Protocol of the Session on April 19, 2000

Drei Punkte zum Schluß, Konsequenzen.

Erstens: Meine positive Erwartung ist – das macht der Antrag der SPD und der GAL deutlich –, daß die Lehrerbildungskommission mit ihrer Arbeit in diesem Jahr zu Ende kommt, uns bis zum 31. Januar 2001 ein Bericht vorgelegt wird und wir in diesem Hause in dieser Legislaturperiode noch mit der Umsetzung beginnen können, so daß die ersten Weichen gestellt werden; der Leidensdruck ist groß genug.

Zweitens: Zum Praxisbezug habe ich schon etwas gesagt. Es wird ein Praxissemester geben müssen, und ich halte

es für wichtig, daß diese professionelle Vorbereitung auch so professionell ist, daß die Lehrerinnen und Lehrer, die damit betraut sind, Möglichkeiten haben, dieses verantwortungsvoll wahrzunehmen, denn es nützt nichts, Studierende ein Semester lang in Schulen unterrichten zu lassen, ohne daß sie vernünftig von kompetenten Leuten begleitet werden. Die müssen eine Rückmeldung bekommen und auch eine Rückmeldung darüber, ob sie überhaupt die persönlichen Voraussetzungen für diesen Beruf mitbringen, denn das kann nur jemand machen, der das als seine Aufgabe ansieht, der dafür vorbereitet ist und auch die notwendige Zeit hat.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Christa Goetsch GAL und Elisabeth Schil- ling SPD)

Drittens:Was wir hier starten, ist eine Qualifizierungsoffensive für die Ausbildung Hamburger Lehrerinnen und Lehrer. Prüfen Sie die Erfahrungen, die Sie selbst mit Lehrerinnen und Lehrern in dieser Stadt und auch außerhalb gemacht haben, und Sie werden erkennen, wie eminent wichtig diese Qualifizierungsoffensive ist. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält Frau Dr. Brüning.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr de Lorent hat schon sehr ausführlich gesagt, daß die Lehrerausbildung bundesweit – man kann auch sagen europaweit – in eine Kritik geraten ist, und diese Kritik möchte ich noch einmal auf den Punkt bringen. Sie betrifft die mangelnde Verbindung zwischen Theorie und Praxis, also auf der einen Seite Wolkenkuckucksheim an den Unis, sprich zu viel Theorie, auf der anderen Seite die Praxis in der Schule. Diese unterscheidet sich manchmal von den Büchern, und da muß dringend etwas in der Lehrerausbildung getan werden. Wir wollen jetzt mit unserem Antrag die Lehrerausbildung reformieren.

Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Es geht der SPDFraktion nicht um die Reform der Lehrerausbildung um ihrer selbst willen, sondern um die Qualität von Schule. Ich möchte, daß Schülerinnen und Schüler Lehrerinnen und Lehrer bekommen, die sich nicht erst in der Schule mit der Schulwirklichkeit vertraut machen, sondern sie hautnah schon während ihres Studiums erleben. Da ist bisher zu wenig geschehen, und da müssen wir etwas tun.

(Beifall bei der SPD und der GAL und bei Wolfgang Beuß CDU)

Ich möchte Herrn de Lorent nicht wiederholen, er hat eigentlich schon alles Wichtige vorweggenommen, aber dennoch möchte ich ihn unterstützen. Ich finde es doch bedenkenswert, daß nur ein Drittel der Studierenden am Fachbereich Erziehungswissenschaft meint, wirklich gut auf eine spätere Tätigkeit in der Schule vorbereitet zu werden. Hier ist die Antwort des Senats auch nicht ausreichend, daß das durch praxisnahe Einführungen und durch Didaktikseminare geschehe. Jeder weiß doch, daß die Didaktiken das fünfte Rad am Wagen sind, und zwar bundesweit. Hier erwarte ich von der Lehrerbildungskommission neue Akzente, zum Beispiel daß auch die Didaktik aufgewertet wird.

Es geht in dem Antrag um eine bessere Vernetzung von Schule, Universität und Studienseminar. Es könnte zum Beispiel durchaus möglich sein, daß Studierende schon

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL)

während ihres Studiums nachmittags Angebote in der Schule wahrnehmen. Was spricht eigentlich gegen Hausaufgabenhilfe oder Computerkurse, die man dann systematisch als Praxisbezug anerkennt. Dann hätten Studierende den Bezug zur Schule, und die Schülerinnen und Schüler hätten natürlich auch etwas davon.

Frankreich und Schweden haben damit übrigens gute Erfahrungen gemacht, und als Europapolitikerin möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß man sich mit diesen Erfahrungen vielleicht einmal beschäftigen könnte. Was in anderen Staaten geht, könnte auch ein Modell für Hamburg sein.

(Uwe Grund SPD: Aber keine Reisen!)

Ich finde ebenso begrüßenswert, wie das Herr de Lorent schon gesagt hat, daß der Fachbereich Erziehungswissenschaft seine Lehre jetzt evaluiert, also nicht nur die Fragebogenmethode anwendet, sondern eine Evaluationsstrategie einführen will, und – das sollte man jetzt festschreiben – ein wichtiges Kriterium dafür muß natürlich auch die Praxisorientierung sein.

Auch ich begrüße Zwischenprüfungen am Fachbereich Erziehungswissenschaft. Man sollte nicht erst am Schluß sehen, wo man pädagogisch und fachlich steht, sondern man muß das in der Mitte des Studiums schon mal gesagt bekommen, auch mit der Orientierung darauf, was man besser machen soll.

Einen Punkt möchte ich noch hervorheben, der bei Ihnen, Herr de Lorent, nicht angeklungen ist. Ich erhoffe mir von der Reform der Lehrerausbildung, daß Standards festgelegt werden, wieviel pädagogische Psychologie erforderlich ist. Und ganz wichtig erscheint mir und meiner Fraktion die systematische Ausbildung einer Medienkompetenz.Wir haben in der Bürgerschaft das Thema neue Medien schon verstärkt besprochen, und die Reform der Lehrerausbildung muß systematisch auch angehende Lehrerinnen und Lehrer mit den neuen Medien vertraut machen.Der Spruch, daß die Kids den Paukern zeigen, wie man im Internet surft, gilt heute nicht mehr, da es sehr viel komplizierter geworden ist und man Grundkenntnisse in der Hardware und auch in der Software haben muß, um beispielsweise Systeme administrieren zu können. Damit muß in der ersten Phase begonnen werden, und in der zweiten Phase am Studienseminar muß dieses fortgesetzt werden. Meine Bitte wäre, daß die neue Lehrerkommission uns darüber informiert, wie es mit der Verbindlichkeit einer systematischen Medienkompetenz für angehende Lehrerinnen und Lehrer bestellt ist.

Zum Schluß noch einige Bemerkungen zu den letzten Punkten unseres Antrags. Es ist mir natürlich sehr wichtig, daß die Lehrerausbildung bundesweit reformiert wird und die Kommission in Hamburg mit Kommissionen in anderen Bundesländern zusammenarbeitet, denn die Studienabschlüsse, die wir in Hamburg vergeben, müssen auch in anderen Bundesländern gültig sein. Es wäre nicht vorstellbar, daß ein Hamburger Lehrer oder eine Hamburger Lehrerin nicht in Bayern unterrichten darf.Wir müssen also zu einer gegenseitigen Anerkennung der Studienabschlüsse kommen.

Ein letztes Wort noch zur Zusammenarbeit. Auch in anderen europäischen Staaten wird die Lehrerausbildung reformiert, beispielsweise in Frankreich durch den neuen Unterrichtsminister Jack Lang. Man könnte europaweit Erfahrungen austauschen, und es wäre doch interessant, wenn es gelingen würde, europäische Module – wir haben im Be

reich der Studien bestimmte Module, die wir anstreben, das kann man sicherlich auch im Bereich der Lehrerausbildung machen – der Lehrerausbildung zu initiieren.

In diesem Sinne bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Beuß hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für das Protokoll kann man vielleicht feststellen, daß eine seltene Einigkeit zwischen den Fraktionen besteht. Ich weiß nicht, was REGENBOGEN gleich erzählen wird, aber was meine Vorredner gesagt haben – selbst Frau Brüning mit dem Europagedanken –, können wir alles nur unterstützen, insbesondere die konkreten Punkte, die Herr de Lorent hier angeführt hat, wie die Einführung von Zwischenprüfungen, eine Beratungsverbesserung, damit am Ende des Referendariats nicht plötzlich die Erkenntnis wächst, daß man für den Beruf restlos ungeeignet sei. Das ist dann wirklich viel zu spät.

Auch der Beliebigkeit des Studiums müssen irgendwo Grenzen gesetzt werden. Es ist vielleicht die Weisheit des Alters, Herr de Lorent,

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Na, vorsichtig!)

daß man dann Dinge, die man früher ganz toll gefunden hat, heute doch ein bißchen differenzierter sieht – dies insbesondere bezogen auf Ihre Forderung nach einem Kerncurriculum. Es ist ganz wichtig, daß die Phasen zwischen den beiden Bereichen der Ausbildung viel stärker abgestimmt werden müssen.

Auf den Europagedanken, Frau Brüning, bin ich schon eingegangen. Sie haben vorhin, Herr de Lorent, gesagt, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Angesichts der Kommission, die wir jetzt haben, und auch der etwas verzerrten Geschichte der Initiativen der GAL, erst eine Anfrage zur zweiten Ausbildungsphase, dann eine zur ersten zu stellen, hätte ich es besser gefunden, wenn das alles etwas abgestimmter wäre. Woran liegt es denn, daß das so bruchstückhaft kommt? Ich habe das Gefühl, daß das möglicherweise auch ein Stück weit damit zu tun hat, daß diese Kommission ein bißchen Power braucht, denn sie hat sich ja schon wieder vertagt. Sie sollte bis zum Sommer liefern, jetzt ist vom 1. Januar 2001 die Rede.

Vielleicht ist das auch ein Stück Notbremse, um in diesem Bereich etwas in den Griff zu bekommen, was schon lange vor sich her dümpelt. Damit meine ich insbesondere, Frau Sager, die universitäre Ausbildung. Ich fände es nett, wenn Sie zuhören würden. Frau Sager, ich hatte gesagt, daß es gerade ein Problem der ersten Ausbildungsphase und der Universität ist, wo ich glaube, daß hier dringend Nachholbedarf besteht. Ich möchte das auch noch einmal unterstreichen, was eben zur Kopflastigkeit gesagt worden ist. Es kann nicht angehen, daß immer mehr fachfremde, theoretische Dinge in dieses Studium einfließen und man bis auf diese acht Wochen nie eine Schule von innen sieht, außer der eigenen, die man früher besucht hat.Das scheint mir ein wesentlicher Punkt zu sein, der auch schon in der Aktuellen Stunde eine Rolle gespielt hat.

Da sind aber auch die Motivationslage und das Engagement und vielleicht auch die Einlassungen der Professoren am Fachbereich Erziehungswissenschaften. Die machten

(Dr. Barbara Brüning SPD)

mir übel Bauchschmerzen. Das sind Akademiker, die am grünen Tisch ganz tolle Konzepte entwickeln, die ihre Studenten in die Schule schicken und dann Rückmeldungen bekommen. Dann werden darüber Hausarbeiten geschrieben, und es werden sich oft die verrücktesten Sachen ausgedacht.

Woran liegt das? Die Leute haben überhaupt keine Ahnung mehr, wie das in der Praxis aussieht. Ich will nicht sagen, daß alles am Fachbereich Medizin sehr glorreich ist, aber hier könnte der Fachbereich Erziehungswissenschaften von diesem Fachbereich etwas lernen.Wir brauchen einen stärkeren Praxisbezug der Professoren, die im Fachbereich Erziehungswissenschaften lehren. Diese müssen auch nachweisen, daß sie ab und zu etwas an Schulen praktisch machen, damit sie überhaupt wissen, was eigentlich vor Ort los ist und wie sich dieser Lernort weiter entwickelt. Die meisten Erziehungswissenschaftler haben mit 35 Jahren eine Professur bekommen und sitzen mit Ende 50 immer noch da und erzählen den Studenten das, was sie mal vor Jahren selbst in der Schule erlebt haben. Hier muß auch die Reform ansetzen.Es ist fünf Minuten vor zwölf, was die Lehrerausbildung angeht, denn die Studentenzahlen gehen zurück.Das macht die Anfrage auch deutlich.

Auf uns rollt eine große Pensionswelle zu.Wir brauchen gut qualifizierte, gut ausgebildete Leute, die auch mit Praxisanteilen von der Universität kommen.Deswegen ist es ganz dringend, daß diese Ausbildungsreform auf den Weg gebracht wird. Deshalb – das wird Sie vielleicht etwas wundern – werden wir heute Ihrem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Frau Koppke hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben es schon gehört, zwischen 20 und 33 Prozent der Absolventinnen und Absolventen haben den Eindruck, eine gute Grundlage für die spätere Berufstätigkeit erworben zu haben. Eine erschreckend geringe Zahl. Aber – so lesen wir bei Frage 7 –, ob daraus für zukünftige Lehramtsanwärter, die ab dem Schuljahr 2000/2001 nun auch bedarfsdeckenden Unterricht leisten müssen, Konsequenzen zum Beispiel in der Verbesserung der ersten Phase resultieren, darüber müsse erst noch beraten werden. Mir fällt, ehrlich gesagt – ähnlich wie Herrn de Lorent –, bei solch einer vorsichtigen Äußerung die Kinnlade runter.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Laß sehen!)

Erstens: Unabhängig davon, daß wir die Einführung des bedarfsdeckenden Unterrichts nicht richtig finden, so muß er dann, wenn er schon kommt, wenigstens so sein – da gebe ich Herrn de Lorent auch recht –, daß er betreut und begleitet wird, so wie natürlich auch jedes Praxissemester.

Zweitens muß die Lehrerinnenausbildung schon in den ersten Semestern, also in der ersten Phase, so konzipiert sein, daß die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer in der Lage sind, sich auf die zukünftigen Schülerinnen und Schüler einzustellen.Das bedeutet dann zum Beispiel auch die eigene Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, fächerund schulformübergreifendes Denken oder die Fähigkeit, mit den Schülern in konstruktive Dialoge zur Gestaltung und Bewertung von Unterricht einzutreten. Natürlich muß

es erst recht aufgrund dieses erschreckenden Befragungsergebnisses eine Veränderung in der ersten Phase geben.

Ich möchte nicht alle Punkte wiederholen, die bereits genannt wurden. Zum Antrag als solchen kann ich nur sagen, daß er aus unserer Sicht natürlich ein Selbstgänger ist:Wir fordern den Senat auf, er möge uns die Reformvorschläge der Expertenkommission zum Thema verraten. Das läßt aus unserer Sicht schon fast ein Mißverhältnis zwischen Koalition und Senat vermuten.Aus unserer Sicht tut der Antrag nicht weh, und wenn er vonnöten ist, stimmen wir natürlich auch dafür.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält Frau Senatorin Sager.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Daß die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer in allen ihren Ausbildungsphasen reformbedürftig ist, ist bundesweit unumstritten.

(Wolfgang Beuß CDU: Europaweit!)