Protocol of the Session on June 22, 2000

Dann die heiligen Kühe der Frauenförderpläne. Ich bin gar nicht gegen Frauenförderpläne und halte auch die Erfolge, die zum Teil erzielt worden sind, für beachtlich. Nur in der Menge gesehen haben sie sich eigentlich als präjudizierend erwiesen: Frauen sind Problemfälle. Irgendwie sind mit Frauen immer Probleme verbunden. Dabei sollen die Frauen nicht gefördert, sondern befördert werden oder überhaupt erst einmal eingestellt werden. Sie sollen Zugang zu den bezahlten Stellen bekommen. Aber wenn die Akzeptanz der Fördermaßnahmen bei den Betroffenen selber tatsächlich sinkt, wenn das grundsätzlich nicht in dem Sinne angenommen wird, wenn sich namhafte Frauen vehement davon distanzieren, wenn sie einen Posten bekommen haben und anschließend sagen, das habe ich meiner Fähigkeit und nicht irgendwelchen Frauenförderplänen zu verdanken, dann muß man sich doch fragen, was da eigentlich fehl läuft. Was läuft da fehl, Frau Urbanski? Das ist das. Denn diese distanzieren sich sofort davon.

Jutta Limbach hat das mit großer Bravour gemacht.

(Dr. Silke Urbanski SPD: Druck von außen!)

Ja, das ist mir auch klar. Aber wenn man den Sinn der Maßnahmen erhalten will, dann muß man darüber nachdenken und die Programme vielleicht so gestalten, daß sie auch Akzeptanz finden. Ich denke, ein wesentlicher Punkt ist, daß man die Einstellung nicht nur von Männern ändert, sondern auch die Einstellung zu Männern ändert, daß man nicht nur die Rollen der Frauen überdenkt, sondern auch die Rollen der Männer, die sie ja haben.

(Beifall bei Elke Thomas CDU, Walter Zuckerer SPD und Andrea Franken GAL)

Das ist kein Vorwurf an die Männer, sondern eher ein Vorwurf an die Frauen. Wenn man nämlich den Einstieg von Frauen ins Arbeitsleben haben will, dann muß man sich, da die Arbeitsplätze nicht vermehrbar sind, auch überlegen, wie man den Ausstieg von Männern attraktiv und plausibel gestaltet.

Vergessen Sie eines nicht: Die Zeit drängt danach. Wir müssen uns beeilen, das umzuändern, denn die größte Unterstützergruppe, die wir für unsere Frauenförderpläne haben, ist – entgegen dem, was Sie gesagt haben, Frau Urbanski, da mögen zwar ein paar schlimme Jungs dazwischen hocken – die Generation der Fünfzig- und Sechzigjährigen, die genau das unterstützt, die aber vielleicht selber Gleichberechtigung im Privatleben gar nicht praktizieren. Aber die sagen, nun laß man, das ist ja auch ganz in Ordnung und vielleicht ist es etwas. Diejenigen, die dagegen sind, das sind die Jüngeren, die jetzt nachwachsen. Die sagen sich nämlich, wir sind mit der Gleichberechtigung aufgewachsen, und was soll das eigentlich.

Ich habe neulich, Herr de Lorent, in einem der Flugblätter der GEW eine entzückende kleine Karikatur gefunden, in der auf die Rolle hingewiesen wird, wie sich die jungen Männer mittlerweile fühlen. Sie fühlen sich nämlich benachteiligt und ausgegrenzt.

(Wolfgang Beuß CDU: Genau!)

Sie sehen da einen Jungen und ein Mädchen, die vor den Toiletten stehen. Oben sind die beiden kleinen Figuren, die wir kennen, und dem Jungen, dem pressiert es ganz furchtbar, und das Mädchen steht davor und sagt:Nein, nein, hier nicht.

(Werner Dobritz SPD: Das geht nur bei Ernst Au- gust von Hannover!)

(Karen Koop CDU)

Ich bin mir ganz sicher, das eine ist für Frauen in Röcken, und das andere ist für Frauen in Hosen. So ist die Einstellung. Das heißt, sie fühlen sich ausgegrenzt und kommen überhaupt gar nicht erst rein.

Ich hatte gesagt, wer den Einstieg von Frauen will, muß auch den Ausstieg von Männern plausibler machen. Darüber hinaus müssen wir in Schule und Elternhaus deutlich vermitteln, daß die Aufgaben, die in der Gesellschaft sind, nicht in Frauen- und Männeraufgaben aufgeteilt sind, sondern daß es Gemeinschaftsaufgaben sind. Dazu müssen wir die Jungs fördern, und wenn wir den Jungs klarmachen, daß die Gemeinschaftsaufgaben für alle da sind, dann helfen wir auch den Mädchen. Dann brauchen wir auch weniger Mädchenförderung, wenn wir da einsteigen, und das fordere ich vom Gleichstellungsamt.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Ernst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Koop, normalerweise ärgere ich mich darüber, wenn frauenpolitische Anträge so spät diskutiert werden, aber Ihr Antrag hat es verdient.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie hier eingebracht haben, ist ein Sammelsurium von Ideen, Themen, Behauptungen, Vorschlägen, die eigentlich nur durch das Papier verbunden werden, auf dem sie stehen.

Ihr Antrag beginnt mit einem Hinweis auf eine Studie, die durchgeführt worden ist, die aber nicht näher erläutert wird. Es ist die Studie der Professorin Sonja Bischoff, die Frauen in Führungspositionen untersucht hat. Ich weiß nicht, ob diese Studie Sie zu diesem Antrag motiviert hat. Die Untersuchung ist der Öffentlichkeit bereits vor einem Jahr vorgestellt worden und ging damals auch durch die Presse.

Ihre These ist, daß im Antrag Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie Frauen behindern, nicht nur, weil es sie gibt, sondern weil sie als Frauenförderung deklariert werden. Daraus leiten Sie nun einen Frontalangriff auf den Hamburger Senat ab und fordern eine Neuorientierung in der Gleichstellungspolitik. Alle sogenannten Frauenfördermaßnahmen sollen auf den Prüfstand.

Ergebnis der von Ihnen zitierten Studie ist doch gerade, daß Frauen in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht mehr das größte Hindernis beim beruflichen Aufstieg sehen, sondern daß sie sich – und das zu einem wachsenden Anteil, je länger sie berufstätig sind – aufgrund ihres Geschlechtes als Frau nicht ernstgenommen und diskriminiert fühlen. Diese Diskriminierung ist für die Frauen – das ist auch das Ergebnis der Untersuchung – konkret faßbar und macht sich zum Beispiel an den nach wie vor hohen Einkommensunterschieden von Männern und Frauen bei gleicher Arbeitsleistung fest. Frauen sind gegenüber Männern benachteiligt, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit zu lange unterbrechen. Das haben Sie angesprochen. Das wußten wir auch bereits. Im übrigen ist aber das Erziehungsurlaubsgesetz ein Bundesgesetz und der Bezug zu dem Antrag auch nur schwer herzuleiten.

Was sind eigentlich die Frauenfördermaßnahmen des Hamburger Senates, von denen Sie in Ihrem Antrag mehrfach reden? Wollen Sie behaupten, daß das Hamburger Angebot für Kinderbetreuung Frauen behindere, berufstätig

zu sein? Oder wollen Sie behaupten, daß die Verläßliche Halbtagsgrundschule keinen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie leiste, weil nur Frauen angesprochen werden? Oder reden Sie eigentlich über den öffentlichen Dienst – das ist auch nicht klar – und meinen, daß die zaghaften Versuche zur Arbeitszeitflexibilisierung und die Teilzeit in Führungspositionen durchzusetzen, rückgängig gemacht werden sollten? Oder glauben Sie, daß das Netz an Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen für Frauen in Hamburg schädlich ist, weil Männer nicht genug angesprochen werden?

Wenn die forsche Forderung nach Neuorientierung der Gleichstellungspolitik erhoben wird, dann erwarte ich auch von der Opposition etwas mehr Substanz.

(Beifall bei der SPD – Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Das ist aber viel verlangt!)

Dann greifen Sie in Ihrem Antrag eines Ihrer Lieblingsthemen auf, nämlich die Jungensozialisation, nicht die Jugendsozialisation. Wir haben nichts gegen die Forderung, daß Jungen sich auch kritisch mit ihrem Rollenverhalten auseinandersetzen sollen. Das findet auch an vielen Schulen statt, und viele Jugendhilfeeinrichtungen leisten hier Beiträge. Aber die von Ihnen geforderte erfolgreiche Neuorientierung in der Gleichstellungspolitik – und das ist ja der Anspruch Ihres Antrages – erreichen wir damit nicht. Mein Vertrauen auch in die nachwachsende Generation ist natürlich groß. Doch das konkrete Ringen um Gleichstellung für Frauen können wir so nicht ersetzen. Gleichstellungspolitik verbessert die Bedingungen von Frauen in allen Bereichen: Am Arbeitsplatz, in der Ausbildung, in der Partnerschaft, im öffentlichen Leben, ja sogar in demokratischen Parteien soll es noch Bedarf geben. Hier bietet Ihr Antrag keine neuen Impulse. Daher werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sodann bekommt die Abgeordnete Simon das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Koop, mir fehlen fast die Worte

(Antje Blumenthal CDU: Dann machen Sie doch Schluß!)

angesichts des Beispiels mit den Toiletten, daß ich Ihre Argumentation überhaupt nicht nachvollziehen kann.

(Antje Blumenthal CDU: Das hat die GEW ge- bracht, nicht wir!)

Frau Blumenthal, auch wenn Sie so laut schreien, haben Sie keinen Beitrag zur Gleichstellungspolitik geleistet.

Frau Koop, ich verstehe das überhaupt nicht, weil sich das in letzter Zeit häuft.Sie sitzen im Gleichstellungsausschuß, Sie wissen, was wir machen in Sachen Gleichstellungspolitik, Sie leiten ihn – ja, das habe ich ganz vergessen –

(Heiterkeit)

und sprechen heute von Dingen, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ich habe fast einen Lachanfall bekommen, aber das Thema ist ernst. Deswegen noch einige Worte.

Ihre Antragsbegründung ist fast wie die von Herrn Harlinghausen. Er hat das jetzt – Gott sei Dank – eine Weile eingestellt, aber es fängt offensichtlich auch bei Ihnen an zu kursieren. Ich finde es wirklich bitter, weil ich Sie schätze.

(Karen Koop CDU)

Im Ausschuß kommen substantielle Beiträge von Ihnen – und dann als Antrag so etwas, und das zu später Stunde. Sie beschreiben Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung. Dann stellen Sie diese Maßnahmen in Bezug zu Frauen in Führungspositionen, obwohl die Schlußfolgerung und die logische Verknüpfung für mich in bezug auf die Studie, die erwähnt wurde, gar nicht mehr gegeben ist, und ziehen daraus die Schlußfolgerung, daß diese Maßnahmen unverzichtbar für Frauenförderung sind. Gleichzeitig sind Sie aber im nächsten Satz wiederum negativ für Frauenförderung, weil all diesen Maßnahmen in der Gesellschaft Vorbehalte entgegengebracht werden. So ist das nun einmal mit der Gleichstellungspolitik.

Die Maßnahmen, die wir auflegen, kennen Sie. Ich zähle sie nicht auf. Frau Sager hat sicher nachher, wenn sie möchte, genug Gelegenheit, all das noch einmal darzustellen, was wir seit Anfang der Legislatur gemeinsam tun.

Was Verwaltungsmodernisierung und Frauenförderung mit Ihrem Antrag oder mit dem männlichen Blickwinkel oder bestimmten Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik für Frauen zu tun haben sollen, verstehe ich überhaupt nicht. Sollen wir damit aufhören, weil wir da nicht unbedingt den männlichen Aspekt eingebracht haben? Sollen wir jetzt die Männer in der Arbeitswelt fördern, oder sollen wir andere Schilder an die Toilettentüren anbringen? Ich verstehe überhaupt nichts mehr.

Zu dem Thema, die Rolle der Männer ändern.Damit bin ich natürlich einverstanden. Aber der lange Weg der Gleichstellungs- und der Frauenpolitik in der Geschichte der Bundesrepublik hat gezeigt, daß das nicht dadurch geht, daß sich die Frauen der – in Anführungszeichen – armen Männer annehmen, sondern das müssen diese selbst tun. Wenn es um Führungspositionen geht – Frau Koop, das müßten Sie eigentlich wissen –, sind die strukturellen Maßnahmen und die Quotenförderung und alles andere, was wir aufgelegt haben – nicht nur hier in Hamburg, sondern auch in anderen Bundesländern –, die notwendige Voraussetzung, um überhaupt einen Zugang in Richtung Gleichstellung für Frauen zu schaffen. Sollen wir das jetzt alles lassen? Sollen wir die Männer fördern, damit sie endlich begreifen, daß sie freiwillig ein Stück ihrer Macht abgeben sollen? Ich verstehe es nicht.

Ich muß noch etwas sagen. Daß der männliche Blickwinkel nicht funktioniert, daß wir uns nicht der Rolle der Männer anzunehmen haben, zeigt sich auch im Ausschuß. Denn Ihre männlichen Kollegen, Frau Koop, die Zeit haben, sich der Sache der Gleichstellung in dieser Stadt anzunehmen, erscheinen nicht mehr, wenn wir Sitzung haben.Soviel zum männlichen Blickwinkel.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort wünscht und bekommt Senatorin Sager.

(Jürgen Klimke CDU: Das ist ein Fraktionsantrag! Es ist ungewöhnlich, daß der Senat dazu redet!)

Ja, das tue ich. Das ist ungewöhnlich, da haben Sie vollkommen recht. Ich tue das aber, weil der Antrag offensichtlich suggerieren soll, daß die Gleichstellungspolitik in Hamburg einen völligen Wechsel braucht. Dazu will ich eines sagen.

(Antje Blumenthal CDU: Gibt es nichts anderes, wozu Sie reden könnten?)