Britta Ernst
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit einigen Jahren ist die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen auf der politischen Agenda weiter nach oben gerückt. Der Grund ist eindeutig: Die Mehrheit der Gesellschaft will sich mit dem nach wie vor großen Ausmaß der Gewalt gegen Frauen nicht abfinden. Diese Gewalt soll endlich nicht mehr als private Bagatelle abgetan werden, gegen die angeblich sowieso nichts getan werden kann.
Nicht mehr akzeptabel ist, daß die Opfer durch eine Flucht in ein Frauenhaus ihren Lebensmittelpunkt verlieren und so weitere Nachteile haben. Daher ist der Grundsatz „Das Opfer bleibt, der Täter geht“ formuliert worden, der jetzt umgesetzt wird.
Die Bundesregierung hat im Rahmen ihres Aktionsplans zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen nunmehr einen Gesetzentwurf für ein Gewaltschutzgesetz vorgelegt, das voraussichtlich am 1. Januar 2002 in Kraft treten wird. Durch dieses Gesetz wird es Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich leichter gemacht, die gemeinsame Wohnung überlassen zu bekommen.
Im Dezember 1999 hat diese Bürgerschaft den Senat aufgefordert, der Gewalt im häuslichen Bereich in Paarbeziehungen entgegenzutreten, und wir haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen beschlossen. Die Ergebnisse liegen nun vor und werden in der vorliegenden Drucksache eindrucksvoll beschrieben.
Erstes wichtiges Ergebnis: Die Gewalt gegen Frauen wird nicht länger bagatellisiert und endlich bei der Polizei zahlenmäßig erfaßt, so daß wir künftig ein genaueres Bild über die Situation in Hamburg bekommen. Das war bisher nicht der Fall. Das Ergebnis der Großen Anfrage der SPD-Fraktion von 1998 zeigte diesen Mangel deutlich auf. Aus der Polizeistatistik in Hamburg ergaben sich keine verläßlichen Angaben darüber – weder in Hamburg noch in der Bundesstatistik. Die Statistik in Hamburg ist geändert worden, und auch die Bundesstatistik wird noch verändert.
Herr von Beust hat uns kürzlich mitgeteilt – auch in der Presse waren ähnliche Äußerungen zu lesen –, daß er die Bekämpfung der Gewalt von Männern gegen Frauen – in der Regel sind es Männer – nicht so wichtig findet.
Quelle: Herr von Beust, in diesem Parlament. Viele haben es gehört.
Nichtwissen über die Situation kann durch Fakten begegnet werden. Ignoranz natürlich nicht, und wir werden sehen, welche Bedeutung dieses Thema für die CDU künftig haben wird.
Ein weiterer Punkt ist wichtig. Was passiert, wenn die Gewalt gegen Frauen bei der Polizei bekannt wird? Hier beschreibt die Drucksache, daß im Oktober 1999 eine Stichprobe durchgeführt wurde. Ergebnis ist, was wir auch immer wahrgenommen haben, für einen ganz großen Teil der männlichen Täter bleibt die Gewalt gegen Frauen absolut folgenlos. Die Stichprobe zeigt, daß weniger als die Hälfte
der Fälle von der Polizei als Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft weitergegeben wurde. Doch selbst das führte nicht unbedingt dazu, daß etwas passiert. Eine Überprüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft hat ergeben, daß zwei Drittel aller Fälle erneut überprüft und zurücküberwiesen wurden. Diese Fälle wurden ursprünglich „mangels öffentlichen Interesses“ eingestellt. Hier hat eine Nachprüfung ergeben, daß sehr wohl ein öffentliches Interesse bestehen könnte, um diese Gewalt zu verfolgen.
Aber es gibt auch Fälle, in denen eingestellt wurde, weil kein Strafantrag der Frauen vorlag. Auch hier ist in dieser Stichprobe herausgekommen, daß eine ganze Reihe von Fällen erneut überprüft wurde und daß das öffentliche Interesse bejaht werden kann, so daß die Täter zur Verantwortung gezogen werden.
Das zeigt, daß der Prozentsatz der Täter, für die Gewalt gegen Frauen folgenlos bleibt, in Hamburg zu hoch gewesen ist und verändert werden muß. Opfern blieb es überlassen, den Privatklageweg zu beschreiten. Wir wissen doch erstens, daß die Dunkelziffer sehr hoch ist und daß es gerade bei Gewalt in Paarbeziehungen sehr schwerfällt, diese Schritte zu gehen.
Die oben beschriebenen Verfahren wurden zugunsten der Opfer verändert. Bei Körperverletzung, Beleidigung und Drohung, bei Gewalt im häuslichen Bereich stellt die Polizei ab April 2000 unabhängig vom Verhalten des Opfers Strafanzeige und leitet dadurch ein Ermittlungsverfahren ein, das in jedem Fall der Staatsanwaltschaft zur Entscheidung vorgelegt wird.
Seit April 2000 wird aufgrund der geänderten Dienstanweisung an die Staatsanwaltschaft auch häufiger aus öffentlichem Interesse von Amts wegen eingeschritten. Dieses ist ein riesiger Schritt für die betroffenen Frauen. Damit wird Gewalt im häuslichen Bereich und in der Paarbeziehung genau so verfolgt wie Gewalt in anderen Bereichen.
Die Frauen haben aber auch in der akuten Gewaltsituation jetzt besseren Schutz. Durch die vom Senat beschlossene Änderung des Polizeigesetzes, des SOG, das der Bürgerschaft vorliegt und bei dem ich davon ausgehe, daß wir es auch beschließen, ist es der Polizei möglich, die Täter in einer Situation der akuten Gewalt sofort aus der Wohnung zu weisen. Mit der sogenannten Wegweisung können die Männer für zehn Tage aus der Wohnung entfernt werden. Durch dieses veränderte Polizeigesetz ist es auch möglich, diese Frist um zehn Tage zu verlängern, wenn innerhalb dieser Zeit vom Zivilgericht noch keine Entscheidung erreicht wurde.
All dies sind entscheidende Verbesserungen für Opfer von Gewalt. Allen wird klar, hier geht es nicht um Kavaliersdelikte. Gewaltsausübung, auch im Privaten, hat Folgen. Die Opfer müssen keine Angst haben, daß die Täter nach wenigen Stunden wieder auftauchen und sich die Gewaltspirale weiter dreht. Wir wissen nicht, ob es eintritt, aber wir hoffen, daß bei den Tätern ein Umdenken einsetzen kann, weil sehr schnell auf Gewalt reagiert wird. Die Täter sind es, die sich eine neue Unterkunft suchen müssen, und sie müssen auch ihrem Bekanntenkreis erklären, was mit ihnen passiert ist.
Einen weiteren wichtigen Punkt möchte ich erwähnen. Seit 1999 arbeitet in Hamburg der von der Opferhilfe initiierte Runde Tisch zur Bekämpfung von Männergewalt. Auch dieser Schritt der Zusammenarbeit war überfällig. Endlich arbeiten in Hamburg die Frauenhäuser, die Beratungsein
richtungen, die Polizei und die Justiz zusammen. Dort wurden auch die Stellungnahme Hamburgs zum Gewaltschutzgesetz genau so wie die veränderten Polizeidienstvorschriften beraten.
Für die öffentliche Debatte ist ein anderer Punk sehr wichtig. Die Initiative des Notrufs in Hamburg, die Kampagne „Zweitausend und ein Mann gegen Vergewaltigung“ ist ein sehr guter Anknüpfungspunkt. Viele Männer werden sehr nachdenklich, wenn sie aufgefordert werden, diese Kampagne durch die Unterschrift zu unterstützen. Bürgerschaft und Senat haben die Kampagne finanziell unterstützt und eine Reihe von Abgeordneten – allerdings überwiegend der rotgrünen Regierungsfraktionen – haben das unterschrieben. Das wäre auch eine Möglichkeit für die männlichen Abgeordneten der CDU, ihren Worten Taten folgen zu lassen und gegen Gewalt gegen Frauen einzutreten.
Ich komme zu einem letzten Punkt. Es geht nicht nur um den konkret verbesserten Umgang bei Gewalt gegen Frauen. Entscheidend ist auch, daß sich die Gesellschaft im Umgang mit Männergewalt anders verhält. Niemand soll mehr wegschauen oder weghören, der mit dieser Gewalt konfrontiert wird. In keinem Freundeskreis soll es unwidersprochen bleiben, wenn bekannt wird, daß es in einer Partnerschaft zu Gewalt kommt. Es sollten auch keine lockeren Sprüche darüber, daß ein Mann seiner Frau mit Schlägen wieder einmal zeigen mußte, wer das Sagen hat, unkommentiert bleiben.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Bundesgesetz und das Hamburger Polizeigesetz, die vielen Veränderungen sind ein Durchbruch für konkreten Opferschutz im Bereich der innersten Sicherheit. Darüber sind wir froh.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute gibt es also einen erneuten Vorstoß von seiten der CDU mit der Kernforderung, bei der Vergabe von Aufträgen durch öffentliche Unternehmen ohne Ausnahme die Verdingungsordnung anzuwenden. Die letzte Debatte zu diesem Thema haben wir 1999 anläßlich Ihrer Großen Anfrage geführt. Natürlich verfolgen wir auch, mit welcher Vehemenz von seiten der Handwerkskammer immer wieder die Forderung nach strikter Anwendung von VOB und VOL auch durch öffentliche Unternehmen gefordert wird.
Aber auch 1999 herrschte bei der Debatte in der Bürgerschaft ein wenig Ratlosigkeit.
Ja, bei uns, über Ihre Initiative. Immer wieder wird behauptet, daß sich aus Sicht des Handwerks die Vergabepraxis zu seinen Ungunsten verschlechtert hat. Senatsmitglieder, die SPD-Bürgerschaftsfraktion, unser Arbeitskreis „Wirtschaft“, der Abgeordnete Schmidt der SPDFraktion bieten immer wieder Gespräche an, damit wir anhand von konkreten Verstößen gegen das Vergaberecht
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dem Mittelstand helfen und eine falsche Praxis beenden können.
Das Problem ist aber, daß es diese vielen Fälle, von denen immer wieder die Rede ist, gar nicht gibt und daß das Regelwerk in Hamburg eingehalten wird.
Ich selbst habe mich des Themas vor kurzem in zwei Kleinen Anfragen noch einmal angenommen und den Senat zur Nachprüfung von Auftragsvergaben aufgefordert, um nach Verstößen zu fragen.
Im Jahr 2000 hat es 15 nachgeprüfte Verfahren vor der Vergabekammer gegeben. In keinem Fall ist den Antragstellern gefolgt worden. Das sind die Fakten. Nun landen dort vielleicht nicht alle Fälle, und wir wissen, daß Wirtschaft auch mit Psychologie zu tun hat. Der Senat hat – und das halte ich für eine gute Initiative – auf Staatsratsebene eine Gesprächsrunde mit den Kammern eingerichtet, damit dort über konkrete Fälle gesprochen werden kann und schnell Abhilfe gefunden wird. Aber auch aus dieser Gesprächsrunde ergeben sich keine massiven konkreten Hinweise, daß sich die Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand wachsend gegen den Mittelstand richtet. Trotzdem versuchen Sie immer wieder, hier einen grundsätzlichen Streit vom Zaun zu brechen.
Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß sich das Ganze in einem Spannungsfeld zwischen dem wirtschaftlichen Handeln der öffentlichen Unternehmen und dem Schutz der vielen kleinen und mittleren Unternehmen bewegt. Der Senat handelt hier aber verantwortungsbewußt. Ihr inszenierter Streit geht doch an den Realitäten vorbei. Öffentliche Unternehmen wenden in Hamburg die Verdingungsordnung an. Dazu sind sie vom Senat sogar verpflichtet worden, sogar für Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte, so daß Ihr Vorwurf doch ins Leere läuft.
Dann gibt es natürlich Ausnahmen, die aber auch dem Regelwerk entsprechen. Öffentliche Unternehmen sollen wirtschaftlich handeln, und Sie sind doch die ersten, die mitprotestierten, wenn es hier zur Mittelverschwendung zu Lasten von Steuerzahlern käme.
Deshalb gibt es ja öffentliche Aufgaben, auch in Unternehmensformen, weil in dieser Form wirtschaftlich und effizient gehandelt werden soll.
Wir haben in Hamburg einen leistungsfähigen öffentlichen Sektor, und es ist uns gerade vor kurzem durch eine Untersuchung der Uni Bremen bestätigt worden, daß wir im Städtevergleich hervorragend dastehen.
Die Ergebnisse der HGV zeigen das recht deutlich. Der Verlustausgleich konnte gesenkt werden, weil die öffentlichen Unternehmen wirtschaftlicher arbeiten.
Auch der Verlust der Hochbahn konnte verringert werden. Auch das sind alles konkrete Erfolge, an denen Sie doch gar nicht vorbeikommen können.
Es gibt Einzelfälle, in denen VOB und VOL nicht angewandt werden. Im übrigen ist das Ziel dieser Regeln auch ein Schutz der kleinen und mittleren Unternehmen vor dem Staat als monopolistischen Auftraggeber. Aber in dem Moment, wo ein Unternehmen sich am Markt bewegt – und das kann eben auch ein Unternehmen im öffentlichen Eigentum sein –, gibt es Ausnahmen, die auch angewandt werden.
Konkret geht es immer um zwei Punkte. Lassen Sie uns auch darüber reden. Die Frage ist, ob Generalunternehmer eingesetzt werden können und ob bei Ausschreibungen nachverhandelt werden kann. Das sind übrigens Praktiken, die jedes private Unternehmen anwendet und ohne die keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hergestellt wird. Erkundigen Sie sich doch einmal über die Praxis eines öffentlichen Unternehmens im wirklichen Leben bei Ihrem Abgeordneten Herrn Ehlers, der Geschäftsführer der Sprinkenhof AG ist. Er wird Ihnen bestätigen, daß es Fälle gibt, wo der Einsatz von Generalunternehmern billiger ist. Das ist auch nötig, weil in vielen Bereichen gar nicht das Personal vorhanden ist, um große Bauvorhaben wirklich wirksam zu kontrollieren. Er wird Ihnen auch bestätigen, daß auch öffentliche Unternehmen in die Situation kommen, nachzuverhandeln, um nicht falschen Marktangeboten aufzusitzen. Nutzen Sie doch den Sachverstand, den es auch in Ihrer Fraktion gibt.
Ein gutes Beispiel, weil wir ja über Konkretes reden wollen, ist die Fertigstellung des neuen Polizeipräsidiums, bei dem auch ein Ihnen gut bekannter Unternehmer als Generalunternehmer tätig war. Es wurde termingerecht fertiggestellt. Die Baukosten blieben sogar 15 Millionen unter den veranschlagten Kosten, und das bei einem Volumen von über 250 Millionen. Das ist schon eine beachtliche Leistung. In der Folge muß die Hamburger Polizei weniger Miete zahlen, und der Hamburger Haushalt und die Steuerzahler profitieren.
Lassen Sie den ideologischen Grundsatzstreit. Der ist nicht durch reales Handeln gerechtfertigt. Wenn es zu Unstimmigkeiten kommt, wenn kleinere und mittlere Unternehmen sich ausgebootet fühlen, gibt es in Hamburg viele offene Türen, und alle sind bereit, hier auch zu helfen.
Die Schärfe, mit der die Handwerkskammer seit Monaten dieses Thema aufgreift, hat vielleicht auch etwas mit Wahlkampf zu tun.
Ich kann Ihnen nur sagen, die Situation kleiner und mittlerer Unternehmen ist auch der SPD-Fraktion ein hohes Anliegen,
aber das richtige Augenmaß geht uns nicht verloren. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielleicht leitet das eine Thema auch zu dem anderen über.
Berufstätigkeit und Kindererziehung sind in der Bundesrepublik immer noch schwer zu vereinbaren, und dies führt zur Benachteiligung von Familien mit Kindern. Das ist kein
Naturgesetz, sondern das Ergebnis von jahrzehntelanger verfehlter Frauen- und Familienpolitik.
Internationale Vergleiche belegen einen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Frauenerwerbstätigkeit und der Geburtenrate. Es ist genau anders herum, als es sich konservative Familienpolitik immer vorgestellt hat. Dort, wo Frauen berufstätig sind, bekommen sie viele Kinder und die Geburtenrate steigt. Dort, wo die Frauenerwerbstätigkeit gering ist, führt dies zu sinkenden Geburtenraten. Das heißt, es ist deutlich erkennbar, daß konservative Familienpolitik, die auf diesen Zusammenhang falsch gesetzt hat, gescheitert ist.
Ein Ländervergleich belegt diesen Zusammenhang sehr deutlich. Schauen wir uns Spanien, Italien, Österreich, Deutschland und Japan an – im übrigen haben alle diese Länder eine faschistische Vergangenheit –, so finden wir eine typische Dreieinigkeit, nämlich eine niedrige Frauenerwerbstätigkeit, eine geringe Betreuung von Kindern bei Ganztagsangeboten und eine sinkende Geburtenrate. Bei den anderen Ländern stellt sich der Zusammenhang genau anders dar.
Die Debatte über Familie, die wir in den letzten Monaten verfolgen, zeigt, daß es eine große Unzufriedenheit gibt. Menschen wollen nicht länger vor die Alternative gestellt werden: Erwerbstätigkeit oder Kindererziehung. Junge Frauen sind heute die am besten ausgebildetste Generation, die wir je hatten. Diese Frauen lassen sich auch nicht durch Prämien an Haus und Herd fesseln und zum Kinderkriegen überzeugen. Im Gegenteil, sie erwarten von der Politik, daß die Rahmenbedingungen bereitgestellt werden, um Berufstätigkeit und Kindererziehung zu vereinbaren. Auch der Fachkräftemangel in diesem Land zeigt, daß wir es uns nicht leisten können, auf dieses Potential zu verzichten.
Die neue Bundesregierung hat einen neuen, familienfreundlichen Kurs eingeschlagen.
Das Kindergeld wurde erhöht wie noch nie. Bis jetzt sind es 50 DM pro Kind, und nach der Einigung mit den Bundesländern wird es eine weitere Erhöhung geben, wenn die neue Steuerschätzung nicht völlig katastrophal ausfällt. Das heißt, es wird für jedes Kind in dieser Republik 300 DM geben. Das ist ein großer finanzieller Kraftakt. Im übrigen ist es für Familien, die wenig Geld haben, viel Geld.
Wir sollten auch nicht vergessen, daß die Sozialdemokraten der alten Bundesregierung die Kindergelderhöhungen im Bundesrat noch als Gegenleistung abgetrotzt haben.
Die Familienpolitik der Bundesregierung kann sich auch auf anderen Feldern sehen lassen: Steuerliche Entlastungen von Familien, Verbesserung beim BAföG, beim Wohngeld und beim Erziehungsgeld.
Aber es geht hier nicht nur ums Geld. Die für Frauenförderung zuständige Abteilungsleiterin bei VW berichtet, daß es ihr trotz professioneller Dolmetschdienste nicht gelungen sei, ihren französischen Kolleginnen das Wort „Rabenmutter“ zu übersetzen. Daß Berufstätigkeit und Mutterschaft sich nicht ausschließen, müssen in der Bundesrepublik
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noch viele lernen; auch das ist Bestandteil moderner Familienpolitik.
Die neue Bundesregierung hat dabei geholfen, daß Eltern ihre beruflichen Interessen mit Kindererziehungen verbessern können. Mit der Regelung der Elternzeit können Eltern in den ersten drei Jahren endlich gleichzeitig ihre Arbeitszeit reduzieren. Außerdem wurde die Elternzeit viel flexibler gestaltet, was auch den Anforderungen der modernen Arbeitswelt entspricht.
Es geht noch weiter. Über die Elternzeit hinaus gibt es einen Rechtsanspruch auf Teilzeit, auch das ist ein Angebot für mehr Flexibilität von Eltern. Was jetzt noch notwendig ist, ist natürlich auch Sache der Länder, darüber werden wir heute noch diskutieren: der weitere Ausbau von Ganztagsangeboten sowie von Kindertageseinrichtungen.
Was passiert jetzt? Nicht nur, daß die CDU in ihrer sechzehnjährigen Regierungszeit vieles versäumt hat, so viel, daß das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil nach dem anderen bescheinigt, daß ihre Familienpolitik nicht mehr verfassungsgemäß war. Die CDU ist auch in der Opposition nicht in der familienpolitischen Realität angekommen.
Der von Frau Merkel 1999 mühsam initiierte familienpolitische Kongreß ist im Spendensumpf untergegangen. Schade eigentlich, denn es war ihr Versuch, ihn einem modernen familienpolitischen Leitbild nahezubringen. Statt der Konzepte, die Frauen nicht zwischen Kind und Erwerbstätigkeit zu zerreißen, zeigt die CDU auch in der Opposition, daß sie die Wirklichkeiten des neuen Jahrtausends noch nicht erreicht haben.
Wir konnten in den letzten Wochen beobachten, wie sich die Mitglieder der CDU mit finanziellen Forderungen getoppt haben: 1000 DM Herr Stoiber, 1200 DM Frau Merkel. Aber Menschen können unterscheiden, was Sprüche sind und was konkrete Politik ist. Sie haben in den 16 Jahren etwas versäumt,
und diese hohen finanziellen Forderungen sind unglaubwürdig. Vielleicht liegt bei der CDU mal die eine oder andere Million auf einem Konto; für den Bundeshaushalt gilt das jedoch nicht.
In einem letzten Satz kann ich Ihnen sagen, daß Sie bei der Aufstellung der Kandidaten für die nächste Bürgerschaft gezeigt haben, daß sie nicht bereit sind, mehr als 20 Prozent Frauen und Müttern Platz in Ihrer Abgeordnetenschaft zu machen. Das zeigt auch, welchen Stellenwert Frauen für Sie haben. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der öffentliche Dienst in Hamburg ist der größte Arbeitgeber der Stadt. Über 70 000 Menschen arbeiten in den verschiedensten Bereichen, davon über 30 000 Frauen.
Senat und Bürgerschaft haben 1992 durch das Gleichstellungsgesetz das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst gesetzlich verankert. Regierung und Parlamente haben mehr Einfluß auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Sektor und damit auch auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen von Frauen als in der Privatwirtschaft.
Die aktuelle Debatte um ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft zeigt, wie schwierig es ist, die Diskriminierung von Frauen durch gesetzliche Regelungen abzubauen. Die Ausgangsbedingungen im öffentlichen Dienst sind hier besser, und damit kommt dem öffentlichen Sektor auch eine Vorbildfunktion zu.
Auch 1992 waren sich Senat und Bürgerschaft bewußt, daß Gleichstellung der Kontrolle bedarf, und das hat sich bis heute auch nicht geändert. Daher wurde der Senat durch dieses Gesetz verpflichtet, alle drei Jahre einen Erfahrungsbericht über die Umsetzung vorzulegen, und der 3. Bericht liegt uns nunmehr vor.
Wir hatten bereits am Mittwoch im Gleichstellungsausschuß die Gelegenheit, über diesen Bericht zu diskutieren. Die Bilanz der letzten Jahre hat, wie ich meine, alle Fraktionen überzeugt. Die Aktivitäten zur Gleichstellungspolitik im öffentlichen Dienst können sich sehen lassen. Deutlich wurde auch die aktive und innovative Rolle des Senatsamtes für die Gleichstellung in den letzten Jahren.
Die Anforderungen haben sich gewandelt. Ging es zu Beginn der neunziger Jahre darum, überhaupt strukturelle Frauenförderung im öffentlichen Dienst zu verankern, war es dann wichtig, Maßnahmen der Personalentwicklung und Frauenförderung zu verbinden, so geht es im Moment darum, den Prozeß der Verwaltungsmodernisierung mit der Gleichstellungspolitik zu vernetzen. Für diese Vernetzung sind uns viele Beispiele genannt worden.
Frauen im öffentlichen Dienst sind Motoren der Verwaltungsmodernisierung. Es sind die vielen weiblichen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die, wie uns beschrieben wurde, in vielen Arbeitsgruppen und Projekten viel mehr als Männer bereit sind, über die Zukunft der öffentlichen Verwaltung nachzudenken. Frauen sind flexibler und offener für Neues, eine Erkenntnis, die sich auch mit allgemeinen Wahrnehmungen deckt.
Die Verwaltungsmodernisierung profitiert damit elementar von dieser Innovation auch durch das Senatsamt für die Gleichstellung. Das macht ein Bereich, wie ich meine, besonders deutlich: Die Orientierung an Kundinnen und Kunden in der Verwaltung. Aus dem Projekt „Zeiten der Stadt“
haben wir gelernt, daß die Belange von Männern und Frauen und die jeweiligen Anforderungen an die Dienstleistungen der Verwaltung sehr unterschiedlich sein können. Was liegt also näher, als die verschiedenen Sichtweisen von Männern und Frauen, ihre unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen in den Modernisierungsprozeß der Verwaltung mit einzubeziehen und somit die Orientierung an den Ansprüchen der Kundinnen und Kunden zu verbessern.
Einige private Unternehmen, die sich am Markt orientieren müssen, haben vergleichbare Instrumente längst entwickelt. Mit Diversity-management wird gezielt Kompetenz verschiedener Beschäftigter einbezogen, um die Produkte am Markt besser abzusetzen, die auch von vielen verschiedenen Menschen gekauft werden sollen.
Der Bericht verschweigt aber auch keine Probleme, und wir haben im Ausschuß einige erörtert. Teilzeit ist nicht in allen Bereichen eine anerkannte Arbeitsform, und auf der anderen Seite gibt es sogar schon Bereiche, bei denen der Anteil der Teilzeitbeschäftigten so hoch ist, daß es Probleme macht, diese für die Dienststellen zu koordinieren. Auch das muß einmal gesagt werden.
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen steigt zwar, aber langsam, und die Teilung von Führungsaufgaben geht auch nur langsam voran. Sexuelle Belästigung ist auch im öffentlichen Dienst ein Thema, auf das der Bericht aber leider gar nicht eingeht. Wir brauchen ein stärkeres Controlling. Für die Zukunft muß gesichert sein, daß die Aktivitäten zur Frauenförderung nach dem Gesetz einem systematischen Controlling unterliegen und auch anhand entsprechender Qualitäts- und Quantitätszahlen, wie wir sie aus anderen Bereichen kennen, nachvollziehbar verfolgt werden können.
Wir hatten bisher kaum ausreichende Datengrundlagen, aber mit der Vorlage des Personalberichtes in diesem Jahr ist deutlich geworden, daß auch über EDV inzwischen Grundlagen für eine geeignete Datenbasis gelegt sind.
Ein weiteres wichtiges Thema sind die Frauenbeauftragten. Deren Rolle im Prozeß der Gleichstellung verändert sich und muß neu bedacht werden. Zur Zeit gibt es in Hamburg rund 120 Frauenbeauftragte, und wir haben den Eindruck, daß es nicht gelingt, diese systematisch in Prozesse von Verwaltungsmodernisierung und Vernetzung mit Gleichstellung mit einzubeziehen. Die Mitwirkung muß ausgeweitet werden, verweist aber auch darauf, daß die Stellung der Frauenbeauftragten insgesamt einer neuen Klärung bedarf. Die SPD wird dieses Thema im Wahlprogramm aufgreifen.
Weiterhin möchten wir mehr die einzelnen Fachbehörden in die Verantwortung nehmen. Zu überlegen ist, ob nicht die einzelnen Behörden Berichte über die Erfolge ihrer Gleichstellung vorlegen müssen, um den Prozeß nachvollziehbar zu machen, denn schließlich ist nicht das Senatsamt für die Gleichstellung dafür verantwortlich, daß es in der Senatskanzlei noch immer keine Frauenbeauftragte gibt.
Zu hinterfragen ist auch, ob ein dreijähriger Bericht tatsächlich flexibel genug ist oder ob wir nicht in häufigeren Abständen dafür etwas kürzere Berichte bekommen sollten.
Wir brauchen ein zeitnahes Controlling. Wie wir das am geschicktesten anstellen, darüber unterhalten wir uns in der nächsten Legislaturperiode.
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Thema ist in der Tat nicht neu, Herr Schmidt hat es dargestellt, und deshalb um so ärgerlicher.
Wir haben eine mehrjährige Vorgeschichte, die eben dargestellt wurde, mit dem Bemühen, den Anteil von Frauen in den vielen Hamburger Gremien zu erhöhen, und stellen doch fest, daß es – wie es so schön heißt – der Diskontinuität anheimgefallen ist. Der Parlamentsbeschluß hat sich irgendwo verflüchtigt, und das Senatsamt für die Gleichstellung ist mit einer Gesetzesinitiative wohl doch auf härteren Widerstand gestoßen, als wir als Abgeordnete erwartet haben. Das ist jedenfalls meine Wahrnehmung. Es zeigt, daß der Weg von einem Gebot der Verfassung zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen doch ein sehr mühsamer ist.
Wir müssen daher ganz selbstkritisch auch als Parlament feststellen, daß wir bei der Erhöhung des Frauenanteils in Gremien zwar ein wenig vorangekommen sind, aber die Schritte doch eher klein sind.
Die Ausweisung des Frauenanteils im Beteiligungsbericht über die öffentlichen Unternehmen, die wir in der Tat haben, gibt nur einen kleinen Einblick in die Vielzahl der Gremien, die von Hamburger Behörden, Senat und Parlament besetzt werden. Wenn wir ehrlich sind, ist dieser Beteiligungsbericht kein Anlaß zu intensiver Beratung dieser Frage, und wir verwenden ihn auch nicht dafür, um auf eine Erhöhung des Frauenanteils hinzuwirken.
Des weiteren fehlt uns ein Überblick über die Vielzahl der Gremien; ich schätze die Zahl auf über hundert. Ich glaube auch, daß wir einmal ein wenig Licht in das Dunkel bringen müssen und uns damit beschäftigen sollten, wer im NDRLandesrundfunkrat sitzt, wie das Kuratorium des Technologie-Beratungszentrums zusammengesetzt ist oder wie viele Frauen eigentlich im Verwaltungsrat der Stiftung Hamburger Öffentlicher Bücherhallen sind, um nur einige der vielen Gremien zu nennen, die es gibt.
Das größte Problem stellt sich – das hat Herr Schmidt auch dargestellt –, wenn wir nicht selbst Personen benennen, sondern anderen ein Vorschlagsrecht einräumen. Das ist auch in der Debatte um den Richterwahlausschuß deutlich geworden. Die Spitzen der meisten Verbände und Institutionen sind nach wie vor männlich, und die Überrepräsentanz von Männern in diesen Gremien setzt sich automatisch fort und damit auch die damit verbundene Diskriminierung.
Ich glaube, daß die Debatte um den Richterwahlausschuß gezeigt hat, daß eine hanseatisch freundliche Art, wie wir sie praktiziert haben, nicht zu realen Veränderungen führt. Die Verbände waren noch einmal aufgefordert worden, ihren Personalvorschlag zu überdenken. Das ist kein Affront, sondern eine angemessene Forderung oder Bitte gewesen, und keiner dieser Verbände ist auf diese Initiative der Bürgerschaft eingegangen. Für uns ist klar, daß wir gleichstellungspolitische Ziele verfolgen wollen, genauso wie die Einbindung von Interessenverbänden. Wir müssen nur das Verhältnis abwägen. Vielleicht werden wir in der Zukunft nun zu anderen Entscheidungen kommen.
Der Antrag dokumentiert daher eine gewisse gleichstellungspolitische Ungeduld. Es wird deutlich, daß wir weitergehende Regelungen brauchen, und ich persönlich bin, wie Herr Dr. Schmidt, der Auffassung, daß wir ein Gesetz benötigen. Vielleicht erreicht der Richterwahlausschuß so noch eine initiierende Berühmtheit, wenn dieses Gremium dazu geführt hat, daß wir durch eine Gesetzgebung Abhilfe schaffen.
Es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt. Wir nähern uns dem Ende einer Legislaturperiode, und da ist es wichtig, darauf zu achten, daß diese Initiative nicht wiederum durch Diskontinuität nicht weiter verfolgt wird. Das kann ich zumindest für meine Fraktion erklären.
Damit ist auch ein anderes Thema verbunden, und zwar die Frage, wie sich die Bürgerschaft selbst bei den Gremien verhält, die wir besetzen. Unser Antrag fordert den Senat auf, tätig zu werden. Selbstbewußte Abgeordnete, die wir sind, sollten klarmachen, daß bei den Gremien, die wir besetzen, auch unsere Maßstäbe zu gelten haben.
Wir haben in dieser Legislaturperiode wiederholt Gremien mit einem relativ hohen Männeranteil besetzt. Wenn man sich das ansieht, fällt auf, daß die Fraktionen für dieses Ungleichgewicht etwas unterschiedlich verantwortlich sind. Die von mir aus gesehen rechte Seite des Hauses hat sich in der Vergangenheit eher damit profiliert, beispielsweise bei den Deputationen ein sehr unausgewogenes Verhält
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nis von Männern und Frauen vorzuschlagen. Das hat hier auch zu Unmut und Verzögerungen bei Wahlgängen geführt.
Wir müssen die Praxis überdenken, daß wir im Prinzip aufgrund der Pluralität und aus Respekt vor Entscheidungen anderer nicht in Personalentscheidungen eingreifen. Spätestens in der nächsten Legislaturperiode sollten wir keine Ausnahme mehr machen, wenn es darum geht, das verfassungsrechtliche Gebot umzusetzen. Wir können das fairerweise rechtzeitig ankündigen und sagen – Herr Karpen, Sie sind damit auch angesprochen –, daß wir der Verfassung gemäß keine übermächtigen Besetzung von Männern mehr unterstützen werden.
Im Kern geht es um die Frage von Demokratie und Legitimität. Das Interessante ist – Herr Schmidt hat das gesagt –, daß das Thema Qualität immer ins Spiel gebracht wird, sobald ein Frauenanteil erhöht wird. Fakt ist aber, daß bei der Auswahl geeigneter Personen schlechtere Männer besseren Frauen vorgezogen werden. Das ist das Ergebnis von Diskriminierung. Das heißt, es sitzen weniger geeignete Männer in diesen Gremien und verhindern sicherlich auch die Qualität mancher Entscheidungen. Im Sinne einer guten Demokratie sollten wir uns das nicht länger leisten. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben im letzten Jahr anläßlich einer Großen Anfrage der SPD über die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Prostitution ausführlich diskutiert.
Das Thema ist kontrovers; das hat auch die Debatte gezeigt. Der überfällige Schritt, den die Bundesregierung gehen will, den Prostituierten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gleiche Rechte wie anderen Dienstleistern zu gewähren und ihnen im Falle eines Beschäftigungsverhältnisses den Zugang zu den Systemen der Sozialversicherung zu ermöglichen, wurde von der CDU bisher nicht mitgetragen.
Wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten: die Rahmenbedingungen der Prostitution und deren Bewertung als Tätigkeit. Überfällig ist auf jeden Fall das Ende der Doppelmoral in unserer Gesellschaft und in den Gesetzen.
Die Prostitution ist weit verbreitet. Prostituierte und Bordellbetreiber sollen Steuern zahlen, aber der Schutz des Gesetzes – bei den Prostituierten handelt es sich um Schwache, die ihn benötigen – wird bisher wegen angeb
licher Sittenwidrigkeit verwehrt. Dies ist nicht weiter hinnehmbar.
Das heißt aus unserer Sicht aber noch lange nicht, daß Prostitution eine förderungswürdige Tätigkeit oder ein ganz normaler Beruf wie jeder andere ist. Diese Bewertung kann jedoch keine Begründung sein, sich dieser Gruppe und ihrer Arbeitsbedingungen nicht anzunehmen. Natürlich sind wir dabei, ein Tabu zu brechen. Vielleicht wäre vor zehn oder 20 Jahren ein Aufschrei durch das Land gegangen, sicher wäre auch eine sachliche Debatte in diesem Parlament gar nicht möglich gewesen.
Die Auffassungen haben sich verändert, und das nicht nur in der Politik. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist heute der Auffassung, daß Prostituierte nicht nur Pflichten wie die Pflicht zur Steuerzahlung haben, sondern auch Rechte haben sollten. Ich möchte aber noch eine Bemerkung zu einer aktuellen Debatte machen.
Es gab vor kurzem einen Fernsehbericht, in dem Bundeswehrsoldaten vorgeworfen wurde, im Kosovo die Dienste minderjähriger Prostituierter in Anspruch genommen zu haben. Ich halte dies für eine schlimme Verfehlung, aber ich teile nicht die Schlußfolgerung, die die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, gezogen hat. Sie hat öffentlich darüber nachgedacht, ob – um dieses zu verhindern – für deutsche Soldaten bei Auslandseinsätzen staatliche Feldbordelle zum Einsatz kommen sollten.
Der deutsche Staat sollte nicht als Zuhälter tätig werden. Obwohl gerade die Sozialdemokratie dafür steht, daß für viele Lebenslagen staatliche Infrastruktur notwendig ist, kann ich Ihnen versichern, daß die Einrichtung von Truppenbordellen explizit nicht zu den Leistungen der Daseinsfürsorge zählt.
Der erste, zentrale Punkt unseres Antrages beschäftigt sich mit dem Anliegen, möglichst vielen Menschen zu ermöglichen, aus der Prostitution auszusteigen und andere Lebensperspektiven zu suchen. Es ist kein Zufall, daß viele Prostituierte in irgendeiner Form drogenabhängig sind, dessen Ausübung mit gravierenden gesundheitlichen und physischen Schäden verbunden ist. Es gibt in Hamburg eine ganze Reihe von Frauen, die aussteigen wollen und nach geeigneten Möglichkeiten für andere Berufsperspektiven suchen.
Eine wichtige Veränderung für diese Gruppe ist im letzten Jahr durch die Reform des Sozialgesetzbuches ermöglicht worden. Die Voraussetzungen, bei Bezug von Sozialhilfe und Übernahme der Lehrgangskosten durch das Arbeitsamt an einer Umschulungsmaßnahme teilnehmen zu können, erfüllen jetzt auch Prostituierte. Sie müssen keine Nachweise über vorherige Tätigkeiten bringen und auch nicht mehr angeben, daß sie als Prostituierte gearbeitet haben. Dies ist ein wichtiger Schritt. Wir wüßten gern vom Senat, wie weit auf dieser Grundlage Angebote angenommen beziehungsweise weitere konzipiert werden.
Eines hat sich mit dieser neuen Regelung aber auch bestätigt: Der Ausstieg aus der Prostitution ist nicht einfach. Viele haben Schwierigkeiten, Zeit- und Zielvorgaben einzuhalten, die eine Umschulung oder auch ein Arbeitsplatz mit sich bringen, den Achtstundentag einzuhalten oder morgens pünktlich zu erscheinen. Auch die direkte Suche
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nach einem Arbeitsplatz ist schwierig. Welche glaubwürdigen Angaben können die Frauen denn machen, wenn sie gefragt werden, welche Kenntnisse sie vorher erworben haben? Wie sollen sie Unternehmen dazu bringen, ihre Einstellung zu akzeptieren? Einige versuchen es mit erfundenen Biographien; aber das hilft nur in den seltensten Fällen.
Um diese Probleme aufzufangen, gibt es für ausstiegswillige Prostituierte in Hamburg das Beschäftigungsprojekt Textilwerkstatt unter der Trägerschaft des Diakonischen Werkes. Es ist ein sehr sinnvolles Vorschaltprojekt, wo seit Jahren erfolgreich Prostituierten der Übergang in eine Umschulung oder auch Ausbildung ermöglicht wird. Hier werden die Frauen durch das Lernen an der Nähmaschine fit gemacht und können hinterher – das zeigt auch die Arbeit dieses Projektes – eine Umschulung erfolgreich absolvieren.
Wir wollen dieses Angebot in Hamburg erweitern und ergänzen. Es gibt einen Bedarf an Ausstiegsprojekten, die an die Chancen von Frauen im Bürobereich anknüpfen. Nicht alle sehen einen Sinn darin, Fertigkeiten im Textilbereich zu erlernen und an einer Nähmaschine qualifiziert zu werden. Hier wünschen wir uns für Hamburg ein Angebot, das Bürokenntnisse vermittelt, die von den Frauen auch angenommen werden.
Als zweiter Punkt bewegen uns die Rahmen- und Arbeitsbedingungen der Prostitution. Unsere niederländischen Nachbarinnen und Nachbarn sind am weitesten gegangen. Das Bordellverbot wurde aufgehoben, die freiwillige Prostitution wurde völlig legalisiert. Das niederländische Hauptziel ist, die Prostitution wie jedes andere Gewerbe unter kommunaler Kontrolle zu halten und der Stigmatisierung ein Ende zu setzen. In Amsterdam wurde inzwischen einigen Unternehmen die Anerkennung als Gewerbe gewährt. Ich denke, daß auch dieses – vor allen Dingen, wenn die Rahmenbedingungen durch die veränderte Bundesgesetzlage in Kraft treten – etwas ist, was Sie ernsthaft prüfen sollten, weil wir nur so in diesen Betrieben die Maßstäbe für die Arbeitsbedingungen setzen können, die auch mit der dortigen Realität zu tun haben.
Uns bewegt noch ein dritter Punkt. Wir reden über Menschen, die sich zu diesen notwendigen Debatten selbst kaum äußern. Es gibt in Hamburg keine Gruppe von Prostituierten, die als Lobby für ihren Berufsstand eintritt. Das hat auch etwas mit den schlechten Bedingungen der Tätigkeit, aber auch mit dem Anwachsen des Menschenhandels, dem großen Anteil illegaler Prostituierter und auch mit der elendigen Beschaffungsprostitution Drogenabhängiger zu tun.
Trotzdem sollte versucht werden, hier etwas aufzubauen. In Hamburg gibt es mehrere Tausend Prostituierte. Es ist ein großes Problem, daß wir über ganz elementare Veränderungen sprechen, ohne daß sich diese Gruppe selbst Gehör verschafft und auch von uns nicht gehört wird.
Daher bitten wir den Senat zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, um Selbsthilfe- oder auch Interessenvertretungsstrukturen zu stärken. Wir sind gespannt, was uns da gelingt. Wenn es uns gelänge, daß Prostituierte in Hamburg für ihre Belange eintreten, wäre auch das ein wichtiger Schritt.
Es gibt viele verschiedene Auffassungen zu diesem Thema. Das hat – wie ich schon sagte – vor allen Dingen
die letztmalige Debatte gezeigt. Ich glaube aber, daß wir uns bei dem Anliegen unseres Antrages weitgehend einig sein können. Daher hoffe ich auf eine breite Zustimmung. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Koop, Sie haben zu Beginn eine sehr interessante Untersuchung, die Allensbach-Studie, zitiert, die vom Bundesfrauenministerium in Auftrag gegeben wurde. Sie ist wichtig, weil sie etwas aussagt, was uns als Frauenpolitikerinnen häufig nicht geglaubt wird: Frauenpolitik steht auch bei jungen Frauen ganz oben auf der Tagesordnung. Insofern haben wir uns über diese Untersuchung sehr gefreut.
Die Frauen wurden auch gefragt, wer aus ihrer Sicht am besten ihre Interessen vertritt. Hier erhalten an erster Stelle die Journalistinnen – die ich gerade nicht sehe – und an zweiter Stelle die Frauenpolitikerinnen gute Noten. Sie bekommen nicht nur bei der Bewältigung von gleichstellungspolitischen Fragen, sondern auch bei der Lösung der Zukunftsfragen insgesamt ein hohes Engagement und Vertrauen zugesprochen.
Interessant ist, daß zu diesem Ergebnis auch befragte Männer kommen; Frauen wird bei der Lösung der anstehenden Fragen eine größere Kompetenz zugewiesen.
Welche Schlußfolgerungen ziehen wir daraus?
Meine Partei und auch andere hier anwesende Parteien haben in den letzten Jahren einiges dafür getan, um den Frauenanteil in den Parteien und in den Regierungsfunktionen zu erhöhen mit dem Ergebnis, daß wir als Landesregierung einen paritätisch besetzten Senat vorweisen können. Frau Koop, das ist ein Ergebnis von konkreter Politik.
Ich möchte jetzt zu den Hamburger Fakten übergehen und darstellen, was im letzten Jahr passiert ist.
Ich spreche Frau Senatorin Sager ausdrücklich meine Glückwünsche aus, weil in diesem Jahr in Hamburg sehr bemerkenswerte, frauenbezogene Veranstaltungen stattgefunden haben, die weit über Hamburg hinaus Aufmerksamkeit erregten.
Die EXPO wurde genutzt, um das nicht einfache Thema „Zeiten der Stadt“ durch künstlerische Installation an der Alster zu transportieren.
Hamburg war neben anderen Städten der Bundesrepublik Gastgeberin der Internationalen Frauenuniversität. Hier haben 173 Wissenschaftlerinnen aus der ganzen Welt 100 Tage zum Thema Informationen gearbeitet.Wir hoffen sehr, daß das Senatsamt für die Gleichstellung an diese Initiativen anknüpfen wird.
Gleiches gilt für die von Ihnen ebenfalls erwähnte „digitelle“, ein Frauenforum zu neuen Medien aus einer Mischung von Messe und Kongreß. Auch sie war in diesem Jahr ein echtes Highlight der Hamburger Frauenpolitik.
Wer gesehen hat, wie begeistert und interessiert vor allem junge Frauen sich über Berufe und Arbeitsfelder in den neuen Medien informiert haben, hat erneut bestätigt bekommen, daß die angebliche Technikferne von Frauen ein weltfremdes Klischee ist.
Wir hoffen, daß es auch in diesem Bereich zu einer Fortsetzung der Aktivitäten kommt, und freuen uns, daß wir auch bereits aus dem Senatsamt für die Gleichstellung entsprechende Signale gehört haben. Veranstaltungen und Initiativen, die Frauen über neue Arbeitsfelder in den Medien und der Informationstechnologie informieren, haben für die Zukunft unserer Gesellschaft eine zentrale Bedeutung.
Wir alle haben verfolgt, wie die Bundesregierung durch die sogenannte Green Card auf den Fachkräftemangel in bestimmten IT-Berufen reagiert hat. Diese Regelung halten wir für vernünftig. Trotzdem haben sich die Frauenpolitikerinnen gewundert, daß nicht mit der gleichen Intensität über eine Steigerung vorhandener inländischer Ressourcen von weiblichen Arbeitskräften diskutiert wurde.
Natürlich hat der Mangel an Fachkräften auch mit der in der Bundesrepublik im europäischen Vergleich niedrigen Frauenerwerbsquote und mit dem sehr niedrigen Frauenanteil in den IT-Berufen zu tun. Die Regierungschefs der Europäischen Union haben jedenfalls diesen Zusammenhang bemerkt und auf ihrer Konferenz im März in Lissabon beschlossen, den Anteil der erwerbstätigen Frauen in Europa zu steigern, um zu verhindern, daß die zu niedrige Erwerbsbeteiligung in Europa zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA und Asien führt.
Das ist aus frauenpolitischer Sicht ein historischer Glücksfall, denn wenn sich ökonomische Interessen mit frauenpolitischen Zielen decken, dann haben wir Chancen, die Bastion der männlichen IT-Berufe zu erobern.
Die Bundesregierung hat sich hier ein sehr ehrgeiziges Ziel gesetzt; sie will den Frauenanteil in IT-Berufen bis 2004 auf 40 Prozent steigern. Die Umsetzung dieses hohen Zieles
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erfolgt natürlich im wesentlichen in den Bundesländern. Deshalb sind die von mir gelobten Aktivitäten ein wichtiger Beitrag.
Über die Schule hat jede Schülerin und jeder Schüler in Hamburg Zugang zu Computern und ins Internet.Hamburg ist hier im Bundesvergleich führend. Die Ausstattung nützt denen, die von zu Hause aus weniger mitbekommen. Das sind in vielen Fällen die Mädchen, die schlechtere oder gar keine Computer haben, weil ihre Eltern es nicht für notwendig ansehen.
Wir sind im letzten Jahr auch bei der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen weitergekommen. Das Bundesministerium – Frau Koop, Sie haben es angesprochen – hat in diesem Jahr die Grundzüge des Gewaltschutzgesetzes vorgestellt und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Damit soll es leichter werden, Schutzanordnungen zugunsten der Opfer zu erlassen und die Täter aus der Wohnung zu weisen. Dem Ziel: Das Opfer kann bleiben, der Täter muß gehen, kommen wir damit entscheidend näher.
Auch in Hamburg steht das Thema Gewalt im häuslichen Bereich weit oben auf der Prioritätenliste der Politik des Senats. Frau Koop, ich halte es wirklich für eine unverschämte Lüge, wenn Sie hier behaupten, bei den Frauenhäusern sei gespart worden und sie seien von Stellenkürzungen bedroht. Trotz der Konsolidierung der letzten Jahre ist genau das Gegenteil der Fall gewesen; es ist in diesem Bereich nicht gespart worden, und wir haben dies auch nicht vor.
Ich werde die Anregung aufnehmen.
In Hamburg arbeitet seit Monaten ein Runder Tisch gegen Gewalt im häuslichen Bereich. Wenn Sie die Fragestunde der letzten Bürgerschaft oder die letzte Diskussion im Gleichstellungsausschuß verfolgt haben, dann wissen Sie, daß gerade die Polizeivorschriften verändert worden sind. Die Ermittlungen sollen beispielsweise durch die Anfertigung von Lichtbildern detaillierter werden, um somit die Verletzungen genauer zu dokumentieren.An Ort und Stelle wird sofort geprüft, ob bei der häuslichen Gewalttat ein Wiederholungsfall vorliegt.
Auch die Staatsanwaltschaft wird Frauen weniger als bisher auf den Privatklageweg verweisen, wie es in der Vergangenheit sehr häufig der Fall gewesen ist.Auch dies sind entscheidende Schritte zur Unterstützung der Opfer und zur Gewährung von rechtstaatlichem Schutz. Der Stellenwert des Opferschutzes schlägt sich auch in den Haushaltsanträgen der rotgrünen Koalition nieder.
Der Notruf für vergewaltigte Frauen hat vor kurzem eine sehr bemerkenswerte Kampagne gestartet. 2001 sollen Männer gefunden werden, die öffentlich mit ihrem Namen ein Zeichen gegen Männergewalt setzen. Frau Koop, ich bin gespannt, wie viele der Abgeordneten sich aus Ihrer Fraktion an dieser Kampagne beteiligen werden. Der Erste Bürgermeister hat jedenfalls ein Zeichen gesetzt; auch der Innensenator unterstützt diese Kampagne.
Herr Salchow, Sie wurden auch gebeten, daran teilzunehmen; ich werde sehen, ob Ihr Name auf dem Plakat erscheint und Sie sich bereit finden, Gewalt gegen Frauen gesellschaftlich zu ächten und dafür mit Ihrem Namen einzustehen.
Ich möchte zum Schluß auf einen weiteren Aspekt hinweisen.
Wir beraten den Haushalt 2001. Die Gleichstellungspolitik des rotgrünen Senats findet sich ja nicht nur in dem – ich bitte um Verzeihung, Frau Senatorin – eher bescheidenen Etat des Senatsamts für die Gleichstellung. Unser Interesse ist es, die in Zahlen – das heißt in Kosten – auszudrückende Gleichstellungspolitik aller einzelnen Behörden sichtbar zu machen. Wir wollen diese Mittelverwendung auch kontrollieren.
Inzwischen haben wir mit den Anlagen 10.1 und 10.2 des Finanzberichtes im Sinne eines Gender-Controllings sehr brauchbare Unterlagen erhalten. Aber es gibt immer noch Behörden, die keine oder nur unzureichende Angaben beitragen. Das werden wir nicht dulden.
Es gibt den klugen Spruch: Man trifft sich immer zweimal im Leben. Haushaltsberatungen sind weitergehender; wir treffen uns immer wieder. Daher empfehlen wir den Schwarzen Schafen unter den Fachbehörden, gleich unsere Beschlüsse umzusetzen; sie werden es sowieso tun müssen. – Vielen Dank.
Senatsvertreterinnen und -vertreter teilten auf der Sitzung des Gleichstellungsausschusses vom 4. Oktober 2000 im Zusammenhang mit der Beratung der Drucksache „Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich“ dem Ausschuß mit, daß zentrale Polizeidienstvorschriften Ende November diesen Jahres geändert würden und sich die Facharbeitsgruppe des Runden Tisches mit dem Entwurf der Handlungsanweisung in Fällen von Gewalt im häuslichen Bereich für die Polizei befasse.
Eine Zusatzfrage noch. Es steht die Beantwortung eines Ersuchens zu diesem Thema durch den Senat aus, wo auf diese Fragen eingegangen werden sollte. Wann ist denn mit der Beantwortung zu rechnen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ahrons, schon der Titel Ihrer Großen Anfrage verweist auf den eigentlichen Kern des Themas, nämlich verfolgt man bei der Lösung gesellschaftlicher Aufgaben ein ideologisches Konzept oder sucht man nach pragmatischen Lösungen.
In regelmäßigen Abständen wird von der CDU das Thema „Der Staat ist schlecht, die Privatwirtschaft ist gut“ formuliert und in verschiedenen Variationen dargeboten. Einmal wird gesagt, wir haben zu viele öffentliche Unternehmen. Dann wird uns vorgeworfen, daß sich deren Tätigkeit in den privatwirtschaftlichen Bereich ausdehnt,
daß sie zu teuer und nicht wettbewerbsfähig sind, den Mittelstand ruinieren und zusätzlich öffentliche Aufträge erhalten.
Auch heute haben Sie diese bunte Mischung wieder vorgetragen.
Wir wollen folgendes: Eine gesicherte Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Leistungen, die sie nicht oder nur eingeschränkt auf dem freien Markt bekommen.
Diese Leistungen der Daseinsfürsorge werden auch durch Unternehmen erbracht, die der öffentlichen Hand gehören. Das sind natürlich insbesondere bezahlbare Wohnungen für Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen. Das ist die Gewährung von Mobilität in der Stadt, die Bereitstellung eines kulturellen Angebots oder die Förderung von Arbeit für Menschen, die auf dem freien Markt keine Arbeit mehr finden.
All dies wird auch durch öffentliche Unternehmen bereitgestellt und sollte nicht durch ideologische Verbohrtheit in Frage gestellt werden.
Aus meiner Sicht führen Sie eine Diskussion aus den achtziger Jahren.
Ich halte die Frage, ob staatliches oder privates Handeln das bessere ist, für überholt. Bürgerinnen und Bürger interessiert es nicht, aus welcher Eigentumsform sie die Leistung bekommen, sondern sie wollen Leistungen schnell, effizient und mit freundlichem Service bekommen.
Wenn wir zum Anfang der neunziger Jahre zurückblicken, müssen Sie zugeben, daß der private Markt die Lösung des Wohnungsproblems in Hamburg natürlich nicht gebracht hätte. Trotzdem bleibt es richtig, daß die alleinige Versorgung von Menschen mit Wohnraum keine rein staatliche Aufgabe ist, aber natürlich durch öffentliche Tätigkeit ergänzt werden muß.
Es ist heute mit den liberalisierten Märkten möglich, mit Leistungen Geld zu verdienen, die früher nur durch staatlichen Einsatz gewährt werden konnten. Im Bereich der Energieversorgung, der Post, der Telekommunikation, aber auch im Bereich sozialer Dienstleistung wie der Pflege, entsteht ein Nebeneinander von staatlichen und privaten
Dienstleistungen. Daraus entstehen hohe Anforderungen für Unternehmen im öffentlichen Eigentum, aber auch für die Privaten, die sich im Wettbewerb neu positionieren müssen.
Wie sich in diesem globalen Wandel Staat und öffentliche Unternehmen positionieren, kann sehr unterschiedlich sein.
Einen Hinweis, wie Hamburg seine Zukunftsaufgaben bewältigt, haben wir vor kurzem aus einem Beitrag der Bremer Universität erfahren. Dort werden in einem sogenannten Stadtstaatenprojekt die Städte Berlin, Hamburg und Bremen miteinander verglichen. Das Ergebnis ist eindeutig. Die Organisation öffentlicher Unternehmen, die Transparenz, die politische und parlamentarische Kontrolle gelten in Hamburg als vorbildlich.
Der Hamburger Weg ist pragmatisch, es hat weder überstürzte Privatisierung gegeben, um Haushaltslöcher zu stopfen, noch Verkäufe aus rein ideologischen Gründen. Hamburg schafft betriebswirtschaftlich selbständige Einheiten dort, wo es sinnvoll ist. Das kann im öffentlichen Eigentum und in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform genauso passieren wie im privaten. Für Hamburg und seine Bürgerinnen und Bürger hat sich dieser Pragmatismus ausgezahlt, und wir haben uns natürlich gefreut, daß dies auch das Ergebnis einer Vergleichsstudie ist.
Ein wichtiges Thema sprechen Sie am Rande Ihrer Großen Anfrage an. Für alle zu verfolgen war, daß es in den letzten Monaten Streit zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung und den Bundesländern gegeben hat. Berührt war die Frage, in welcher Form Daseinsfürsorge für die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik gewährleistet werden kann. Auch gibt es eine Transparenzrichtlinie der Europäischen Union, die öffentliche Unternehmen verpflichtet, eine getrennte Buchführung durchzuführen: einmal für Leistungen eines allgemeinen öffentlichen Interesses und für Leistungen, die auch privatwirtschaftlich erbracht werden können.
Die Bundesrepublik Deutschland hat eine lange Tradition mit öffentlich-rechtlichen Anstalten, Unternehmen, Genossenschaften, Wohlfahrtsverbänden, die alle in einem Bereich zwischen reinem Markt und reinem Staat zentrale wichtige Leistungen für die Gesellschaft erbringen. Diese Tradition spielt für den Wohlstand unseres Landes eine entscheidende Rolle.
Es gab in der Bundesrepublik die Befürchtung, daß durch die Politik der EU-Kommission dieser Bereich rechtlich diskriminiert würde. Dagegen haben sich die Bundesländer und richtigerweise die Bundesregierung gewehrt.
Wir haben in vielen Bereichen ein Nebeneinander privatwirtschaftlicher Unternehmen, Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung und Unternehmen mit ausschließlich öffentlichem Eigentum.
Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Dieser Wellfaremix hat sich gelohnt und zum Teil auch den Wettbewerb befördert.
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Ein gutes Beispiel sind die öffentlich-rechtlichen Banken und Sparkassen, die ins Visier der EU-Kommission gekommen sind. Die Europäische Bankenvereinigung hat sich bei der Kommission darüber beschwert, daß öffentlich-rechtliche Banken durch die Anstaltslast und die Gewährträgerhaftung einen Wettbewerbsvorteil hätten. Hierüber wird noch entschieden werden.
Die Position der Bundesregierung, die ich für richtig halte, weist darauf hin, daß es sich dabei nicht um unzulässige Beihilfen handelt, die einen Wettbewerbsvorteil bieten, sondern daß es natürlich zum üblichen Haftungssystem einer Anstalt öffentlichen Rechts gehört. Natürlich haftet der öffentliche Eigentümer für eine Anstalt öffentlichen Rechts, die ihm gehört. Das Gros der Sparkassen ist lokal tätig und sorgt in der Bundesrepublik für eine flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen.
Sparkassen sind verpflichtet, kleinere und mittlere Unternehmen und die breite Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen zu versorgen. 80 Prozent der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger haben ihr Konto bei den Sparkassen und genossenschaftlichen Banken. Die Sparkassen schaffen erst ein Bankensystem in der Fläche, in der Wettbewerb möglich ist. Dies ist eine Struktur, die wir erhalten wollen. Ein Blick in Nachbarländer zeigt, daß es nicht selbstverständlich ist, daß alle Menschen einen Zugang zu einem eigenen Bankkonto haben. In Großbritannien haben dreieinhalb Millionen Menschen, das sind 9 Prozent der Bevölkerung, kein Bankkonto, das sind die sogenannten Un-bank-people.
Die ersten Banken in der Bundesrepublik haben begonnen, Kunden mit einem Einkommen von weniger als 100 000 DM mitzuteilen, daß sie kein Interesse an einer weiteren Geschäftsbeziehung haben. Hier sieht man, daß freier Wettbewerb nicht geeignet ist, für alle Menschen gleichermaßen Zugang zu zentraler Infrastruktur zu gewährleisten. Diesem Beispiel ließen sich weitere hinzufügen.
Die Auseinandersetzung mit der EU-Kommission, auch über die Transparenzrichtlinie, ist noch nicht zu Ende. Aus meiner Sicht muß eine Lösung gefunden werden, die die gewachsene Struktur der Bundesrepublik zum Beispiel bei den Sparkassen-, Volks- und Raiffeisenbanken, Wohlfahrtsverbänden und öffentlichen Unternehmen berücksichtigt, weil sie sich bewährt haben, und diese nicht kaputtschlägt, nur weil es in anderen europäischen Ländern diese Tradition nicht gibt. Es muß eine Lösung gefunden werden, die die guten Seiten unseres Sozialstaates mit den ja richtigen Anforderungen der Europäischen Union an den Wettbewerb miteinander verzahnt.
Von Europa zurück nach Hamburg. Auch hier geht es um ein pragmatisches Vorgehen, das ein verträgliches Nebeneinander von privatwirtschaftlichen und öffentlichen leistungs- und wettbewerbsfähigen Unternehmen gewährleisten muß. Eine Verteufelung von Unternehmen, die sich im öffentlichen Eigentum befinden, ist dazu allerdings nicht geeignet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Diskussion über freiwillige ehrenamtliche Arbeit ist
in vollem Gange. Kleinreden sollten wir das Engagement der Bürgerinnen und Bürger jedoch nicht, im Gegenteil. Eine Untersuchung, die neu vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegeben wurde, weist für die Bundesrepublik ein riesiges Potential an Ehrenamtlichen aus. 34 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich in Verbänden, Initiativen oder Projekten. Damit ist das Engagement viel größer, als bisher angenommen wurde.
Trotzdem: Die heute Engagierten sind anspruchsvoller geworden. Lebenslange Aufopferung, Bindung an einen großen Verband, unhinterfragtes, pflichtbewußtes Engagement nimmt ab. Wer sich heute engagiert, will Freude haben, will mitbestimmen, will aber auch konkrete Ergebnisse des eigenen Engagements sehen. Gerade jüngere Menschen engagieren sich eher in Projekten, die auf Zeit angelegt sind. Die Angebote, bei denen Menschen sich engagieren, müssen darauf ausgerichtet sein, die Rahmenbedingungen so auszugestalten, daß die Ehrenamtlichen ihre Bedürfnisse befriedigt sehen.
Eine Debatte über dieses Thema muß sich daher auch mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr beschäftigen. Wir müssen uns in der Tat fragen, ob zusätzliche Angebote für ein Freiwilliges Soziales Jahr das Engagement fördern kann. Wie ist die Situation?
Zur Zeit nehmen jährlich circa 330 Menschen in Hamburg am Freiwilligen Sozialen Jahr teil. In Hamburg wird von den bekannten Trägern wie zum Beispiel vom Deutschen Roten Kreuz, vom Diakonischen Werk, vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, von der Caritas, aber auch vom Umweltzentrum Karlshöhe und seit neuestem von der Arbeiterwohlfahrt ein breites Angebot für das Freiwillige Soziale Jahr angeboten.
Auch wir können uns vorstellen, daß eine Erweiterung insbesondere jüngere Menschen anspricht. Sie erhalten so ein Angebot, sich in der Gesellschaft zu orientieren, Lebensziele zu definieren, aber auch – das ist bei Jüngeren sehr wichtig – ein Angebot zur beruflichen Orientierung.
Nicht so überzeugend ist der Vorschlag, ein Freiwilliges Soziales Jahr bis zum Eintritt in das Rentenalter anzubieten. Menschen dieser Altersgruppe sind in der Regel berufstätig. Berufstätige engagieren sich am Wochenende oder in ihrer Freizeit am Abend. Ein Freiwilliges Soziales Jahr macht da eigentlich keinen Sinn. Arbeitslose suchen entweder den Einstieg in eine Arbeit, aber keinen freiwilligen Dienst. Auch hier macht die einjährige Verpflichtung aus unserer Sicht keinen Sinn.
Weiter möchten wir die Möglichkeit des Freiwilligen Ökologischen Jahres in Hamburg mit einbeziehen. Gerade den jüngeren Menschen ist das Engagement im ökologischen Bereich sehr wichtig. Ob die 19 Plätze, die Hamburg zu bieten hat, wirklich das letzte Wort sind, halten wir für diskussionswürdig. Bundesweit hat sich die Zahl der Teilnehmenden am Freiwilligen Ökologischen Jahr jedenfalls seit 1995 verdoppelt.
Wie bei allen Anliegen müssen wir auch über Geld sprechen. Die Ausweitung des Freiwilligen Sozialen Jahres kostet Geld entweder den Bund – es ist eine ausschließliche Bundesangelegenheit –, die Träger oder – wie Sie es vorschlagen – die Freie und Hansestadt Hamburg im Rahmen eines Modellversuchs. Auch hierüber müssen wir beraten.
Ein anderer Punkt ist problematisch. Sie sprechen in Ihrem Antrag die Probleme an, die durch den Rückgang der Zi
vildienstleistenden entstanden sind. Es ist falsch, diese Debatten zu vermengen. Freiwilligenarbeit, bürgerliches Engagement und auch das Freiwillige Soziale Jahr haben keine Lücken zu schließen. Sie sind wichtig, weil eine solidarische Gesellschaft auf Engagement angewiesen ist und weil Menschen Freude und Interesse an Tätigkeiten haben, die der Gemeinschaft zugute kommen, es dient aber nicht dazu, irgendeine nicht besetzte Stelle wieder zu besetzen.
Sie greifen in der Begründung Ihres Antrags die Debatte über den Freiwilligendienst auf. Auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat die Forderung nach einer sozialen Dienstpflicht erwogen.
Hier ist Sensibilität geboten. Unser Grundsatz verbietet – vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Faschismus – Zwangsarbeit jeder Art. Das Grundgesetz schreibt als Dienstverpflichtung den Dienst in den Streitkräften vor. Auch der soziale Zivildienst ist kein Arbeitsdienst im sozialen Bereich, sondern wird von Männern als Ersatzdienst geleistet, wenn sie ihrer Dienstpflicht an der Waffe aus Gewissensgründen nicht nachkommen können. Jede andere Form der Arbeitspflicht schrammt hart an der Verfassungsmäßigkeit vorbei.
Freiwilliges muß freiwillig bleiben und darf nicht zum Pflichtdienst werden; Engagement kann nicht erzwungen werden. Menschen sollen selbst entscheiden, ob und wo sie sich engagieren. Dazu müssen gute Rahmenbedingungen und interessante Angebote vorhanden sein. Solidarität kann vorgelebt und auch gelernt, aber nicht verordnet werden. Staatliche Verpflichtung zu sozialen Zwangsdiensten lehne ich daher ab.
Die Debatte zeigt, daß es Beratungsbedarf gibt. Daher plädieren wir für die Überweisung an den Sozialausschuß.
Herr Staatsrat, haben Sie denn eine Einschätzung darüber, ob es ein Einzelfall war oder ob es um mehrere Fälle geht?
Herr Staatsrat, wann rechnen Sie mit einem Abschluß der Prüfungen?