wir darüber reden, wie in der Zeitung über diese acht abgegebenen Kinder geschrieben wurde. Sie haben einige Sachen zurückgewiesen und meinten, die Wortwahl wäre nicht richtig gewesen.

(Petra Brinkmann SPD: Ja, das stimmt auch!)

Gerade im Parlament muß es möglich sein, wenn bestimmte Positionen sehr schwer zu finden sind, sich darauf zu verständigen, das im Ausschuß in aller Ruhe zu diskutieren, ohne hier etwas abzustimmen. Mir gefällt es nicht, wenn gesagt wird: Seien Sie vorsichtig in der Wortwahl! Es hat in der Wortwahl überhaupt keine Angriffe gegeben, sondern das war ein angemessener Beitrag zum Thema. Eine solche Diskussion sollten wir uns des öfteren ermöglichen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Antrag aus der Drucksache 16/5742 abstimmen. Wer möchte denselben annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag bei einigen Stimmenthaltungen einstimmig angenommen.

(Elisabeth Kiausch SPD)

A C

B D

Wer stimmt nunmehr einer nachträglichen Überweisung der Drucksache an den Gesundheitsausschuß zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dies einstimmig so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 59, Drucksache 16/5749 auf: Bericht des Umweltausschusses über Konsequenzen aus dem Atomtransporteskandal.

[Bericht des Umweltausschusses über die Drucksache 16/4729: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 1./2. Juli 1998 (Drucksache 16/1052) – Konsequenzen aus dem Atomtransporteskandal – (Senatsvorlage) – Drucksache 16/5749 –]

Wer wünscht das Wort? – Der Abgeordnete Jobs bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die deutlichste Konsequenz aus dem Atomtransporteskandal haben wir in Frankreich und letzte Woche im Wendland erleben können. Der erste Castor-Transport seit dem Skandal hat deutlich gemacht: Es gibt in diesem Land keinen Konsens in Sachen Atomenergie. Mögen Betreiber und Regierung sich einen ungestörten Weiterbetrieb ihrer Anlagen wünschen, soviel sie wollen, der Widerstand dagegen ist ungebrochen. Das Atomprogramm der aktuellen Regierung wird genauso bekämpft wie das aller Vorgängerregierungen. Das ist gut so und findet unsere Unterstützung.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Mich hat das Ausmaß ein bißchen überrascht; das hat meine Erwartungen fast übertroffen. Denn trotz aller Schikanen, die sich keine CDU-Regierung vorher herausgenommen hat, haben sich mehr Menschen an den Protesten beteiligt als je zuvor. Ein derart in die Grundrechte eingreifendes Demonstrationsverbot habe ich im Wendland vorher noch nie erlebt. Einen Belagerungszustand für einen ganzen Landkreis zu schaffen, der den Menschen vor Ort ein Alltagsleben fast unmöglich macht, und für Menschen, die von weit herkommen, bei dieser Witterung ein Zeltverbot auszusprechen, ist schlicht eine Riesensauerei, die durch gar nichts gerechtfertigt gewesen ist und die nur deutlich macht, daß dieser Regierung jedes noch so hinterhältige Mittel recht ist, um den legitimen Protest zu verhindern.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Diese Schikanen – das war dann fast wieder das interessanteste Erlebnis – haben vor Ort eher das Gegenteil bewirkt, als was es eigentlich sollte. Denn viele, lange Zeit unentschiedene Wendländerinnen und Wendländer haben sich solidarisiert, haben ihre Türen für die Menschen geöffnet, die kein Obdach hatten. Sie haben den Protest unterstützt. Gegen diesen immer breiter werdenden Widerstand ist das Endlager – darum geht es letztendlich in Gorleben – vor Ort nicht durchzusetzen, auch nicht bei einer rotgrünen Regierung.

Damit muß auch das gesamte Atomprogramm verändert werden. Denn ohne Endlager dürfen AKWs in diesem Land nicht am Netz bleiben. Ohne dieses Endlagerkonzept, das ohnehin viel zu riskant gewesen wäre, dürfen die Zwischenlager, die in Gorleben und in Ahaus schon bestehen und demnächst an anderen Standorten errichtet werden, nicht in Betrieb gehen oder in Betrieb bleiben, denn sonst

würde aus diesen Zwischenlagern eine dauerhafte Endlagerung. Der Atomkonsens zum Weiterbetrieb der Atomanlagen ist von Anfang an Unfug gewesen. Aber jetzt ist deutlich geworden, daß dieser Atomkonsens in diesem Land keinen Bestand haben kann.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

In der vergangenen Woche ist auch deutlich geworden, daß diese Transporte ins Zwischenlager Gorleben zukünftig nicht in dem geplanten Umfang stattfinden werden. Denn nach diesem Erlebnis ist auch klargeworden, daß beim nächsten Castor-Transport noch mehr Menschen kommen werden, um dagegen zu demonstrieren. Beim nächsten Transport werden wir noch phantasievoller sein. Bereits diesmal mußte sich die Polizei eingestehen, daß sie am Rande ihrer Möglichkeiten angekommen war. Um es gleich zu sagen: Nicht die eine Handvoll Autonomer hat die Polizei dorthin getrieben, sondern die Menschenmasse, die sich drei, vier, fünf Tage immer und überall entlang der Bahngleise und der Straßen quergestellt und zivilen Ungehorsam geleistet hat. Alle diese Gruppen, ob sie nun organisiert oder unorganisiert waren, haben durch ihren zivilen Ungehorsam deutlich gemacht: Wir stellen uns quer, wir lassen den Castor nicht durch, wir pfeifen auf dieses Atomprogramm, und das machen wir immer wieder deutlich! Natürlich haben Umweltverbände auch dieses Mal wieder mit ganz effektiven Aktionen ihren Part im Konzert wunderbar gespielt. Dieses Konzert – das verspreche ich Ihnen – wird beim nächsten Mal wieder gespielt.

(Hartmut Engels CDU: Wieder gespielt, aha!)

Diesmal waren wir alle nach vier Jahren Pause noch ein bißchen ungeübt, aber beim nächsten Mal werden wir besser aufeinander abgestimmt sein. Wenn dann tatsächlich wieder so etwas gewagt wird, wenn wir besser vorbereitet und noch mehr Menschen sind, dann wird es mich nicht wundern, wenn der anstehende Castor-Transport nicht nur 20 Kilometer zurückfahren, sondern überhaupt nicht mehr ins Wendland durchkommen wird.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Denn – auch das ist deutlich geworden – immer mehr Menschen haben begriffen, daß es in Sachen Atomausstieg offenbar dummes Zeug ist, in diesem Land auf Regierungen zu setzen. Denn derjenige, der den Atomausstieg voranbringen will, der muß sich auf die Gleise und auf die Straßen setzen. Er muß in das Vertrauen auf die eigene Kraft setzen und sie nicht an irgendwelche Regierungen abgeben,

(Zuruf von Dr. Monika Schaal SPD)

sondern es auf diesem Wege voranbringen. Frau Schaal, daß Sie das aufregt, verstehe ich, denn das ist natürlich ein Stachel in Ihrem Fleisch als Regierungsfraktion.

Demnächst – darüber haben wir in der letzten Sitzung auch schon geredet – werden wieder Castoren durch Hamburg rollen. Demnächst wird wieder von allen Atomkraftwerken dieser unsinnige Atommülltourismus aufgenommen werden, wieder werden die Hamburger Wohngebiete unnötig gefährdet.

(Dr. Roland Salchow CDU: Gefährdet!)

Noch immer kann nicht ausgeschlossen werden, daß diese Transportbehälter kontaminiert sind. Wie immer muß davon ausgegangen werden, daß von ihnen eine niedrige Neutronenstrahlung ausgeht.

(Vizepräsident Berndt Röder)

(Dr. Roland Salchow CDU: Der Untergang des Abendlandes!)

Noch immer kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Transporte in Unfälle verwickelt werden, die katastrophale Folgen hätten. Und natürlich sind diese Transporte noch immer nicht nur gefährlich, sondern sie verlagern das Problem in eine Sphäre, von der wir heute wissen, daß es kein Konzept für eine sichere Lagerung gibt.

Deshalb werden wir uns und werden sich viele Menschen in dieser Stadt und aus der Umgebung auch bei diesen Transporten zukünftig querstellen. Mit dem Rückenwind aus Gorleben wird es einen ganz anderen Tanz in dieser Stadt geben.

(Dr. Roland Salchow CDU: Sie müssen die Faust heben beim Widerstand!)

Denn immer mehr Menschen haben gemerkt, daß die Stilllegung von Atomanlagen auf der Straße vorangebracht werden muß. Darum werden wir uns bemühen, mehr Menschen anzusprechen, damit wir auch in dieser Stadt diese Angelegenheit auf der Straße voranbringen, weil wir erleben müssen, daß Rotgrün in Hamburg in dieser Frage genauso versagt hat wie in Berlin.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Roland Salchow CDU: Und, auf zur Tat!)

Dann gebe ich das Wort der Abgeordneten Dr. Schaal.