Protocol of the Session on April 4, 2001

(Uwe Grund SPD: Blanker Unsinn!)

Wir kommen abschließend nicht umhin, Ihnen aufgrund dieses enttäuschenden fünften Berichts noch einmal glimpflich die Gelbe Karte zu zeigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder – derzeit sind wir im vierten Jahr – diskutieren wir über die Ausbildungsdrucksache. Allerdings haben Sie heute, Herr Drews, Äpfel mit Birnen verglichen.

Erstens: Wenn Sie über die neuen Berufe oder über kooperative Berufsfachschulen sprechen, dann wissen Sie genau, daß Sie nicht nur bei mir, sondern auch beim Senat offene Türen einrennen. Die Schuldigen sind nicht in der Bürgerschaft oder in der BSJB zu suchen, sondern Sie müssen sich an die Gralshüter der Berufsbildung wenden, die auf Landesebene die von Ihnen angesprochene kooperative Berufsfachschule systematisch verhindern, obwohl wir diese schon längst einführen wollten. Ihre An

(Wolfgang Drews CDU)

prangerung haben Sie an der falschen Stelle vorgenommen.

(Uwe Grund SPD: Man muß auch nicht jeden Blöd- sinn machen!)

Zweitens: Ich möchte zunächst ein Lob aussprechen. Nach Prüfung der Zahlen habe ich feststellen können, daß neben den 12 000 Jugendlichen in Hamburg, die sich im dualen Berufsschulsystem befinden, eine erkleckliche Summe von 18 000 Plätzen in berufsvorbereitenden Maßnahmen und in Berufsfachschulen zur Verfügung gestellt werden, die weit über 120 Millionen DM kosten. Ich möchte nicht alle aufzählen, denn Herr von Beust ist nicht mehr anwesend. Ich könnte ihm eine ganze Menge von Abkürzungen der Maßnahmen entgegenhalten.

Diese enormen Aufwendungen soll uns erst einmal einer in den Zeiten nachmachen, in denen unsere Haushaltsexperten genau hinsehen, wofür das Geld ausgegeben wird. Deshalb begrüßt die GAL natürlich dieses grünrote, rotgrüne Engagement im Bund und in Hamburg. Wir geben ja nicht nur auf Landesebene viel Geld dafür aus, sondern für diesen Bereich fließen auch Gelder aus dem Bundesetat, die dringend für die jungen Menschen in dieser Stadt benötigt werden. Sie bedeuten eine Investition in die Zukunft; daran geht kein Weg vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Es handelt sich hier allerdings – das wird schon seit vier Jahren thematisiert – um eine Verstaatlichung der Ausbildung. Verstehen Sie mich bitte richtig: Es ist wichtig, daß der Staat die Fürsorge übernimmt und die Kids nicht auf der Straße stehenläßt, aber Ausbildung ist in erster Linie eine Aufgabe des dualen Systems, also der Wirtschaft; sie soll auch im Betrieb stattfinden. Es soll im Büro oder an der Werkbank und nicht nur in der Schule gelernt werden; diese Aufgabe übernimmt der Berufsschulunterricht. Insofern appelliere ich an die Wirtschaft, weiterhin noch mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.

Wenn Sie sich die 12 000 Jugendlichen ansehen, die an berufsvorbereitenden Maßnahmen teilnehmen, dann sind davon mit Sicherheit ein Viertel betriebsreif; sie benötigen Ausbildungsplätze und keine schulischen Maßnahmen.

Eine Kritik geht auch in Richtung Handwerk. Das Handwerk übernimmt sicherlich eine große Aufgabe, Jugendliche auszubilden oder diejenigen – Herr Drews, den Ausdruck „praktisch Begabte“ mag ich gar nicht – zu übernehmen, die mehr Betreuung brauchen. Seit 1997 wurde die zugesagte Steigerung für diesen Bereich nicht eingehalten. Ich glaube nicht, daß sich die Handwerkskammer den Berufsschulsport gern wieder zurückwünscht und es auch die Betriebe nicht als besonders prickelnd empfinden würden.

Lassen Sie mich noch einmal auf die angesprochene Umlandsfrage zurückkommen. Wir haben trotz aller Anstrengungen das reale Problem, daß wir überproportional Schülerinnen und Schüler aus dem Umland in Hamburg ausbilden, was bedeutet, daß die Zahl der Hamburger Jugendlichen in Ausbildung abgenommen hat.

Es ist tatsächlich die Frage, ob es daran liegt, daß diese Schülerinnen und Schüler bessere Abschlüsse haben, oder ob sie pflegeleichter sind als Großstadtkinder. Man müßte sich eigentlich einmal die Lehrstellenbilanz des Umlandes anschauen und hinterfragen, welche Motive die Jugendlichen haben, nach Hamburg zu kommen. Hamburg ist sicherlich eine interessante Stadt, um hier eine Ausbildung zu machen. Ich würde ja auch nicht in Itzehoe studieren.

Die meisten Dinge sind schon gesagt. Ich möchte mich auf zwei Punkte dieser Drucksache konzentrieren, die wir für besonders wichtig halten, um vor allen Dingen im Sinne der Prävention perspektivisch mehr zu erreichen. Wir müssen tatsächlich frühzeitig bei der Sekundarstufe I ansetzen, bevor die Reparaturmaßnahmen anfangen; daran geht kein Weg vorbei. Herr Drews, es ist ja nett, wenn Sie im Hinblick darauf den Koalitionsvertrag ansprechen. Damit war jedoch ein Prüfauftrag gemeint und nicht etwa eine Vereinbarung, daß eine gewisse Anzahl von Schulen das machen soll. Ich bin sehr glücklich darüber, daß aufgrund des Prüfauftrags schon nach so kurzer Zeit mit einer Umsetzung begonnen wurde.

Natürlich fordern wir, daß dieser begonnene Modellversuch „Stadt als Schule“ ausgedehnt wird. Aber nicht unter dem Aspekt, von dem Sie sprachen, daß wir nämlich seit vier Jahren schon dazu verpflichtet seien, für dieses Modellprojekt 20, 40 oder 50 Schulen zu begeistern. Das wird kommen. Es ist eine Forderung unsererseits, daß im Bereich der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung in der Sekundarstufe I viel früher angesetzt wird. Dieser Ansatz kann nur unterstützt werden. Ich könnte Ihnen einen ganzen Maßnahmenkatalog von Forderungen zur Reform der Sekundarstufe I vorlegen, der so weit geht, daß wir regionale Netzwerke brauchen.

Der zweite zentrale Punkt sind die jungen Migrantinnen. Das Thema muß ganz neu aufgerollt werden, das ist schon gesagt worden. Ich glaube, daß wir zunächst eine richtige Ursachenanalyse brauchen, denn hier hat eine stetige Verschlechterung eingesetzt, die nicht zu übersehen ist. Es wird zwar ein ganzes Spektrum an Maßnahmen in dieser Drucksache aufgeführt, woran es liegen könnte und was zu tun sei, aber hier besteht ein grundlegenderer Handlungsbedarf.

In erster Linie sind es Schüler und Schülerinnen ohne Hauptschulabschluß, die wesentlich weniger an der dualen Berufsausbildung beteiligt sind. Es sind aber auch eine ganze Reihe von Schülerinnen, die einen guten Realschulabschluß haben und trotzdem keinen Ausbildungsplatz bekommen. Auch hier müssen wir hinterfragen.

Es gibt keine einfachen Lösungen, sondern wir müssen überlegen, wie wir die Chancen durch andere Konzepte verbessern können.

Zum Schluß möchte ich auf die vorbildliche Initiative der Arbeitsgemeinschaft türkischer Unternehmer und Existenzgründer hinweisen, die sich auf die Fahne geschrieben hat, Ausbildungsplätze für Jugendliche zu akquirieren. Dieser Weg ist richtig und muß unterstützt werden. Wir können uns bedanken, daß es für diesen Bereich eine solche Initiative gibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

(Günter Frank SPD: Redet der jetzt zu allem?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute werden relativ viele meiner Themen debattiert. Ich werde nach dieser Rede noch einmal sprechen.

(Petra Brinkmann SPD: Bleiben Sie doch gleich hier vorn! – Berndt Reinert CDU: Sprechen Sie doch gleich zu allen Themen! – Barbara Ahrons CDU: Lassen Sie sich nicht vorführen!)

(Christa Goetsch GAL)

Wir werden das in Ruhe Punkt für Punkt abarbeiten.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Keine Drohung!)

Meine erste wichtige Feststellung ist – das ist scheinbar in der Betrachtung ein wenig untergegangen –, daß sich die Situation auf dem Hamburger Ausbildungsmarkt im Vergleich zu den übrigen alten Bundesländern merklich verschlechtert hat. Das ist zumindest auch deswegen erstaunlich, weil sich die Arbeitsmarktsituation in Hamburg durchaus verbessert hat. Das streicht die SPD sehr gerne heraus, indem sie betont, daß Hamburg eine Vorbildfunktion hat und hier deswegen eine besonders gute Entwicklung festzustellen sei. Wir stellen aber fest, daß sich die Ausbildungssituation merklich verschlechtert hat. Diese Tatsache wird in einer merkwürdigen Formulierung in der Drucksache versteckt, so daß man sie kaum entdecken kann. Aber diese Feststellung ist sehr wichtig.

Wenn die Situation der Ausbildungsplätze in Hamburg so ist, muß man sich überlegen, wer darunter leidet. Das sind natürlich die Benachteiligten. Wer ist das? Das sind einerseits – das stellt auch die Drucksache fest – vor allen Dingen auch die behinderten Jugendlichen. Wir stellen fest, daß die Unternehmer – Frau Ahrons, daß ist eine wichtige Aufgabe für Sie – in ihrer sozialpolitischen Verantwortung mehr und mehr versagen. Sie stellen immer weniger Behinderte ein und bilden immer weniger Behinderte aus.

(Barbara Ahrons CDU: Je mehr Gesetze Sie ma- chen, desto weniger werden es!)

Die sozialpolitische Verantwortung, die sie in den letzten Jahren noch hatten, nehmen sie derzeit nicht mehr wahr. Das ist zu kritisieren.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zweitens: Wir stellen ein ähnliches Verhalten der Unternehmen gegenüber anderen Schwachen – den ausländischen Jugendlichen – in dieser Gesellschaft fest. Auch sie sind natürlich die ersten, die herausgedrückt werden, wenn es zuwenig Ausbildungsplätze gibt. Das ist auch eine wichtige Aufgabe der Schule, sich dieser Situation anzunehmen und für zusätzliche Hilfsmaßnahmen zu sorgen.

Das bedeutet, daß nicht derjenige, der keinen Ausbildungsplatz erhält, schuld ist, sondern schuld sind die Unternehmen, die zuwenig Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Hier sind Anstrengungen notwendig. Es ist wichtig, daß es überhaupt ein Stammprogramm gibt. Die staatlichen Aufgaben sind dafür ein wichtiger Ansatz.

Wir haben in etlichen kleineren Bereichen noch etwas zu kritisieren. Diese Kritik werden wir aber im Ausschuß äußern, weil ich heute nicht genug Zeit dafür habe.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Frau Senatorin Pape.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem diesjährigen Bericht zur Ausbildungssituation sowie über Maßnahmen zur Sicherung der beruflichen Bildung 2000 informiert der Senat die Bürgerschaft zum vierten Mal in dieser Legislaturperiode, aber insgesamt zum 25. Mal. Auch das zeigt sehr wohl, daß der Senat diesem Politikfeld eine hohe Wichtigkeit beimißt.

Angesichts der nachweislichen Erfolge tut der Senat das natürlich gerne, denn die positive Entwicklung auf dem

Hamburger Ausbildungsmarkt ist ein wichtiges Signal für die Zukunftsperspektiven der Jugend. Sie signalisiert nämlich den jungen Leuten: Wir brauchen euch! Dieses Signal ist wichtig für Hamburg und für unsere Zukunft.

Der Ausbildungs- und der Arbeitsmarkt haben sich in den letzten Jahren erholt. In Hamburg ist die Zahl der Arbeitslosen im Zeitraum von 1997 bis zum Jahre 2000 von knapp 96 000 auf rund 70 000 gesunken. Zugleich hat sich die Zahl der offenen Stellen erhöht, es gibt kaum noch Kurzarbeit, und die Teilzeitarbeit hat erkennbar zugenommen.

In diesem Zusammenhang ist besonders das Engagement der Handelskammer begrüßenswert. Ihr ist es nämlich gelungen, die Ausbildungsbereitschaft in vielen Unternehmen erheblich zu steigern. Das hat bewirkt, daß wir im fünften Jahr in Folge – das ist wirklich erfreulich – einen Zuwachs an Ausbildungsverträgen zu verzeichnen haben.

Hamburg ist eine Metropole, das ist richtig. Als Metropole haben wir auch die Funktion, Ausbildungen in hochwertigen, anspruchsvollen Berufen anzubieten. Natürlich wird diese Chance von Jugendlichen aus dem gesamten Einzugsbereich Hamburgs wahrgenommen. Ich glaube, das ist ein Faktum, das man feststellen, aber nicht beklagen kann. Hamburg ist eine Metropole mit einem umfangreichen Umland. Wir wissen alle, daß es gerade die einkommensstärkeren Bevölkerungsgruppen waren, die in den vergangenen zehn, 20 Jahren in das Umland weggezogen sind. Ich glaube, wir haben keinen Grund, zu beklagen, daß deren Kinder als Ausbildungspendler wieder in unsere Stadt kommen, wobei die Zahl der Ausbildungspendler deutlich unter der der Berufspendler liegt.

Aber es bedeutet natürlich auf der anderen Seite, daß – auch bei wachsenden Ausbildungsplatzzahlen im fünften Jahr hintereinander – die Situation für die Jugendlichen in unserer Stadt damit nicht automatisch für alle besser geworden ist. Das muß man konstatieren.

Wir schreiben auch keine schwarzen Zahlen, denn die Angebots-Nachfrage-Relation von 97,6 Prozent weist auch darauf hin, daß es weiterhin Handlungsbedarfe für den Hamburger Ausbildungsmarkt gibt.