Protocol of the Session on September 5, 2001

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Das ist nicht der Fall.

Wer will dem soeben in erster Lesung gefaßten Beschluß in zweiter Lesung zustimmen, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist auch in zweiter Lesung mit Mehrheit und damit endgültig beschlossen.

Ziffer 2. Wer möchte das Ersuchen beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Bei wenigen Gegenstimmen ist das Ersuchen so beschlossen.

Eine Abstimmung über den Bericht des Schulausschusses – Drucksache 16/6334 – ist jetzt nicht mehr erforderlich.

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 44.

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 13. Dezember 2000 (Drucksache 16/5306) HafenCity und Kultur – Drucksache 16/6584 –]

Die Debatte entfällt einvernehmlich.

Es geht noch um die Überweisung. Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion federführend an den Stadtentwicklungsausschuß und mitberatend an den Kulturausschuß überweisen. Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 16/6584 an die beiden Ausschüsse zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Die Drucksache wurde einstimmig überwiesen.

Ich komme zum letzten Debattenpunkt unserer Sitzung. Tagesordnungspunkt 8: Drucksache 16/6403: Antrag des Senats zum Thema Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

[Senatsantrag: Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme – Drucksache 16/6403 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Professor Kopitzsch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte vorweg feststellen, daß die Kulturbehörde alle bürgerschaftlichen Ersuchen vor dem Ende dieser Legislaturperiode entweder beantwortet oder durch entsprechendes Handeln erfüllt hat. Die Drucksachen zur HafenCity, die wir der nachfolgenden Bürgerschaft übergeben wollen, und auch die Drucksache zur Gedenkstätte Neuengamme zeigen, wie wichtig es ist – neben dieser eben erwähnten Tatsache –, daß Hamburg eine eigenständige Kulturbehörde behält.

(Beifall bei der SPD)

Allein die Tatsache, daß alle bürgerschaftlichen Ersuchen erfüllt worden sind, sollte jedes Parlamentarierherz mit Freude erfüllen und jeden Gedanken an eine Auflösung dieser überaus kreativen Behörde verscheuchen.

(Beifall bei der SPD, der GAL und bei REGENBO- GEN – für eine neue Linke)

Eine Metropole, die auf Kultur als Element der Stadtentwicklung verzichtet, wird sehr schnell ihren Rang einbüßen. Ein irgendwo angesiedeltes Kulturamt macht eigentlich nur dann einen Sinn, wenn der Bürgermeister kulturbegeistert ist. Ich vermisse ihn bei dieser Debatte; Zweifel an seiner Kulturbegeisterung sind erlaubt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Mit der Drucksache 16/6403 wird ein fundiertes Konzept für die Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme vorgelegt, das auf den Empfehlungen der Kommission KZGedenkstätte Neuengamme sowie auf vielen Vorarbeiten hier im Parlament beruht. Es basiert auf den wichtigen Zwischenschritten der neunziger Jahre. Nach der Verlagerung der Justizvollzugsanstalt Vierlande kann nun unter Einbeziehung des freiwerdenden Geländes und der aus der KZ-Zeit erhaltenen Gebäude der Ausbau des Dokumentationsbereiches zu einem Ausstellungs-, Begegnungs- und Studienzentrum erfolgen.

Neuengamme als Lernort, als Stätte internationaler Begegnungen, des würdigen Gedenkens und der Erinnerung, die in die Zukunft weist, kann nun auch dank der neuen Gedenkstättenkonzeption der Bundesregierung weiterentwickelt werden. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gedenkstätte Neuengamme und dem Freundeskreis KZGedenkstätte Neuengamme gilt für ihre engagierte aufklärende und völkerverbindende Arbeit unser aller Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen, daß diese Bürgerschaft der Weiterentwicklung einvernehmlich zustimmt; bei der kommenden Bürgerschaft hätte ich da meine Zweifel. Es wird eine wichtige Aufgabe sein, weiter zu vermitteln, daß aktive Erinnerungsarbeit und Auseinandersetzung mit der Geschichte ebenfalls zu den Markenzeichen einer Metropole gehören.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die in der Drucksache mit abgedruckte Machbarkeitsstudie zeigt in eindrucksvoller Weise auf, welche Felder aktiver Arbeit sich aus der Geschichte ergeben. Es wird weiter darum gehen, über Ursachen und Erscheinungsformen der Gewaltherrschaft aufzuklären, im Falle Neuengammes auch über die Vernichtung durch Arbeit und diejenigen, die darunter gelitten haben, genauso wie über diejenigen, die davon Nutzen gehabt haben. Neuengamme gehört zu den Konzentrationslagern, die einen hohen Anteil von Verfolgten aus europäischen Nationen aufzuweisen haben. Auch das ist wichtig zu zeigen, wie Gewaltherrschaft und Verfolgung sich über Europa hin erstreckt haben. Wichtig ist, daß dies immer wieder durch einzelne Biographien geschieht, der Täter und der Opfer. Dazu enthält diese Drucksache wichtige Argumente. Wir müssen die Namen und Zahlen, die so abstrakt bleiben, mit Gesichtern füllen. Wir müssen Schicksale erzählen, so wie es auch in der eindrucksvollen Ausstellung „Ein KZ wird geräumt“, die jetzt mit Unterstützung der ZEIT-Stiftung durch die Lande geht, geschieht. Neuengamme ist nicht nur das Hauptlager, es

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

sind die vielen Außenlager, und für die gilt es eben auch, Täter, Opfer und Nutznießer darzustellen.

Es gehört auch dazu – das muß eine selbstkritische Metropole in der Geschichtsarbeit leisten – der Umgang mit der unmittelbaren Vergangenheit, vor allem der Nachkriegszeit, und mit der Frage, wie dort eine Justizvollzugsanstalt aufgebaut werden konnte. Das muß weiter erforscht werden, wie überhaupt die Nachwirkungen der NSZeit bis in die fünfziger und sechziger Jahre in unserer Stadt. Dazu sind seitens der Gedenkstätte in ihrem Jahrbuch und in ihren Schriften wichtige Beiträge geleistet worden. Auch die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, insbesondere mit der „Werkstatt der Erinnerung“, hat dazu beigetragen. In Kürze wird – auch das ist ein sehr wichtiger Schritt – das zwanzigste Jahrhundert in der Dauerausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte präsent sein.

Meine Damen und Herren, dies ist meine letzte Rede in der Bürgerschaft. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen im Kulturausschuß für die langjährige vertrauensvolle und faire Zusammenarbeit sehr herzlich danken, insbesondere meinem Partner der letzten vier Jahre, Herrn Mares, dem ich auch ganz persönlich und privat alles Gute wünschen möchte. Herr Mares kommt aus der Hamburger Verwaltung – heute war von der Verwaltung schon die Rede –, und daß jemand wie Herr Mares aus der Verwaltung hervorgegangen ist, spricht für die Leistungsfähigkeit derselben.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich möchte mich auch für die langjährige gute Zusammenarbeit in der Bürgerschaft und der Deputation bei Frau Vahlefeld bedanken. Wir haben, glaube ich, gemeinsam eine ganze Menge bewegen können. Wir werden das vielleicht auch auf andere Weise außerhalb des Parlaments weiter versuchen. Ich möchte Ihnen auch ganz persönlich Dank sagen für Ihre klaren Äußerungen zu einem aktuellen politischen Problem dieser Stadt. Sie vertreten im Augenblick eine mutige Minderheitsmeinung. Ich bin überzeugt davon, daß es in Kürze die Mehrheitsmeinung auch der Kollegen von der CDU sein wird.

(Beifall bei der SPD, der GAL und bei REGENBO- GEN – für eine neue Linke)

Meine Damen und Herren, es wird oft die Frage gestellt, ob man aus der Geschichte lernen kann. Sicher nicht in dem Sinne, daß man Patentrezepte für die Gegenwart entnehmen kann. Man kann aber vielleicht – wie Jacob Burckhardt es gesagt hat – weiser für immer werden. Zu diesen Weisheiten gehört, glaube ich, daß es Unterschiede zwischen Populismus und Radikalismus gibt, daß es aber sehr leicht passieren kann, daß Populismus zum Radikalismus führt, wenn ihm nicht energisch widersprochen wird, wenn den allzu einfachen und simplen Vorschlägen und Parolen nicht entgegengesetzt wird, daß Politik es mit komplexer Wirklichkeit zu tun hat, vor allem Politik in der Großstadt, und sie darauf differenziert antworten und sich verdammt bemühen muß, diese Differenzierung auch nach außen zu vermitteln.

(Beifall bei der SPD und GAL)

Dies ist eine Aufgabe, die beide großen Volksparteien in allererster Linie angeht. Ich glaube, wir sollten nach dem Wahltag selbstkritisch in uns gehen und fragen, wie wir adäquater und effizienter an Probleme der Großstadt herangehen können und wie auch das Parlament hierzu einen Beitrag leisten kann. Manchmal gibt es hier zu viel Ge

meinderatsstimmung. Wir sollten den Zukunftsfragen dieser Stadt viel breiteren Raum in den Debatten einräumen und dafür auf manches Klein-Klein verzichten.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der GAL)

Meine Damen und Herren, eine Lehre aus der Geschichte dieser Stadt – ich will jetzt gar keine Jahreszahl nennen – ist auch, daß der Senat keine Erziehungsanstalt ist, um Selbstbeherrschung zu lernen und das rechte Maß zu finden. Wer herrschen will, muß sich zuerst selbst beherrschen lernen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der GAL)

Lassen Sie mich auch ein Wort an die geschätzten Medien, unsere Begleiter, richten. Ich darf einen Hamburger zitieren – es ist auch eine Lehre aus der Vergangenheit, die hinter seinen Worten steht –, Axel Springer zu Hermann Rockmann am 14. Oktober 1948, als das „Hamburger Abendblatt“ entstand:

„Wir suchen die vernünftigen Stimmen, ob sie von links, ob von rechts oder aus der Mitte kommen.“

Mir scheint, das könnte in manchen Redaktionsstuben aufgehängt und befolgt werden.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der GAL)

Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen alles Gute, dem Parlament der Freien und Hansestadt Hamburg, daß Vernunft, Augenmaß und Verantwortungsbewußtsein immer in ihm die Mehrheit behalten.

(Beifall im ganzen Hause)

Das Wort hat jetzt Frau Vahlefeld.

Frau Präsidentin, Frau Dr. Weiss, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Kopitzsch, sehr herzlichen Dank für die bewegenden Worte und ihre wunderschöne Abschiedsrede. Ich hoffe, daß es hier beherzigt wird.

Heute nun sind wir endlich in der Lage, den Beschluß der Bürgerschaft aus dem Jahr 1989, und damit den Umzug der Justizvollzugsanstalt Vierlande, und damit natürlich auch die Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte auf den Weg zu bringen. Bevor ich kurz auf die Drucksache eingehe – Herr Dr. Kopitzsch hat es ja sehr ausführlich gemacht –, möchte ich ganz persönlich werden. Vor Jahren besuchte ich mit einer Gruppe des Altonaer Museums die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, als plötzlich auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt der Alarm ausgelöst wurde; ein Häftling war ausgebrochen. Innerhalb kürzester Zeit hörten wir einen Hubschrauber und sahen Suchtrupps mit Hunden und ähnliches. Obwohl dies damals ein wunderschöner warmer Sommertag war – ich kann mich noch sehr gut erinnern –, ist es uns allen eiseskalt geworden. Wir fühlten uns ungewollt in die Zeit des Nazi-Regimes zurückversetzt und an die Greueltaten erinnert, die an diesem Ort passiert sind.

Ich habe mir danach immer wieder vorgestellt, was ein ehemaliger inhaftierter Häftling dieses Konzentrationslagers, der vielleicht auch zurückgekehrt ist, um diese schreckliche Vergangenheit aufzuarbeiten und besser damit fertig zu werden, angesichts einer solchen Szenerie wohl empfindet. Von diesem Tage an war für mich klar – und das ist sicherlich schon zehn Jahre her –, daß die Voll

(Dr. Franklin Kopitzsch SPD)