Protocol of the Session on November 30, 2000

Die Position der Bundesregierung, die ich für richtig halte, weist darauf hin, daß es sich dabei nicht um unzulässige Beihilfen handelt, die einen Wettbewerbsvorteil bieten, sondern daß es natürlich zum üblichen Haftungssystem einer Anstalt öffentlichen Rechts gehört. Natürlich haftet der öffentliche Eigentümer für eine Anstalt öffentlichen Rechts, die ihm gehört. Das Gros der Sparkassen ist lokal tätig und sorgt in der Bundesrepublik für eine flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen.

Sparkassen sind verpflichtet, kleinere und mittlere Unternehmen und die breite Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen zu versorgen. 80 Prozent der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger haben ihr Konto bei den Sparkassen und genossenschaftlichen Banken. Die Sparkassen schaffen erst ein Bankensystem in der Fläche, in der Wettbewerb möglich ist. Dies ist eine Struktur, die wir erhalten wollen. Ein Blick in Nachbarländer zeigt, daß es nicht selbstverständlich ist, daß alle Menschen einen Zugang zu einem eigenen Bankkonto haben. In Großbritannien haben dreieinhalb Millionen Menschen, das sind 9 Prozent der Bevölkerung, kein Bankkonto, das sind die sogenannten Un-bank-people.

Die ersten Banken in der Bundesrepublik haben begonnen, Kunden mit einem Einkommen von weniger als 100 000 DM mitzuteilen, daß sie kein Interesse an einer weiteren Geschäftsbeziehung haben. Hier sieht man, daß freier Wettbewerb nicht geeignet ist, für alle Menschen gleichermaßen Zugang zu zentraler Infrastruktur zu gewährleisten. Diesem Beispiel ließen sich weitere hinzufügen.

(Beifall bei der SPD)

Die Auseinandersetzung mit der EU-Kommission, auch über die Transparenzrichtlinie, ist noch nicht zu Ende. Aus meiner Sicht muß eine Lösung gefunden werden, die die gewachsene Struktur der Bundesrepublik zum Beispiel bei den Sparkassen-, Volks- und Raiffeisenbanken, Wohlfahrtsverbänden und öffentlichen Unternehmen berücksichtigt, weil sie sich bewährt haben, und diese nicht kaputtschlägt, nur weil es in anderen europäischen Ländern diese Tradition nicht gibt. Es muß eine Lösung gefunden werden, die die guten Seiten unseres Sozialstaates mit den ja richtigen Anforderungen der Europäischen Union an den Wettbewerb miteinander verzahnt.

Von Europa zurück nach Hamburg. Auch hier geht es um ein pragmatisches Vorgehen, das ein verträgliches Nebeneinander von privatwirtschaftlichen und öffentlichen leistungs- und wettbewerbsfähigen Unternehmen gewährleisten muß. Eine Verteufelung von Unternehmen, die sich im öffentlichen Eigentum befinden, ist dazu allerdings nicht geeignet.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Hajduk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es absolut legitim und richtig, kritisch zu hin

terfragen, welche Aufgaben in öffentlicher Unternehmerhand gestaltet werden.

(Beifall bei Jürgen Mehlfeldt CDU)

Aber dann, Herr Mehlfeldt, möchte ich sagen, daß der Beitrag aus Ihrer Fraktion mir insgesamt ideologisch zu verengt erscheint.

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Och!)

Das möchte ich in drei kurzen Sätzen belegen. Hamburg hat öffentliche Unternehmen dort, wo andere diese Bereiche noch in der Verwaltung komplett integriert haben, dort ineffizienter arbeiten und teilweise mit großen Verlusten belastet sind. Die Hamburger Beteiligungsverwaltung wird hinsichtlich ihrer Transparenz für uns als Parlament immer eine Herausforderung bleiben, aber im Vergleich mit anderen Gebietskörperschaften gut abschneiden. Sie hat hinsichtlich der finanziellen Entwicklung beim Konsolidierungsprogramm der Hansestadt einen guten Beitrag geleistet und trägt ebenso im Investitionsbereich dazu bei, daß wir fast noch einmal in derselben Größenordnung wie unsere Investitionen aus dem Haushalt für Zukunftsinvestitionen bereitstehen. Das muß dazu gehören, wenn man ein Urteil über diesen Bereich fällen wird.

(Glocke)

Ich habe nur wenig Redezeit. Es tut mir leid, daß ich keine Zwischenfrage zulassen kann.

Ich möchte deswegen darauf hinweisen, daß wir von der GAL-Fraktion allerdings die Diskussion, die durch die EUTransparenzrichtlinie angestoßen wurde, in jedem Falle für eine berechtigte Sichtweise halten und auch deren Entwicklung insofern mit Kritik, aber auch mit Interesse verfolgen werden.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt doch vor. Das Wort bekommt Senatorin Dr. Nümann-Seidewinkel. Ich kann das Wort nur erteilen, wenn es auch begehrt wird, Frau Senatorin.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie haben selbstverständlich recht. Ich dachte nur, Herr Hackbusch würde sich noch melden, und deswegen habe ich mich noch nicht gemeldet, weil es sonst möglicherweise bedeutet hätte, daß er sich – und das möchte ich doch ungern, insbesondere heute nicht nach diesem netten kleinen Geschenk, Herr Hackbusch – darüber beklagen würde, daß ich mich vordrängeln würde.

Meine Damen und Herren! Mit den öffentlichen Unternehmen verfügt die Freie und Hansestadt Hamburg über Instrumentarien, mit denen sie aktiv gestalten kann. Wer diese Instrumente zur aktiven Gestaltung aufgibt, kann in den Bereichen der Leistungserbringung für die Bürgerinnen und Bürger, die im öffentlichen Interesse liegen, nicht mehr agieren. Er kann nur noch reagieren, nachregulieren, Löcher stopfen.

Mit den öffentlichen Unternehmen bewahrt die öffentliche Hand ein großes Maß an Flexibilität und Einflußmöglichkeiten. Der Staat kann somit den Ansprüchen der Flächendeckung und Versorgungssicherheit sowie an Qualitätsund Umweltstandards aktiv gerecht werden. Die Grenzwerte für Schadstoffe im Trinkwasser, Abwasser und Abgase bei der Müllverbrennung werden beispielsweise von

(Britta Ernst SPD)

den hamburgischen Unternehmen weit unterschritten. Das Erreichen solcher Werte läßt sich durch die unmittelbare Einflußnahme auf ein eigenes Unternehmen mit wesentlich weniger Aufwand sicherstellen als über langwierige Verhandlungen über komplizierte Anreiz- und Sanktionssysteme für private Unternehmen.

Daß unser Beteiligungsmanagement funktioniert, hat gerade eine Untersuchung, auf die Frau Ernst noch einmal hingewiesen hat, in einem Vergleich zwischen Berlin, Bremen und Hamburg gezeigt. Unser Vorgehen ist mit dem Urteil „best practise“ bestätigt worden. Die Kritik, daß Private öffentliche Aufgaben in der Sache besser erfüllen können als öffentliche Unternehmen, ist falsch. Ebenso entbehrt der Vorwurf, öffentliche Unternehmen würden schlechter gemanagt als Private, jeder Grundlage.

(Dr. Michael Freytag CDU: Es gibt ja auch keinen Filz in Hamburg!)

Gucken Sie sich doch einmal die Tatsachen an: Der Flughafen Hamburg ist der profitabelste unter allen deutschen Flughäfen. Hamburg hat mittlerweile eine Spitzenstellung beim Kostendeckungsgrad des öffentlichen Personennahverkehrs.

(Dr. Michael Freytag CDU: Weil es Wettbewerb aus Brüssel gibt!)

Wasserpreis und Benutzungsgebühr für Siele und Müllentsorgung bleiben über Jahre konstant. Dabei sind die Preise im bundesweiten Vergleich günstig. Dieses sind Belege für die Wettbewerbsfähigkeit der öffentlichen Unternehmen.

Jetzt kommt seit neuestem der Vorwurf, öffentliche Unternehmen würden den Wettbewerb verzerren. Was soll nun gelten? Öffentliche Unternehmen sollen profitabel und gut gemanagt werden. Dürfen sie dann nicht in den Wettbewerb eintreten? Fakt ist doch, daß es die betroffenen öffentlichen Unternehmen akzeptiert haben, daß im Zuge der europäischen Integration die Märkte liberalisiert worden sind oder aus anderen Gründen frühere Vorbehaltsbereiche nicht mehr gelten.

(Dr. Michael Freytag CDU: Es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig!)

Diesen Entwicklungen stellen sich die öffentlichen Unternehmen offensiv mit ihrer Unternehmenspolitik nicht mehr und nicht weniger, und das mit Erfolg. Wettbewerb schärft den Blick für die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerfüllung über alle Unternehmensbereiche bis hin zum Einkauf von Leistungen, der Vermarktung des Know-hows oder den Aufbau damit zusammenhängender Geschäftsfelder. Im Wettbewerb unterliegen die öffentlichen Unternehmen den gleichen Spielregeln wie die privaten. Natürlich wäre es unlauterer Wettbewerb, wenn sie bei ihren Aktivitäten subventioniert würden, sei es durch interne Quersubventionen aus Monopolbereichen oder durch gezielte Beihilfen der Stadt. Solche Wettbewerbsverzerrungen finden jedoch nicht statt.

Von den öffentlichen Unternehmen wird eine weitere Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit erwartet. Diesen Ansprüchen werden sie sich stellen, ohne die Bindung an ihre öffentliche Aufgabe und die weiteren öffentlichen Interessen aus dem Auge zu verlieren. Die Erfolge dieser Politik werden allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Horst Schmidt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Reihenfolge hat sich ein bißchen verändert. Die Senatorin hat einiges gesagt, aber ich will trotzdem noch einmal darauf eingehen. Öffentliche Unternehmen haben in Hamburg am Gesamtvolumen der einzelnen Gewerke keinen so großen Anteil. Es ist also nicht damit zu rechnen, daß sich bei Beendigung der privatwirtschaftlichen Aktivitäten von öffentlichen Unternehmen die restlichen Hamburger Handwerksbetriebe durch einen warmen Auftragsregen sanieren können.

Ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Heino Vahldieck CDU: Die Antworten stehen nicht im Manuskript!)

Des weiteren wäre ich vorsichtig mit dem Wort Wettbewerbsverzerrung. Dies könnte man nur dann ausführen, wenn die jeweiligen öffentlichen Unternehmen ihre Leistungen weit unter den gängigen Marktpreisen anbieten würden. Dies ist – wie aus der Antwort des Senats hervorgeht – ebensowenig der Fall wie deren Bevorzugung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Somit wird klar, daß die Argumentation der CDU nicht auf schlagkräftigen Argumenten beruht. Sie resultiert eher aus einem neoliberalen Glaubenssatz, der das Ende jedes staatlichen Arrangements in der Privatwirtschaft und darüber hinaus den Verzicht auf jede Art der Regulierung fordert.

(Heino Vahldieck CDU: Können Sie das noch mal wiederholen, Herr Schmidt?)

Der Schaffung eines solchen Staates, der im übrigen gerade dem Handwerk eher Schaden als Nutzen bringen dürfte, werden wir uns auch zukünftig verweigern.

(Beifall bei der SPD)

Dem Hamburger Handwerk kann vor allem durch zwei Maßnahmebündel wirklich geholfen werden. Zum einen durch Maßnahmen zum Zurückdrängen der Schattenwirtschaft und zum anderen Maßnahmen gegen den derzeit partiell stattfindenden ruinösen Wettbewerb über Dumpinglöhne.

(Heino Vahldieck CDU: Ich dachte, der ist neolibe- ral!)

In beiden Fällen läßt die SPD auf Landes- und Bundesebene die Handwerksunternehmen nicht im Stich, sondern wir werden weiter mit ihnen zusammenarbeiten und ihnen Hilfen anbieten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit ist die Große Anfrage besprochen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 55 auf: Drucksache 16/5003: Antrag der SPD-Fraktion zur Flexibilisierung der Paragraph-5-Schein-Vergabe für Betreutes Wohnen.

[Antrag der Fraktion der SPD: Flexibilisierung der §-5-Schein-Vergabe für Betreutes Wohnen – Drucksache 16/5003 –]

Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Baar hat es.

(Senatorin Dr. Ingrid Nümann-Seidewinkel)