Rolf Mares

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Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zeit ist fortgeschritten, und ich werde mich daher bemühen, rasant durchs Ziel zu kommen.
Im vergangenen Jahr hatte ich um eine Geste, um ein Signal gebeten, daß alle Abgeordneten, die in den Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sitzen, darauf hinwirken, daß Kultur auch zur besten Sendezeit in den Hauptprogrammen vorkommt. Anscheinend war diese Bemühung ohne Erfolg, denn selbst die eindrucksvolle Fernsehübertragung zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober hat wieder einmal gezeigt, wie die Verhältnisse in Wirklichkeit sind. Der abschließende Musikbeitrag wurde mitten in der Übertragung ausgeblendet. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, welchen Stellenwert Kunst und Kultur in unserem Lande zur Zeit haben.
Meine Damen und Herren, ich verweise auf das Fernsehen, weil diese Art des Umgangs mit Kunst und Kultur ein ganz alltägliches Phänomen ist, mit dem wir als Kulturpolitiker ständig zu tun haben. Man kann den Befund auch in eine Frage kleiden. Wer vertraut heute aus welchen Gründen noch der Kraft der Kunst und der Kultur für die Gegenwart? Sind Kunst und Kultur nicht längst Teile der Kultur- und Medienindustrie? Aus diesen Gründen habe ich das traurige Beispiel der Mißachtung der Kunst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wieder einmal an den Anfang meiner Rede gestellt. Doch nun zügig zum Kulturetat 2001.
Der Grundsatz muß heißen: Wie erziele ich mit diesen kärglichen finanziellen Mitteln ein optimales Kunst- und Kulturangebot für diese Stadt und das auf höchstem künstlerischen Niveau. Aber was tun bei rund 33 Milliarden DM Schulden?
Ein geringer Kulturetat ist das eine. Die Frage, was man mit diesen knappen Mitteln erreichen kann und welches Klima eine Stadt für ihre Künstler und ihre Kultur prägt, ist etwas anderes. Dieses Klima für Kunst und Kultur hat sicher seine historischen Ursachen, aber auch Gründe in der jeweiligen Kulturpolitik.
Hier, Frau Senatorin, gibt es mindestens drei Schwachpunkte in Ihren Bemühungen. Erstens: Die Finanzierung des Musikfestes, ein Geschenk für den amtierenden Generalmusikdirektor Metzmacher und die Musikfreunde dieser Stadt, ist ein typisches Beispiel dafür, wie man Kulturpolitik mit dem Rechenschieber ohne jede Sensibilität für die Kulturbasis gestaltet.
Wenn Sie es erfreulicherweise im Einvernehmen mit dem Ersten Bürgermeister und der Finanzsenatorin schaffen, das Betriebsgebäude der Staatsoper mit rund 60 Millionen DM auf den Weg zu bringen, dann ist die Kürzung von rund 300 000 DM an der Basis bei der sonstigen Kulturförderung und der sonstigen Musikpflege der Hamburger Kultur zugunsten des Musikfestes ein schwerer politischer und taktischer Fehler. Denn nun sind wieder alle Institute von den Privattheatern über die Stadtteilkultur, die Museen und Bücherhallen bis hin zum Konservatorium Blankenese, um nur einige zu nennen, darüber empört, daß bestimmte Mittel nur noch nach politischem Wohlgefallen verteilt werden.
Ein Konzept hamburgischer Kulturpolitik fehlt, Frau Senatorin. Die CDU hat zu dieser Kürzung den Antrag gestellt, die gekürzten Ansätze wieder herzustellen, und wir wären sehr verwundert, wenn die Regierungsfraktionen dies ablehnen würden. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, der Unmut der gesamten Kulturbasis steht in keinem Verhältnis zu dem finanziellen Gewinn, den Sie mit dieser Kürzung erreichen können.
Ein weiteres gravierendes Beispiel Ihrer Zufallsfinanzierung, Frau Dr. Weiss, ist nämlich die Einrichtung der neuen Spiel- und Probenstätte des Thalia Theaters in der Gaußstraße. Mit Zauberhand konnte die Kulturbehörde aus den laufenden Mitteln des Kulturetats 2000 mal eben rund 3 Millionen DM bereitstellen. Für die Stützung und Förderung der Hochkultur bedeutet dies eine Glanzleistung, für die Basiskultur eine Entscheidung, die an den Nerv geht.
Zweitens: Ich bin sicher, daß das starke Auseinanderdriften zwischen der Hochkultur und der Basiskultur Ihnen noch ein hartes Jahr der Auseinandersetzungen bescheren wird. Wenn Sie für Hamburg nicht unverzüglich – Wahl hin, Wahl her – die heißen Eisen der Tarifverträge an den Staatstheatern, der Arbeitszeitordnung mit der 38,5-Stunden-Woche des öffentlichen Dienstes und der Medienzulage für das Philharmonische Staatsorchester in Ihrer Behörde, der Kultusministerkonferenz und im Deutschen Bühnenverein rasant anschieben oder Sie und dieser Senat nicht mehr Geld für die Kultur bereitstellen, um die Kostensteigerungen der Zukunft zu bezahlen und eine gerechtere Finanzierung unter sozialen und künstlerischen Gesichtspunkten hinzukriegen, dann wird Hamburg, fürchte ich, im Konzert der bedeutenden Kulturhochburgen Europas keine Rolle mehr spielen.
Darüber hinaus, Frau Senatorin, wird es zu einem erbitterten Verteilungskampf zwischen Hochkultur und Basiskultur kommen. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Kulturetat mit einer Einsparung von weiteren 1,5 Millionen DM für das Jahr 2002 vorbelastet ist. Es besteht also die große Gefahr, daß bei diesen finanziellen Vorgaben das vielfältige Kulturangebot und die künstlerische Qualität auf der Strecke bleiben müssen.
Um so dringender ist ein Gesamtkonzept notwendig, um es nicht – wie es in den neuen Bundesländern längst üblich ist – zur Gretchenfrage unserer Zeit kommen zu lassen: Wollt ihr eure Arbeit verlieren, weitere Theater schließen, oder wollt ihr akzeptieren, daß ihr weniger Urlaub, weniger Gehalt, kein Weihnachtsgeld, weniger Rente, aber mehr Dienste habt? Eine solche Zweiklassengesellschaft
kann sich doch ein sozialdemokratisch-grüner Senat auf gar keinen Fall leisten!
Drittens: Sehr geehrte Frau Senatorin, bringen Sie den Punkt 2 nicht auf einen guten Weg. Sie wissen doch ganz genau, daß beispielsweise die lobenswerte finanzielle Planungssicherheit für die Staatstheater spätestens ab dem Jahr 2002 ganz neue Probleme aufwirft, nämlich: Wie werden die Tariferhöhungen aufgefangen? Gibt es überhaupt noch Sparmöglichkeiten? Die Einschränkung von Premieren auf den Hauptbühnen halte ich für absolut falsch! Können oder müssen die Eintrittspreise erhöht werden? Ist das künstlerische Niveau zu erhalten, oder wie ist es zu verbessern?
Diese Fragen, sehr geehrte Frau Senatorin, gelten sinngemäß auch für die Museen, für die Hamburger Symphoniker, die Hamburger Bücherhallen und viele andere Bereiche.
In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch noch einmal über die Privattheaterszene unterhalten, denn daß die Verteilung der Mittel hochproblematisch ist, weiß inzwischen jeder. Wer nämlich am längsten dabei ist, erhält den höchsten Zuschuß. Die Neuzugänge erhalten keine Mark, und die Projektförderung ist – milde gesagt – angreifbar. Hierzu kommt ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen gleich im Januar 2001.
Meine Damen und Herren, der Kosten- und Modernisierungsdruck in allen Bereich der Kulturszene wird bei der jetzigen Bezuschussung zu schweren künstlerischen Niveauverlusten führen. Vor allem stellen aber auch die Konkurrenz zwischen den Staatstheatergagen und den Fernsehhonoraren auf der einen Seite und die finanziellen Möglichkeiten der Privattheater auf der anderen Seite die Zukunft der privaten Theater ernsthaft in Frage.
Abschließend möchte ich noch einige kritische, aber auch positive Bemerkungen machen. Das Sprechtheater im deutschsprachigen Raum tut sich zur Zeit schwer und spielt an einem großen Teil des Publikums vorbei.
Da helfen die Äußerungen mancher Intendanten, das Publikum müsse sich eben in seinen Sehgewohnheiten umgewöhnen, nicht unbedingt weiter. Es ist schon bedenklich, wenn den Neben- und Seitenbühnen und den Kinos dann und wann mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, weil man die großen Häuser sowohl inhaltlich als auch mit Publikum nicht mehr füllen kann.
Sehr geehrte Frau Dr. Weiss, ich will hier und heute nicht unken und auch nicht von einer Krise in Hamburg reden. Ich will auch nicht wieder aufwärmen, was mein Freund Ulrich Hartmann, der damals als Fraktionschef der SPD auf Ihrem Platz saß, Herr Dr. Christier, und 1974 die Schließung eines Staatstheaters zur Diskussion stellte.
Die CDU sagt klar und deutlich, daß wir zwei Staatssprechbühnen haben und dieses Angebot neben der Staatsoper und Kampnagel erhalten wollen. Wir sehen uns an Ihrer Seite, Frau Senatorin, den Reichtum dieser Stadt in die Zukunft zu führen.
Aber: Ein großer deutscher Dichter sagte vor über 200 Jahren im Vorspiel zu Faust I:
„An unseren deutschen Bühnen probiert ein jeder, was er mag.“
So ist es. Und er führt fort:
„Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.“
Das ist auch in Ordnung. Und weiter heißt es:
„Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.“
Hier muß ich dem großen deutschen Dichter Goethe widersprechen, denn, meine sehr geehrten Damen und Herrn, Frau Senatorin, immer häufiger verläßt das Publikum höchst unzufrieden die Theater oder geht überhaupt nicht mehr hin. Bei der Oper und dem vorzüglichen Ballett scheint die Zustimmung positiv zu sein. Die Vorstellungen sind überwiegend ausverkauft. Vielleicht sind Sie bereit, Frau Senatorin, heute noch einige Worte dazu zu sagen,
A C
B D
möglicherweise ist es aber von September bis jetzt noch zu früh; anderenfalls werden wir uns sicher im Januar im Kulturausschuß darüber unterhalten.
Die CDU, meine sehr geehrten Damen und Herren, erwartet für die Bürger dieser Stadt auch in Zukunft ein strahlendes Hoch für Kunst und Kultur. Mit Mittelmaß werden wir uns nicht zufrieden geben, zumal Mittelmaß meistens den gleichen finanziellen Aufwand erfordert wie Spitzenleistungen.
Frau Senatorin, im vergangenen Jahr hat die CDU dem Einzelplan 3.3 zugestimmt. Wir wollten ein Signal für die Kunst und Kultur dieser Stadt setzen und auch zum Ausdruck bringen, daß wir Vertrauen hatten und trotz aller Probleme an die gestalterische Kraft von Kunst und Kultur glauben.
In diesem Jahr fällt uns dieser Schritt sehr viel schwerer. Es gab erhebliche Bedenken. Aber trotz all dieser Bedenken und obwohl wir uns im Wahljahr befinden, reichen wir Ihnen noch einmal die Hand, Frau Dr. Weiss, und werden auch dem Kulturetat 2001 zustimmen.
Man kann doch Anregungen geben und Zukunftsvisionen aufzeichnen, an die Stärke dieser 363 Millionen DM glauben und alles tun, um das Kulturangebot positiv in die Zukunft zu führen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Senatorin, wir möchten auch ausdrücklich betonen, daß einige Sachentscheidungen, die Sie erfolgreich auf den Weg gebracht haben, unsere Unterstützung finden, obwohl wir, wie ich schon andeutete, mit der Art und Weise der Finanzierung nicht einverstanden sind. Das ist zum Beispiel der Neubau des Opernmagazins, die Proben- und Studiobühne der Gaußstraße, die Langzeitfinanzierung der Staatstheater, die Museumsreform, das Musikfest und die Organisation der Bücherhallen.
Ich komme jetzt zum Schluß mit einem besonderen Vorschlag, daher also noch ein paar Worte zum Verhältnis von Kultur und privatem Geld, zum Sponsoring. Die Mäzene und Sponsoren in dieser Stadt haben sich sehr gut auf die neue Zeit eingestellt! Wir freuen uns darüber. Wir machen Ihnen, Frau Senatorin, deshalb folgenden Vorschlag: Bitten Sie die wichtigen Hamburger Spender, Sponsoren und Mäzene darum, daß sie nicht die Kleinen vergessen, wenn sie die Großen großzügig bedenken. Ich schlage daher vor, daß Sie die Geldgeber dazu auffordern, im Falle von Großspenden, beispielsweise an eines der großen Staatstheater, 5 oder 10 Prozent der Summe in einen Fonds zu leiten, um die Privattheater oder die freie Theaterszene mindestens gut zu erhalten.
Ich persönlich bin der Meinung, daß es bei einer Spende von 100 000 DM für kein Staatstheater eine Rolle spielen würde, nur 90 000 DM zu behalten, während 10 000 DM für ein bedürftiges Privattheater oder eine nicht subventio
nierte freie Gruppe Wunder wirken können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.