Protocol of the Session on November 15, 2000

Lassen Sie mich trotzdem zu den Schlußfolgerungen und Konsequenzen für zukünftige Entwicklungen aus den Begleituntersuchungen kommen, denn was gut ist, kann auch noch besser werden. Die Schulentwicklung muß ja weitergehen. Hier muß man deutlich machen, welche Perspektiven vorhanden und notwendige Verbesserungen anzustreben sind:

Erstens: Eine Kooperation zwischen Hort und Grundschule.

Zweitens: Ein großer Entwicklungsbedarf, der sich auch aus den LAU-Studien ergibt.

Drittens: Hier möchte ich auf bestimmte Lernangebote, die unter anderem Deutsch als Zweitsprache vorsehen, und auf die Vertretungsreserve eingehen.

Zum ersten: Die Kooperation zwischen Hort und Grundschule muß generell intensiviert und institutionalisiert werden. Hier ist noch einiges zu leisten, um die Anschlußfähigkeiten zwischen Kita und Schule hinsichtlich der Betreuungszeiten, der Kooperationen mit der Jugendhilfe und die Vorbereitung der Kinder auf das Lernen überhaupt herzustellen. Es besteht viel Entwicklungspotential, das noch weiter ausgebaut werden kann. Wie gesagt, was gut ist, kann noch besser werden. Es müssen Konzepte zwischen Schule und Kita verknüpft werden.

Zum zweiten: Aufgrund der heterogenen Schülerschaft besteht – das haben die LAU-Studien deutlich gezeigt –

großer Entwicklungsbedarf. Hier muß schnell und langsam Lernenden entsprochen werden. Das kann unter anderem natürlich auch durch jahrgangsübergreifende Klassen geschehen. Es wird schon einiges ausprobiert und experimentiert. Ich bin sehr gespannt, was zur Zeit bei den jahrgangsübergreifend arbeitenden Grundschulen und den beiden neuen sechsjährigen Grundschulen an Entwicklungen herauskommt.

Drittens zu den Lernangeboten, wie zum Beispiel der muttersprachliche Unterricht und der von uns allen geforderte Deutschunterricht als Zweitsprache, der bisher nicht optimal organisiert ist. Dieser Zweitsprachenunterricht stellt übrigens keine Diskriminierung dar, sondern ist fachwissenschaftlich richtig gebraucht.

Bei der ursprünglichen Konzeption der VHGS sind die zweisprachigen Kinder nicht entsprechend berücksichtigt worden. Inzwischen haben 25 Prozent der Kinder eine andere Muttersprache als Deutsch.Es geht nicht darum, ohne Konzept zusätzliche Deutschstunden zu geben; das bringt überhaupt nichts und ist nur populistisch. Es bringt nur etwas, wenn wirklich die Zweisprachigkeit entsprechend akzeptiert wird. Alles anderes ist vertane Liebesmüh. Alle Konzepte, bei denen man die Deutschstunden aufstockt, ohne die Muttersprache zu berücksichtigen, sind gescheitert.

(Petra Brinkmann SPD: Sagen Sie! Sagen Sie!)

Das sage nicht nur ich, sondern das sagen alle, die davon Ahnung haben.

(Petra Brinkmann SPD: Ich kenne auch welche, die Ahnung haben!)

Es ist so, Frau Brinkmann, daß die jetzigen Deutsch-Zweitsprachenstunden oft für Vertretungsunterricht genommen werden und dadurch der Deutschunterricht nicht ankommt.

(Petra Brinkmann SPD: Ja, das glauben wir Ihnen gern!)

Sie kennen das Beispiel in Wilhelmsburg genau, wo 123 Stunden für Deutsch als Zweitsprache vorhanden sind, aber für den Ausgleich von Unterfrequenzen in der SEK I genommen werden.

(Petra Brinkmann CDU: Ja, richtig! Das ist ein an- deres Thema, Frau Goetsch!)

Insofern geht es nicht darum, das nicht zu machen, sondern die Zweitsprache Deutsch entsprechend in der VHGS zu befördern und in dieser Methodik und Didaktik zu unterrichten.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wir wollen nicht, daß die Vertretungsreserve auf Kosten der Förder- und Teilungsstunden geht;das ist auch schon deutlich gesagt worden.

Ich komme zum Schluß. Am Weltkindertag sagte ein Kind im Radio auf die Frage, was sich ändern muß: „Das Parlament abschaffen.“ Ich glaube, wenn wir mehr Beschlüsse im Sinne der Kinder wie bei der VHGS fällen würden, würde die Antwort anders ausfallen.

Ich möchte noch ein anderes Zitat bringen, das mir in der Recherche aufgefallen ist. Kurt Edler sagte 1995 an dieser Stelle:

„Die VHGS hat nur eine Chance, wenn sie die Standards der heutigen Grundschule übertrifft, nicht aber, wenn sie sie verletzt.“

(Bettina Machaczek CDU)

Diese Chance ist bei einer guten VHGS, wie sie jetzt auf dem Weg ist, wahrgenommen worden. Die GAL-Fraktion wird die Weiterentwicklung unterstützen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Koppke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch aus unserer Sicht war und ist die flächendeckende Einführung der VHGS eine gute Sache. Trotzdem möchte ich die Möglichkeit ergreifen, kurz vier Anregungen für die Zukunft der VHGS zu geben.

Erstens ist es so, daß sich in den ersten Klassen der Hamburger Schulen im Durchschnitt 24,5 Kinder befinden.

(Barbara Duden SPD: Das arme halbe Kind!)

Das sind ziemlich viele.

Es fehlt an Personal, an Lehrerinnen und Erzieherinnen, um – Frau Machaczek hat darauf hingewiesen – die Doppelbesetzungen an Lehrkräften und damit Teilungsstunden zu ermöglichen. Dies ist nicht nur ein Problem – wie das Frau Woisin gesagt hat – in Krankheitsfällen, sondern ein grundsätzliches. Insofern ist für uns die VHGS der Zukunft dadurch gekennzeichnet, daß es entweder weniger Schülerinnen und Schüler pro Klasse gibt oder es mehr Lehrerinnen und Erzieherinnen oder beides geben muß.

Zweitens gibt es das Problem Sportunterricht. Während früher bei einer dreizügigen Grundschule 30 Sportstunden zur Verfügung standen, sind es jetzt nur noch 27 Stunden. Dieses Phänomen beißt sich leider mit dem immer wieder postulierten Gebot der Wichtigkeit von Sport und Bewegung für Kinder. Außerdem fehlt es überhaupt an vielen Schulen an Bewegungsräumen und natürlich auch an Turnhallen. Insofern gilt es, auch hier nachzubessern.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Drittens halte ich die sehr positive Bewertung der VHGS in bezug auf die mögliche Berufstätigkeit von Frauen, auf die Frau Woisin hingewiesen hat, für übertrieben.Rechnet man das Hinbringen und das Abholen des Kindes zur und von der Schule...

(Dr.Hans-Peter de Lorent GAL:Die sollen allein ge- hen!)

Ein sechsjähriges Kind geht nicht unbedingt allein zur Schule.

(Wolfgang Marx SPD: Natürlich!)

Ich bin nicht allein gegangen;wir hatten an meiner Schule ein Patenmodell, das sehr sinnvoll war, weil man gleich über die älteren Kinder in die Schule integriert wurde.

Jedenfalls: Rechnet man das Hinbringen und das Abholen sowie den Weg zur Arbeitsstätte mit ein, bleibt für eine Mutter mit einem Grundschulkind nur eine drei- bis vierstündige Berufstätigkeit. Das ist völlig unzureichend und keine tatsächliche frauenpolitische oder frauenfördernde Maßnahme.

Insofern ist dies auch ein Grund dafür, weshalb wir es für notwendig halten, die VHGS in Zukunft um eine Stunde, nämlich bis 14 Uhr, mit dem Angebot eines Mittagessens auszuweiten.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Mein vierter Punkt bezieht sich auf die Verläßlichkeit. Die Verläßlichkeit der VHGS bezieht sich nur darauf, daß es ein Betreuungsangebot gibt; die offenen Phasen zu Beginn und am Ende des Unterrichts sind nicht verläßlich.

(Michael Dose SPD: Ab Klasse 3 schon!)

Das heißt, daß die Eltern frei entscheiden können, ob die Kinder in den offenen Phasen in der Schule sind oder nicht. Dementsprechend bleiben nicht alle Kinder an allen Schulen bis 13 Uhr. Daraus ergeben sich zwei große Probleme.

Zum einen erschwert es natürlich die sinnvolle pädagogische Ausgestaltung dieser offenen Phasen, die im schlimmsten Fall zur schlichten Aufbewahrung verkommen können. Zum anderen stigmatisiert es aber auch die Kinder, die in der Schule bleiben „müssen“. Und es suggeriert ein überkommenes Bild von einer Rabenmutter, die nicht zu Hause ist und auf das Kind wartet.

In der Antwort auf die Große Anfrage hat der Senat geäußert, daß diese Verbindlichkeitserklärung für die offenen Phasen aufgrund des Schulgesetzes nicht möglich sei. Insofern appelliere ich an dieser Stelle an uns Parlamentarierinnen und Parlamentarier, daß wir im Sinne der Kinder diesen Punkt im Schulgesetz gemeinsam ändern.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Dr. Hans-Peter de Lorent GAL)

Das Wort erhält Senatorin Pape.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Einführung der Verläßlichen Halbtagsgrundschule in Hamburg ist im Interesse der Kinder in dieser Stadt ein sozialer und pädagogischer Meilenstein sowie ein politischer Erfolg.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie ist zugleich die pädagogische Antwort auf eine zunehmend heterogener werdende Schülerschaft. Damit trägt die Verläßliche Halbtagsgrundschule entscheidend zur Chancengleichheit für alle Kinder in dieser Stadt bei.