Protocol of the Session on February 28, 2019

Damit es an dieser Stelle deutlich gesagt wird: Niemand von uns toleriert Genitalverstümmelungen. Das ist eine verbrecherische Menschenrechtsverletzung. Deshalb haben wir in Hessen zusammen mit pro familia ein eigenes Projekt gegen Genitalverstümmelungen gestartet, und wir werden im Kampf gegen diese grausame Praxis nicht nachlassen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, die Istanbul-Konvention ist in ihrem Kern ein Präventions- und Antidiskriminierungsgesetz für alle Menschen. Gewalt in jeder Ausprägung wird verurteilt. Die Konvention verlangt eine Gesamtstrategie, ein koordiniertes Vorgehen, eine Evaluation und ein Monitoring.

Hier in Hessen sind wir beim Thema Schutz vor Gewalt gegen Kinder und Frauen und bei der Prävention vergleichsweise weit. Unsere Aktionspläne zur Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich, zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention, für Akzeptanz und Vielfalt, zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt in Institutionen belegen das eindrucksvoll, genauso wie die Kinder- und Jugendrechtscharta und die Kooperationsvereinbarung zwischen allen einschlägigen Behörden und Fachberatungsstellen zum Schutz der Opfer von Menschenhandel, zum Schutz vor sexueller Ausbeutung. Wir haben also bereits eine Gesamtstrategie, ganz im Sinne der Istanbul-Konvention.

Ganz klar ist aber auch: Man kann immer noch besser werden. Deshalb geht es jetzt darum, ein noch besser koordiniertes Vorgehen, eine vereinheitlichte Evaluation und ein konzentriertes Monitoring zu erreichen. Dazu haben wir bereits erste Schritte getan. Beispielsweise werden seit letztem Herbst beim Runden Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt“ von Bund, Ländern und Kommunen entsprechende Maßnahmen miteinander abgestimmt.

Hier in Hessen ist der Landespräventionsrat dabei als Sachverständigengremium ein ganz wesentlicher Partner der Landesregierung – genauso wie die Kommunen und die Zivilgesellschaft, die selbstverständlich bei allen Handlungen entscheidend mitwirken, z. B. in den Fachberatungs- und Schutzeinrichtungen für Frauen und Kinder, in der Männerberatung, der Täterarbeit und der Landeskoordinierungsstelle für Frauen mit Behinderungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, in Ihrem Antrag fordern Sie, mindestens 300 Frauenhausplätze und Frauenschutzwohnungen zu finanzieren. Sie übersehen aus unserer Sicht dabei, dass es auf die Vielfalt der Angebote im Präventions- und Schutzsystem insgesamt ankommt. Frau Brünnel hat das gerade ausgeführt. Genau deshalb schreibt die Istanbul-Konvention keine spezifische Zahl an Familienzimmern oder Frauenhausplätzen vor. Man könnte jetzt hinzufügen, dass Hessen mit 727 Frauenhausplätzen derzeit die dritte Stelle unter den Bundesländern einnimmt und damit im Vergleich ganz gut dasteht.

(Zurufe DIE LINKE)

Ich sage aber ausdrücklich, das können trotzdem zu wenige Plätze sein. Deshalb werden wir auch in dem Bemühen nicht nachlassen, noch besser zu werden.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Regierungsprogramm haben wir vereinbart, Frauenhäuser und Fachberatungsstellen durch verschiedene Maßnahmen gezielt zu unterstützen. Hierzu zählen, das habe ich bereits gesagt, erstmals eine Investivförderung von Baumaßnahmen, der Ausbau der Frauenhäuser, ihre Sanierung, die Umsetzung der Barrierefreiheit – übrigens auch bei den Beratungsstellen. Ich freue mich, dass der Bund ebenfalls ein Förderprogramm aufsetzen und damit unsere Investitionsförderung unterstützen wird.

Auch hier ein Wort zur Finanzierung. Im Rahmen unseres Sozialbudgets stehen in diesem Jahr rund 3,4 Millionen € für Frauenhäuser zur Verfügung. Für die Beratungs- und Interventionsstellen zum Schutz vor häuslicher Gewalt und vor sexueller Gewalt an Erwachsenen stehen rund 2,4 Millionen € zur Verfügung. Das ist so viel Geld wie noch nie in der Geschichte dieses Landes.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zum Schluss will ich noch darauf hinweisen, dass das Land – diesen Bereich habe ich in meiner früheren Funktion begleiten dürfen – die Beratungsstelle „Gewaltfrei leben“ finanziert und damit einen Schutzraum für Lesben, für bisexuelle Frauen, für Transund queere Menschen bietet, die von Gewalt und Diskriminierung betroffen sind.

Diese Beratungsstelle ist zwar keine Zufluchtsstätte im Sinne eines Gebäudes; im letzten Jahr wurden dort aber viele Lesben, Trans- und queere Menschen, die wohnsitzlos sind oder von Wohnsitzlosigkeit bedroht sind, beraten und unterstützt. In diesem Jahr hat sich die Beratungsstelle zum Ziel gesetzt, durch intensivierte Vernetzung mit Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe Schutzräume für diese Personengruppe zu schaffen.

Schließlich will ich daran erinnern, dass sich Hessen aktiv an der Bundesinitiative „Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ beteiligt. Ein Gewaltschutzkonzept für den Bereich der Erstaufnahme in Hessen ist erarbeitet, es ist erprobt, und es soll im gesamten Bereich der Erstaufnahme zur Anwendung kommen.

Sie sehen, wir haben uns bereits auf den Weg begeben. Der Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt und vor sexualisierter Gewalt ist für uns ein zentrales landespolitisches Thema. Frauenpolitik hat für uns einen hohen Stellenwert, und es wird eine zeitgemäße und im besten Sinne emanzipatorische Frauenpolitik sein. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Staatsminister Klose. – Damit sind wir am Ende der Beratungen zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wenn ich das richtig sehe, werden beide Anträge – der Antrag Drucks. 20/177 und der Antrag Drucks. 20/265 – vereinbarungsgemäß an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss überwiesen.

Damit rufe ich Tagesordnungspunkt 17 auf: Antrag Fraktion der AfD Beendigung der Kooperation mit DITIB – Drucks. 20/131 –

Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Es beginnt der Abg. Kahnt für die Fraktion der AfD. Herr Abg. Kahnt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag möchten wir die Landesregierung auffordern, die Kooperation mit der islamischen Religionsgemeinschaft DITIB im Rahmen des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts mit Ablauf des Schuljahres 2018/2019 zu beenden. DITIB als die größte islamische Religionsgemeinschaft in Deutschland ist ein türkischer Moscheeverband. DITIB unterrichtet in Hessen nur den sunnitischen, in der Türkei vertretenen Islam – mitsamt der dort besonders ausgeprägten reaktionären Auslegung des sunnitischen Islams.

Der Verband DITIB wird von deutschen Sicherheitsbehörden äußerst kritisch gesehen. DITIB steht der türkischen Regierungspartei AKP nahe und hat in der Vergangenheit auf Geheiß der türkischen Regierung an der Bespitzelung und Denunzierung von in Deutschland lebenden oppositionellen Türken mitgewirkt.

(Beifall AfD)

Dass der Einfluss des türkischen Staatschefs Erdogan weitreichend ist, zeigt sich in den Moscheen in Deutschland. Dort wird vielfach türkische Politik betrieben. DITIB ist in den vergangenen Jahren öfter zum Sprachrohr des türkischen Präsidenten in Deutschland geworden. Das beklagt unter anderem Susanne Schröter, die Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam an der Universität Frankfurt.

(Beifall AfD)

Frau Schröter weist in diesem Zusammenhang darauf hin – ich zitiere –:

Die DITIB hat sich unter Erdogan ganz stark zu einem Instrument, zu einem politischen Instrument der türkischen Regierung entwickelt.

Diese Qualität habe die DITIB eigentlich schon immer gehabt, aber man habe das nicht in dieser Weise genutzt, in der es jetzt Staatspräsident Erdogan tut.

In der 4. Plenarsitzung dieses Hohen Hauses, am 7. Februar, konnten wir den Redebeiträgen der Mitglieder der CDU- und der FDP-Fraktion sowie dem Beitrag von Frau

Staatsministerin Puttrich zum Hafturteil gegen die hessische Friedenspreisträgerin deutlich entnehmen, wie es um die politischen Verhältnisse in der Türkei steht. Ich zitiere aus dem Beitrag des Kollegen Dr. Hahn:

Die Türkei im Jahr 2010 und die Türkei im Jahr 2019 sind zwei total verschiedene Paar Schuhe. … Ein Rechtsstaat ist das wirklich nicht.

Herr Kollege Utter sagte:

Doch leider hat sich die Situation der Menschenrechte in der Türkei seit dem Putschversuch … rasant verschlechtert.

Frau Staatsministerin Puttrich äußerte:

Wer sich kritisch gegenüber dem Staatspräsidenten und seiner Politik äußert, muss damit rechnen, unter dem fadenscheinigen Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verhaftet und angeklagt zu werden.

Jenseits der hessischen Grenzen gibt es noch härtere Kritik. Cem Özdemir, türkischstämmiger grüner Politiker, lässt auch kein gutes Haar an der DITIB. Er sagte über den Dachverband, DITIB gehöre im gegenwärtigen Zustand nicht zu Deutschland.

(Beifall AfD)

Zu Beginn des Jahres 2018 gab es Hinweise auf die Verbreitung von Kriegspropaganda sowie darauf, dass die türkische Armee bei ihrem völkerrechtswidrigen Einmarsch in Nordsyrien durch hessische DITIB-Gemeinden, z. B. in Gelnhausen und in Dietzenbach, öffentlich unterstützt wurde. Zudem ließ man bei einer DITIB-Gedenkveranstaltung im April 2018 in Baden-Baden Kinder Krieg spielen und den Märtyrertod preisen. Da es hierbei zu verfassungsfeindlichen nationalistisch-religiösen Äußerungen und Aktivitäten gekommen sein soll, ist DITIB inzwischen ins Visier des Bundesverfassungsschutzes geraten. Bereits im vergangenen Jahr ist gegen Mitarbeiter DITIBs wegen Spionage ermittelt worden.

Meine Damen und Herren, sind wir mit DITIB in der richtigen Gesellschaft? DITIB Hessen untersteht als Gliedverband DITIB der Bundeszentrale in Köln. Diese wiederum untersteht dem Amt für religiöse Angelegenheiten der Türkei, Diyanet. Diyanet ist dem Staatspräsidenten angegliedert und untersteht somit direkt Staatspräsident Erdogan. Obwohl DITIB nach deutschem Vereinsrecht autonom ist, haben dort Repräsentanten der Türkei das Sagen. Ein Blick in die Satzung zeigt, Diyanet-Funktionäre haben in allen wichtigen Gremien eine erschlagende Präsenz und damit Entscheidungsgewalt. Neben die ideologische Abhängigkeit DITIBs tritt die finanzielle Abhängigkeit vom Staatspräsidenten Erdogan.

Auch die erneute Satzungsänderung von DITIB Hessen im November 2018, wonach die Bundeszentrale künftig weder ein Mitspracherecht bei der Besetzung des Landesvorstands habe noch einen Landeskoordinator entsenden werde, überzeugt einen nicht davon, dass sich DITIB Hessen künftig dem politischen Einfluss der türkischen Regierung über Diyanet entziehen kann.

(Beifall AfD)

Die Satzungsänderung und die Mitgliederverzeichnisse veranlassten übrigens die Landesregierung Ende 2016, drei Wissenschaftler mit der Überprüfung unter anderem des

Einflusses von Diyanet zu beauftragen. Die Landesregierung kündigte eine Beendigung der Kooperation mit DITIB an, sollte sich herausstellen, dass es einen solchen Einfluss gibt. Bisher ist es jedoch bei Absichtserklärungen der Landesregierung geblieben.

Einer der Gutachter betont, dass eine Religionsgemeinschaft, die Religionsunterricht an staatlichen Schulen erteilt, grundrechtsfähig sein müsse. Eben diese Voraussetzung sei bei DITIB jedoch prekär.

(Beifall AfD)

DITIB als Organ der politischen Einflussnahme der türkischen Regierung auf die in Deutschland lebenden Türken ist ein negatives Beispiel für die Grundrechtsfähigkeit wie auch für die Verwobenheit von Religion und Politik, mithin für den politischen Islam. Auf diese Verflechtungen wollen wir hinweisen, schon allein deswegen, weil die DITIB die Lehrbefugnis für ihre Lehre im Rahmen der Kooperation mit dem Land Hessen erteilt und ein Mitspracherecht bei den Lehrplänen hat. Wir fordern die Landesregierung daher auf, die Kooperation mit DITIB spätestens mit Ablauf des Schuljahres 2018/2019 zu beenden.

Kurios ist, dass Herr Kultusminister Lorz aus der Kritik an DITIB noch nicht die richtigen Schlüsse zieht. Zwar ließ er verlautbaren, er hege deutliche Zweifel an der grundsätzlichen Einigung, doch Konsequenzen gibt es nicht. Die Junge Union ist darin bereits viel weiter. Sie stellte schon im Jahr 2018 einen Antrag auf Einstellung der Kooperation mit DITIB.

Andere Bundesländer machen es auch besser. In Nordrhein-Westfalen sind weite Teile der Zusammenarbeit mit DITIB beendet worden. In Niedersachsen gibt es Warnsignale gegenüber DITIB. Dort wurde z. B. der Vertrag mit DITIB-Imamen in Gefängnissen gekündigt. Zudem gibt es Probleme mit DITIB beim islamischen Religionsunterricht, bei dem Niedersachsen auf das Beiratsmodell setzt. Dort wurde ein neues Curriculum nicht verabschiedet, weil sich Islamvertreter daran stören, wie die Frage der Homosexualität im Unterricht behandelt werden soll.

Islamverbände wie DITIB zeigen sich in dieser Frage starrsinnig, was mindestens die Folge haben müsste, dass die Besetzung der Beiräte verändert werden müsste. Doch DITIBs Landesvorsitzender droht bereits, die Arbeit DITIBs in Niedersachsen würde so oder so fortgesetzt, ob mit Regierung oder ohne. Man reibt sich die Augen. Kooperation kann man das wirklich nicht nennen.