Protocol of the Session on December 9, 2020

Mit unserem Corona-Hilfegesetz haben wir einen Weg vorgegeben. Damit zeigen wir Ihnen als Opposition einen Weg, wie wir Künstler wirklich entschädigen können, und zwar nicht, indem wir ihnen Stipendien zur Verfügung stellen, die am Ende de facto an eine inhaltliche Bewertung der Arbeit geknüpft werden. Das ist nämlich im Kern nicht liberal, sondern dient nur der Förderung des grünen Weltbildes. Es gibt selbstverständlich bestimmte Dinge, die liegen einem näher, und mit anderen hat man manchmal Probleme. Mit den kruden Vorstellungen, die Herr Grobe hier vorgetragen hat, haben wir, glaube ich, alle ein Problem. George Orwell hat einen wunderschönen Satz formuliert, was das Weltbild betrifft. Er hat gesagt:

Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.

(Beifall Freie Demokraten)

In Hessen wird niemand ins Gefängnis gesteckt, weil er etwas Bestimmtes gesagt hat. Das ist keine Frage. Aber mit Ihren Förderrichtlinien gehen Sie immer mehr dahin, dass man zwar manche Dinge sagen kann, dann aber eben kein Geld mehr bekommt. Auch das ist eine Form der Förderung eines bestimmten politischen Weltbildes – und zwar eine, die wir nicht gut finden.

(Beifall Freie Demokraten – Widerspruch BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will objektiv sein: Im Einzelplan finden sich durchaus gute Punkte. Ein sehr guter Punkt ist beispielsweise, dass wir die Provenienzforschung verstärken. Dieser Schwerpunkt ist erkennbar. Aber auch da sind es nur erste Schritte. An der Strategie wird noch gearbeitet; ich finde, sie sollte zeitnah fertiggestellt werden.

Man sollte die Möglichkeiten der Digitalisierung in diesem Bereich berücksichtigen. Die Digitalisierung ist ohnehin ein Stiefkind, weshalb wir noch nicht einmal über einen entsprechenden Etatansatz reden können. Das ist traurig. Wir haben auch zur Digitalisierung von Kultureinrichtungen Anträge gestellt. Die Strategie zur Digitalisierung von Kultureinrichtungen liegt vielleicht in einer Ihrer Schubladen, aber zumindest dem Landtag liegt immer noch nichts vor.

(Beifall Freie Demokraten)

Das reicht im Prinzip nicht. Nötig ist eine langfristige Strategie, wie die Kultureinrichtungen angesichts der vielfältigen Digitalisierungsaufgaben umfassend unterstützt werden können.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einem Fazit kommen. In diesem Etat ist viel zu viel von Altem enthalten – plus 4 % –, viel zu wenig von Neuem, und ein „Weiter so“ ist in der Politik eigentlich nie gut. Das ist aber selten so problematisch wie gerade im Einzelplan für das Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das doch eigentlich, zumindest in unserer Diktion, ein Zukunftsministerium

sein sollte. Der Einzelplan 15 ist noch nicht einmal ein kleiner Wurf.

(Beifall Freie Demokraten)

Vielen Dank, Herr Dr. Büger. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Fraktionsvorsitzende, Kollegin Wissler. Rein theoretisch ist eine Redezeit von 5:40 Minuten übrig geblieben. Es kommt aber darauf an, wie lange Frau Dorn spricht und was den Fraktionen dann an Redezeit noch zuwächst. Ich schaue mir den vorgegriffenen Zuwachs jeweils an. Im Falle von Herrn Büger ist es so, dass er 2:40 Minuten über die ihm zugewiesene Zeit hinaus gesprochen hat. Das heißt, der FDP-Fraktion bliebe, wenn die Frau Ministerin – – Ich gebe zu, es ist ein kompliziertes Verfahren, aber wenn das jemand versteht, dann Sie, Frau Wissler.

(Heiterkeit)

Ich denke, Sie wissen ungefähr, was ich damit sagen will. Ich lasse eine Redezeitüberschreitung schon im Vorgriff zu, und am Ende nenne ich Ihnen eine Minutenzahl. Dann können wir ein bisschen runden und im Vorgriff auf den nächsten Tagesordnungspunkt vielleicht auch ein bisschen verhandeln; denn wir wollen ja nicht bis 22 oder 23 Uhr hier sitzen.

(Heiterkeit und Zurufe)

Frau Wissler, reden Sie jetzt erst einmal 5:40 Minuten lang. Dann schauen wir weiter, und ich sage Ihnen, wo Sie ungefähr stehen.

(Heiterkeit und Zurufe)

Ich kann versuchen, es noch einmal zu erläutern. Mit Zahlen ist es nie einfach. Der Herr Finanzminister schaut schon ganz nervös.

(Heiterkeit)

Die Landesregierung hat ihre Redezeit bereits um zehn Minuten überzogen. Ich bitte die Mitglieder der Landesregierung, sich jeglicher Kommentare zu enthalten. Auch Frau Staatsministerin Dorn wird sicherlich noch zehn Minuten lang reden. – Dann ist die Landesregierung 20 Minuten „über den Durst“. Diese 20 Minuten würde ich auf die Oppositionsfraktionen verteilen. Da wir vier Oppositionsfraktionen haben, sind das, rein rechnerisch – das kann selbst ich –, fünf Minuten, die jeder Fraktion theoretisch zuwachsen. Das heißt, Sie hätten eine Redezeit von 10:40 Minuten, Frau Wissler. Fangen Sie einfach einmal an, wie werden schon handelseinig. Bitte, Frau Wissler.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Einzelplan 15 ist eine Gelegenheit, über die schwierige Situation Studierender in der Corona-Pandemie zu sprechen. Die Situation ist in der Tat schwer und wird noch dadurch verschärft, dass viele ihre Nebenjobs, z. B. in der Gastronomie, verloren haben. Die Seminare finden fast nur noch digital statt. Das ist gerade für Studierende im ersten Semester sehr schwierig, die sich an der Hochschule erst einmal orientieren müssen. Ein Teil der Praktika kann nicht absolviert werden.

Man muss auch sehen, dass viele Studierende nicht einfach ihre Eltern um Geld fragen können, weil diese ebenfalls von der Pandemie betroffen sind und ebenfalls Einkommensverluste erlitten haben.

Über ein Viertel der Studierenden musste sich Corona-bedingt zusätzlich verschulden. Laut Angaben der KfW haben Studierende zwischen März und Oktober rund 1 Milliarde € an Schulden aufgenommen. Das war ein viermal höherer Betrag, als im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres aufgenommen worden war. Das heißt, die Studierenden sind in einer äußerst schwierigen Situation.

Ich muss an der Stelle sagen: Von der Bundesregierung und insbesondere von der zuständigen Ministerin, Frau Karliczek, kommt da sehr wenig. Erst kam überhaupt nichts. Dann hat man gesagt: BAföG wird ein Semester länger bezahlt. – Ein großer Teil der Anträge auf Gewährung von Überbrückungshilfen wird abgelehnt, weil die Studierenden entweder nicht nachweisen können, dass sie notleidend genug sind, oder nicht nachweisen können, dass ihre Notsituation ohne Zweifel durch Corona verschuldet ist. Auch die Studienkredite sind problematisch, weil sie irgendwann zurückgezahlt werden müssen.

Von daher gesehen, muss ich sagen: Das ist eine absolute Fehlleistung der Bundesregierung. Die Studierenden gehen vollkommen unter. Wir brauchen dringend eine Reform des BAföG, und wir brauchen Hilfen des Bundes für die Studierenden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will an der Stelle noch sagen: Vom Land gab es zwar ein paar Hilfen, aber auch die waren nicht ausreichend. In der Tat sehe ich an der Stelle aber hauptsächlich den Bund in der Pflicht.

Aufgabe des Landes ist die Schaffung der sozialen Infrastruktur, die die Studierenden benötigen. Das ist eine Aufgabe des Landes, und deshalb müssen wir über die Situation der Wohnheime reden, die hoch problematisch ist. Das zeigt sich in der Corona-Pandemie selbstverständlich noch stärker, aber es geht um Probleme, die nicht pandemiebedingt sind.

Wir haben die Situation, dass die Zahl der Studierenden seit 2007 um 47 % gestiegen ist, die Zahl der für Studierende zur Verfügung stehenden Wohnheimplätze aber nur um 8 % gestiegen ist. Das heißt, wir haben hier ein echtes Problem. Eine Stadt wie Frankfurt mit Zehntausenden von Studierenden hat nicht einmal 3.000 Wohnheimplätze. Die Kosten für studentisches Wohnen sind selbst in den Wohnheimen häufig zu hoch für die BAföG-Pauschale, und wenn man als Studierender versucht, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung zu bekommen, dann reicht das Geld sowieso nicht. Ich finde, da muss die Landesregierung unbedingt mehr tun; denn Hessen steht bezüglich der Wohnraumquote für Studierende im Ländervergleich auf dem drittletzten Platz. Hier muss daher dringend etwas passieren, da die Zahl der Studierenden viel schneller steigt als die Zahl der Wohnheimplätze.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir müssen auch über die Finanzierung der Studentenwerke reden. Auch da haben wir ein Problem, weil der prozentuale Anteil des Landes immer weiter sinkt. Auf die Studentenwerke sind gerade die Studierenden angewiesen, die keine reichen Eltern haben und die es sowieso schon schwer hatten, den Weg an die Hochschule zu finden. Der

Landesanteil liegt mittlerweile bei unter 10 %. Auch hier, finde ich, brauchen wir dringend eine Stärkung der sozialen Infrastruktur für die Studierenden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann jetzt nicht lange auf die grundsätzliche Unterfinanzierung der Hochschulen eingehen – Fragen, die wir im Rahmen des Hochschulpaktes diskutiert haben –, auf das schlechte Betreuungsverhältnis an den Hochschulen und auf die viel zu hohe Zahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen. Fakt ist aber, dass wir dringend mehr Mittel für die Studierenden, für die Hochschulen und für die dort Beschäftigten brauchen.

Ich will zum Bereich Kunst und Kultur kommen; denn in der Tat ist das Ministerium für Wissenschaft und Kunst hier nicht untätig gewesen. Man hat einiges gemacht. Ich denke z. B. an die Stipendienprogramme oder an das Kulturpaket, jetzt auch an das Rettungspaket „Neustart“. Da wurde durchaus etwas gemacht.

Die Situation der Kulturschaffenden in der Corona-Situation ist dramatisch. Es besteht aber auch der Eindruck, dass die Bearbeitung von Anträgen auf Finanzhilfe teilweise immer noch zu lange dauert und dass es da bürokratische Hürden gibt. Das ist eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.

Einen Punkt finde ich an der Stelle wichtig: dass wir die Kultureinrichtungen darauf vorbereiten, schon jetzt darauf zu schauen, unter welchen Bedingungen sie – wann auch immer – wieder öffnen können. Wir wissen nicht, ob die Theater, die Museen und die Kinos ab dem 1. März oder ab dem 1. Februar wieder öffnen können. Ich finde es aber wichtig, jetzt schon darüber zu diskutieren, unter welchen Bedingungen dies geschehen kann. Gelten dann 5 m² pro Person, 3 m² pro Person? Müssen Luftfilter eingebaut sein? Wenn man ihnen erst kurzfristig sagt, unter welchen Bedingungen sie wieder öffnen dürfen, dann ist das alles noch schwieriger.

Wir haben in Hessen eine sehr reiche Kulturszene, sowohl in Bezug auf die Staatstheater und die Landesmuseen als auch bezüglich der freien Kulturszene. Wir müssen die Kulturszene insgesamt unbedingt erhalten; denn Kultur ist systemrelevant. Auch nach der Krise muss es eine kulturelle Vielfalt in Hessen geben.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Ich komme zum Schluss. Wir haben die Frage der Länge meiner Redezeit zwar noch nicht abschließend geklärt, Herr Präsident, aber ich löse das Problem jetzt pragmatisch und komme zum Schluss.

Ich will ein Letztes sagen. Herr Grobe hat eine furchtbare Rede gehalten. Das ist man von der AfD gewohnt. Ich will nicht zu allem, was er gesagt hat, etwas erwidern. Ich will nur eines sagen: Sie haben George Orwell zitiert. George Orwell war Sozialist. Er hat im spanischen Bürgerkrieg mit den Internationalen Brigaden und mit der POUM – das M steht übrigens für Marxismus, den Sie so verachten – gegen den Faschismus gekämpft. Orwell hat gegen den Faschismus gekämpft, er hat gegen die Rechten gekämpft, er hat gegen solche Ideologien gekämpft. Würde George Orwell heute noch leben, dann würde er die AfD und ihre Politik verachten. Hören Sie deshalb bitte auf, Leute wie George Orwell für Ihre Politik heranzuziehen.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. Zeitmäßig war alles völlig entspannt, was Sie an meiner Reaktion gemerkt haben. – Das Wort hat jetzt Frau Staatsministerin Dorn für die Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte auf die Rede des Abg. Grobe nicht eingehen, weil ich der inhaltlichen Bewertung der Abg. Wissler nur zustimmen kann. Aber dank dem Kollegen Klose habe ich ein Zitat von Georg Büchner, das als Antwort möglicherweise reicht:

Wir sind alle Narren, aber keiner hat das Recht, einem anderen seine eigentümliche Narrheit aufzudrängen.

(Heiterkeit und Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, DIE LINKE und Freie Demokra- ten)

Meine Damen und Herren, selten war Wissenschaft so sichtbar und so wichtig wie aktuell, ja, geradezu überlebenswichtig. Wir reden hier über die Corona-Pandemie, aber auch über eine völlig überhitzte Debatte, in der die Wissenschaft ein echtes Gegengift darstellt.

Selten wurde so intensiv über den Stellenwert von Kunst und Kultur diskutiert, und wir erleben gerade schmerzlich, was Kunst und Kultur in unserem Leben ausmachen. Es ist ganz deutlich geworden: Kunst und Kultur sind keine Sahnehäubchen in guten Zeiten, sondern ein essenzieller Bestandteil unserer Gesellschaft und unserer Demokratie. Gerade das, was Kunst und Kultur so besonders macht, nämlich der Austausch zwischen den Menschen, macht sie zugleich aber auch verwundbar. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir uns in diesen Zeiten diesen Bereichen besonders intensiv widmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt SPD)