Protocol of the Session on December 12, 2000

das kommt dann Hamburg und unseren konzeptionellen Vorstellungen zugute.

An den Senat muß ich jedoch ein kritisches Wort richten: Ich habe genau gegen solche Dinge gekämpft, wie sie heute in der „Bild“-Zeitung zu lesen sind, daß nämlich die Richtlinie Kompetenz Plus dafür da sei, Löcher zu stopfen. Das ist natürlich total falsch, weil es ein Instrument ist, um Schulen eigenverantwortlicher gestalten zu lassen. Es dient keinem anderen Zweck.

Die GAL hat vor eindreiviertel Jahren einen Antrag an den Senat gestellt, um den Gesamtkomplex der Autonomieentwicklung dargestellt zu bekommen, wie zum Beispiel die Zeitschiene für die Umsetzung der Maßnahmen zur Autonomieentwicklung aussieht. Darauf warte ich noch. Auf meine Nachfrage wurde mir geantwortet, daß daran noch gearbeitet werde. Ich denke, daß ein Jahrhundertbericht vorgelegt wird, der hoffentlich nicht so dick wie der PUABericht ausfällt. Ich hoffe, die Antwort kommt jetzt bald, damit man der Schulgemeinde deutlich machen kann, was schulpolitisch Erstklassiges in Hamburg auf den Weg gebracht wird.

In der Öffentlichkeit wird allerdings auch noch ein anderes Thema diskutiert – das wurde schon angesprochen –: Welche Schule ist richtig für mein Kind? Wie gehe ich mit den über vierzigprozentigen Anmeldungen für das Gymnasium um?

Die Opposition hat keine klugen Lösungen. Von Bildungsinflation zu sprechen, ist wirklich eine „heiße Kiste“. Die CDU ist natürlich die große Fürsprecherin des dreigliedrigen Schulsystems; das ist nichts Kreatives. Die Gruppe REGENBOGEN ist nur für die Gesamtschule. Ich frage mich: Was wollen wir mit den anderen Schulformen machen? Sollen wir die anderen Schulen – aus welcher ideologischen Sicht auch immer – dichtmachen? Das ist keine konstruktive Idee, um Schule zu entwickeln.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Ach!)

Es gibt keine einfachen Lösungen, außer Sie schaffen den Elternwillen ab und führen wieder eine Aufnahmeprüfung ein. Wenn das Ihre Lösung ist: Wunderbar!

Wir haben tatsächlich auch eine Fürsorgepflicht.

(Rolf Kruse CDU: Was wollen Sie denn?)

Wir wollen keine Stadtteile ohne Schulen. Insofern haben wir und auch die Behörde bei der Heinrich-Wolgast-Schule oder auch für Steilshoop entsprechende Konzepte auf den Weg gebracht. Es gibt aber auch Schulstandorte, die trotz aller Belebungsversuche nicht haltbar sind. Dann müssen Konsequenzen gezogen werden. Das ist eine konsequente Schulpolitik.

Es gibt aber auch weitere gravierende Probleme zu lösen, die eine Herausforderung für unsere Stadt bedeuten.

(Wolfgang Beuß CDU: Hört, hört!)

Es geht nicht darum, irgend etwas schön zu reden: Der mangelnde Lehrernachwuchs und der Unterrichtsausfall sind brennende Themen.

(Wolfgang Beuß CDU: Drei Jahre hatten Sie Zeit!)

Wir laufen sehenden Auges in einen horrenden Lehrermangel, wenn wir hier nichts auf den Weg bringen. Ich habe in jeder meiner letzten Haushaltsreden schon auf spezielle Lehrergruppen verwiesen. Die Lösung, Lehrer

durch Wiederverbeamtung zu ködern, ist sicherlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen. Die Verbeamtung ist für uns keine Lösung auf Dauer, weil wir immer wieder an Grenzen – an Laufbahnprinzipien und andere obsolete Geschichten – stoßen.

Um so wichtiger ist es, daß die KMK koordiniert vorgeht und diejenigen abmahnt, die mitten im Schuljahr Kollegen abwerben. Das ist ein unsägliches Vorgehen.

Wir fordern weiterhin, Seiteneinsteigern wie zum Beispiel Meisterinnen, Ingenieurinnen und anderen die Möglichkeit zu geben, daß ihre Berufsqualifikation anerkannt wird. Insofern ist eine Modularisierung nötig. Im Rahmen der Internationalisierung und Europäisierung muß auch ein erleichterter Zugang und die Anerkennung von Abschlüssen möglich sein, um so qualifiziertes Personal an die Schulen zu bekommen.

Zum Problem der Lehrerversorgung, das wir tatsächlich angehen müssen, kommt die Frage der ausreichenden Ressourcen. Hamburg spart die Schule nun wirklich nicht kaputt; das ist absoluter Blödsinn. Herr Frank, Sie nannten ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen. In Hessen hat man ausgerechnet: Wenn der Standard von Hamburg erreicht werden soll, müssen 5000 Lehrer eingestellt werden.

(Petra Brinkmann und Günter Frank, beide SPD: Bayern!)

Insofern ist diese Stoßrichtung der Opposition total falsch. Trotzdem fallen in Hamburg 27 000 Unterrichtsstunden pro Monat aus, wie in allen anderen Bundesländern auch. Davor dürfen wir die Augen nicht verschließen. Das wissen die Betroffenen – Lehrerinnen, Eltern und Schülerinnen – am besten. Aus eigener Kraft Unterricht zu vertreten, wird an den Schulen sehr unterschiedlich organisiert. Zur Zeit werden dafür tatsächlich viele Förder- und Teilungsstunden herangezogen. Es gibt im Augenblick keine Anweisung für Mehrarbeit. Dies wäre wahrscheinlich bei der derzeitigen Atmosphäre auch nicht besonders sinnvoll. Wir sollten nicht sehenden Auges in ein Debakel laufen.

(Anja Hajduk GAL: Na ja!)

Allerdings erwarten wir noch eine Antwort des Senats zu einer Richtlinie zur Vermeidung von Unterrichtsausfällen. Ich hoffe, daß wir dann Ergebnisse sehen. Ich möchte nicht pessimistisch in die Zukunft blicken, denn ich hoffe, daß wir gemeinsam mit dem Senat Abhilfe schaffen können.

Zum Schluß meiner Rede möchte ich noch zwei Themen aufgreifen, die die GAL in den vergangenen Jahren immer wieder bewegt hat und über die wir gestritten haben: Die Jugendlichen ohne Abschluß und Ausbildung. Sie bleiben bei allen positiven Trends eine politische Herausforderung. Der Bürgermeister hat das gestern dankenswerterweise angesprochen. Hierzu gibt es differenzierte Vorschläge von uns, die CDU hat aber keinen einzigen konzeptionellen Vorschlag gemacht.

Wir haben – das haben Sie wieder nicht gelesen, Herr Beuß – gemeinsam das Projekt „REGIONET“ auf den Weg gebracht, einen gemeinsamen Antrag gestellt, um das Projekt „Die Stadt als Schule“, das jetzt erfolgreich anläuft, und vieles andere mehr auf den Weg zu bringen. Insofern sind wir dabei, auch schon in der Sekundarstufe I präventiv zu arbeiten, damit wir schon früher bei den Jugendlichen ansetzen können, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Zum Schluß möchte ich ein Problem ansprechen, das ein gesamtgesellschaftliches, aber gerade auch für die Päd

(Christa Goetsch GAL)

agogik ein besonderes ist. Wir haben es mit Rassismus, Ausgrenzung, Gewalt und Rechtsextremismus zu tun. Hier helfen keine politischen Sonntagsreden, sondern nur langfristige Konzepte. Dies ist für unsere Schule und für alle, egal welcher Herkunft, eine große Aufgabe und Herausforderung. Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf Bildung. Meine Fraktion und ich werden weiterhin streiten, um die gleichen Bildungsrechte für alle – auch für die jugendlichen Flüchtlinge, denen zum Teil immer noch ein Schulabschluß verweigert wird – zu erreichen. Wir wollen Integration und keine Segregation unter den Kindern und Jugendlichen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Unter Rotgrün sind uns in den letzten Jahren einige Schritte dazu gelungen. Ich möchte drei nennen: die portugiesisch-deutsche Grundschule, die Sicherung der Vormundschaften für jugendliche Flüchtlinge und der Erzieherinnen-Ausbildung für Migrantinnen.

Es gibt viele Vorschläge und Ideen, bessere Konzepte, aber auch Umsetzungen in dieser Stadt. Wir werden weiter schul- und bildungspolitisch streiten, und das über die Legislaturperiode hinaus. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Koppke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Schwerpunkt der Haushaltskritik und unsere Änderungsanträge liegen – wie wir es auch gestern in der Generaldebatte betont haben – im Bereich Kinder und Jugend. Dazu gehört natürlich auch der Bildungsbereich. Die Hochschulen und die Öffentlichen Bücherhallen sind erst morgen dran. Heute widmen wir uns den Schulen.

Die Realität an den Hamburger Schulen ist – auch unter der neuen Senatorin Pape – geprägt von folgendem: Es fällt Unterricht aus, es gibt überalterte Lehrerkollegien, veraltete Schulbücher, und bei den Schülerinnen und Schülern nimmt die sprachliche Kompetenz ab. Darauf hat vor allen Dingen Herr Beuß hingewiesen, aber auch Frau Goetsch hat das noch einmal bestätigt.

Das einzige, was der Senat aber tut, ist, die Ökonomisierung der Schullandschaft voranzutreiben.

(Anja Hajduk GAL: Alles alte Argumente!)

Dazu gehört zum Beispiel das Outsourcing beispielsweise der Sportgutscheine, die Budgetierung, daß Firmen Paten von Schulen oder die VHS eine Holding werden, daß permanent Rankings stattfinden und ein Test den nächsten jagt. Insbesondere die Tests – von LAU bis PISA – führen aufgrund gänzlich fehlender bildungspolitischer Inhalte zu politischen Entscheidungen, zum Beispiel in Form der Verschärfung frühzeitiger Selektionen der Schülerinnen durch die Anhebung der Notenschwelle. Das Motto der Hamburger Schulpolitik lautet bedauerlicherweise: Messen, ohne zu entwickeln, und das auch noch, ohne zu fragen, was man eigentlich messen will. Damit muß unserer Meinung nach Schluß sein,

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

weil endlich der Blick aufs Ganze gefragt ist. Es hilft überhaupt nicht – Frau Goetsch, das haben Sie am Ende Ihrer Rede wieder getan –, alljährlich auf kleine, explizit grüne

Erfolge wie auf eine kleine Produktionsschule hier oder eine zweisprachige Grundschule da zu verweisen;

(Christa Goetsch GAL: Rotgrüne!)

das hilft überhaupt nicht.

(Zurufe von der GAL)

Nun seien Sie doch mal ruhig.

REGENBOGEN – für eine neue Linke will ein Bildungssystem, das den individuellen Entwicklungsverläufen der einzelnen Schülerinnen gerecht wird. Wir wollen, daß sich die Lernbedingungen der Schülerinnen verbessern und daß der Zugang zu Wissen gleichmäßig und gerecht verteilt wird. Wir präferieren integrierte Systeme und halten frühzeitige Sortierungen von Kindern für falsch. Wir wollen einen deutlichen Ausbau der Ganztagsschulen – hierin sind wir uns ja alle einig –, jüngere Lehrerinnen, kleinere Klassen und eine Priorität im Ausgabenbereich für Bildung.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Im Zuge der gegenwärtigen Politik droht Hamburg allerdings der Verlust wesentlicher Errungenschaften des Hamburger Schulsystems, zu denen insbesondere die integrierten Systeme gehören.

„Bildung soll jedem die Chance eröffnen, sich seinen Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln“,

so Bürgermeister Runde in seiner Regierungserklärung am 12. November 1997.