Protocol of the Session on December 13, 2000

Ein weiteres gravierendes Beispiel Ihrer Zufallsfinanzierung, Frau Dr. Weiss, ist nämlich die Einrichtung der neuen Spiel- und Probenstätte des Thalia Theaters in der Gaußstraße. Mit Zauberhand konnte die Kulturbehörde aus den laufenden Mitteln des Kulturetats 2000 mal eben rund 3 Millionen DM bereitstellen. Für die Stützung und Förderung der Hochkultur bedeutet dies eine Glanzleistung, für die Basiskultur eine Entscheidung, die an den Nerv geht.

Zweitens: Ich bin sicher, daß das starke Auseinanderdriften zwischen der Hochkultur und der Basiskultur Ihnen noch ein hartes Jahr der Auseinandersetzungen bescheren wird. Wenn Sie für Hamburg nicht unverzüglich – Wahl hin, Wahl her – die heißen Eisen der Tarifverträge an den Staatstheatern, der Arbeitszeitordnung mit der 38,5-Stunden-Woche des öffentlichen Dienstes und der Medienzulage für das Philharmonische Staatsorchester in Ihrer Behörde, der Kultusministerkonferenz und im Deutschen Bühnenverein rasant anschieben oder Sie und dieser Senat nicht mehr Geld für die Kultur bereitstellen, um die Kostensteigerungen der Zukunft zu bezahlen und eine gerechtere Finanzierung unter sozialen und künstlerischen Gesichtspunkten hinzukriegen, dann wird Hamburg, fürchte ich, im Konzert der bedeutenden Kulturhochburgen Europas keine Rolle mehr spielen.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus, Frau Senatorin, wird es zu einem erbitterten Verteilungskampf zwischen Hochkultur und Basiskultur kommen. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Kulturetat mit einer Einsparung von weiteren 1,5 Millionen DM für das Jahr 2002 vorbelastet ist. Es besteht also die große Gefahr, daß bei diesen finanziellen Vorgaben das vielfältige Kulturangebot und die künstlerische Qualität auf der Strecke bleiben müssen.

(Beifall bei der CDU)

Um so dringender ist ein Gesamtkonzept notwendig, um es nicht – wie es in den neuen Bundesländern längst üblich ist – zur Gretchenfrage unserer Zeit kommen zu lassen: Wollt ihr eure Arbeit verlieren, weitere Theater schließen, oder wollt ihr akzeptieren, daß ihr weniger Urlaub, weniger Gehalt, kein Weihnachtsgeld, weniger Rente, aber mehr Dienste habt? Eine solche Zweiklassengesellschaft

(Elisabeth Schilling SPD: Wie im richtigen Leben!)

kann sich doch ein sozialdemokratisch-grüner Senat auf gar keinen Fall leisten!

(Beifall bei der CDU)

Drittens: Sehr geehrte Frau Senatorin, bringen Sie den Punkt 2 nicht auf einen guten Weg. Sie wissen doch ganz genau, daß beispielsweise die lobenswerte finanzielle Planungssicherheit für die Staatstheater spätestens ab dem Jahr 2002 ganz neue Probleme aufwirft, nämlich: Wie werden die Tariferhöhungen aufgefangen? Gibt es überhaupt noch Sparmöglichkeiten? Die Einschränkung von Premieren auf den Hauptbühnen halte ich für absolut falsch! Können oder müssen die Eintrittspreise erhöht werden? Ist das künstlerische Niveau zu erhalten, oder wie ist es zu verbessern?

Diese Fragen, sehr geehrte Frau Senatorin, gelten sinngemäß auch für die Museen, für die Hamburger Symphoniker, die Hamburger Bücherhallen und viele andere Bereiche.

In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch noch einmal über die Privattheaterszene unterhalten, denn daß die Verteilung der Mittel hochproblematisch ist, weiß inzwischen jeder. Wer nämlich am längsten dabei ist, erhält den höchsten Zuschuß. Die Neuzugänge erhalten keine Mark, und die Projektförderung ist – milde gesagt – angreifbar. Hierzu kommt ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen gleich im Januar 2001.

Meine Damen und Herren, der Kosten- und Modernisierungsdruck in allen Bereich der Kulturszene wird bei der jetzigen Bezuschussung zu schweren künstlerischen Niveauverlusten führen. Vor allem stellen aber auch die Konkurrenz zwischen den Staatstheatergagen und den Fernsehhonoraren auf der einen Seite und die finanziellen Möglichkeiten der Privattheater auf der anderen Seite die Zukunft der privaten Theater ernsthaft in Frage.

Abschließend möchte ich noch einige kritische, aber auch positive Bemerkungen machen. Das Sprechtheater im deutschsprachigen Raum tut sich zur Zeit schwer und spielt an einem großen Teil des Publikums vorbei.

(Beifall bei der CDU und bei Rolf Polle SPD)

Da helfen die Äußerungen mancher Intendanten, das Publikum müsse sich eben in seinen Sehgewohnheiten umgewöhnen, nicht unbedingt weiter. Es ist schon bedenklich, wenn den Neben- und Seitenbühnen und den Kinos dann und wann mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, weil man die großen Häuser sowohl inhaltlich als auch mit Publikum nicht mehr füllen kann.

Sehr geehrte Frau Dr. Weiss, ich will hier und heute nicht unken und auch nicht von einer Krise in Hamburg reden. Ich will auch nicht wieder aufwärmen, was mein Freund Ulrich Hartmann, der damals als Fraktionschef der SPD auf Ihrem Platz saß, Herr Dr. Christier, und 1974 die Schließung eines Staatstheaters zur Diskussion stellte.

(Beifall bei der CDU und bei Rolf Polle SPD – Dr. Holger Christier SPD: Ich habe Herrn Khuon per- sönlich versichert, daß er das von mir nicht zu be- fürchten hat!)

Die CDU sagt klar und deutlich, daß wir zwei Staatssprechbühnen haben und dieses Angebot neben der Staatsoper und Kampnagel erhalten wollen. Wir sehen uns an Ihrer Seite, Frau Senatorin, den Reichtum dieser Stadt in die Zukunft zu führen.

(Beifall bei der CDU)

Aber: Ein großer deutscher Dichter sagte vor über 200 Jahren im Vorspiel zu Faust I:

„An unseren deutschen Bühnen probiert ein jeder, was er mag.“

So ist es. Und er führt fort:

„Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.“

Das ist auch in Ordnung. Und weiter heißt es:

„Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.“

Hier muß ich dem großen deutschen Dichter Goethe widersprechen, denn, meine sehr geehrten Damen und Herrn, Frau Senatorin, immer häufiger verläßt das Publikum höchst unzufrieden die Theater oder geht überhaupt nicht mehr hin. Bei der Oper und dem vorzüglichen Ballett scheint die Zustimmung positiv zu sein. Die Vorstellungen sind überwiegend ausverkauft. Vielleicht sind Sie bereit, Frau Senatorin, heute noch einige Worte dazu zu sagen,

(Rolf Mares CDU)

möglicherweise ist es aber von September bis jetzt noch zu früh; anderenfalls werden wir uns sicher im Januar im Kulturausschuß darüber unterhalten.

Die CDU, meine sehr geehrten Damen und Herren, erwartet für die Bürger dieser Stadt auch in Zukunft ein strahlendes Hoch für Kunst und Kultur. Mit Mittelmaß werden wir uns nicht zufrieden geben, zumal Mittelmaß meistens den gleichen finanziellen Aufwand erfordert wie Spitzenleistungen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Senatorin, im vergangenen Jahr hat die CDU dem Einzelplan 3.3 zugestimmt. Wir wollten ein Signal für die Kunst und Kultur dieser Stadt setzen und auch zum Ausdruck bringen, daß wir Vertrauen hatten und trotz aller Probleme an die gestalterische Kraft von Kunst und Kultur glauben.

In diesem Jahr fällt uns dieser Schritt sehr viel schwerer. Es gab erhebliche Bedenken. Aber trotz all dieser Bedenken und obwohl wir uns im Wahljahr befinden, reichen wir Ihnen noch einmal die Hand, Frau Dr. Weiss, und werden auch dem Kulturetat 2001 zustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Martin Schmidt GAL – Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das ist doch völlig unglaubwürdig, was Sie eben gesagt haben!)

Man kann doch Anregungen geben und Zukunftsvisionen aufzeichnen, an die Stärke dieser 363 Millionen DM glauben und alles tun, um das Kulturangebot positiv in die Zukunft zu führen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Senatorin, wir möchten auch ausdrücklich betonen, daß einige Sachentscheidungen, die Sie erfolgreich auf den Weg gebracht haben, unsere Unterstützung finden, obwohl wir, wie ich schon andeutete, mit der Art und Weise der Finanzierung nicht einverstanden sind. Das ist zum Beispiel der Neubau des Opernmagazins, die Proben- und Studiobühne der Gaußstraße, die Langzeitfinanzierung der Staatstheater, die Museumsreform, das Musikfest und die Organisation der Bücherhallen.

Ich komme jetzt zum Schluß mit einem besonderen Vorschlag, daher also noch ein paar Worte zum Verhältnis von Kultur und privatem Geld, zum Sponsoring. Die Mäzene und Sponsoren in dieser Stadt haben sich sehr gut auf die neue Zeit eingestellt! Wir freuen uns darüber. Wir machen Ihnen, Frau Senatorin, deshalb folgenden Vorschlag: Bitten Sie die wichtigen Hamburger Spender, Sponsoren und Mäzene darum, daß sie nicht die Kleinen vergessen, wenn sie die Großen großzügig bedenken. Ich schlage daher vor, daß Sie die Geldgeber dazu auffordern, im Falle von Großspenden, beispielsweise an eines der großen Staatstheater, 5 oder 10 Prozent der Summe in einen Fonds zu leiten, um die Privattheater oder die freie Theaterszene mindestens gut zu erhalten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und der GAL)

Ich persönlich bin der Meinung, daß es bei einer Spende von 100 000 DM für kein Staatstheater eine Rolle spielen würde, nur 90 000 DM zu behalten, während 10 000 DM für ein bedürftiges Privattheater oder eine nicht subventio

nierte freie Gruppe Wunder wirken können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Professor Kopitzsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Mares, ich möchte Ihnen ausdrücklich für diesen fairen und sachkundigen Beitrag danken.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Ich glaube, das ist ein Stil, mit dem wir am Vorabend des Wahljahres weitermachen sollten. Ich glaube, wir würden der Stadt einen riesigen Gefallen tun, wenn wir die Auseinandersetzung, die vor uns liegt, nicht im Stile einer Wahl des Mister oder der Miss Hamburg führen, sondern um Konzepte, um die Sache ringen. Anderenfalls könnte es nämlich frei nach dem Opernlibretto passieren, daß es dann heißt: „Du wirst niemals die Stimmen der Mehrheit erobern; ein Adonis, ein kleiner Narziß.“

(Beifall bei der SPD)

Die Vorschläge, die Herr Mares im Umgang mit den Mäzenen und Sponsoren gemacht hat, unterstreiche ich ausdrücklich. Ich glaube, daß die Kulturbehörde mit einer Art Clearingstelle und Informationsbörse noch stärker werden könnte, um mit dem Geld, das für diese Zwecke in der Stadt zur Verfügung steht – und das wir auch dankend sehen –, die Richtung ein wenig zu verändern. Wir brauchen beides, wir dürfen keinen Gegensatz zwischen Breitenund Hochkultur aufbauen, sondern das eine bedingt das andere und wirkt fördernd und anspornend aufeinander ein. Daran sollten wir bei unseren Entscheidungen immer denken.

Ein anderer Punkt, den Herr Mares angesprochen hat, ist eine Gemeinschaftsaufgabe der Metropolen. Die Tarifproblematik bei den staatlichen Bühnen kann nur im Zusammenwirken der großen Städte gelingen. Es ist positiv zu sehen, daß es Signale gibt, wonach sich zumindest Hamburg und Berlin verständigen könnten. Ich denke, daß das ein erster Weg wäre, wenn zwei solcher Städte in die richtige Richtung gehen und Veränderungen herbeiführen könnten.