(Dr. Roland Salchow CDU: Wenn ich diese langsa- men Bewegungen sehe, glaube ich, daß er nicht weiß, was er sagen soll!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe sorgfältig gelesen, was die Gruppe REGENBOGEN uns als Problemlösungsvorschläge zur Verfügung stellt.
Ich will es vorwegschicken:Würde man diesem Konzept folgen, dann würden die Probleme der Rentenversicherung nicht nur größer, sondern unlösbar. Jeder, der auch nur ein bißchen davon versteht, kann das leicht nachvollziehen.
Erstens: Herr Hackbusch, bevor man sich an Lösungskonzepte macht, ist es doch sinnvoll, die Problemlage noch einmal zu beschreiben. Diese ist eindeutig so, daß wir in der Vergangenheit feststellen mußten, daß die Finanzierung der Rentenversicherung vor so großen Schwierigkeiten steht, daß sie zu Beitragserhöhungen führt, die in wenigen Jahren die Grenze von 30 Prozent des Bruttolohns überschreiten würden.
Wenn Sie im ersten Punkt Ihres Antrags davon sprechen, daß höhere Beiträge als die heutigen kein Grund zur Beunruhigung seien, dann frage ich mich ernsthaft, in welcher Welt sie leben.
Sprechen Sie doch einmal mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Betrieben und mit den Arbeitgebern, welche Folgen das hat. Es ist doch inzwischen Realität, Herr Hackbusch und meine Damen und Herren von der Gruppe REGENBOGEN, daß von jeder zusätzlichen Mark, die eine deutsche Arbeitnehmerin oder ein deutscher Arbeitnehmer verdient, netto weniger als die Hälfte bei den Betroffenen und ihren Familien ankommt. Das ist zu einem guten Teil den Problemen der Finanzierung der Sozialsicherungssysteme geschuldet.
Wir haben dieses System auf dem Faktor Arbeit aufgebaut. Wir erleben, welche Wettbewerbsprobleme wir damit insgesamt bekommen und welche Belastungen wir außerdem bei den Familien ankommen lassen. Daß das so nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand.
Zweitens: Die Menschen werden älter. Herr Hackbusch, Sie und ich – ich glaube, wir sind etwa aus dem gleichen Jahrgang – haben gute Chancen, älter zu werden als unsere Großväter und Urgroßväter.Zugleich arbeiten wir, was die Lebensarbeitszeit anbelangt, kürzer als diese.Das kann mein vierzehnjähriger Sohn im Kopf ausrechnen, daß das auf Dauer nicht gutgehen wird. Also muß es Lösungskonzepte geben. Ihr Vorschlag ist, das Rentenalter bei weiterhin hohem Rentenniveau zu senken.In welcher Welt lebt eigentlich der REGENBOGEN?
Ich bin der Auffassung, daß das Rententhema schwierig ist. Wir reden nicht über Steuererhöhungen hier und Lösungskonzepte da, sondern wir reden über die Lebensplanung von ganzen Generationen. Insoweit bin ich ein Verfechter derjenigen, die sagen, daß man mit diesem Thema sehr sorgfältig umgehen muß.
Ich halte es für höchst problematisch, daß sich Rentenreformen sozusagen in kürzester Folge überstürzen. Die letzten durchgeführten Rentenreformen liegen noch nicht allzulange zurück. Eine der letzten wurde verhindert; nun stehen wir vor dem Versuch, eine tiefgreifende, neue Problemlösung anzustreben.
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß es von verschiedenen gewerkschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Gruppen Kritik an diesen Plänen gibt. Damit kann man sich inhaltlich auseinandersetzen; das muß man auch tun.
Ich plädiere übrigens dafür, daß wir uns gemeinsam für ein System entscheiden, das auf einem möglichst großen Konsens beruht. Deshalb bedauere ich es sehr, daß die CDU aus den Konsensgesprächen ausgestiegen ist.Ich halte es für einen großen Fehler, daß das geschehen ist, rechne aber damit, daß in dieser Frage am Ende die Vernunft siegen wird und man wieder zusammenkommt.
Zurück zum Antrag der Gruppe REGENBOGEN. Fluchttendenzen aus dem solidarischen Rentensystem – das schreiben Sie richtig – sind zu stoppen.Herr Hackbusch, es war diese Regierung, die unter schwersten Anfechtungen das Thema der Scheinselbständigkeit angegangen ist. Dafür sind wir nicht nur von der Opposition, sondern auch von Arbeitgeberverbänden und anderen Betroffenen heftig geprügelt worden; das war nicht anders zu erwarten.
Dies war ein entscheidender Schritt, weil wir nämlich genau erreicht haben, was Sie auch wollen. Bereits jetzt kommen die Mehreinnahmen für die Rentenversicherung aus beiden Maßnahmen – aus der Neuregelung der Pauschalbeschäftigung und durch den Versuch, die sogenannte Scheinselbständigkeit einzudämmen – in Milliardenhöhe an. Die Entscheidungen waren richtig. Insoweit sind wir in diesem Punkt sicherlich einig.
Zum Thema Senkung der Altersgrenze kann ich nur sagen: Erklären Sie es den Menschen einmal, wer das finanzieren soll!
Es gibt Stichworte zum Thema Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsrente. Genau das ist in diesem Konzept vorgesehen. Die von der vorigen Regierung geplanten Änderungen hätten für die berufsunfähigen Menschen massive Verschlechterungen gebracht. Das wird notwendigerweise in wesentlichen Teilen korrigiert; darin sind wir dann einer Meinung.
Viele Vorschläge, die Sie zum Thema Geschlechtergerechtigkeit gemacht haben, finden meine Zustimmung. Die Frage dabei ist hier aber, wie wir das finanzieren. Würden wir das tun, was Sie sagen, dann kann von einer Verfestigung der Bundeszuschüsse keine Rede mehr sein.
Herr Hackbusch, gegenwärtig ist es so, daß der Staat jährlich 35 Prozent der Rentenausgaben aus Steuermitteln finanziert. Endlich ist das so. In der Vergangenheit war es nicht so; die vorige Regierung hat dies über Jahre verhindert. Die Versicherungsbeiträge haben für versicherungs
fremde Leistungen herhalten müssen. Diese Staatszuschüsse werden in den kommenden Jahren noch auf über 40 Prozent steigen.
Würden wir auf die Idee kommen, Ihre Vorschläge zu realisieren, Herr Hackbusch, dann hätten wir eine Staatsrente, weil die Mehrheit der Finanzierungskosten nicht mehr von den Versicherungsnehmern beigebracht würde, sondern vom Staat. Wenn Sie also eine Staatsversorgung wollen, dann sagen Sie es doch. Dann brauchen Sie nicht am Eingang Ihrer Erklärung darauf hinweisen, daß Sie – wie es so schön heißt – für eine solidarische Versicherung unter Beteiligung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind; das wäre dann nicht mehr der Fall.
Summa summarum: Erstens: Rentenpolitik wird nicht in Hamburg entschieden und Gott sei Dank auch nicht von der Gruppe REGENBOGEN.
Zweitens: Ich bin der Auffassung, daß es sich um ein Thema handelt, mit dem sich viel Konfliktstoff verbindet.
Drittens: Ich bin dafür, dieses Thema sehr sachlich, ernsthaft und transparent gegenüber den Betroffenen zu diskutieren.
Viertens: Ich kann alle davor warnen, in diesem Zusammenhang ständig Panikmeldungen herauszugeben. Man kann – wenn man es will – am Ende das Vertrauen der gesamten Bevölkerung in die Versicherungssysteme – auch in das der Rente –
Es wird viel darüber diskutiert, ob in der Frage der Belastung ein gerechter Ausgleich zwischen der jüngeren und der älteren Generation herbeigeführt ist. Erstmals hat sich die Union deutlich bekannt; sie will die heutigen Rentner stärker belasten.
Man kann darüber unterschiedlicher Meinung sein, wie dies funktioniert.Wenn wir die Entwicklung so weitertreiben lassen, wie sie sich aktuell darstellt, würden wir die jungen Menschen in einer unerträglichen Art und Weise belasten. Sie müßten nämlich die Renten über steigende Versicherungsbeiträge finanzieren. Das muß man erstens den jungen Menschen jeden Tag neu sagen. Zweitens kann man den jungen Menschen sagen, daß ihre Chance groß ist, deutlich länger Rente zu beziehen. Das muß gemeinsam finanziert werden; daran führt kein Weg vorbei.
Ich erlebe das in meiner eigenen Familie, wie das mit der Rente meiner Mutter und meines Vaters, der inzwischen verstorben ist, aussieht. Beide gehören zur Vorkriegsgeneration und haben als Kinder das Kriegsende erlebt.Sie sind diejenigen, die diese Republik aufgebaut haben. Die Lasten, die diese Generation getragen hat, sind unbeschreiblich groß. Ich sage als jüngerer Mensch:Wir haben es – jedenfalls in der Summe – unvergleichlich besser getroffen als unsere Eltern und Großeltern. Das gilt nicht für alle jungen Menschen, das sage ich ausdrücklich, aber im Durchschnitt ist es so.
und den Wohlstand, in dem wir heute leben, aufgebaut hat, nachträglich zu bestrafen. Soweit mein Kommentar dazu. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Kritik von Herrn Hackbusch an der SPD zu den Rentenangelegenheiten der letzten drei Jahre angeht: Wo er recht hat, hat er recht. Das muß einmal gesagt werden.
(Vereinzelter Beifall bei der CDU und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke – Dr. Holger Christier SPD: Oh, was ist das denn für eine neue Koalition!)
Es ist für anständige Sozialdemokraten ein bißchen schäbig, im Wahlkampf etwas zu versprechen, das man schon sechs Monate nach der Regierungsübernahme nicht einhalten kann.
Sie haben zunächst einmal willkürlich die Renten an die Inflationsrate angepaßt.In einer Statistik wird dargestellt – die natürlich auch Ihre Bundesregierung erhalten hat –, daß die Inflationsrate 2,5 Prozent betrug. Die Rentenanpassung vor drei Monaten belief sich auf 0,6 Prozent. Das bedeutet eine fast zweiprozentige Absenkung des realen Niveaus. Und dies geschieht unter einer sozialdemokratischen Regierung, die angetreten war und gesagt hat, daß die Rentner mit der Blüm-Reform zu stark belastet gewesen seien. Da es um die Wahl ging, war dies erlaubt. Aber Sie sollten sich ein bißchen schämen.
Zum Antrag der Gruppe REGENBOGEN: Sie haben die berühmte Schatzkiste erfunden. Jeder zahlt zwei bis drei Groschen ein und bekommt einen Taler zurück. Das kann nicht gehen. Deswegen hat der Kollege Grund recht, daß man diesen Antrag leider nur ablehnen kann, weil überhaupt nicht erkennbar ist, wie das finanziell in Deutschland geleistet werden soll.
Das soll nicht heißen, daß nicht die eine oder andere Anregung im Antrag wünschenswert wäre. Ich möchte ein Beispiel erwähnen:
Die Kinderjahre für zwei Kinder sollen bei der Frauenrente angerechnet werden.Wenn es mehr Jahre wären, wäre das zwar besser, aber zwei bedeuten wenigstens einen Anfang. Daraus könnte man etwas machen. Das alles gerät jedoch wieder in Gefahr.