Elisabeth Kiausch

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Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich bin auch ich zufrieden und der Ansicht, daß alle Hamburgerinnen und Hamburger ob des Resultats der Verhandlungen am Wochenende sehr zufrieden sein können. Ich bin dafür auch sehr dankbar.
Ich bin aber auch froh, daß seitens der CDU nicht vollkommen in Vergessenheit geraten ist, wie die Ausgangsposition gewesen ist, in der wir uns befunden haben. Denn es gab zwischendurch durchaus kritische Töne, die mich einigermaßen geärgert haben, weil man daraus schließen konnte, daß irgend jemand vergessen hat, womit wir angefangen haben.
Die Klage der Südländer war voller versteckter Angriffe, die durch den Text der Klage gar nicht unbedingt gedeckt waren. Man muß aber feststellen, daß diese Klage der Südländer, wenn man etwas tiefer grub, die Solidarität mit den neuen Ländern aufgekündigt hat; das war so, auch wenn es immer heftig bestritten wurde. Die klagenden Länder haben im Grunde die heute existierenden föderalen Gebietskörperschaften unserer Bundesrepublik nicht akzeptiert und waren – wie man so schön sagt – von hinten durch die kalte Küche dabei, Glieder des föderalistischen Systems, vor allem die Stadtstaaten, aus welchen Gründen auch immer, auszubluten. Man darf es nicht vergessen: Hier war genaugenommen das Ziel. Die Klage der Südländer war von einem derartigen Eigeninteresse geprägt, wie es in einem föderalistisch strukturierten Land an sich nicht sein darf!
Ich war auch damit zufrieden, daß – entgegen den Erwartungen – vom Bundesverfassungsgericht kein Urteil in der Sache gesprochen worden ist. Die Südländer haben auch nicht in diesen oder jenen Punkten recht bekommen, ganz im Gegenteil, wir alle haben Fragen zurückbekommen verbunden mit Auflagen, die außerdem noch unter einen relativ starken Termindruck gesetzt wurden; Sie werden sich erinnern: das Maßstäbegesetz bis Ende 2002, das Ausführungsgesetz bis 2004. Das ist eine sehr schwierige Auflage, wenn man bedenkt, daß 16 Länder unter einen Hut zu bringen sind, wenn es denn gelingen soll.
Ich sage das, weil es inzwischen auch Stellungnahmen gab, beispielsweise vor einigen Wochen von Herrn Waldheim, der gesagt hat: Daß wir die 135 Prozent Einwohnerwertung behalten könnten, sei schon vor einem halben Jahr klar gewesen. Ich muß sagen, welch ein Optimismus oder welche Blauäugigkeit kann irgend jemanden zu diesem Zeitpunkt dazu verführt haben zu sagen, irgend etwas wäre sicher gewesen. Es war überhaupt nichts sicher, sondern alles wurde immer wieder in Frage gestellt, und für uns stand auf dem Spiel: 65 Millionen DM Hafenlasten, 1,6 Milliarden DM zusätzlicher Finanzausgleich, höhere Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft; die Leistung der Metropole für das Umland sollte – auch eine Anregung – durch bilaterale Verträge abgegolten werden. Das alles sind Dinge, die man an sich nur als eine lange Liste des Elends bzeichnen kann.
Davon sind wir weg. Das ist eine Riesenleistung. Denn jetzt haben alle Stadtstaaten ihre 135 Prozent der Einwohnerwertung zugestanden bekommen; vollkommen zu Recht. Mit anderen Worten, die Leistungen der Metropolen für das Umland und strukturelle Unterschiede sind anerkannt, und zwar für die nächsten 20 Jahre.
Die Hafenlasten und die Anhebung der kommunalen Finanzkraft sind durch insgesamt 103 Millionen DM kompensiert worden. Das ist, wie ich finde, ein schönes Stück Geld und wird, hochgerechnet über die letzten drei Jahre, in der Summe auch bleiben. Ein zusätzliches Bonbon wurde für alle Länder noch dadurch geschaffen, daß von überdurchschnittlichen Steuereinnahmen 12 Prozent einbehalten werden können. Das ist etwas, das vermutlich die gutsituierten Länder insbesondere freuen wird, aber auch Anreiz für alle.
Herr von Beust hat aber gesagt, er habe Zweifel an einigen Komponenten der Einigung. Wir haben nun für 20 Jahre einen finanziellen Rahmen – man kann vielleicht auch Korsett sagen, aber das ist Geschmacksache –, in dem wir uns planungssicher verhalten können. Das ist für die neuen Länder, glaube ich, ganz besonders wichtig. Aber es ist sicher für alle Länder wichtig, und beispielsweise für diejenigen, die investieren wollen, eine wichtige Grundlage zu wissen, wie der finanzielle Rahmen des Staates aussieht.
Wenn man jetzt einzelne Komponenten wieder in Frage stellt, denke ich, muß man außerordentlich vorsichtig sein, daß dieses fragile Gebilde des Länderfinanzausgleichs dabei nicht zu Schaden kommt; das kann sehr schnell passieren. Sie wissen, Herr von Beust, daß die Mischfinanzierung beispielsweise in der Enquete-Kommission sehr nachdrücklich und auch kritisch behandelt worden ist und sie daraufhin durchleuchtet wurde, wie man sie auch zukunftsträchtig umgestalten kann.
Die Lohnsteuerzerlegung ist sicher ein Thema und etwas, das uns als Hamburger ärgern kann. Es ist aber seinerzeit nicht erfunden worden, um uns zu ärgern, sondern es war einfach praktischer. Durch die große Zahl der Pendler hat sich dann ergeben, daß das für uns ein riesiger Nachteil geworden ist. Wenn man aber die Lohnsteuerzerlegung in Angriff nimmt, wozu man Bündnispartner braucht, und zwar in diesem Fall die anliegenden Länder, muß man auch da sehr genau hinsehen, wieweit der Länderfinanzausgleich dadurch tangiert wird beziehungsweise ob man nicht neue Angriffsflächen bietet. Ich würde nicht empfehlen, neue Angriffsflächen zu bieten, sondern sehr zufrieden zu sein, daß wir jetzt einiges unter Dach und Fach haben.
Im Zusammenhang mit den Verhandlungen ist dem Bürgermeister – wie er selbst gesagt hat – manch guter Ratschlag erteilt worden; zum Beispiel, sich auf die Klägerseite zu stellen. Ich glaube, derjenige, der das für besonders klug gehalten hat, hat keinen besonders gescheiten Ratschlag gegeben. Denn man muß doch immer bedenken, in welcher Situation sich Hamburg befindet. Es ist nicht wegzudiskutieren, daß wir ein relativ kleines Land sind und nicht mehr als 1,7 Millionen Einwohner haben und daß es ein paar Einwohner mehr gibt, die sich über den Rest der Bundesrepublik verteilen, die auch gerecht bedacht werden wollen.
Der entscheidende Punkt dabei ist aber, wie ich glaube, daß von unserem Bürgermeister und der Hamburger Verhandlungsdelegation immer der Gesichtspunkt der Solidarität sehr stark im Auge behalten wurde. Dieser Gesichtspunkt der Solidarität hat geradezu geboten und es als klug erscheinen lassen, sich im Endeffekt mit denen zu verbünden, die die Hilfe besonders nötig hatten.
Der angestrebte Wettbewerbsföderalismus ist mir ein steter Dorn im Auge gewesen, weil total verkannt wurde, daß ein echter Wettbewerbsföderalismus nur unter denjenigen
stattfinden kann, die in etwa gleich stark sind; anderenfalls wird immer einer über den Löffel genommen, und das ist wiederum mit dem Gedanken der Solidarität überhaupt nicht zu vereinbaren.
Ich glaube, wir können unserem Bürgermeister strategische Klugheit attestieren, und außerdem hat er den ganz großen Vorteil einer profunden Sachkenntnis. Das war bei diesem schwierigen Thema ein sehr solider Grundstein,
um auch mit Phantasie immer wieder neue Wege beschreiten zu können. Denn es ist ein ewiges Hin und Her gewesen, dieser oder jener Weg hat sich als Sackgasse erwiesen, und man mußte eben – wie sagt man salopp – ein neues Fäßchen anstechen, um zu sehen, wie man auf dem Weg weiterkommt.
Das hat er mit ungeheurer Zähigkeit und Geduld getan. Außerdem ist sein Vorteil, daß es sehr schwer ist, ihn zu provozieren, was in dieser Angelegenheit, die existentiell für Hamburg ist, eigentlich leicht gewesen wäre. Bei einigen Anliegen, die an ihn herangetragen wurden, hätte er immerfort unter die Decke gehen können. Er hat es nicht getan. Das ist in meinen Augen ein großes Plus und ein Faktor, der zu diesem Erfolg beigetragen hat.
Die gesamte Verhandlungsführung seitens des Bürgermeisters – ich glaube, es ist nicht übertrieben, wenn man es so bezeichnet – ist davon geprägt gewesen, Solidarität und die Gesamtheit im Auge zu behalten. Das ist nicht irgendein idealistisches Ziel, sondern letztlich das Klügste, was man tun kann, gerade im Hinblick auf einen Föderalismus, der in unserem Land weiter existieren soll und der es mit den schwierigen Fragen von Europa zu tun bekommt und auch bestehen muß.
Wir haben hier ein Ergebnis zu verzeichnen, das man im besten Sinne auch hanseatisch nennen kann. Es ist von hanseatischem Geist geprägt, und da wir darauf alle stolz sind, können wir es in diesem Fall auch sein.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Länderfinanzausgleich ist ohne Zweifel ein sehr komplexes und auch kompliziertes Thema. Ich möchte deswegen vorab ein paar Worte zu dem Bericht sagen. Natürlich schließe ich mich dem Dank, den Herr Kruse an alle Beteiligten ausgesprochen hat, aus vollstem Herzen an. Aber ich muß auch sagen, ich bin ein bißchen stolz darauf, daß es der Kommission gelungen ist, Ihnen etwas vorzulegen, was auch für den interessierten Laien verständlich ist, ohne unwissenschaftlich zu sein. Nicht zuletzt, und das sage ich mit deutlicher Betonung, ist dies unserem Arbeitsstab zu verdanken, der viel dafür getan hat, daß der Bericht verständlich werden konnte.
Die Finanzverfassung soll grundsätzlich sicherstellen, daß alle Gebietskörperschaften die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel erhalten. Außerdem muß sie zwei wesentliche Prozesse ausbalancieren – das sollte man hier erwähnen –, nämlich einmal den Angleichungsprozeß nach außen, der durch Herstellung der Europäischen Gemeinschaft stattfindet, und den Angleichungsprozeß nach innen, der das wirtschaftliche Aufholen der neuen Länder ermöglichen soll. Beide Prozesse, die beide schwierig sind, müssen zeitgleich und gleichwertig berücksichtigt werden. Man muß hinzufügen: Sie werden auch zukünftig Veränderungen und Justierungen erforderlich machen.
Bund und Länder können nach meiner festen Überzeugung ihre Aufgabe dabei nur erfüllen, wenn sie gemeinsame Grundsätze verfolgen. Diese sind Solidarität mit den Schwächeren, Respekt vor der Staatlichkeit aller Länder, Wettbewerbsfähigkeit der Stadtstaaten im Vergleich mit den anderen Metropolen in Deutschland und auch Transparenz für den Bürger, obgleich Letzteres ein schwieriges Kapitel ist.
Um die Rolle Hamburgs im Länderfinanzausgleich zu verdeutlichen, nenne ich auch einige Zahlen. Herr Kruse hat die Summe der Finanzausgleichszahlungen, die im letzten Jahr auf den Tisch des Hauses kommen mußte, genannt. Man kann auch andere Zahlen nennen: Jeder einzelne Hamburger hat für den Länderfinanzausgleich seit dessen Einführung 1950 netto 9128 DM aufgebracht, weit mehr als
die Einwohner irgend eines anderen Landes und natürlich vor allen Dingen auch jener Länder, die heute die Ungerechtigkeit beklagen: Bayern, das lange Nehmerland gewesen ist, hat bisher 936 DM gezahlt, Baden-Württemberg 5658 DM und Hessen 7786 DM. Hamburg hat also den Anspruch der Solidarität seit vielen Jahren, seit Jahrzehnten vorbildlich erfüllt.
Einige Themen, die die Debatte in unserer Enquete-Kommission sehr intensiv beflügelt haben, hat Herr Kruse hier genannt, beispielsweise Zahlungen für politische Führung, Pendler und Umsatzsteuer. Das werde ich hier nicht wiederholen, sondern nur noch einmal betonen, daß Hamburg nicht deswegen soviel gezahlt hat, weil seine besondere Situation als Stadtstaat mit einem Gewichtungsfaktor von 135 Prozent bewertet wurde – ich schließe mich Herrn Kruses Auffassung an, daß das die untere Grenze ist –, sondern obwohl dies der Fall war. Anderenfalls wären die Beträge noch viel höher gewesen.
Man muß immer wieder sagen – vor allen Dingen auch unseren Gegnern –, die Einwohnerwertung ist weder Bonus noch Privilegierung, sondern nur eine notwendige Korrektur, um zu gewährleisten, daß die Hamburger Bürgerinnen und Bürger nicht schlechter gestellt werden als die Einwohner anderer Großstädte, die zum Beispiel ihre Polizeibeamten nicht selbst bezahlen und auch ihre Hochschulen nicht selbst unterhalten müssen.
Im kommunalen Finanzausgleich werden diese Großstädte von ihren Ländern sehr viel höher bewertet; Stuttgart zum Beispiel mit 186 Prozent. Diese Zahl muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Da gibt es Vergleiche, die einen nachdenklich werden lassen.
Wenn also jemand Grund zum Klagen hätte, dann wäre es eigentlich Hamburg. Dennoch spricht sich die von der Hamburgischen Bürgerschaft eingesetzte Enquete-Kommission dafür aus, das System des Länderfinanzausgleichs im Grundsatz in seiner gegenwärtigen Form zu belassen und Korrekturen auf das nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Notwendige sowie auf einzelne Punkte zu beschränken.
Meine Damen und Herren! Man kann darüber streiten, ob die Vorgabe hilfreich ist, daß der Bundestag ein Maßstäbegesetz in Kraft setzen soll, das in seiner Bedeutung irgendwo zwischen Verfassung und dem einfachgesetzlichen Finanzausgleichsgesetz angesiedelt ist. Wenn dieses auch noch ohne Kenntnis seiner konkreten Auswirkungen geschehen soll, stellt sich die Frage, ob diese Vorgabe eigentlich der Lebenswirklichkeit entspricht.
Nun mache ich eine Klammer auf und sage: Gerichtsschelte soll man nicht betreiben, aber, ich finde, ich habe meine Meinung auch sehr maßvoll zu dieser Vorgabe des Verfassungsgerichtsurteils gesagt.
Aber das Urteil ist nun einmal bindend, ebenso wie die vorangegangenen Entscheidungen des gleichen Gerichts in dieser Sache. Das bedeutet für Hamburg nun einmal, daß eine besondere Bewertung der Finanzkraft unbestritten erforderlich ist. Es ist keine Besserstellung, sondern eine Voraussetzung, überhaupt in das Länderfinanzausgleichssystem einbezogen werden zu können.
Bei der Bemessung des Berechnungsfaktors – das hat Herr Kruse in einem anderen Punkt angesprochen – ist auch die Umlandversorgung der Stadtstaaten zu berücksichtigen. Hier gibt es in unserem Bericht eine abweichende Meinung, aber für alle anderen Enquete-Kommis
sionsmitglieder war ganz klar: Nicht Niedersachsen muß Bremen, nicht Brandenburg muß Berlin und nicht Schleswig-Holstein muß Hamburg die Umlandleistungen bilateral bezahlen, sondern alle Bundesländer müssen für diese Leistungen aller Stadtstaaten aufkommen; so hat das Bundesverfassungsgericht übrigens auch schon entschieden.
Hamburg hat die geltenden Regelungen des Länderfinanzausgleichs deshalb nicht angegriffen, weil es sich dem Verfassungsziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland verpflichtet fühlt. Dieses Ziel gebietet Solidarität mit den Schwächeren und Ausgleichszahlungen von denen, die überdurchschnittliche Einnahmen haben. Dazu brauchen wir leistungsstarke Länder, die sich gegenseitig anerkennen und ihre Staatlichkeit respektieren. Mit anderen Worten: Eine Länderneugliederung fiskalisch zu erzwingen geht nicht, denn die Neugliederung der Länder ist Sache eines Volksentscheides, und ich sage: Gott sei Dank! Die Länder müssen so gesichert und anerkannt werden, wie sie sind.
Als äußerst anregend habe ich es empfunden, daß bei einigen Kommissionsmitgliedern die gelegentliche Betrachtungsweise bestand, daß sich die Politik eines Gemeinwesens nach ökonomischen Gesichtspunkten ausrichtet beziehungsweise ausrichten sollte. Es war ebenso anregend wie falsch;
denn Reiz und Akzeptanz der Politik besteht doch darin, daß vielfältige Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, nämlich um die Menschen zu erreichen und sie in unserem komplizierten System und der komplizierten Zeit auch nach Möglichkeit mitzunehmen.
Das Stichwort Wettbewerbsföderalismus ist von Wirtschaftswissenschaftlern einiger süddeutscher Länder in die Diskussion gebracht worden. Wenn damit gemeint ist, daß die föderale Ordnung ein Wettbewerb um die jeweils besten Problemlösungen ermöglichen sollte, stimmen wir damit überein. Ich denke, daß Hamburg dieses Konzept in einem reichen Umfang praktiziert. Anders wäre unser Konsolidierungskurs auch überhaupt nicht durchführbar gewesen.
Wenn aber die Vorstellung dahin geht, wie Herr Kruse und einer der Sachverständigen es in ihrem Minderheitenvotum zum Ausdruck gebracht haben, daß die Länder die Möglichkeit zu einer regionalisierten Steuerfestsetzung haben sollten – Herr Kruse hat das heute sehr, sehr klein gemacht, aber er hat sich dafür ausgesprochen,
und das ist nachlesbar –, und zwar durch die Einführung von Steuerzuschlagsrechten, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Damit ist tatsächlich zunächst die Reduzierung der Normalsteuersätze gemeint und dann die Erhebung von landeseigenen Zuschlägen zur Einkommensteuer.
Man muß zugeben, daß die Geberländer im Finanzausgleich von einem solchen System ohne Zweifel profitieren würden; wir auch. Wenn sie angesichts ihrer höheren Finanzkraft einen niedrigeren Zuschlag als die Nehmerländer erheben würden, würden sie als Sitz für örtlich bewegliche Steuerzahler attraktiver werden. Ihre Finanzkraft würde sogar weiter steigen. Unsere Spitzensportler brauchten beispielsweise nicht mehr nach Monaco zu gehen, München oder Stuttgart würden es auch tun. Die abwanderungsbedrohten, die ärmeren Empfängerländer hin
gegen würden schon durch die Konkurrenzsituation gehindert werden, ihre theoretisch bestehenden Zuschlagsmöglichkeiten auch tatsächlich auszuschöpfen, denn sie müssen im Konkurrenzkampf nun einmal mithalten.
In Wirklichkeit, Herr Kruse, bedeutet ein solches System die Übertragung privatwirtschaftlicher Maximen auf den Bereich der öffentlichen Hand. Der Bürger wird dann
zum Shareholder, das Bundesland wird zum Übernahmekandidaten, nur mit einem Unterschied: Während Unternehmen Konkurs gehen, werden Länder einfach immer nur ärmer, mit allen Folgen; über diese Folgen können wir auch einmal sprechen, sie wären nur negativ!
Ich empfinde es als Gipfel des Unzumutbaren, daß im Minderheitenvotum als besonderer Vorteil hingestellt wird – Sie können es nachlesen –, daß Länder, die aufgrund von eher wohl häufiger zu erwartenden Haushaltsnotlagen die bündische Solidarität der anderen einfordern, zunächst einmal aufgefordert werden können, ihre eigenen Steuerquellen auszuschöpfen.
Das heißt, daß sie notfalls auch von ihren Steuerzuschlagsmöglichkeiten Gebrauch machen. Sie finden das gut, Herr Kruse, aber wir haben Ihnen in den Beratungen der Enquete-Kommission mehrfach angeboten, einmal zu erläutern, wie Sie sich als virtueller Ministerpräsident von Thüringen verhalten würden, wenn Sie die Möglichkeit einer regionalen Steuerfestsetzung hätten. Darauf haben Sie uns leider keine Antwort gegeben.
Das reicht nicht ganz. Herr Kruse, ich muß Ihnen trotzdem sagen, daß Sie sich freuen sollten, daß diese Möglichkeit vollkommen im Rahmen der Nichtrealisierung liegen dürfte.
Freuen Sie sich wirklich. Sie würden nämlich sowohl mit dem Grundgesetz Artikel 72 und 106 als auch mit Ihrem sozialen Gewissen als CDA-Mitglied – das glaube ich zumindest – sowie mit ihrem volkswirtschaftlichen Sachverstand in Konflikt geraten.
Das wäre unausweichlich. Der Verfassungsgrundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse setzt nämlich zunächst einmal eine annähernd gleichwertige Finanzausstattung voraus. Nur auf dieser Basis kann dann der Wettbewerb stattfinden.
Unter allen herangezogenen Staaten mit einer föderalen Ordnung – und das haben wir mit einer gewissen Gründlichkeit gemacht – hat nur Deutschland ein solches Verfassungsziel. Ich denke, daß das kein Zufall und kein Irrtum ist, sondern eine bewußte Willensentscheidung des Verfassungsgesetzgebers. Dieses Ziel ist, wie ich finde, zu respektieren, und es geht der Umsetzung ökonomischer Theorien vor.
Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht – das nehme ich jedenfalls an – den ihm von Bayern und Baden-Württemberg mehrfach angedienten Begriff des Wettbewerbsföderalismus ja nicht einmal zurückgewiesen, sondern nur mit höflichem Schweigen übergangen. Daher ist das Min
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derheitenvotum auch in der Enquete-Kommission das Votum einer kleinen, in dieser Frage auch radikalen Minderheit geblieben.
Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben noch einen Zusatzantrag gestellt, weil wir einige Argumente und Positionen durch Beschluß des Parlaments bestärken wollen. Das, denke ich, kann für den Senat nur hilfreich sein, denn die augenblickliche Situation scheint nach wie vor schwierig zu sein; vielleicht hören wir dazu noch etwas.
Vielleicht wundert es Sie, daß wir neben dem ganz zentralen Punkt der Einwohnerwertung das Thema der Mischfinanzierung in unseren Antrag aufgenommen haben. In bezug auf die Transparenz der Finanzbeziehungen ist dieses Finanzierungsinstrument, wie ich finde, mit Recht in die Kritik geraten. Die Parlamente empfinden die fast automatische Bereitstellung von Komplementärmitteln als ärgerlichen Eingriff in ihre Haushaltshoheit, die ohnehin schon zurückgeht, eher zumindest, als daß sie zunimmt. Trotzdem sind Mischfinanzierungen auf einigen Gebieten für überregionale Aufgaben unverzichtbar. Sie sollten aber reformfähig und auf die Zukunft gerichtet sein und als variables Instrument betrachtet und genutzt werden.
Das Arbeitsergebnis unserer Enquete-Kommission bietet niemandem ein neues und ideal-typisches Modell für den Finanzausgleich an; das war übrigens auch nicht der Auftrag, aber vielleicht vor einem Jahr eine Versuchung. Ein solches Modell wäre wahrscheinlich herstellbar, aber nach meiner Überzeugung auch nicht transparenter und gerechter und mit Sicherheit politisch nicht durchsetzbar.
Unser Bericht, so denke ich, ist eine saubere Situationsbeschreibung. Er untermauert vielfältig die berechtigten Ansprüche Hamburgs, gibt zukunftsbezogene Anregungen und festigt hoffentlich die Überzeugung, die wir alle haben: Hamburg darf nicht schlechter gestellt werden als bisher.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag liegt Ihnen vor, und ich möchte die Erläuterungen, die im Vorspann zu lesen
sind, nicht wiederholen. Aber es gibt einige wichtige Gesichtspunkte und auch Informationen, die man ergänzend anfügen sollte.
Das Thema „Anonyme Geburt“ hat in diesem Parlament bereits einen Vorlauf. Ich darf daran erinnern, daß diesbezüglich bereits im Januar Frau Jürs eine Kleine Anfrage an den Senat gestellt hat. Seinerzeit war der Senat mit dem Gesamtproblem noch nicht befaßt, und das Thema Kostenerstattung könne erst nach der Schaffung von gesetzlichen Voraussetzungen geklärt werden.
Wir haben das Thema des weiteren in der Fragestunde der Bürgerschaft am 15. Februar behandelt. Hier gab der Senat auf die entsprechende Frage die Auskunft, daß die Hamburger Krankenhäuser – sowohl die gemeinnützigen als auch die des Landesbetriebs – grundsätzlich einer anonymen Geburt positiv gegenüberstehen, aber die gesetzlichen Grundlagen dafür erst geschaffen werden müßten. Da gilt es besonders in bezug auf das Personenstandsgesetz einiges zu regeln, aber natürlich spielt auch die Kostenträgerschaft eine Rolle.
Frau Roth als Fachsenatorin hat seinerzeit eine Bundesratsinitiative angekündigt, und der Ihnen heute vorliegende Antrag soll dazu dienen, sowohl unserer Fachsenatorin als auch den anderen Ländern, zum Beispiel Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die dankenswerterweise auch in dieser Richtung aktiv sind, Rückendeckung in Richtung Bundesrat zu geben. Die Angelegenheit kann und muß jetzt auf Bundesebene in Angriff genommen werden, da auch die allgemeine Diskussion zu diesem Thema mittlerweile sehr weit fortgeschritten ist. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat festgestellt, daß sich immerhin 76 Prozent der Bundesbürger und -bürgerinnen positiv zum Thema „Babyklappe und anonyme Geburt“ geäußert haben. Das ist eine erhebliche Übereinstimmung unserer Bevölkerung, und nun sollte die politische Ebene schnellstmöglich aktiv werden, um zum Beispiel Müttern wie etwa der Mutter, die in der vergangenen Woche ein Baby auf dem Balkon ausgesetzt hat, eine weitere Chance zu eröffnen. Wir wissen natürlich nicht, ob sie wahrgenommen wird, aber es ist wichtig, diese Chance zu bieten.
Außerdem fangen wir bei diesem Thema in Deutschland nicht bei der Stunde Null an. Die USA, Frankreich und Luxemburg haben bereits Regelungen, legal anonyme Geburten durchführen zu können. Es gibt also schon Gesetze und Praxis, an denen man sich orientieren könnte. Es gibt außerdem einen Antrag der CDU im Bundestag, der meines Wissens in den zuständigen Ausschüssen liegt.
Über die Problematik der Kostenerstattung und des Personenstandsgesetzes hinaus möchte ich der Vollständigkeit halber anmerken, daß die rechtliche Problematik damit noch nicht erschöpft ist und auch das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung rechtlich ein Problem darstellt. Wenn es aber um Leben von Mutter und Kind geht, und darum geht es, dann müßte dieses Recht meines Erachtens in die zweite Reihe gerückt werden.
Jetzt müssen die rechtlichen Voraussetzungen auf Bundesebene geschaffen werden. Es erscheint mir auch deshalb sehr vordringlich, weil schon im Interesse der Betroffenen, was ich ausgesprochen richtig finde, nicht nur in Hamburg und Umgebung, sondern auch in anderen Ländern der Bundesrepublik gehandelt wird. Wenn dreiviertel der Bevölkerung das richtig finden, dann wird es höchste Zeit, den rechtlichen Rahmen einwandfrei auszustatten, und dem soll dieser Antrag dienen.
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Allerdings muß man anmerken, daß auch nach Lösung der rechtlichen Voraussetzungen die Gesamtproblematik noch nicht gelöst ist, denn wenn man davon ausgeht, daß Leben und Gesundheit von Mutter und Kind zu schützen sind, spielen natürlich auch die Fragen der Vorsorge, der Nachsorge und der Beratungen insgesamt eine erhebliche Rolle. Diese Fragen zu lösen, ist natürlich schwierig, wenn man Anonymität zusagen will und die betroffenen Frauen zumindest durch staatliche Stellen eher schlecht zu erreichen sind. Sie sind insgesamt schwer zu erreichen und schwer ansprechbar.
Im Zusammenhang mit dieser Problematik ist es vielleicht von Interesse, eine kleine Vorstellung davon zu haben, um welche Gruppen es denn geht. Dazu gibt es durchaus Erkenntnisse aus Österreich, Frankreich, aber auch aus Deutschland. Sehr gefährdet in Richtung Aussetzen oder Töten sind drogenabhängige und substituierte Mütter, die sich zum Teil in der Illegalität des Drogenkonsums bewegen, aber auch ihr Leben rund um die Droge irgendwie organisieren müssen. In Hamburg werden zur Zeit etwa 150 Kinder pro Jahr von offiziell Drogen gebrauchenden und substituierenden Müttern geboren. Daran kann man schon sehen, daß dieses keine ganz unbeträchtliche Gruppe ist.
Die zweite Gruppe sind Frauen, die unter extremer Gewalt in ihrer Familie leiden. Sie leben in außerordentlich gewalttätigen Beziehungs- und Familienverhältnissen. Würden sie sich an ein Frauenhaus wenden, müßten sie zum Beispiel mit ernstzunehmenden Todesdrohungen ihres Partners rechnen; auch davon hören wir immer wieder. Sie werden sich schon allein aus diesem Grund nicht an professionelle Helferinnen und Helfer im Hilfesystem wenden, und diese Frauen sind, das muß man wohl so feststellen, extrem isoliert.
Die dritte Gruppe sind Migrantinnen. Wir hatten zum Beispiel in Hamburg zeitweilig viele Frauen aus Bosnien, die vergewaltigt waren, die Moslems waren und aus gutem Grund das Kind ihres Vergewaltigers nicht aufziehen wollten. Aber es gibt in großen Städten wie Hamburg auch eine Gruppe von Migrantinnen, die sich illegal in der Stadt aufhält und unter gar keinen Umständen Kontakt mit offiziellen Stellen sucht oder haben kann.
Dann gibt es die mit Sicherheit große Gruppe minderjähriger, sehr junger Frauen, die mitten im Pubertätsprozeß steht. Die Gefährdung dieser Gruppe ergibt sich auch aus einem Enquete-Bericht, der in Österreich erstellt worden ist.
Es gibt aus Frankreich wissenschaftliche Untersuchungen aus dem Jahr 1989, wer anonyme Geburten in Anspruch nimmt. Dabei ist festgestellt worden, daß die Mehrheit der Frauen Singles sind, 20 Prozent Französinnen, also Inländerinnen, und viele aus den ehemaligen französischen überseeischen Gebieten kommen. 10 Prozent waren Heimkinder, 19 Prozent Studentinnen, 50 Prozent waren arbeitslos, und etwa 10 Prozent dieser Gruppe waren schwanger als Folge von Vergewaltigung oder sexuellen Mißbrauchs. Ein gewisser Prozentsatz der Kinder war mit Syphilis infiziert, ein gewisser Prozentsatz war aidsinfiziert. Auch dies ergibt sich aus dem Enquete-Bericht.
Die Gruppe derer, die in Richtung Aussetzen und Töten gefährdet ist, und die Gruppe derer, die die anonyme Geburt wahrnehmen würde, sind also nicht unbedingt identisch, aber beiden kann mit der Regelung der anonymen Geburt geholfen werden. Auch das ist ein Argument für die Forderung, sehr schnell einen rechtlichen Rahmen zu schaffen.
Noch einmal zu meiner Feststellung, daß mit einem rechtlichen Rahmen nicht alles gelöst wird. Man sollte sich auch fragen, wo Hamburg als Land Handlungsoptionen hat. Wie kann zum Beispiel eine anonym durchgeführte Schwangerschaftsvorsorge eingerichtet werden? Kann man so etwas wie einen anonymen Mutterpaß schaffen? Wie hilft man schwangeren Migrantinnen mit nicht legalem Aufenthaltsstatus? Wie kann man anonyme Schwangerschaftsvorsorge schaffen? Was passiert mit den Frauen, die anonym entbunden haben, nach der Entbindung? Kann man durch Beratungseinrichtungen besser als bisher schwangere Migrantinnen mit legalem Aufenthaltsstatus erreichen? Kann zum Beispiel eine anonym entbindende Mutter Wünsche in bezug auf zukünftige Adoptiveltern stellen? Kann die Mutter, obgleich sie anonym entbindet, zukünftige Adoptiveltern vielleicht kennenlernen? Kann man irgendwie organisieren, daß dem Kind ein Hinweis auf seine Herkunft später einmal zugänglich ist?
Sie sehen, meine Damen und Herren, es sind eine Fülle von Problemen zu lösen, die nur zum Teil durch Recht, zum anderen Teil aber auch durch andere Initiativen zu regeln sind. Es ist wirklich ein sehr komplexes Thema, das weiter bearbeitet werden muß. Deswegen glaube und hoffe ich, daß der Bericht, den wir für Juli erbitten, ausführlich ist und über die Auskunft hinaus, wie sich das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene abspielt, vielleicht auch Stellung zu einigen der Fragen nimmt, die ich hier angerissen habe.
Ich hoffe sehr, daß die heutige parlamentarische Initiative eine Beschleunigung hervorruft. Auch wenn die betroffene Gruppe, bezogen auf alle Frauen, eine relativ kleine ist, so sind diese Frauen doch in einer extrem schwierigen Lage. Sie sind einem extremen Streß ausgesetzt, und ich finde es ein Gebot der Menschlichkeit, jetzt ganz schnell zu helfen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mir liegt viel daran, daß keine Mißverständnisse aufkommen. Frau Koppke, ein Teil dessen, was Sie gesagt haben, scheint mir auf Mißverständnissen zu beruhen.
Es ist nicht so, daß SPD und GAL die anonyme Geburt „propagieren“. Es ist auch nicht so, daß SPD und GAL die Praxis „ausbauen“ möchten. Das ist eine absolut falsche Wortwahl, die unsere Intentionen nicht trifft. Ich glaube, ich habe deutlich genug gesagt, daß dieses nur eine weitere Chance für Frauen, die sich sonst nicht zu helfen wissen, darstellt. So ist es auch zu verstehen. Kein Mensch wird propagieren, anonyme Geburten umfänglich durchführen zu lassen, es soll aber möglich sein. Unser Antrag besagt, daß die rechtliche Möglichkeit geschaffen werden muß, damit sich alle auf einem rechtlich sicheren Grund befinden. Das ist die Intention, nicht das „Propagieren“ oder das „Ausbauen“. In keiner Weise.
Wenn Sie darauf hinweisen, daß Sie in bezug auf die Herkunftsfrage Schwierigkeiten haben, so glaube ich durchaus, daß ich das mit angesprochen habe. Nur, die Frage ist: Was ist die Alternative? Wenn Sie von einer anonymen Geburt, die auch anonym gewünscht wird, ausgehen und die Alternative dazu wäre Töten oder Aussetzen – das ist durchaus möglich –, dann habe ich mich dafür ausgesprochen, das Recht des Kindes in dieser Frage hintanzustellen, weil ich das Recht des Kindes auf Leben höher einschätze. Das ist eine Abwägung.
Das von Ihnen aufgenommene Thema der Möglichkeiten, die man prüfen muß – Vorsorge, Beratung, Nachsorge –, habe ich auch aufgenommen. Natürlich sind wir dafür, Möglichkeiten zu finden. Das ist dann auch keine Bundesaufgabe mehr, sondern wird individuell in den Ländern zu diskutieren, zu beraten und zu entscheiden sein.
Es ist ein krasses Mißverständnis, wenn Sie annehmen, wir wären der Ansicht, acht abgegebene Kinder in der Babyklappe seien ein Erfolg. Das ist nur so zu verstehen, daß es natürlich ein Erfolg in der Richtung ist, daß es sich um acht Kinder handelt, die andernfalls ausgesetzt oder vielleicht getötet worden wären. Das ist also ein Erfolg im Sinne des Lebens des Kindes.
Ich bitte Sie, höchst sorgfältig in der Wahl Ihrer Worte zu sein. Ich glaube gar nicht, daß wir inhaltlich so weit auseinander liegen, aber hier hat die Wortwahl viel mit dem zu tun, was man machen möchte, und da sollte man sehr vorsichtig sein.
Aber die nachträgliche Überweisung – das haben Sie auch gesagt – ist eine Chance, Mißverständnisse dieser Art auszuräumen. Auch ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuß. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Laut Medienberichterstattung ist aufgrund einer Initiative von „Sterni-Park“ die erste anonyme Geburt in einem schleswig-holsteinischen Krankenhaus durchgeführt worden. Des weiteren wird berichtet, daß im Krankenhaus Elim Bestrebungen bestehen, hier anonyme Geburten durchzuführen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist in der Tat sehr schwer, dieses schwierige Thema in fünf Minuten abzuhandeln. Ich will versuchen, mit der Zeit auszukommen, und zunächst einmal feststellen, daß, wenn wir heute über die Stadtstaaten im Föderalismus reden, wir allen Grund haben, darüber zu reden, daß es einen Angriff auf die Stadtstaaten im Föderalismus gibt. Anders kann man die augenblickliche Situation wohl kaum bezeichnen, die durch die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht durch die sogenannten Südländer in Gang gesetzt worden ist.
Die gleichberechtigte Existenz von Stadtstaaten im föderalen Staat ist verbal eigentlich nie in Frage gestellt worden. Aber durch die Versuche der Entziehung der materiellen Grundlage wird die Existenzmöglichkeit der Stadtstaaten natürlich massiv in Frage gestellt. Dabei ist allgemein anerkannt, daß die Leistungen – jetzt rede ich einmal über Hamburg – nicht etwa nur der Region, sondern der gesamten Bundesrepublik, wie es auch von Frau Hajduk dargestellt wurde, zugute kommen.
Wir hatten zwischenzeitlich – ich habe es wenigstens so verstanden – die Möglichkeit eines gewissen kleinen Aufatmens im augenblicklichen Prozeß, weil man den Ein
druck bekommen konnte, daß die Finanzminister beziehungsweise die Ministerpräsidenten sich auf einen Konsens hin bewegten, der immerhin durch Zugeständnisse, Zusagen und Beschlüsse unterfüttert war. Man hatte also ein bißchen den Eindruck eines Aufeinanderzugehens. Dieser Eindruck ist leider durch die neuesten Aktionen der Klageländer und speziell durch das Ifo-Gutachten vollkommen beseitigt worden. Man kann es nur als erneute Aufkündigung des föderativen Grundkonsenses und Bestätigung des alten Konfrontationskurses bewerten, was sich da im Moment abspielt.
Für Hamburg ist natürlich der erneute Angriff auf die Einwohnerwertung das zentrale Problem. So ist es zum Beispiel erstaunlich, daß das Ifo in seinem Gutachten vom Großstädtevergleich abrückt, einem Vergleich, den es sozusagen selbst erfunden hat, nun aber wahrscheinlich aus praktischen Gründen, weil das Ergebnis unerwünscht wurde, nicht mehr benutzen will.
Der Angriff auf die Einwohnerwertung, die vordergründig das einzige Problem ist, für uns allerdings das zentrale, kaschiert eigentlich nur, daß alle Nehmerländer, insbesondere die neuen Länder, angegriffen werden. Ich finde es eine beschämende Aufkündigung der Solidarität. In anderem Zusammenhang, als Frau Hajduk dies getan hat, könnte man hier auch über Gesichtspunkte der Gerechtigkeit reden.
Der wissenschaftliche Unterbau dieser Angriffe, an dem von einigen Ökonomen und Finanzwissenschaftlern lustvoll mitgearbeitet wird, hat im Grunde die Funktion von Nebelkerzen, um Unsolidarität und Eigeninteressen nicht zu deutlich werden zu lassen,
denn wenn man auf die Wissenschaftlichkeit von Politik baut, dann stellen wir alle fest – jeder Politiker weiß es –, daß die Gestaltung von Politik vielerlei Quellen hat, aber Gott sei Dank nicht ausschließlich an rein wissenschaftlichen Kriterien orientiert ist.
Im Zusammenhang mit dieser Debatte wird natürlich auch das Argument der Transparenz und Vereinfachung immer wieder herangezogen, und ich will nicht bestreiten, daß es hier Möglichkeiten gibt. Aber die Umsetzung eines solchen Anliegens wird durch den Zeitdruck, der durch das Verfassungsgerichtsurteil von 1999 auf uns alle zugekommen ist, nahezu unmöglich. So muß man sich eben auf die Kernpunkte konzentrieren, und die sind für uns die Einwohnerwertung.
Ich habe es gesehen. – Für die bevorstehende Ministerpräsidentenkonferenz wünschen wir dem Bürgermeister alles Gute, sehr viel Erfolg, und wir wünschen ihm vor allem, daß er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit unsere Einwohnerwertung verteidigt und die Situation Hamburgs zumindest so erhält, wie sie im Moment ist.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir brauchen in der Sache nicht noch einmal einzusteigen, zumal dies vollkommen hoffnungslos erscheint. Denn die Ausführungen, die in der Sache gemacht wurden, sind an Herrn Professor Salchow total vorbeigegangen.
Man hat ja den Eindruck, er habe absichtlich fest geschlafen, um die hier gefallenen Argumentationen nicht wahrzunehmen.
Das ist im Zusammenhang mit diesem existentiellen Thema, das alle Fraktionen und auch die Gruppe bewegt, ein falscher Ansatz. Wenn Sie unter Politik verstehen, daß unberechtigt und unwissend bei jedem Thema die Konfrontation herausgekehrt werden muß, dann sind Sie auf einem ganz falschen Dampfer. Ich kann Ihnen da nur abraten, denn es nützt niemandem.
Da mit viel Nachdruck betont worden ist, daß in diesem Fall die Investorenseite gefordert ist, habe ich Anlaß zu der Nachfrage, ob es Anzeichen gibt, daß sich die Investoren ihrer Verantwortung nicht bewußt sind.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Waldhelm, gleich zu Beginn muß ich Ihnen sagen, daß die Begründung Ihres Antrags für mich nicht besonders zwingend war, sie hat mich wirklich nicht überzeugt.Deswegen muß ich das einordnen in eine Rubrik, von der ich schon angenommen habe, daß es wohl diese Rubrik ist, und die heißt „mäkeln an öffentlichen Unternehmen“.
Die Thematik ist überhaupt nicht neu. Sicher haben Sie recht, daß die Bedeutung der Aufsichtsräte nicht unterschätzt werden darf, aber Sie haben bezeichnenderweise hier aus der privaten Wirtschaft, die sonst von Ihnen immer so hoch gelobt wird, zitiert. Zu den Hamburger öffentlichen Unternehmen ist Ihnen in dieser Richtung anscheinend nichts aufgefallen, was ich nicht so erstaunlich finde, weil ich nämlich die Struktur sehr vernünftig finde.Wir haben ein Funktionsmodell, das sich bewährt hat, und ich bin auch nicht dafür, es abzuschaffen.
Sie haben die öffentlichen Unternehmen von Zeit zu Zeit aufs Korn genommen, zuletzt haben wir im Februar 1998 anhand des dritten Beteiligungsberichts darüber debattiert. Da hat Ihnen meine Kollegin Frau Ernst die Auffassung der SPD-Fraktion zu öffentlichen Unternehmen dargelegt; das will ich jetzt nicht wiederholen. Aber ganz eindeutig scheint Ihre Meinung auch nicht zu sein, denn Sie sagen in Ihrem Antrag immerhin, es sei fraglich, ob viele Mitglieder eine bessere Kontrolle ausüben würden; Sie schließen also das Gegenteil immerhin nicht ganz aus. Dann ist natürlich Ihre Forderung nach mehr externem Sachverstand gleichzeitig mit Verkleinerung der Gremien irgendwie widersprüchlich. Man muß sich schon entscheiden, was man eigentlich haben will, und ich glaube, daß wir in Hamburg einen sehr gängigen Mittelweg gefunden haben. 1997, das ist in allen Unterlagen zu lesen, wenn man sich die Mühe macht, diese nachzulesen, waren bei 49 unmittelbaren Beteiligungen 28 Prozent Nicht-Staatsbedienstete Vertreter Hamburgs.
Das muß man, mit Ihren Worten, wohl auch als externen Sachverstand bezeichnen, und das ist eine ganz schön hohe Zahl.
Es ist nun mal so, Herr Waldhelm, daß die Unterschiede unserer Betrachtung der öffentlichen Unternehmen sehr grundsätzlicher Art und nicht wegzudebattieren sind. Bei Ihnen steckt eine ganze Menge Ideologie drin, obgleich das uns ja immer nachgesagt wird. Ich will auch nicht versuchen, diese Unterschiede wegzureden, das ist vollkommen sinnlos. Ich will Sie nur auf einige Widersprüche aufmerksam machen, die gelegentlich bei Ihnen vorkommen, wenn man die Debatte zurückverfolgt. Heute geht es um die Zusammensetzung der Aufsichtsräte. Früher hieß es bei der Zusammensetzung der Aufsichtsräte, die Abgeordneten müssen wieder hinein; das haben Sie auch einmal gesagt, es ist gar nicht so lange her.
Das ist nicht Ihr Thema, war aber Thema der CDU, und davon waren Sie auch nicht ganz weg. – Mal wird die Anzahl der öffentlichen Unternehmen kritisiert immer unter dem Motto: Es ist keine Staatsaufgabe, Private können es besser, und dann schließt sich die Forderung an, man sollte sie doch privatisieren, sprich verkaufen. Wenn verkauft wird, heißt es, aber doch nicht so viel, wir müssen doch irgendwie die Hand darauf halten – das ist auch schon vorgekommen. Dann kommt wieder das Thema Verluste. Gerade neulich haben wir gehört, eigentlich müßten nun Gewinne erwirtschaftet werden. Das ist ein sehr ungerechtes Argument, weil es eine undifferenzierte Betrachtung der Verlustträger ist.Nehmen Sie zum Beispiel den HVV.Natürlich kostet er uns viel Geld, aber ich kenne auch die Debattenbeiträge, wenn es darum geht, die Fahrpreise zu erhöhen. Dann kommt bei Ihnen die große Bedenklichkeit auf, und Sie finden das nicht so schön.
Wenn man sich zum Beispiel – das liegt durchaus im Bereich des Möglichen – den heute vorliegenden Bericht 16/4141 über die Beratungen des Unterausschusses „Vermögen und öffentliche Unternehmen“ etwas näher ansieht, dann muß man eigentlich zu dem Ergebnis kommen, daß unsere öffentlichen Unternehmen – und da sind nun einmal die Aufsichtsräte beteiligt – außerordentlich aktiv und kreativ sind und ein sehr kostenbewußtes Management haben. Nehmen Sie zum Beispiel die Stadtentwässerung. Wie viele Möglichkeiten hat die Stadtentwässerung entdeckt, um ihre Einnahmesituation zu verbessern. Wie kreativ ist sie gewesen, um unser 150 Jahre altes Sielnetz über die Runden zu retten, nämlich durch das Einziehen von Kunststoffröhren zur Stabilisierung. Außerhamburgische Beteiligungen haben sie auch noch an Land gezogen.Selbst die Gebührenentwicklung – Herr Waldhelm, Sie sind dabei gewesen – ist im Vergleich zum übrigen Bundesgebiet außerordentlich positiv.
Auch die anderen von uns besprochenen Unternehmen werden gut geführt und haben gute Ergebnisse. Das trifft sowohl für die HMC als auch für die HHLA zu, die wir beide besprochen haben. Ich kann mich nicht erinnern, daß Sie im Ausschuß Kritik an der Geschäftsführung oder an der Form, wie vom Senat geleitet wird, geübt haben, weil es nämlich nicht zu kritisieren ist. Die haben eben gut gearbeitet, und insofern gibt es auch gar keinen Anlaß, sich am Einzelthema Aufsichtsräte festzumachen. Gerade wenn Sie die noch nicht im Bericht enthaltene Sitzung über die Hamburger Hochbahn Revue passieren lassen, werden Sie zugeben müssen, daß hier sehr effektiv und kreativ ge
arbeitet wird. In welchem anderen öffentlichen Verkehrsunternehmen gibt es einen Kostendeckungsgrad von 80 Prozent? Das ist beträchtlich, die Regel liegt irgendwo bei 50 Prozent, und das ist ein gewaltiger Unterschied zu Hamburg.
Was Sie gerne verschweigen, was ich hier aber noch einmal sagen will: Es handelt sich, obgleich kostenbewußt gehandelt werden muß und auch gehandelt wird, um rund 45 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in dieser Stadt;das ist ein erheblicher Anteil.Es handelt sich um eine erhebliche Menge an Ausbildungsplätzen und, wenn man die Unternehmen nimmt, in denen die FHH oder die HGV mehr als 20 Prozent halten, um ein Investitionsvolumen von 1,4 Milliarden DM.Das ist viel Geld, und das fließt auch wieder in die Hamburger Wirtschaft. Das alles, lieber Herr Waldhelm, passiert nicht von selbst, sondern durch ein vom Senat gesteuertes Handeln.
Deswegen ist Ihre Ziffer 3 für mich, freundlich ausgedrückt, ein sonderbarer Knüller: Ressortidentität von Aufsichtsratsmandat und Senatsposten sollten vermieden werden. Nun ist es für Sie bestimmt vollkommen unzweifelhaft, daß die Verantwortung für die öffentlichen Unternehmen jeweils bei den Fachsenatoren liegt. Wenn irgend etwas schiefgeht, wäre das aus Ihrer Sicht auf alle Fälle so, aber bei den Dingen, von denen der Fachsenator etwas versteht, soll er nicht aktiv mitwirken, sondern das soll irgendwie über Kreuz gehen. Ich begreife das überhaupt nicht: politische Verantwortung aufladen, aber Mitwirkung, daß alles gut geht, abschneiden! Da hat man bei Ihrem Anliegen das Gefühl, als solle der Bausenator vielleicht in den Aufsichtsrat der Oper, weil er Wagner heißt; etwas Besseres fällt mir dazu nicht ein. Dies ist absoluter Unsinn, das muß ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen.
Auch wenn Sie mit großer Ernsthaftigkeit und Nachdruck Ihren Antrag hier vorgestellt und um Zustimmung oder Überweisung gebeten haben, hat er für mich keinerlei sachliche Berechtigung. Ihre Begründung hat leider auch nichts in diese Richtung ergeben, und deswegen werden wir ihn ablehnen. – Schönen Dank.