Protocol of the Session on June 13, 2001

Ein Dank geht an unsere Sachverständigen-Mitglieder, die in zwölf Sitzungen immer wieder mit uns gearbeitet haben, konstruktiv, manchmal hart in der Debatte, aber immer eine Chance sahen, die Hamburger Situation daran abzuarbeiten. Insbesondere danke ich unserem Arbeitsstab, der uns in pfiffiger, schneller, zuverlässiger, wissenschaftlich sauberer Art und Weise alle vier Wochen vorbereitet hat.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

Natürlich geht ein Dank auch an die Kolleginnen Frau Kiausch und Frau Hajduk. Ein Vorsitzender kommt nicht klar, wenn ihn die Mehrheit ärgert. Ich habe mich bemüht, die Mehrheit nicht zu ärgern und zu einem Ergebnis zu kommen. Dabei möchte ich darauf hinweisen, daß wir eine relativ knappe Zeit hatten, Herr Ehlers. Dabei fällt mir ein, daß Sie mich geärgert haben. Wir hätten viel früher fertig sein können, wenn der Haushaltsausschuß einen Minderheitenrechtsantrag nicht neun Monate hätte liegenlassen.

Dennoch sind wir das erste Landesparlament, das seinen Mitgliedern einen Bericht liefert, der, wie ich glaube, nicht

Ergebnis siehe Seite 5090 C.

(Dr. Monika Schaal SPD)

nur hamburgische Interessen darstellt, sondern den Versuch macht, das Zusammenwirken der Finanzen zwischen Bund und Ländern darzustellen. Weil das so ist, will ich sagen, die Mehrheitsfraktionen haben einen Antrag gestellt, dem wir zustimmen werden. Er ist erstens richtig, und zweitens weist er auf etwas hin, was mich immer ärgert: Manchmal hören wir den Senat in wichtigen Fragen zu spät Bericht erstatten. Es ist angenehm, daß darauf hingewiesen wird.

Wenn der Dank vorbei ist, möchte ich die Solidarität Hamburgs im Länderfinanzausgleich erwähnen. Damit man auch Kritik bringen kann, scheint mir die Solidarität wichtig zu sein. Solange es den Länderfinanzausgleich gibt, sind wir das Bundesland, das pro Kopf der Bevölkerung – und das ist der gerechte Maßstab – am meisten eingezahlt hat, und zwar im letzten Jahr in Mark und Pfennig 1,1 Milliarden DM. Das ist fast die Summe unserer Investitionen.

Wir haben in den letzten 30 Jahren auch Verluste gehabt. Die Lohnsteuer wird zum Beispiel am Wohnsitz erhoben. Als Hamburg sich 1970 auf diese Regelung einließ, betrug die Abführung durch Zerlegung 2,5 Milliarden DM. Heute sind es 7,1 Milliarden DM. Aber, was so spannend ist, die Zahl der Pendler hat nicht so stark zugenommen wie die Summe der Abführung. Wenn Sie sich vorstellen, wieviel Geld wir für Pendler abführen – 7,1 Milliarden DM pro Jahr – in bezug auf die Zahl der Lohnsteuerzahler, kann ich daraus ablesen, daß wir eigentlich eine Einwohnerwertung von 175 Prozent brauchten. Das müssen wir allen anderen auch einmal sagen.

Wir sind in der Enquete-Kommission zur Umsatzsteuer einvernehmlich dazu gekommen – man ist ja gerne mit dem örtlichen Aufkommen dabei –, daß es bei der Umsatzsteuer kein örtliches, sondern ein bundesweites ProKopf-Aufkommen gibt. Würde man den Empfehlungen der Kommission folgen, würde man vermutlich dazu kommen, daß das örtliche Aufkommen von Umsatzsteuer 160 Prozent ist, also weit über 135 Prozent.

(Dr. Leonhard Hajen SPD: Das würde viel Geld brin- gen!)

Das sowieso, Herr Professor Hajen.

Die CDU-Fraktion hat immer gesagt, Länderfinanzausgleich ist kein Ersatz für eine Länderneugliederung. Das heißt, wir gehen mit dem vollen Selbstbewußtsein eines Bundeslandes in diese Gespräche und Verhandlungen, die leider nicht das Parlament, sondern nur die jeweilige Regierung führt.

Wir haben zur wichtigen Einwohnerwertung drei Gutachten in Auftrag gegeben. Alle kommen zu dem Ergebnis, daß 135 Prozent die Untergrenze ist. Viel Höheres ließe sich auch wissenschaftlich begründen. Natürlich weiß ich, daß es ein Gutachten gibt, das nur bei 118 Prozent endet, aber dort hat man das Thema „Großstädte“ nicht auf die Reihe bekommen, und es ist gut angreifbar. Aber immerhin sollte man das erwähnen.

Der Finanzausgleich ist voll von Lustigkeiten. Darüber, ob die Hafenlasten der Weisheit letzter Schluß sind, kann man reden. Objektiv unsinnig ist aber, daß elf von 16 Ländern „wegen Kleinheit des Landes“ für die politische Führung Geld bekommen, nur Hamburg nicht, obwohl wir das viertoder fünftkleinste Land sind.

(Dr. Leonhard Hajen SPD: Weil wir einen so guten Senat haben!)

Nein, daran liegt es nicht. Der ist viel zu teuer, das wissen Sie auch.

(Erster Bürgermeister Ortwin Runde: Wert und teuer!)

Deswegen bekommen wir nicht einmal einen Pfennig.

Mein Fazit: Über das Thema, das Hamburg zu Recht im Länderfinanzausgleich zu verteidigen hat, gibt es mit der Opposition hier im Hause keinen Streit.

Jetzt möchte ich zu meinen Minderheitenvoten kommen. Ich habe sehr bewußt zu fünf von 35 Thesen eine andere Meinung vertreten. Ich trage alle anderen Punkte mit und sage nur, die Mehrheitspunkte sind bei diesen fünfen die schlechteren. Das will ich begründen.

Eines ist klar, ein Finanzausgleich, der faktisch alle schwachen Länder auf 99,5 Prozent hebt – ich will mich mit der Finanzsenatorin nicht über juristische Dinge streiten, sondern es geht um das Fiskalische, es geht ums Geld –, kann keine vernünftige Regelung sein, die wirklich zu Anstrengungen führt, sei es Sparen, sei es, die eigene Ökonomie als Land in Betrieb zu setzen, wenn jemand weiß, auf 99,5 Prozent Finanzkraftausgleich läuft es am Ende immer hinaus. Hier ist ein Fehler. Wenn man das Verfassungsgerichtsurteil aufmerksam liest, findet man es auch dort. Hier beginnt für mich die Kritik am Senat.

Der Senat hat mit der sehr engen Festlegung auf die Verteidigung der Einwohnerwertung von 135 Prozent ein paar Chancen vergeben. Man kann in der Bundesrepublik Deutschland keine Stadtstaaten haben und deswegen auch keinen Streit über die Minimumhöhe, wenn man das nicht insbesondere unseren beiden Stadtstaaten-Nehmerländern Berlin und Bremen zuordnet. Dann ist der Föderalismus ziemlich am Ende. Also hätte ich mir etwas mehr Mut gewünscht. Deswegen auch meine Minderheitsmeinung, eine etwas andere Reihenfolge bei der Steuerkraft hätte nützen können, weil ich davon überzeugt bin, schlechter hätte es nicht kommen können. Ich weiß ja, wann eine Mehrheit eine Mehrheit ist, aber hier ist die Frage, wie geht das einzige Nehmerland Stadtstaat mit seiner Position um. Da hätten wir erstens Anwalt der Stadtstaaten sein können. Wir hätten Makler sein können, weil wir 30 Jahre solidarisch waren zwischen armen und reichen Bundesländern. Wir hätten Makler sein können, weil diese Stadt mit allen Fraktionen nie hat einen Zweifel aufkommen lassen, daß die neuen Länder in die Bundesrepublik insgesamt fair integriert werden und sie von uns jedenfalls nicht im Stich gelassen werden. Wir hätten als alte Handelsstadt auch ein wenig Wettbewerb in den Finanzausgleich tragen sollen. Es hätte jedenfalls nach meiner Einschätzung nicht zu unserem Schaden gereichen können. Für uns ist wichtig, wer den Finanzausgleich so eng weiterführt wie bisher, gibt den Ländern und damit den Länderparlamenten immer weniger parlamentarische Entscheidungshoheit. Darüber nachzudenken, die Steuerbasis von den Ländern her minimal mitbestimmen zu können, hätte nach meiner Meinung eine durchlüftende Wirkung für die Tätigkeit unserer Landesparlamente haben können.

Ein wenig ärgert mich, daß das Verfassungsgericht eigentlich mehr Spielraum gegeben hat, als ich, Herr Bürgermeister, aus allen Verhandlungen – soweit sie öffentlich waren – von Ihnen höre. In Wahrheit wird zwischen den Ländern beschlossen: Alle behalten dasselbe, und keiner bekommt weniger. Das geht mathematisch nicht. Das bedeutet nämlich, es bleibt so, wie es ist. Das sollte es aber nicht. Wenn

(Rolf Kruse CDU)

wir es ändern wollen, muß ich mir irgendwoher Geld holen, und dann geht es los. Das war wohl gestern oder vorgestern der Fall als Bittsteller beim Bunde. Ist das ein wirkliches Zutrauen der Länder für sich selbst um die Kraft der Selbstregelung?

In der Summe haben wir als Landesparlament gut daran getan, uns selber ein Bild zu machen, was geht, was nicht geht und was gescheit ist. Es lohnt sich, die Vorlage zu lesen. Es gibt einen kleinen Teil, für den man etwa eine halbe Stunde braucht, wenn man etwas wissen will. Immerhin, nach eineinhalb Jahren Arbeit ist das ein Angebot an Sie alle. Ich wünsche mir, daß der Kommissionsbericht – und das ist die Aufforderung – in die Senatsverhandlung mit den anderen Ländern eingeht. Ich wünsche mir weiterhin, wenn wir ein gutes Ergebnis für Hamburg haben, daß wir uns in der nächsten Legislatur wieder darüber streiten, wie dieses Parlament mehr Rechte bekommen kann. Dies sollte ein Beitrag dafür sein.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Kiausch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Länderfinanzausgleich ist ohne Zweifel ein sehr komplexes und auch kompliziertes Thema. Ich möchte deswegen vorab ein paar Worte zu dem Bericht sagen. Natürlich schließe ich mich dem Dank, den Herr Kruse an alle Beteiligten ausgesprochen hat, aus vollstem Herzen an. Aber ich muß auch sagen, ich bin ein bißchen stolz darauf, daß es der Kommission gelungen ist, Ihnen etwas vorzulegen, was auch für den interessierten Laien verständlich ist, ohne unwissenschaftlich zu sein. Nicht zuletzt, und das sage ich mit deutlicher Betonung, ist dies unserem Arbeitsstab zu verdanken, der viel dafür getan hat, daß der Bericht verständlich werden konnte.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Finanzverfassung soll grundsätzlich sicherstellen, daß alle Gebietskörperschaften die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel erhalten. Außerdem muß sie zwei wesentliche Prozesse ausbalancieren – das sollte man hier erwähnen –, nämlich einmal den Angleichungsprozeß nach außen, der durch Herstellung der Europäischen Gemeinschaft stattfindet, und den Angleichungsprozeß nach innen, der das wirtschaftliche Aufholen der neuen Länder ermöglichen soll. Beide Prozesse, die beide schwierig sind, müssen zeitgleich und gleichwertig berücksichtigt werden. Man muß hinzufügen: Sie werden auch zukünftig Veränderungen und Justierungen erforderlich machen.

Bund und Länder können nach meiner festen Überzeugung ihre Aufgabe dabei nur erfüllen, wenn sie gemeinsame Grundsätze verfolgen. Diese sind Solidarität mit den Schwächeren, Respekt vor der Staatlichkeit aller Länder, Wettbewerbsfähigkeit der Stadtstaaten im Vergleich mit den anderen Metropolen in Deutschland und auch Transparenz für den Bürger, obgleich Letzteres ein schwieriges Kapitel ist.

Um die Rolle Hamburgs im Länderfinanzausgleich zu verdeutlichen, nenne ich auch einige Zahlen. Herr Kruse hat die Summe der Finanzausgleichszahlungen, die im letzten Jahr auf den Tisch des Hauses kommen mußte, genannt. Man kann auch andere Zahlen nennen: Jeder einzelne Hamburger hat für den Länderfinanzausgleich seit dessen Einführung 1950 netto 9128 DM aufgebracht, weit mehr als

die Einwohner irgend eines anderen Landes und natürlich vor allen Dingen auch jener Länder, die heute die Ungerechtigkeit beklagen: Bayern, das lange Nehmerland gewesen ist, hat bisher 936 DM gezahlt, Baden-Württemberg 5658 DM und Hessen 7786 DM. Hamburg hat also den Anspruch der Solidarität seit vielen Jahren, seit Jahrzehnten vorbildlich erfüllt.

Einige Themen, die die Debatte in unserer Enquete-Kommission sehr intensiv beflügelt haben, hat Herr Kruse hier genannt, beispielsweise Zahlungen für politische Führung, Pendler und Umsatzsteuer. Das werde ich hier nicht wiederholen, sondern nur noch einmal betonen, daß Hamburg nicht deswegen soviel gezahlt hat, weil seine besondere Situation als Stadtstaat mit einem Gewichtungsfaktor von 135 Prozent bewertet wurde – ich schließe mich Herrn Kruses Auffassung an, daß das die untere Grenze ist –, sondern obwohl dies der Fall war. Anderenfalls wären die Beträge noch viel höher gewesen.

Man muß immer wieder sagen – vor allen Dingen auch unseren Gegnern –, die Einwohnerwertung ist weder Bonus noch Privilegierung, sondern nur eine notwendige Korrektur, um zu gewährleisten, daß die Hamburger Bürgerinnen und Bürger nicht schlechter gestellt werden als die Einwohner anderer Großstädte, die zum Beispiel ihre Polizeibeamten nicht selbst bezahlen und auch ihre Hochschulen nicht selbst unterhalten müssen.

Im kommunalen Finanzausgleich werden diese Großstädte von ihren Ländern sehr viel höher bewertet; Stuttgart zum Beispiel mit 186 Prozent. Diese Zahl muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Da gibt es Vergleiche, die einen nachdenklich werden lassen.

Wenn also jemand Grund zum Klagen hätte, dann wäre es eigentlich Hamburg. Dennoch spricht sich die von der Hamburgischen Bürgerschaft eingesetzte Enquete-Kommission dafür aus, das System des Länderfinanzausgleichs im Grundsatz in seiner gegenwärtigen Form zu belassen und Korrekturen auf das nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Notwendige sowie auf einzelne Punkte zu beschränken.

Meine Damen und Herren! Man kann darüber streiten, ob die Vorgabe hilfreich ist, daß der Bundestag ein Maßstäbegesetz in Kraft setzen soll, das in seiner Bedeutung irgendwo zwischen Verfassung und dem einfachgesetzlichen Finanzausgleichsgesetz angesiedelt ist. Wenn dieses auch noch ohne Kenntnis seiner konkreten Auswirkungen geschehen soll, stellt sich die Frage, ob diese Vorgabe eigentlich der Lebenswirklichkeit entspricht.

Nun mache ich eine Klammer auf und sage: Gerichtsschelte soll man nicht betreiben, aber, ich finde, ich habe meine Meinung auch sehr maßvoll zu dieser Vorgabe des Verfassungsgerichtsurteils gesagt.

Aber das Urteil ist nun einmal bindend, ebenso wie die vorangegangenen Entscheidungen des gleichen Gerichts in dieser Sache. Das bedeutet für Hamburg nun einmal, daß eine besondere Bewertung der Finanzkraft unbestritten erforderlich ist. Es ist keine Besserstellung, sondern eine Voraussetzung, überhaupt in das Länderfinanzausgleichssystem einbezogen werden zu können.

Bei der Bemessung des Berechnungsfaktors – das hat Herr Kruse in einem anderen Punkt angesprochen – ist auch die Umlandversorgung der Stadtstaaten zu berücksichtigen. Hier gibt es in unserem Bericht eine abweichende Meinung, aber für alle anderen Enquete-Kommis

(Rolf Kruse CDU)

sionsmitglieder war ganz klar: Nicht Niedersachsen muß Bremen, nicht Brandenburg muß Berlin und nicht Schleswig-Holstein muß Hamburg die Umlandleistungen bilateral bezahlen, sondern alle Bundesländer müssen für diese Leistungen aller Stadtstaaten aufkommen; so hat das Bundesverfassungsgericht übrigens auch schon entschieden.

Hamburg hat die geltenden Regelungen des Länderfinanzausgleichs deshalb nicht angegriffen, weil es sich dem Verfassungsziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland verpflichtet fühlt. Dieses Ziel gebietet Solidarität mit den Schwächeren und Ausgleichszahlungen von denen, die überdurchschnittliche Einnahmen haben. Dazu brauchen wir leistungsstarke Länder, die sich gegenseitig anerkennen und ihre Staatlichkeit respektieren. Mit anderen Worten: Eine Länderneugliederung fiskalisch zu erzwingen geht nicht, denn die Neugliederung der Länder ist Sache eines Volksentscheides, und ich sage: Gott sei Dank! Die Länder müssen so gesichert und anerkannt werden, wie sie sind.

Als äußerst anregend habe ich es empfunden, daß bei einigen Kommissionsmitgliedern die gelegentliche Betrachtungsweise bestand, daß sich die Politik eines Gemeinwesens nach ökonomischen Gesichtspunkten ausrichtet beziehungsweise ausrichten sollte. Es war ebenso anregend wie falsch;

(Lachen und Beifall bei Susanne Uhl REGENBO- GEN – für eine neue Linke)

denn Reiz und Akzeptanz der Politik besteht doch darin, daß vielfältige Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, nämlich um die Menschen zu erreichen und sie in unserem komplizierten System und der komplizierten Zeit auch nach Möglichkeit mitzunehmen.