Meine Damen und Herren, wir überweisen den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 20/9140, den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 20/9201, sowie den Dringlichen Antrag der Fraktion der AfD, Drucks.
Ab diesem Tagesordnungspunkt für den restlichen Sitzungsverlauf lässt sich Herr Schalauske entschuldigen.
Antrag Fraktion der Freien Demokraten Kleinstaaterei im ÖPNV beenden – Ja zur Flatrate, Chancen der Digitalisierung und Entbürokratisierung nutzen – Drucks. 20/9139 –
Dringlicher Antrag Fraktion der AfD Aus den Fehlern des 9-Euro-Tickets lernen, Bahntarife bundesweit vereinheitlichen, ÖPNV kostendeckend betreiben und Qualität nachhaltig stärken – Drucks. 20/9215 –
Herr Dr. Naas, es ist üblich, dass unsere Redner aufgerufen werden. Sie sind da etwas voreilig. Da es aber Ihr Setzpunkt ist, seien Sie herzlich willkommen am Rednerpult. Sie haben als Erster das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich glaube, das ist dem Tagesordnungspunkt geschuldet; denn es geht noch einmal um das 9-€-Ticket. – Insofern kann ich jetzt direkt an den Herrn Staatsminister anschließen und ihm zunächst einmal sagen, dass das 9-€-Ticket natürlich ein Erfolg war. Es war ein Experiment. Es war aber auch ein großer Erfolg. Denn das 9-€-Ticket – wir haben es schon gehört – ist 52 Millionen Mal verkauft worden.
Ich habe es vorhin schon gesagt. Es war zunächst eine Frage der Gerechtigkeit. Im Rahmen der Entlastungen für Autofahrer gab es den Tankrabatt. Da war es mehr als richtig, dass auch ÖPNV-Kunden eine Entlastung erhalten. Diese Entlastung sah das 9-€-Ticket vor.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist aber nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, dass wir mit diesem erfolgreichen Experiment zum ersten Mal gesehen haben, welche Möglichkeiten der ÖPNV hat, wenn man Bürokratie abbaut und wenn man digitaler wird. Das war das eigentlich Bemerkenswerte.
Es war nämlich etwas ganz Besonderes, dass man sich dieses Ticket online kaufen konnte und dass man nicht überlegen musste, ob man das Ticket wie in Berlin abstempeln muss oder ob man direkt einsteigen kann wie in Frankfurt oder in Hamburg. Diese Überlegungen, diese Hemmnisse des ÖPNV, waren zum ersten Mal weg.
In Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz ist es sogar so, dass man aussteigen muss, wenn man die Tarifgrenze überschreitet und den Tarifverbund wechselt. Dann muss man ein neues Ticket lösen. All das war auf einmal beseitigt. Man konnte mit dem ÖPNV quer durch Deutschland fahren. Das ist das eigentlich Positive gewesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Erfolge müssen wir langfristig sichern. Deswegen unser Antrag. Wir müssen uns überlegen, wie wir die Bürokratie im ÖPNV zurückdrängen können, wie wir die Digitalisierung vorantreiben können, damit es am Ende effizienter und billiger wird. Das ist nämlich das Entscheidende. Wir werden in den nächsten Jahren mit steigenden Kosten zu tun haben. Das ist hier schon angesprochen worden.
Überlegen Sie einmal, welche Effizienzsteigerungen es gäbe, hätten wir in Hessen nur einen Verbund statt zwei Verbünde.
Hinter den Verbünden stehen 24 Verkehrsträger. Auch da muss die Frage gestellt werden: Ist das noch zeitgemäß? Ist das überhaupt noch leistbar? Geht es hier nicht besser und effizienter?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Energiekosten werden steigen, die Lohnkosten ebenfalls. Damit werden auch die Kosten im ÖPNV steigen.
Wir wollen nicht – das sage ich klar und deutlich –, dass sich das Angebot reduziert; denn diese Gefahr besteht derzeit. Diese Gefahr besteht auch bei den Verhandlungen zwischen den Verbünden und dem Ministerium. Wenn nicht mehr Geld in Umlauf kommt oder eine andere Finanzierung erreicht wird, wird es zur Abbestellung kommen, und das wollen wir nicht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der ÖPNV im ländlichen Raum ausgebaut, aber nicht abbestellt werden muss, Frau Kollegin Müller.
Wenn man sich die Finanzierung einmal anschaut, dann muss man konstatieren, dass der Bund schon relativ großzügig war: 9,4 Milliarden € bisher, 1,2 Milliarden € für die Corona-bedingten Ausfälle, 2,5 Milliarden € obendrauf für das 9-€-Ticket. Einige sagen, es gäbe noch Überhänge in den Einnahmen bei den Ländern. Lassen wir das aber einmal offen. Außerdem gibt es noch 1,5 Millionen € nach dem Koalitionsvertrag und weitere Mittel.
Bei dieser Großzügigkeit des Bundes kann man doch nicht sagen, der Bund wäre hier knauserig. Das kann man nicht sagen. Vielmehr ist umgekehrt jetzt das Land am Zug.
Es ist natürlich typisch hessischer Verkehrsminister, nach dem Bund zu rufen und zu sagen: All das, was hier noch fehlt, soll doch bitte der Bund bezahlen.
Natürlich können wir hier relativ schnell einen Konsens bilden – übrigens auch zwischen den Ländern –, dass es immer gut ist, wenn Hessen entlastet und der Bund belastet wird. Da ist das Hemd näher als die Hose.
Trotzdem müssen wir hier einmal die Frage nach der Gerechtigkeit stellen. Diese Frage muss erlaubt sein, weil jetzt auch einmal das Land am Zug ist. Es sind nämlich nicht 15 % originäre regelmäßige Landesmittel, sondern es sind nur 3 %. Ich dachte, das hätten wir gestern geklärt. Das hatte ich Ihnen ja auch nachgewiesen. Ich kann es Ihnen aber auch gerne noch einmal schriftlich geben.
Ich habe hier die Protokollauszüge. Schauen Sie sich einmal die Einmalfaktoren aus dem Sondervermögen an. Wenn Sie diese zurechnen, dann ist das nicht ganz redlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich mir einmal die Großzügigkeit des Bundes anschaue und dann gegenüberstelle, wie großzügig das Land Hessen gegenüber den Verkehrsverbünden agiert, dann habe ich so meine Zweifel. Was man aus den Verkehrsverbünden hört, sieht nämlich ganz anders aus. Da rechnet das Land nämlich schon mit den 110 Millionen € aus den 1,5 Milliarden €, die der Bund noch einmal drauflegt zur Refinanzierung bzw. zur Regionalisierung. Das alles ist voll eingerechnet. Aber das Delta von knapp 60 Millionen €, das dann bleibt, dazu sagt das großzügige Land, dass das die Verbünde bitte einsparen sollen. Das wären dann Abbestellungen. Raten Sie jetzt einmal, wer es sonst bezahlt. – Die Kommunen natürlich, und zwar aus dem KFA. Das ist die Variante, die das Land noch im Blick hat. Das hat mit Großzügigkeit aber weiß Gott nichts zu tun, sondern das ist ganz kleinkariert und bringt uns im ÖPNV überhaupt nicht weiter.
Wir haben den Antrag der LINKEN – ÖPNV zum Nulltarif – hier behandelt. Ich glaube, ich kann auch für die demokratische Mitte feststellen: Wir sind uns einig, dass wir eine Nachfolgeregelung für das 9-€-Ticket brauchen. Sie wird teurer sein als 9 €. Warum wird sie teurer sein? Weil ein guter ÖPNV seinen Preis hat. Das Monatsticket des RMV kostet in der teuersten Tarifklasse monatlich über 200 €. Vor dem Hintergrund sind 69 € ein wirklich großer Sprung, eine echte Vergünstigung. Diesen Sprung sollten wir zunächst einmal machen.
Ich halte nichts davon, alles immer billiger zu machen und am Ende auf null zu fahren, wie es DIE LINKE vorschlägt.
69 € – das ist der Vorschlag aus dem Bundesverkehrsministerium – sind für ein solches Ticket ein guter Preis. Deswegen wird es in Zukunft darauf ankommen, dass sich der ÖPNV qualitativ weiterentwickelt, dass er ausgebaut wird, insbesondere im ländlichen Raum, und dass der ÖPNV digitaler wird. Ich frage mich bis heute, Herr Al-Wazir, warum man Ihr tolles Jobticket eigentlich nicht online kaufen kann. Was ist passiert, nachdem man das 9-€-Ticket „abgeschaltet“ hat? Es bildeten sich lange Schlangen, z. B. vor dem Verkehrsbüro an der Marktstraße, da sich die Leute wieder für den Kauf eines Monatstickets anstellen mussten. Diesen Zustand müssen wir in Hessen dringend beseitigen.
Meine Damen und Herren, wir müssen aber auch entbürokratisieren, und wir müssen, das hat Volker Wissing richtig adressiert, die Struktur des RMV, des NVV wie auch der Verkehrsträger vor Ort überdenken. Da gibt es eine Menge zu tun. Das sollten wir gemeinsam angehen.
Wir müssen aber dafür sorgen, dass es ein entsprechendes Nachfolgeticket gibt. Wir bekennen uns zu dieser Verantwortung. Wir sind der Auffassung, dass der Bund einen guten Vorschlag gemacht hat und dass das Land Hessen jetzt liefern muss.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich weiß nicht, ob Sie die Situation kennen: Sie freuen sich auf einen schönen Fernsehabend. Ich schaue gerne einmal einen Thriller, der so richtig spannend ist; der wird mit spannender Musik und einem Vorspann angeteasert, der Erwartungen weckt, dass da gleich etwas passiert – und plötzlich kommt die Sendung mit der Maus.
Die Sendung mit der Maus hat ja die Eigenschaft, dass es Folgen gibt, die oft wiederholt werden. Ich habe kleine Kinder. Ich will nicht sagen, dass ich ein Leidtragender bin; denn ich sehe die Sendung mit der Maus sehr gerne. Viele Sendungen kenne ich auswendig.
Lieber Herr Naas, so, wie oben beschrieben, ging es mir jetzt bei Ihrer Rede. Ich habe auf neue Argumente, auf neue Ideen gewartet. Sie haben aus dem Antrag einen Setzpunkt gemacht, aber Sie haben eigentlich nur all das wiederholt, was wir gestern und heute schon besprochen haben und was wir in der Enquetekommission „Mobilität der Zukunft in Hessen“ bereits diskutiert haben. Herr Dr. Naas, ich konnte nicht sehr viel Neues in Ihren Ausführungen erkennen.
Das macht es mir ein bisschen leichter, und es wird die Tagesordnung vielleicht ein bisschen straffen, wenn ich mich nur auf ganz wenige Aspekte konzentriere. Aber auch da laufe ich Gefahr, mich zu wiederholen, weil schon alles gesagt ist.
Sich hierhin zu stellen und so zu tun, als tue das Land in dem Bereich nichts, ist schon ein bisschen hanebüchen. Wenn ich mir die Aktivitäten der FDP in der Zeit anschaue, als Sie für das Thema Verkehr Verantwortung trugen: Die neu entdeckte Leidenschaft der Freien Demokraten für den öffentlichen Personennahverkehr – –