Protocol of the Session on June 27, 2001

(Antje Blumenthal CDU)

Sie persönlich am 13. Juni 2001 gegeben haben, haben Sie gesagt, die Zuwendungen würden eingestellt. Sie haben es so dargestellt, als sei alles bereits unter Dach und Fach und ab Ende des Monats gebe es kein Geld mehr. Gestern durften wir dann wieder hören, daß die Zahlungen weiterhin geleistet werden. Dazu kann ich Ihnen nur gratulieren. Ich hätte mir aber gewünscht, daß Sie endlich die Verantwortlichen aus der Geschäftsführung des Vereins zur Verantwortung ziehen und die betroffenen Beschäftigten beim ABM-Verein nicht damit bestrafen, daß der Verein aufgelöst wird. Ich frage mich hinsichtlich dieses Beispiels manchmal, ob Sie abends noch wissen, was sie der Presse morgens verkündet haben.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Schon mal Zeitung gele- sen?)

Scheinbar haben Sie diesen Einstellungsbeschluß wieder aus dem Papierkorb geholt, oder bedeutet es, daß die Erklärung vom 12. beziehungsweise 13. Juni bis gestern, dem 26. Juni 2001, gedauert hat. Das wäre dann ein Postweg in Ihrer Behörde vierzehn Tage. Auch hier ist also wieder alles so, wie es war. Ich kann Ihnen nur eins sagen, meine Damen und Herren: Wer so blauäugig und ahnungslos durch seine Behörde geht, beziehungsweise, wer keine Einsicht zeigt und damit auch nicht in der Lage ist,

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Was ist denn nun die Kritik? Was wollen Sie denn?)

eine Verbesserung herbeizuführen, darf dieses Amt nicht länger ausüben.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Christier.

(Jürgen Schmidt SPD: Was ist denn mit der Rüge, Herr Präsident?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Präsident hat uns ermahnt, ruhig in die Debatte einzusteigen, und das will ich versuchen.

(Antje Blumenthal CDU: Ich kann ja jetzt auch mal sagen, Sie sollen lächeln!)

Zum Lächeln komme ich auch noch, das hebe ich mir für den Schluß meiner Rede auf, seien Sie gespannt. Mit der Drucksache 16/6208 soll Frau Sozialsenatorin Roth zum Rücktritt aufgefordert werden. Entgegen der Intention dieses Antrages stelle ich zunächst fest, daß Frau Senatorin Roth das volle Vertrauen ihrer Amtsführung seitens der SPD-Bürgerschaftsfraktion besitzt.

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag wird deshalb von uns abgelehnt.

Wie schon öfter in der Vergangenheit, kurz vor dem Ende von Legislaturperioden, handelt es sich um einen sehr durchsichtigen Versuch, dieses Plenum für einen zusätzlichen Wahlkampfgag zu gebrauchen.

(Ole von Beust CDU: Das hatte Wrocklage auch schon!)

Wir sollen zur Teilnahme an einer Seifenoper mit Tricks, Täuschungen und Fälschungen aufgefordert werden, und zu essen gibt es auch noch etwas. Sie erwarten nicht, daß wir uns daran beteiligen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu möchte ich vier Bemerkungen machen. Erstens: Die im Zusammenhang mit dem Verein zur Betreuung von Arbeitslosen und Arbeitslosenselbsthilfegruppen erhobenen Vorwürfe bedürfen selbstverständlich der umfassenden gründlichen und schnellen Aufklärung ohne Ansehen der Person. Ich hoffe, darin sind wir einig.

Nicht einig sind wir offensichtlich bei dem Punkt, daß diese Sache bei der Staatsanwaltschaft in richtigen Händen ist. Wir brauchen keine Sonderermittler oder ähnliche Institutionen, sondern dort wird das Nötige ermittelt werden, und das ist auch gut so.

(Jürgen Klimke CDU: Ach, das ist keine Seifen- oper!)

Es ist erkennbar, daß Beteiligte und Betroffene an der Aufklärung aktiv mitwirken, und man wird zu gegebener Zeit die Ergebnisse bewerten.

Frau Blumenthal, ich bewundere nicht erst seit heute Ihre besondere Liebe zum Detail, insbesondere zum politisch Belanglosen, dafür haben Sie heute wieder ein wunderbares Beispiel geliefert.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Argumentation war eine Mischung aus Unverständlichkeit, aus unverantwortlichen Verdächtigungen

(Jürgen Klimke CDU: Das wußten Sie schon?)

und aus unbewiesenen Behauptungen, und das kann in diesem Parlament so nicht stattfinden, wenn die Ermittlungen laufen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Antje Blumenthal CDU: Dann halten Sie doch mal dagegen!)

Sie haben auf den PUA abgehoben. In Wahrheit ist die Sache umgekehrt. Sie wollen hier den sehr durchsichtigen Versuch machen, die Ergebnisse, die der PUA gerade nicht gebracht hat, noch einmal herbeizuquälen. Daraus kann nichts werden. Wir werden uns daran nicht beteiligen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Der Verein hat – das will ich an dieser Stelle auch ganz klar feststellen – in den vergangenen 17 Jahren eine gute und wichtige Arbeit bei der Betreuung und Beratung von Arbeitslosen geleistet. Das darf auch angesichts möglicher Unregelmäßigkeiten bei der Geschäftsführung nicht vergessen werden.

(Uwe Grund SPD: So ist es!)

Es kann deshalb nicht sein, daß unter der Entwicklung der letzten Wochen Nachteile für die Arbeitslosen entstehen. Ich hoffe, darin sind wir uns einig.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir alle Bemühungen, die Aufgabe als solche gegebenenfalls unter anderen Voraussetzungen, in anderer Trägerschaft und auf neuer Grundlage aufrechtzuerhalten. Das scheint uns notwendig, und das soll gemacht werden. Ich habe nach der Entwicklung der letzten Tage auch Zuversicht, daß dies gelingen wird. Wir würden eine solche Entwicklung nachhaltig unterstützen.

Das sind die zunächst notwendigen Feststellungen. Daran gemessen wirkt nun Ihr Rücktrittsantrag irgendwie merkwürdig liegengeblieben und veraltet. Der ist völlig überflüssig, denn alles, was jetzt über diese Feststellungen hin

(Antje Blumenthal CDU)

ausgeht, sind offenbar typische Knallfrösche für den Wahlkampf. Ich glaube, wir haben doch auch heute bei der Kundgebung des Senats, in der Aktuellen Stunde bei den ersten Debatten, gelernt, was die wirklichen Themen dieser Stadt sind. Statt dessen unterhalten wir uns wochenlang über eine angebliche Affäre, die in dieser Dimension offenbar nur durch die verwirrte Optik zu Wahlkampfzeiten überhaupt erklärt werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Nun habe ich festgestellt, daß Sie das, was Sie in Ihrem schriftlichen Hand-out vor drei Wochen alles als Rücktrittsbegründung genannt haben, selbst nicht aufrechterhalten haben, also brauche ich auch nicht darauf einzugehen. Letztlich haben Sie Ihre Forderung nach dem Rücktritt nur mit dem Vorwurf begründet – ich darf das aus der Pressekonferenz von Herrn von Beust zitieren –, hier sei

„getrickst und gelogen worden“.

(Zuruf von der CDU: Ist es ja auch!)

Nur darauf will ich eingehen. Das wiederum nur gestützt – auch nach Ihren heutigen Ausführungen – auf eine einzige Aussage einer Zeugin, sie habe bei Einladungen von Politikern deren gastronomische Verpflegung organisiert. Sie haben daran die Einschätzung geknüpft, in der Regel führen gastronomische Tätigkeiten zu zusätzlichen Einnahmen.

Nun konzediere ich Ihnen als erstes, Sie haben eine bundesweit beachtete Kompetenz, was Einnahmen, Spenden und Legenden angeht. Da sind Sie unübertroffen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Aber daß aus solch einem Satz irgendeines Sachprüfers, wo nicht einmal dem Arbeitsamt etwas aufgefallen ist, nun die Senatorin hätte erkennen können, daß es möglicherweise Unregelmäßigkeiten gibt, das ist wirklich absurd, meine Damen und Herren.

Als erstes fällt schon die Unlogik dieses Satzes auf – das nur am Rande –, denn wenn man irgendwo eingeladen wird – und wir alle werden ja gelegentlich eingeladen –, dann gibt es etwas zu essen. Ich bin noch nie mit dem Gefühl dort hingegangen, daß da Einnahmen entstehen, nein, da entstehen doch Ausgaben und nichts anderes.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Barbara Ahrons CDU: Ganz schön traurig, daß Sie sich dar- über lustig machen!)

Im übrigen sind Sie – und das ist das Entscheidende – für diese Behauptungen, es sei getrickst und gelogen worden – und das ist ein ernster Vorwurf –, jede Beweisführung schuldig geblieben. Das ist eine reine Verleumdung. Ihr Antrag ist vierzehn Tage in der Welt. Es hätte genug Möglichkeiten gegeben und alle möglichen Indiskretins, mutige Anonyme, alle hätten doch wahrscheinlich mit Informationen auf den Markt gedrängt, aber es ist nichts passiert. Auch heute haben Sie nichts vorgelegt. Deshalb sage ich Ihnen und fordere Sie auf – Herr von Beust, Sie werden ja auch gleich noch reden –: Wenn Sie noch einen Funken Anstand im Leib haben, dann entschuldigen Sie sich für diese Verleumdung der Senatorin. Das ist hier fällig.