Protocol of the Session on June 14, 2001

Ich finde es allerdings auch wichtig, in dieser Zeit einmal die Fragen zu stellen, warum diese Häuser in so großem zunehmenden Maße gebraucht werden, warum müssen immer mehr Plätze eingerichtet werden, warum gibt es immer mehr Menschen, die psychisch so krank sind, daß Gewalttätigkeiten Bestandteil ihrer Krankheiten sind? Diese Debatte würde ich gern mit Ihnen in Ruhe im Ausschuß führen, aber nicht anhand dieser Negativschlagzeilen und vor dem Hintergrund eines Wahlkampfes, bei dem schnelle Lösungen für schwierige Probleme geschaffen werden sollen, die so einfach nicht zu lösen sind.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Forst.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Geschehnisse des Klinikums Nord, der heutige Antrag, als aber auch der Debattenbeitrag von Herrn Lüdemann haben deutlich gemacht, daß der Hamburger Maßregelvollzug auf eine neue Grundlage gestellt werden muß.

Bedauerlich ist es, daß die Senatorin selbst für diese Thematik keine Sensibilität hat, denn sie hat wahrnehmbar nach dem letzten Debattenbeitrag das Haus verlassen; das finde ich nicht gut.

(Beifall bei Klaus-Peter Hesse CDU)

Richtig ist, daß die Einsetzung einer Kommission allein die Probleme noch nicht unmittelbar und schnell lösen wird. Die Kommission allein kann natürlich nicht alles lösen, und darum ist die Antragsinitiative der CDU zur Neufassung

einiger Punkte im Maßregelvollzug zu begrüßen. Sie ist nicht nur zu begrüßen, sondern notwendig. Insofern ist sie auch zu unterstützen.

Sosehr es auch das gemeinsame und gesellschaftspolitische Anliegen der Resozialisierung und der Wiedereingliederung straffällig gewordener Täter sein mag, steht unzweifelhaft in unserer gesellschaftspolitischen Verantwort der Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger vor sozial schädlichem Verhalten im Vordergrund. Darüber dürfen alle Bemühungen um Wiedereingliederung und Resozialisierung in keiner Weise hinwegtäuschen.

Bei aller Sensibilität, die im Maßregelvollzug angebracht ist, ist es aber auch das vielfach getrübte Weltbild im Glauben, daß alle Straftäter die gleichen Resozialisierungsvoraussetzungen mitbringen, welches im Ergebnis schon oft dazu führte, daß der Schutz der Gesellschaft hinter den Resozialisierungsbemühungen zurückgeblieben ist. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger hat Priorität, hinter der im Zweifel Resozialisierungsversuche mit unbeaufsichtigten Freigängern von Straftätern, insbesondere Sexualstraftätern, zurückzustehen haben. Opferschutz geht ohne jede Frage vor Täterschutz. Dieses Anliegen nehmen die Änderungspunkte der Neufassung des Maßregelvollzugsgesetzes mit auf den Weg.

Entscheidend wird aber sein, wie die Behörde – insbesondere die leider nicht mehr anwesende Senatorin – mit dem Gesetz umgehen wird und in der Gesamtverantwortung ihres Amtes ihrer Aufsichtspflicht gegenüber dem LBK und dem Klinikum Nord nachkommen wird. Denn richtig ist, daß selbst gute Gesetze in aller Regel nichts wert sind, wenn sie nicht mit dem notwendigen Umsetzungswillen sowie mit der entsprechenden Sensibilität, der Sorgfalt und der Aufsichtspflicht begleitet werden.

So werden wir die Noch-Senatorin, wie es heute schon angeklungen ist, mit der uns gebotenen Wachsamkeit begleiten

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Wer ist wir?)

und hoffen, daß sie aus den Defiziten ihrer Aufsichtspflicht und des Hamburger Maßregelvollzugs gelernt hat.

Das Wort hat Herr Hesse.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jobs, liebe Frau Dr. Freudenberg, es sollte uns bei dieser Diskussion über den Maßregelvollzug nicht um den Wahlkampf gehen,

(Lachen bei der SPD und der GAL)

sondern – das müßte uns alle verbinden – um die Sicherheit der Bürger und um verbesserte Bedingungen für den Maßregelvollzug. Herr Jobs, da können wir nicht länger warten, da müssen wir handeln,

(Beifall bei der CDU)

denn diese Diskussion ist keine Wahlkampfdiskussion, sondern sie ist entstanden, weil Dinge an die Öffentlichkeit gekommen sind.

(Karin Rogalski-Beeck SPD: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Und wären diese Dinge vor ein oder vor zwei Jahren an die Öffentlichkeit gekommen, dann hätten wir auch darüber im

(Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Parlament diskutiert und Veränderungsvorschläge gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Aber Sie haben bisher die Öffentlichkeit darüber im unklaren gelassen, wie die Verhältnisse in Hamburg sind. Der Senat hat auf eine Schriftliche Kleine Anfrage, die ich am 13. Februar 1998 gestellt habe, auf die Frage, ob er angesichts der vielen Vorfälle im Klinikum Nord das Hamburger Maßregelvollzugsgesetz hinsichtlich der Behandlung von Straftätern sowie zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger noch für angemessen halte, geantwortet, die Ausbrüche beziehungsweise Entweichungen aus Maßnahmen der Unterbringungslockerungen ständen in keinem Zusammenhang mit der Regelung des hamburgischen Maßregelvollzugs; es werde daher kein Anlaß zu einer Novellierung gesehen. Damit haben Sie gesagt, alles ist in Ordnung, nichts ist notwendig, es ist alles prima hier und wir machen weiter so.

(Manfred Mahr GAL: Das haben wir nicht gesagt!)

Dieses war falsch, wie wir heute wissen, und deswegen wird es auch heute diskutiert.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeit im Klinikum – dies ist angeklungen – ist tatsächlich schwieriger geworden. Daran sind aber nicht die Politiker schuld, es sind auch nicht die Medien schuld und schon gar nicht Bürger, die hinterfragen, sondern es sind diejenigen schuld, die in den letzten Monaten vertuscht haben, verschwiegen haben und damit auch zur Unsicherheit in der Bevölkerung beigetragen haben. Ein Verschulden ist auch bei den Mitarbeitern nicht festzustellen, sondern das Problem liegt, wie wir heute wissen, in den Rahmenbedingungen des Maßregelvollzugs und bei der politischen Führung, die sich momentan hier aus dem Hause verzogen hat.

Die Ärzte und Patienten im Klinikum Nord sind Opfer eines von der Politik im Stich gelassenen Maßregelvollzugs geworden. Die Wahrheit um das Klinikum Nord muß aber an das Tageslicht, denn nur so kann das Vertrauen in die Arbeit des Klinikums wieder hergestellt werden und damit auch das notwendige Verständnis, das der dort praktizierte Maßregelvollzug braucht. Vollzugslockerungen sind in Hamburg fester Bestandteil der auf Rehabilitation zielenden Therapie. Daß es jedoch auch nichttherapierbare Fälle gibt – das hat Herr Dr. Petersen angesprochen –, wird leider in Hamburg außer acht gelassen.

(Zuruf von der GAL: Unsinn!)

Ich bin kein Mediziner und auch kein Jurist, Herr Klooß wird vielleicht gleich dazu sprechen, aber ich fühle mich als Abgeordneter eines Stadtteils in der Verantwortung, die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung ernst zu nehmen

(Peter Zamory GAL: Oder zu schüren!)

und Hinweise von Personal und Anwohnern zu hinterfragen. Das ist die Aufgabe eines Abgeordneten, und das werde ich auch weiter so tun.

(Beifall bei der CDU – Dr. Mathias Petersen SPD: Aber keine Panikmache!)

Alles, was sonst noch um diese Vorgänge herum gesagt wurde, dient bestimmt nicht dazu, die Arbeit des Personals im Klinikum Nord zu unterstützen. Ich frage mich allerdings auch vor diesem Hintergrund, wer hier eigentlich aufklären

und wer vertuschen will, wenn ich mir noch einmal die Fragestunde von vorhin in Erinnerung rufe, wo wir keine klaren Antworten auf klar gestellte Fragen bekommen haben. Es ist Frau Roth, die die Tatsachen in der letzten Zeit verdreht hat. Sie agiert panisch bei irgendwelchen Dingen, die als Ergebnis auf die Vorgänge im Klinikum Nord geschehen sind. Wie sonst ist zum Beispiel der Abzug des Klinikdirektors Vetter zu werten, wenn nicht als ein Eingeständnis verfehlter Politik, daß es dort anscheinend eine Verantwortung gab, die nicht richtig ausgeführt wurde. Mir ist bisher viel zuwenig das politische Schuldeingeständnis für die Vergewaltigungen und die unbeaufsichtigten, nicht zu verantwortenden Freigänge zum Ausdruck gekommen, ebenso wie für die Zustände im Klinikum.

Wir haben es vorhin schon einmal diskutiert. Es gibt dort unzumutbare Therapiezustände, Herr Dr. Petersen, zum Beispiel durch eine fünfundreißigprozentige Überbelegung in Haus 18 und auch durch fehlendes, qualifiziertes Personal bei dieser besonders schwierigen Aufgabenstellung. Das kommt nicht von der CDU, sondern von Guntram Knecht, der leitender Arzt der forensischen Abteilung ist. Wir haben nicht gelesene Protokolle einer Kommission über Visiten dort; das zeugt auch nicht gerade von verantwortlicher Aufsichtspflicht der Senatorin.

Frau Roth, insbesondere Sie hätten wissen müssen, daß es bereits vor zwei Jahren im Klinikum Nord ein Positionspapier von Assistenzärzten gab, welches auf Kommunikationsmängel und eine demotivierende Arbeitsatmosphäre im Klinikum hingewiesen hat; Sie haben dagegen nichts unternommen. Sie waren es, die für Verunsicherung gesorgt und damit natürlich auch den Eindruck verstärkt hat, daß noch viel mehr passiert sein kann. Das Bauernopfer des Ärztlichen Direktors Vetter macht deutlich, daß Sie die Verantwortung auf die Ärzte und Mitarbeiter abwälzen, obwohl Sie Ihre politische Aufsichtspflicht sträflich vernachlässigt haben. Überprüfen Sie doch einmal, ob es aufgrund von Personalmangel vielleicht Freigangsbegleitungen durch Patienten anstatt durch Personal gegeben haben kann. Daß Patienten Schlüsselgewalt im Klinikum Nord hatten, wissen wir mittlerweile. Ich bin besonders gespannt auf die Recherche der Behörde über Drogenkonsum in und auf dem Gelände des Klinikums. Erläutern Sie doch zum Beispiel einmal die Maßnahmen als Senat zur Sicherung, insbesondere die Kontrollen von Besuchern, die in die geschlossene Psychiatrie kommen, die nach meinen Informationen nicht stattfinden. Und antworten Sie – das wünsche ich mir besonders – auf meine Schriftliche Kleine Anfrage ehrlich und ausführlich, denn noch weitere Skandale, die von Medien oder Mitarbeitern aufgedeckt werden, werden Frau Roth den Kopf kosten.

Sie haben bisher, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, nur hinterfragt und eine Kommission gegründet. Wir haben heute – das hat Herr Lüdemann sehr deutlich gemacht – konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet, insbesondere, was ich für sehr wichtig halte, die Gründung von Beiräten, die für mehr Transparenz sorgen, und das ist im Bereich Langenhorn sehr notwendig. Es bleibt aus Sicht der CDU zu hoffen, daß die jetzt gegründete Kommission nicht viele Monate tagt, sondern zügig arbeitet und damit verlorengegangenes Vertrauen schnell zurückgewinnt.

Meine Damen und Herren! Eines muß klar sein, es geht hier um kranke Menschen, über die wir sprechen, aber es geht auch um Verbrecher. Daher gilt das, was wir auch schon in der Pressekonferenz sehr deutlich gemacht haben: Sicherheit geht für uns vor Therapie und nicht anders

(Klaus-Peter Hesse CDU)

herum. Unser Gesetzesentwurf, den wir heute eingebracht haben, trägt diesem Anspruch Rechnung. Überweisen und prüfen Sie diesmal diesen Antrag besser, als Sie das vor zwei Jahren in meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage zugegeben haben, und behaupten nicht wieder, alles sei in Ordnung. Jedes weitere Opfer einer von Ihnen verschuldeten Politik, jede Vergewaltigung, jeder Mord, jeder Ausbruch sind zuviel. Die Sicherheit der Bürger muß Priorität haben. Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn Sie bei den Langenhornern für Verständnis für die schwierige Aufgabe und Arbeit werben, wenn Sie endlich offen und ehrlich agieren und Verbesserungen hinsichtlich der Sicherheit durchführen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Klooß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hesse, wenn Sie hier bekennen, Sie seien weder Jurist noch Mediziner, dann nimmt Ihnen das natürlich keiner übel, das wirft Ihnen keiner vor. Aber daß Sie sich damit brüsten, zeigt doch nur, daß Sie etwas ganz anderes wollen, Sie wollen hier Krawall machen.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Sie leisten Ihrer Fraktion einen Bärendienst, wenn Sie ein Gesetzesvorhaben mit solcher Begleitmusik einführen wollen. Das ist ein Trojanisches Pferd, und Sie wollen aus dem Bauch dieses Pferdes nur Schmutzkübel ausgießen.