Protocol of the Session on January 24, 2001

(Beifall bei Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die zentrale Erfassung nützt wenig. Da bin ich auch Ihrer Meinung, Herr Vahldieck. Aber im Gegensatz zu dem, was Frau Franken gesagt hat, brauchen wir für die jeweiligen Arbeitsbereiche eine spezielle Erfassung. Selbstverständ

(Dr. Martin Schäfer SPD)

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lich können Sie Sozialämter bezirksamtsweise vergleichen, ebenso Einwohnermeldeämter. Es würde aber wenig Sinn machen, für ganz Hamburg eine einzige zentrale Erfassung zu machen, weil die Arbeitsbedingungen unterschiedlich sind.

Ich möchte weder im Innenausschuß noch in einem anderen Ausschuß über die Menschen reden, sondern ich würde zum Beispiel fragen, wo sind die Stellungnahmen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das fehlte in Ihrer Anfrage und bei allen Beiträgen. Es wäre spannend gewesen zu erfahren, welche Stellungnahmen es zum Beispiel von den Personalräten und von den Mitarbeitern gibt. Diese Punkte sind relevant.

(Heino Vahldieck CDU: Wir können doch eine Fra- gestunde machen!)

Wir könnten zum Beispiel eine Anhörung machen mit Leuten, die jeden Tag damit zu tun haben. Dann könnten wir vielleicht etwas mit einer solchen Anfrage anfangen.

Wir mögen alle daran denken, daß es sehr unterschiedliche Bereiche sind, in denen Gewalttaten vorkommen. Wir haben in der letzten Woche sicher alle gelesen, daß in Wittenberge eine Frau aus der Liegenschaftsverwaltung von jemandem erschossen wurde, der seine Grundstücksansprüche nicht durchsetzen konnte. Es gibt nicht einen Pott, in den man alle Leute reinschmeißen kann. Deswegen müssen wir differenziert gucken und auf jeden Fall mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reden.

(Beifall bei Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält Herr Senator Wrocklage.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer eine bürgernahe Verwaltung will, der schafft das nicht durch Bunkermentalität, der braucht Zugänglichkeit, Offenheit und Kommunikationsfähigkeit. Genau das ist die moderne Verwaltungspolitik, die der Senat will und die er auch umsetzt. Wir sind dabei auf einem guten Wege. Ich verweise insoweit auf eine Erhebung, die im Auftrag der Finanzbehörde vom Statistischen Landesamt durchgeführt worden ist. Zugänglichkeit, Offenheit und Kommunikationsfähigkeit bergen natürlich auch Risiken, auf die man, nicht zuletzt aus Gründen der Fürsorgepflicht des Dienstherren gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Rücksicht nehmen muß. Wir haben dabei sorgsam und sorgfältig zu handeln; darin sind wir uns einig.

Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt, daß und wie der Senat mit diesem Problem umgeht. Die Einzelheiten können im Ausschuß erörtert werden, aber es ist wichtig, die Grundlinien deutlich zu machen.

Erstens: Wir verfolgen ganz bewußt und aus sehr gutem Grunde, Herr Vahldieck, das Prinzip der Ressortverantwortung, denn die spezifischen Kenntnisse sind im Ressort vorhanden. Insofern stimme ich Frau Franken ausdrücklich zu.

Zweitens: Wir verfolgen natürlich eine überrressortliche Kooperation. Es ist selbstverständlich, daß beispielsweise die Sozialdienststellen oder andere gefährdete Dienststellen durch die Polizei beraten werden. Umgekehrt ist natürlich auch die Polizei bereit zu lernen. Wer das genauer wis

sen will, der muß sich im reichhaltigen Aus- und Fortbildungsprogramm der Polizei umgucken.

Der dritte Grundsatz ist die Prävention. Es kommt darauf an, die Gefährdungssituation zu analysieren, das Verhalten bei individuellen Konfliktlagen zu trainieren und bauliche beziehungsweise sicherheitstechnische Vorsorge zu treffen. Das geschieht. Natürlich kann man alles noch besser machen, aber wir sind auf einem hohen Standard.

Viertens: Es gilt der Grundsatz der Repression. Damit meine ich die Strafverfolgung, disziplinare Maßnahmen sowie die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.

Fünftens: Wir haben den Grundsatz der akuten Krisenintervention, wenn etwas passiert ist. Es gibt entsprechende Teams, die diese Fälle übernehmen. Es setzt dann unmittelbar eine psychologische Betreuung ein.

Sechstens: Es gilt der Grundsatz der Nachsorge. Dabei geht es um psychosoziale Betreuung, um Sozialberatung und um Rechtsberatung. Sie können davon ausgehen, daß der Senat alle Möglichkeiten ausschöpft, um den Bediensteten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, im Interesse der Fürsorgepflicht, der Funktionsfähigkeit der Verwaltung, im Interesse der Bürgernähe staatlicher Institutionen in einer freiheitlichen Demokratie zur Seite zu treten.

Nicht ängstliches Sicherheitsdenken ist unser Weg, sondern couragiertes Engagement bei Vorsicht und Vorsorge im Einzelfall. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Vahldieck.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einige wenige Anmerkungen zu den Stichworten, die eben gefallen sind: Hochsicherheitstrakt, Frau Franken, Bunkermentalität, Herr Senator Wrocklage. Nichts liegt mir ferner, als so etwas zu fordern. Es ist richtig, daß man den Kontakt zu den Beamten suchen kann. Aber das enthebt die Behörden nicht der Pflicht, zu überlegen, wie man trotz einer solchen Offenheit das an Sicherheit, was irgendwie möglich ist, realisieren kann. Dazu kann man sinnvollerweise auch die Personalvertretungen hören, wie die sich das vorstellen. Vielleicht ist mit relativ wenig Investitionsmitteln das eine oder andere auch zu bewirken. Ich kann mir das zumindest vorstellen. Eine Verwaltung, die sich verschanzt, dürfen wir alle nicht wollen, und am wenigsten will ich die.

Frau Franken, ich habe keinesfalls gesagt, Gewalt gegen öffentlich Bedienstete stelle die Resonanz auf die soziale Situation in dieser Stadt dar. Sie haben gesagt, das schiene bei meinen Äußerungen so durch. Ganz im Gegenteil. Ich bin der Meinung, die von Frau Sudmann zitierte Verzweiflung und Enttäuschung des einen oder anderen Sozialhilfeempfängers darf keinesfalls eine – wie auch immer – geartete Rechtfertigung für die Anwendung von Gewalt sein.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Habe ich auch nicht gesagt!)

Das will ich Ihnen auch nicht unterstellt haben.

Um es noch einmal klarzustellen: Es gibt für nichts und niemanden die geringste Gerechtfertigung dafür, gegen öffentlich Bedienstete Gewalt anzuwenden. Darüber darf es gar keine Diskussion geben. Ich halte das für eine schiere

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Selbstverständlichkeit, aber es muß offenbar noch einmal erwähnt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ein letztes Wort an den Kollegen Dr. Schäfer. Sie haben eine Äußerung unseres Fraktionsvorsitzenden aus dem letzten Wahlkampf erwähnt und gesagt, wenn ausgeführt werde, 20 000 Planstellen im öffentlichen Dienst seien entbehrlich, dann würde damit auch suggeriert, die Menschen seien entbehrlich. Das könne den einen oder anderen auf den Gedanken bringen, diese Menschen seien offenbar weniger Wert und man müsse sich ihnen gegenüber nicht so benehmen, wie man das allgemein tut. Das in die Äußerung von von Beust hineinzuinterpretieren, ist sicherlich genauso falsch wie eine entsprechende Interpretation der Aussage eines früheren Ministerpräsidenten. Der hat eine ganze Berufsgruppe, die auch hier vertreten ist, als „faule Säcke“ bezeichnet. Auch das stellt keine Rechtfertigung für die Schüler dar, gegen diesen Personenkreis vorzugehen. Lassen wir also derartige Vergleiche. Das ist etwas neben der Sache. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Dann lasse ich über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer dem Überweisungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 49 auf: Drucksache 16/5433, Antrag der SPD-Fraktion zur Verbesserung der Situation sich prostituierender Menschen.

[Antrag der Fraktion der SPD: Die Situation sich prostituierender Menschen verbessern – ihren Ausstieg aus der Prostitution unterstützen – Drucksache 16/5433 –]

Die GAL-Fraktion beantragt, diese Drucksache nachträglich zur federführenden Beratung an den Gleichstellungsausschuß und zur Mitberatung an den Sozialausschuß zu überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Die Abgeordnete Ernst hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben im letzten Jahr anläßlich einer Großen Anfrage der SPD über die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Prostitution ausführlich diskutiert.

Das Thema ist kontrovers; das hat auch die Debatte gezeigt. Der überfällige Schritt, den die Bundesregierung gehen will, den Prostituierten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gleiche Rechte wie anderen Dienstleistern zu gewähren und ihnen im Falle eines Beschäftigungsverhältnisses den Zugang zu den Systemen der Sozialversicherung zu ermöglichen, wurde von der CDU bisher nicht mitgetragen.

Wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten: die Rahmenbedingungen der Prostitution und deren Bewertung als Tätigkeit. Überfällig ist auf jeden Fall das Ende der Doppelmoral in unserer Gesellschaft und in den Gesetzen.

Die Prostitution ist weit verbreitet. Prostituierte und Bordellbetreiber sollen Steuern zahlen, aber der Schutz des Gesetzes – bei den Prostituierten handelt es sich um Schwache, die ihn benötigen – wird bisher wegen angeb

licher Sittenwidrigkeit verwehrt. Dies ist nicht weiter hinnehmbar.

Das heißt aus unserer Sicht aber noch lange nicht, daß Prostitution eine förderungswürdige Tätigkeit oder ein ganz normaler Beruf wie jeder andere ist. Diese Bewertung kann jedoch keine Begründung sein, sich dieser Gruppe und ihrer Arbeitsbedingungen nicht anzunehmen. Natürlich sind wir dabei, ein Tabu zu brechen. Vielleicht wäre vor zehn oder 20 Jahren ein Aufschrei durch das Land gegangen, sicher wäre auch eine sachliche Debatte in diesem Parlament gar nicht möglich gewesen.

Die Auffassungen haben sich verändert, und das nicht nur in der Politik. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist heute der Auffassung, daß Prostituierte nicht nur Pflichten wie die Pflicht zur Steuerzahlung haben, sondern auch Rechte haben sollten. Ich möchte aber noch eine Bemerkung zu einer aktuellen Debatte machen.

Es gab vor kurzem einen Fernsehbericht, in dem Bundeswehrsoldaten vorgeworfen wurde, im Kosovo die Dienste minderjähriger Prostituierter in Anspruch genommen zu haben. Ich halte dies für eine schlimme Verfehlung, aber ich teile nicht die Schlußfolgerung, die die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, gezogen hat. Sie hat öffentlich darüber nachgedacht, ob – um dieses zu verhindern – für deutsche Soldaten bei Auslandseinsätzen staatliche Feldbordelle zum Einsatz kommen sollten.

(Karen Koop CDU: Das ist ja wohl das letzte, das war wohl nichts!)

Der deutsche Staat sollte nicht als Zuhälter tätig werden. Obwohl gerade die Sozialdemokratie dafür steht, daß für viele Lebenslagen staatliche Infrastruktur notwendig ist, kann ich Ihnen versichern, daß die Einrichtung von Truppenbordellen explizit nicht zu den Leistungen der Daseinsfürsorge zählt.

(Beifall bei der SPD)

Der erste, zentrale Punkt unseres Antrages beschäftigt sich mit dem Anliegen, möglichst vielen Menschen zu ermöglichen, aus der Prostitution auszusteigen und andere Lebensperspektiven zu suchen. Es ist kein Zufall, daß viele Prostituierte in irgendeiner Form drogenabhängig sind, dessen Ausübung mit gravierenden gesundheitlichen und physischen Schäden verbunden ist. Es gibt in Hamburg eine ganze Reihe von Frauen, die aussteigen wollen und nach geeigneten Möglichkeiten für andere Berufsperspektiven suchen.