Sie wollten das damals nicht. Ich habe mir die Protokolle einmal angeschaut und gelesen, welche Gründe Sie damals vorgebracht haben, die aus Ihrer Sicht gegen den Gesetzentwurf aus dem Jahr 2019 sprachen. Ich habe das dann mit Ihrem eigenen Gesetzentwurf abgeglichen. Frau Anders formulierte damals in der zweiten Lesung z. B. – ich zitiere –:
…, ohne ein festes Fundament und ohne einen Unterbau wird das Dach des Landeselternbeirats wackelig werden.
Sie bezog sich dabei auf die dringende Notwendigkeit, mehr Stadt- und Kreiselternbeiräte zu schaffen. Frau Anders, das ist sehr richtig. Leider hat sich seit dem Jahr 2019 da nur sehr wenig getan. Liegt das vielleicht daran, dass das Land das Thema seitdem nicht so richtig ernst genommen hat? Oder liegt es daran, dass Angehörige der Regierungskoalition in den kommunalpolitischen Gremien gegen genau solche Initiativen gestimmt haben? Das geschah erst kürzlich in Groß-Gerau.
Ich dachte, ich könnte jetzt in Ihrem Gesetzentwurf wenigstens die entsprechenden Regelungen für den notwendigen Unterbau erkennen. Leider muss ich feststellen, dass Sie es bewusst vermieden haben, einen gesetzlich verpflichtenden Rahmen zu schaffen, damit wir bald überall Stadt- und Kreiselternbeiräte für die Kindertagesstätten in Hessen vorfinden. Sie beschränken sich auf eine Kannregelung, obwohl es einer zwingenden Verpflichtung bedurft hätte.
Frau Anders, ich nehme Bezug auf Ihre eigenen Aussagen und frage: Wie wacklig wird Ihr Konstrukt sein?
Wem sollte man bei einem Gesetz für die Eltern in den Kitas mehr vertrauen als den Kita-Eltern selbst, …
Frau Ravensburg, das sind wahre Worte. Warum tun Sie es dann nicht? Ich finde, es ist schon befremdlich, dass die Vertreterinnen und Vertreter der LAG Kita-Eltern Hessen, die Sie zur Vorstellung Ihres Gesetzentwurfs auf das Podium geholt haben, Ihren Gesetzentwurf gar nicht kannten. Wenn ich mir den Gesetzentwurf anschaue und dann mit den Eckpunkten der LAG vergleiche, wird mir vollkommen klar, warum Sie den Gesetzentwurf den Mitgliedern der LAG zuvor nicht ordentlich vorgestellt haben. Die Forderung der Kita-Eltern nach einer von der Basis her wachsenden Struktur hat nämlich mit Ihrem Ansatz einer direkten Wahl an allen anderen Beiräten vorbei schlichtweg gar nichts zu tun.
Das heißt, Sie haben den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der FDP 2019 abgelehnt, weil dieser das Ehrenamt nicht ausreichend berücksichtigen würde. Jetzt machen Sie genau dasselbe. Sie haben die Eckpunkte der LAG Kita-Eltern Hessen mit Ihrem Gesetzentwurf völlig negiert. Sie nennen das schlank und effizient. Ich nenne es Ignorieren von fünf Jahren ehrenamtlicher Arbeit der Kita-Eltern.
[Die Eltern] wollen jetzt nicht auch noch mit irgendwelchen schwammigen Gesetzen konfrontiert werden, sondern sie wollen ein Gesetz, das ihnen Sicherheit gibt und ihnen sagt, was sie wann wie tun können.
Es wäre sehr schön gewesen, wenn Schwarz-Grün dieselben Vorgaben für den eigenen Gesetzentwurf zur Grundlage gemacht hätte.
Stattdessen wollen Sie fast alle wesentlichen Punkte in eine Verordnung auslagern, die dann ohne Beteiligung des Parlaments beschlossen werden soll. Ich will das Wahlverfahren einmal als Beispiel hervorheben. In der Pressekonferenz haben Sie nebenbei angekündigt, dass es ein digitales Wahlverfahren zur Landeselternversammlung geben soll. In Ihrem Gesetzentwurf finde ich dazu kein Wort. Das ist ein völlig unangemessener Umgang, der keine Rechtsklarheit schafft.
Gehen Sie ernsthaft davon aus, dass Sie mit solchen Leerstellen eine Landeselternvertretung bis April 2023 bilden können? Das haben Sie auf der Pressekonferenz den Vertreterinnen und Vertretern der LAG Kita-Eltern Hessen zugesichert. Ich glaube, das wird nicht möglich sein.
Das Gesetz wird frühestens im Dezember 2022 in Kraft treten. Dann müssen Sie die Rechtsverordnung erlassen. Dann müssen Sie Ihr digitales und rechtssicheres Wahlverfahren entwickeln. Sie müssen die Kommunen einbinden, um an die Daten der Anspruchsberechtigten zu kommen, usw.
Ich sage Ihnen voraus: Eine Landeselternvertretung für die Kindertagesstätten wird es im April geben. So wie diese Landesregierung arbeitet, wird das Jahr aber vermutlich dann eher 2025 lauten.
Das wollen wir heute nicht vergessen: Es gibt noch Art. 2 in dem Gesetzentwurf. Schwarz-Grün möchte den Fachkraft-Kind-Schlüssel an unseren hessischen Kindertagesstätten für weitere zwei Jahre aussetzen. Das ist ein fatales Zeichen. Das weist in eine vollkommen falsche Richtung.
Offensichtlich hat Schwarz-Grün beim Streik der Sozialund Erziehungsdienste im Frühjahr nicht aufgepasst. Alle Beschäftigten rufen nach Entlastung, um sinnvolle pädagogische Arbeit leisten zu können. Von Schwarz-Grün gibt es stattdessen noch mehr Belastung. So treiben Sie die Fachkräfte aus den Kindertagesstätten, die unter solchen Bedingungen den Kopf nicht mehr hinhalten wollen.
Sie machen denselben Fehler wie bei der Pflege. Sie können noch so viele Ausbildungsplätze schaffen – wenn Sie die Arbeitsbedingungen nicht spürbar verbessern, wird es am Ende nur noch ein Stopfen immer größerer Löcher geben. Wir müssen die Kindertagesstätten so aufstellen, dass die Fachkräfte bleiben und dass neue nicht gleich wieder gehen. Wir müssen erreichen, dass aus dem Beruf ausgeschiedene Fachkräfte zurückkehren. Nur so kann dem Erzieherinnen- und Erziehermangel wirksam begegnet werden.
Aus all diesen Gründen sage ich Ihnen voraus, dass es vermutlich am Ende des Gesetzgebungsverfahrens von uns keine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf geben wird. Aber vielleicht folgen Sie nach der Anhörung dem Ratschlag der Frau Kollegin Ravensburg aus dem Jahr 2019:
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vor fünf Jahren haben die Freien Demokraten das erste Mal eine Initiative im Hessischen Landtag gestartet, um den Eltern der Kinder in Kitas in unserem Land eine Stimme zu geben. Warum war das notwendig? Weil die Weiterentwicklung der Kitas eine Unterstützung braucht, weil es kein Bundesland gibt, das die Kitas weniger unterstützt als Hessen, weil sehr viele Herausforderungen für die Kommunen und für die Eltern anstehen, die eine Unterstützung durch das Land brauchen. Zu diesen Herausforderungen gehören die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher, die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Erzieherinnen und Erziehern, um die Qualität in den Kitas und die Zahl der Kita-Plätze erhöhen zu können, sowie Regelungen für eine Verbesserung der Qualität der Förderung unserer Kinder.
Sehr geehrte Damen und Herren, in den letzten fünf Jahren ist in unserem Land viel zu wenig für unsere Kinder getan worden.
Das liegt auch daran, dass in diesen fünf Jahren die Kinder und ihre Eltern zu wenig Stimme in der Politik in Wiesbaden hatten.
Nie ist das deutlicher geworden als in der Corona-Krise, als sich die Elterninitiative „Familien in der Krise“ gebildet hat, die Eltern voller Verzweiflung vor dem Landtag und der Staatskanzlei demonstriert haben und sich von dieser Landesregierung verlassen gefühlt haben und auch verlassen waren.
Die Landesregierung sprach nur mit den Spitzenverbänden der Kommunen und mit den Bürgermeistern. Die Eltern hatten keine ausreichend laute Stimme. Das konnte man auch an den Handlungsempfehlungen dieser Landesregierung sehr deutlich ablesen.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie vor fünf Jahren – wir haben damals zusammen mit der SPD noch einmal einen Anlauf unternommen – die Argumente lauteten, warum man keinen Landeselternbeirat einrichten könne. Frau Ravensburg, ich bin schon ein wenig enttäuscht von Ihrem Vortrag. Sie haben sich hierhin gestellt und gesagt: Toll, dass Hessen einen Landeselternbeirat für Kitas bekommen soll. – Sie haben aber kein Wort zur Vorgeschichte gesagt und kein Wort dazu, warum Sie diese Initiative fünf Jahre lang abgelehnt haben,
warum die Argumente, die Sie damals ins Feld geführt haben, in Ihrem jetzigen Gesetzentwurf gar keine Berücksichtigung mehr finden.
Das kann man ganz schnell nachlesen, Herr Bellino, weil der Gesetzentwurf nur wenige Sätze umfasst. Dafür braucht man keine fünf Minuten.
Für die Vorlage dieses Gesetzentwurfs haben Sie fünf Jahre gebraucht, Herr Bellino. Das ist leider eine sehr schlechte Leistungsbilanz.
Lassen Sie mich kurz das Positive beleuchten. Das Positive ist, dass jetzt auch in Hessen – als einem der letzten Bundesländer in Deutschland – die Eltern eine Stimme bekommen werden. Es wird keine Stimme sein, die auf die Strukturen von Elternvertretungen in Städten und Kreisen zurückgreifen kann. Das wird es für die dort lebenden Eltern sehr viel schwieriger machen.
Mir ist noch nicht ganz klar, wie dieser Prozess überhaupt demokratisch gestaltet werden kann. Das Argument, es gebe nur 1.800 Schulen, aber mehr als 4.000 Kita-Einrichtungen, ist im Zeitalter der Digitalisierung und von E-Mails nicht mehr nachzuvollziehen. Selbstverständlich steht jeder Kreis im Austausch mit seinen Tageseinrichtungen; denn jede dieser Einrichtungen muss regelmäßig
melden, wie viele Erzieherinnen und Erzieher sie hat, sie müssen sich bestimmte Dinge genehmigen lassen, sie müssen permanent Daten an die Landkreise melden, sie stehen in permanentem Austausch mit ihren jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaften, weil diese in der Regel die Finanzierung organisieren. Dass das nicht zu organisieren sei, ist also ein vorgeschobenes und absolut nicht nachvollziehbares Argument.
In Wirklichkeit sind Sie vor der Blockadehaltung kommunaler Hauptamtlicher eingeknickt, die in ihren Landkreisen und Kommunen ganz einfach keine Elternvertretungen haben möchten, weil sie nämlich Angst haben, dass von diesen Anforderungen formuliert werden, denen sie nicht gerecht werden können. Ich will die Bürgermeister und Landräte aber in Schutz nehmen. Warum können sie den Anforderungen nicht gerecht werden? – Weil Hessen sich bei der finanziellen Unterstützung der Kommunen und Kreise außerordentlich zurückhält und auch nicht sicherstellt, dass es ausreichend Fachkräfte gibt, um die Anforderungen an die Kommunen und Landkreise überhaupt erfüllen zu können. Deshalb haben die Bürgermeister und Landräte Angst, solche Vertretungen zuzulassen. Gleichwohl ist es aber falsch, dass wir mit diesem Gesetzentwurf nicht sicherstellen, dass auch Vertretungen auf Kreis- und Stadtebene eingerichtet werden, weil unsere Kinder sowohl in den Städten als auch in den Landkreisen und hier im Hessischen Landtag eine Stimme brauchen.
Es ist tatsächlich so, dass es notwendig ist, dass die Eltern schnell eine Stimme bekommen. Wir haben im nächsten Jahr Wahlen – das ist jedem bekannt –, und die Eltern wollen sicherlich demokratisch legitimiert Forderungen vor der Wahl formulieren. Daher ist es notwendig, dass sich die Elternvertretungen im Frühjahr nächsten Jahres konstituieren können. Ich erwarte von Ihnen, Frau Ravensburg, Frau Anders, dass von Ihnen den Eltern von diesem Pult aus deutlich gemacht wird, bis wann eine arbeitsfähige Elternvertretung in Hessen eingerichtet sein wird; denn die wichtigste Botschaft an die Eltern ist: Werden sie demokratisch legitimiert vor der nächsten Wahl ihre Interessen formulieren können, oder nicht? Das ist ein ganz zentrales Anliegen der Eltern. Dazu müssen Sie, Frau Anders – Frau Ravensburg hat schon gesprochen –, an diesem Pult klare Aussagen in Richtung der Eltern treffen.