Sie leisten Ihrer Fraktion einen Bärendienst, wenn Sie ein Gesetzesvorhaben mit solcher Begleitmusik einführen wollen. Das ist ein Trojanisches Pferd, und Sie wollen aus dem Bauch dieses Pferdes nur Schmutzkübel ausgießen.
Lassen Sie uns doch einmal mit den Kernproblemen der Sache befassen und nicht mit Skandalen, die Sie herbeireden.
Ohne Frage ist die Sicherheit ein wesentlicher Aspekt im Maßregelvollzug und ein zentrales Problem von Vollzugslockerungen. Aber versuchen Sie doch nicht, den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, daß das nicht auch unser Anliegen oder das Anliegen des Senats und aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Maßregelvollzug sei. Sie entwerfen hier wieder ein falsches Bild, aber es entspricht leider Gottes Ihrer Richtung, und es ist äußerst bedauerlich, daß diese Wahlkampftöne das Thema hier so verzerren.
(Dietrich Wersich CDU: Man kann nicht alles mit Wahlkampf begründen! und Zuruf von Jürgen Klimke CDU)
Herr Klooß, habe ich Sie eben richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, wir wollten Skandale herbeireden? Wollen Sie damit deutlich machen, daß die Vorfälle in den letzten Wochen und Monaten Normalität sind?
nehmen und wird untersucht. Er ist auch Anlaß, sich mit dem Thema gründlich zu befassen, und das tun wir.
Die Ziele des Maßregelvollzugs, die durch das Strafvollzugsgesetz vorgegeben sind, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Eine zu restriktive Handhabung der Vollzugslockerungen geht aber an diesen Zielen vorbei und findet zudem ihre Grenzen bei einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn nämlich der Aspekt der Sicherheit in nicht mehr vertretbarem Maße über das Ziel der Therapie gestellt wird. Das habe ich nicht erfunden, das haben deutsche Gerichte so ausgesprochen. Eine zu restriktive Handhabung der Lockerungspraxis könnte insofern auf einen gerichtlichen Widerstand stoßen. Wir reden hier über Gesetze und nicht über Wunschvorstellungen.
Es sollte auch allen Beteiligten klar sein, daß es eine absolute Gewißheit darüber, ob ein Patient noch für die Allgemeinheit gefährlich ist, leider nicht gibt. Aber genau das wollen Sie mit Ihrer Formulierung in Paragraph 18 Absatz 1 Ihres Entwurfs der Bevölkerung weismachen:
„Bei der Gewährung von Vollzugslockerungen ist sicherzustellen, daß die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet ist.“
Das können Sie nicht durch eine Gesetzesformulierung sicherstellen. Nach der jetzigen Gesetzeslage trägt der Leiter der Einrichtung die Verantwortung für die Durchführung des Maßregelvollzugs und damit auch die Entscheidung über Vollzugslockerungen. Da stellt sich die Frage, ob Ihr Vorschlag der Beteiligung der Vollstreckungsbehörde, also in der Regel der Staatsanwaltschaft, ein Plus für die Qualität der Entscheidung über die Lockerung beziehungsweise für die Richtigkeit einer solchen Entscheidung ist, was Sie damit implizit unterstellen. Genau dieses Plus an Qualität und Richtigkeit muß der entscheidende Gesichtspunkt sein, aber eine solche Frage läßt sich nicht einfach durch den Blick auf die gesetzlichen Regelungen in anderen Bundesländern beantworten. Hier müssen vielmehr die Erfahrungen und vor allen Dingen die Erfolge oder auch Nicht-Erfolge in den anderen Bundesländern bewertet werden. Das Hamburgische Maßregelvollzugsgesetz sieht ein Zustimmungserfordernis der Staatsanwaltschaft bewußt nicht vor. Dies beruht auf Vorschlägen und Analysen der sogenannten Hecker-Kommission, die 1988 dazu beigetragen hat, daß dieses Gesetz so gemacht wurde. Damals hat die Kommission – auch der Senat hat das getan – Besorgnis darüber geäußert, daß die Vollstreckungsbehörde die Prognose einer Mißbrauchsgefahr, auf die es hier allein ankommt, aufgrund eigener Sachkenntnis und Sachkunde wohl kaum überprüfen kann, denn eine solche Prognose kann einigermaßen verläßlich nur von einem Psychiater oder Psychologen und nur individuell aufgrund einer genauen Kenntnis der Persönlichkeit des Patienten und seines gegenwärtigen seelischen Zustands gestellt werden.
Es besteht die Gefahr – das hat die Hecker-Kommission damals gesagt – einer zu stark täterorientierten Betrachtungsweise durch die Staatsanwaltschaft und der möglichen Institutionalisierung einer tendenziellen Veto-Situation, daß es nicht zur Verwirklichung der Gesetze des Maßregelvollzugs und des Strafvollzugs kommt.
Ich gebe zu, daß andere Länder das anders geregelt haben und Hamburg sich mit seiner Regelung, verglichen mit dem Bund, jetzt in der Minderheit befindet. Ob das zu Änderungen führen muß, bleibt die Frage, aber genau das wollen wir prüfen, da sind wir vorurteilsfrei. Ihr Schnellschuß ist da nicht hilfreich, er ist kontraproduktiv.
(Heino Vahldieck CDU: Wenn er kontraproduktiv ist, müssen Sie ihn ablehnen und nicht überweisen! Seien Sie konsequent, Herr Klooß!)
Die jüngsten Vorfälle geben Anlaß zu einer sorgfältigen Überprüfung der aktuellen Situation. Aber der hektische Aktionismus, den die CDU mit ihrem Antrag an den Tag legt und an den sich Herr Forst so bereitwillig und begeistert anschließt, ist der Sache wenig dienlich.
Wir werden die Strukturanalyse und die Verbesserungsvorschläge der von Frau Senatorin Roth eingesetzten Sachverständigenkommission zur Untersuchung des Maßregelvollzugs abwarten, anstatt überstürzt Regelungen zu treffen, die weder der Sicherheit der Allgemeinheit noch den Patienten dienen. Wir werden dies in Ruhe tun, wir werden das mit Angemessenheit gegenüber dem Thema tun, und wir werden uns nicht durch eine skandalorientierte Betrachtungsweise, die Sie an den Tag legen, irre machen lassen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hesse, die Bürgerschaft tut zum Glück mehr, sie setzt sich mehr mit dem Maßregelvollzug auseinander, als daß Sie ab und zu Schriftliche Kleine Anfragen schreiben. Vor zwei Jahren hatten wir dazu schon einmal eine Debatte, und zwar anläßlich des Berichts der Aufsichtskommission. Damals hat Herr Lüdemann in sehr moderater Form für die CDU gesprochen
und Forderungen aufgestellt, die wir alle geteilt haben. Wir waren uns vor dem Hintergrund des Falles Holst, der dramatisch war, einig, daß die Kapazität in Haus 18 in Ochsenzoll erweitert werden und endlich die freigewordenen Stellen besetzt werden mußten. Sie wissen, daß es einen Erweiterungsbau gegeben hat und die Stellen besetzt worden sind. Es gibt dort inzwischen deutlich mehr Personal und Weiterqualifizierung, mehr Supervision. Das können Sie auch an dem in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Haushaltstitel für den Maßregelvollzug ablesen.
Ich möchte hier wirklich zurückweisen, daß die Senatorin in dem Bereich nichts getan habe. Dieser Bereich ist trotz Haushaltskonsolidierung sehr bevorzugt behandelt worden. Das war notwendig, und ich bin damit auch zufrieden, und ich hoffe, daß wir gemeinsam wieder auf diese sachliche Ebene zurückkommen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe teilweise das Gefühl, Frau Dr. Freudenberg, daß Sie sich auf eine andere Debatte vorbereitet haben. Es geht hier nicht um die Generaldebatte zum Maßregelvollzug,
sondern um eine Gesetzesänderung, und ich habe ganz konkrete Punkte angesprochen. Herr Klooß, es war sehr angenehm, was Sie zu den einzelnen Punkten gesagt haben. Da weiß man wenigstens, wie die Position zu den einzelnen Punkten ist, und kann darüber debattieren. Aber es tut mir leid, das sagen zu müssen, Frau Dr. Freudenberg, Ihr erster Redebeitrag hierzu war einfach ein unreflektiertes Gekeife und genereller Rundumschlag.
Herr Jobs, es ist alles ganz schön, wenn Sie sagen, Sie fänden es gut, wenn das einmal an den Ausschuß überwiesen werde, dann könne man sich einmal über die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen unterhalten und fragen, warum denn nun auf einmal mehr Leute im Maßregelvollzug seien. Das ist ja alles ganz schön, und hinterher sitzt man da und sagt: Es hat mir unheimlich viel gegeben, es macht mich ganz betroffen. Aber wir wollen nicht nur darüber reden, sondern haben ganz konkrete Forderungen und wollen gewisse Sachen umstellen.
Es sind fünf Punkte. Der einfachste Punkt ist, Beiräte einzurichten. So etwas gibt es jetzt schon, aber keiner hat gesagt, ob er sie gut oder schlecht findet.
Zweitens fordern wir eine Sicherheitsfachkraft für jede Einrichtung: Dazu kann man sagen, das finden wir gut oder nicht gut.
Drittens wollen wir ein Gutachten: Was ist eigentlich so schlecht daran, ein Gutachten zu erstellen, bevor jemand Vollzugslockerungen bekommt? Dazu haben Sie auch nichts gesagt. Gerade im Maßregelvollzug bei psychisch Kranken sollte es selbstverständlich sein, vorher ein oder zwei Gutachten zu erstellen.
Viertens: Herr Klooß hat schon gesagt, daß im Moment der Leiter der Einrichtung alleine entscheidet. Das Pendant dazu wäre, daß der Direktor einer Strafvollzugsanstalt alleine entscheidet, ob der Mann herauskommt oder nicht, ob er Vollzugslockerungen bekommt, ob er Urlaub bekommt und am Wochenende nach Hause gehen kann. Der Ist-Zustand im Strafvollzug ist nach dem Gesetz so, daß die Vollstreckungsbehörde und die Behörde zustimmen müssen. Der Maßregelvollzug geht noch ein bißchen darüber hinaus und hat noch die Therapie. Was spricht eigentlich dagegen, da das Gleiche zu fordern? Die Frage sollte eher sein, warum im Maßregelvollzug – natürlich sind die Leute krank, aber sie haben zum Teil auch eine kriminelle Vergangenheit – nicht auch die Vollstreckungsbehörde oder die Behörde guckt, ob er schon dafür geeignet ist, herausgelassen zu werden oder nicht und nicht ein Mediziner allein darüber entscheidet. Wieso soll es eigentlich diese Privilegierung geben? Dazu ist von dieser Seite überhaupt nichts gekommen außer der Bemerkung, das sei der große Rundumschlag und alles sei verkehrt.
Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 16/6121 zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuß und mitberatend an den Rechtsausschuß zu? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Bei ganz wenigen Gegenstimmen ist das mit großer Mehrheit an die Ausschüsse überwiesen worden.
Ich rufe als nächstes den Tagesordnungspunkt 28 auf, die Drucksache 16/5993: Mitteilung des Senats zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Begabungen.
[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 12./13. Juli 2000 (Drucksache 16/4469) – Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Begabungen – – Drucksache 16/5993 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kinder und Jugendliche mit besonderer Begabung sind ein Gewinn für die Gesellschaft. Hamburg hat dies erkannt und ein Netzwerk der schulischen und außerschulischen Förderung entwickelt, das von der Beratungsstelle für besondere Begabung der BSJB koordiniert wird, eine Institution, die in der Bundesrepublik einmalig ist. Aus dem Bericht des Senats geht hervor, daß vor allem das individuelle Überspringen einer Klassenstufe an den Gymnasien kontinuierlich gestiegen ist. Im Schuljahr 1996/97 wurde das geförderte Springen in Hamburg eingeführt. Schülerinnen und Schüler, die eine Klasse überspringen wollen, können dafür eine Lehrerwochenstunde in Anspruch nehmen, um den ihnen fehlenden Unterrichtsstoff gemeinsam mit einem Lehrer oder einer Lehrerin aufzuarbeiten.