Es wird sich bei einer ÖPNV-Abgabe, wenn Sie nicht flächendeckend ein vergleichbares Angebot haben, auch nicht finanzieren.
Wir wollen einen gut ausgebauten ÖPNV. Wir wollen ein bezahlbares Ticket. Wir wollen die Verkehrswende und mehr Klimaschutz; deswegen drängen wir darauf, dass der Bund seinen Anteil leistet. Wir als Land werden diesen Anteil auch leisten. 2035 ist die Mobilitätsstrategie, die schon 2018 erstellt wurde, umgesetzt, und wir haben mehr Lebensqualität in diesem Land dank Schwarz-Grün.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es sind gestern und heute Tage der Mobilitätsdiskussion im Hessischen Landtag.
Das begrüße ich außerordentlich. Manchmal wäre es vielleicht besser gewesen, manche Setzpunkte irgendwie zusammenzuführen.
Am Ende ist das die freie Entscheidung der Fraktionen des Landtages. Also reden wir zweimal über das 9-€-Ticket. Ich kann Ihnen sagen: Ja, es war ein sehr großer Erfolg. Es ist sehr beliebt gewesen. Es hat zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger angesichts der steigenden Energieund Lebenshaltungskosten beigetragen. Es war auch mobilitätspolitisch ein Erfolg. Es gab etliche Neukundinnen und Neukunden. Untersuchungen sagen, jede fünfte Käuferin, jeder fünfte Käufer waren Menschen, die den ÖPNV vorher nicht genutzt haben. Manche waren aktivierte Kunden, die vorher gelegentlich gefahren sind und es dann häufiger genutzt haben. Es gibt unterschiedliche Untersuchungen. Die besagen, dass zwischen 3 und 10 % der Nutzerinnen und Nutzer die Wege, die sie gemacht haben, vorher mit dem Auto zurückgelegt hätten. Ich muss sagen, dass das niedriger ist, als wir eigentlich angenommen hatten, aber immerhin. Vieles hat auch mit Gewohnheiten zu tun. In drei Monaten ändern Sie keine Gewohnheiten, die sich über Jahrzehnte eingeschliffen haben. Deswegen war es auch gut für das Klima, wenn auch nicht so stark wie erhofft.
Dass das ein Erfolg war, hat uns in Hessen absolut nicht gewundert. Wir haben dieses Prinzip erfunden – 2017 mit dem Schülerticket, 2018 mit dem Landesticket und 2020 mit dem Seniorenticket. Wir haben dieses Prinzip des Flatrate-Tickets in Hessen erfunden.
Ich kann Ihnen sagen, da ich etliche Leute kenne, die diese Verhandlungen im Bund geführt haben: Diese hessischen Erfahrungen haben in der Nacht, in der das 9-€-Ticket
in den Debatten des Koalitionsausschusses in Berlin das Licht der Welt erblickt hat, durchaus eine Rolle gespielt. – Aber – das ist ein riesengroßer Unterschied – wir haben eben kein 9-€-Ticket in Hessen, wir haben ein 31-€-Ticket. Wenn Sie das Seniorenticket oder das Schülerticket im Monatsabonnement bestellen und es sich monatlich abbuchen lassen, werden Ihnen jedes Mal genau 31 € abgebucht – und das in einem Bereich, in dem es schon vorher sehr viele Käuferinnen und Käufer gab, nämlich bei den Schülerinnen und Schülern, wozu auch die Kommunen weiter ihren Teil über diese Summe hinaus beitragen, und in einem anderen Bereich, nämlich bei den über 65-Jährigen, die fast nie eine Zeitkarte besaßen und sehr oft ein Auto. Insofern ist das in diesen Bereichen einfacher als für alle umzusetzen gewesen.
Am Ende ist völlig klar: Es geht auch darum, wie wir öffentlichen Personennahverkehr insgesamt finanzieren. Diese Frage muss man auch beantworten.
Das 9-€-Ticket war für die öffentliche Hand natürlich sehr teuer. Es hat Pi mal Daumen im Monat 1 Milliarde € gekostet, die durch Fahrgeldeinnahmen nicht mehr eingenommen wurden und durch die Staatskasse ausgeglichen worden sind. Deswegen ist klar, dass wir in diesen Bereichen auch noch eine zweite Frage zu beantworten haben, nämlich: Wie finanzieren wir das bestehende Angebot? Wie sorgen wir dafür, dass das bestehende Angebot auch noch besser wird? – Das hat das 9-€-Ticket auch gezeigt. In manchen Bereichen ist der ÖPNV wirklich an der Kapazitätsgrenze. In manchen anderen Bereichen müssen wir das Angebot noch besser machen.
Deswegen sage ich Ihnen: Ich bin sehr dafür, dass wir attraktive Ticketangebote schaffen. Wir haben beim Schülerund Seniorenticket gesehen, dass das auch viele Neukundinnen und Neukunden bringt, die sich dann eine Monatskarte kaufen. Aber es ist eben nicht nur wichtig, einen billigen ÖPNV zu haben,
sondern wir brauchen einen besseren ÖPNV. Deswegen will ich Ihnen sagen: Ein besserer ÖPNV ist sogar wichtiger als ein billiger ÖPNV.
Wenn wir beides hinbekommen, einen besseren ÖPNV auf der einen Seite und attraktive Ticketangebote auf der anderen Seite, dann ist das Ziel erreicht.
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jan Schalauske (DIE LINKE): Dann können Sie dem Antrag zustimmen!)
Das können Sie übrigens im Koalitionsvertrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nachlesen. Wir haben dort hineingeschrieben, dass wir ein Seniorenticket einführen wollen. Wir haben dort auch hineingeschrieben – Achtung –, dass unsere langfristige Vision ein Bürgerticket für alle ist. Wir arbeiten jetzt daran, so etwas nicht nur hessenweit, sondern sogar deutschlandweit hinzubekommen. Das ist jede Anstrengung wert, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Da wir über die Finanzierung reden, will ich Ihnen sagen: Es wird oft gesagt, im ländlichen Raum ist das Angebot nicht gut genug. – Ja, es muss im ländlichen Raum besser werden. Das stimmt.
Allerdings – ich habe es gestern schon gezeigt, ich zeige es heute auch – haben wir in Hessen bisher die zweitbeste Erreichbarkeit der Flächenländer. Im Saarland sind es 96,7 %, in Hessen 96,6 % der Bevölkerung, die einen Wohnort haben, der in Luftlinie maximal 600 m von einer Bushaltestelle oder 1.200 m von einer Bahnhaltestelle entfernt liegt
an der mindestens 20 Abfahrten am Tag stattfinden. Das heißt, die Anstrengung der letzten Jahre hat schon dazu geführt, dass das Angebot deutlich besser geworden ist. Wir arbeiten daran, dass es weiter besser wird. Wir verhandeln momentan mit den Verkehrsverbünden über die Finanzierungsverträge der nächsten zwei Jahre. Da ist auf jeden Fall das NVV-Projekt „Jedes Dorf – Jede Stunde“ Teil dessen, über was wir verhandeln, wobei wir auch über die Frage nachdenken: Wie können wir dafür sorgen, dass das auch finanziert wird?
Am Ende ist es auch eine Frage der Finanzierung. Wir haben bisher eine Situation, dass wir – das ist ein Rekord – in diesem Jahr erstmals überhaupt mehr als 1 Milliarde € an Zuschüssen an die Verkehrsverbünde in Hessen überweisen – mehr als 1 Milliarde €, genau sind es 1.002 Millionen €. Davon sind 701 Millionen € Regionalisierungsmittel. Davon sind 153 Millionen € originäre Landesmittel. Davon sind 147 Millionen € aus dem KFA, die ebenfalls aus dem Landeshaushalt kommen.
Um Ihnen einen Vergleich zu bieten: Im Jahr 2014, als ich ins Amt kam, betrugen die Gesamtüberweisungen des Landes an die Verbünde 662 Millionen €, davon waren 541 Millionen € Regionalisierungsmittel. Das war 2014.
2014 kamen 82 % der Überweisungen aus Regionalisierungsmitteln des Bundes, dieses Jahr sind es nur noch 70 %. 2014 waren 0 % originäre Landesmittel, dieses Jahr sind es 15 %. 2014 waren es 18 % aus dem KFA, dieses
Jahr sind es 15 %. Sie sehen, was passiert. Wir haben uns in den letzten Jahren wirklich erfolgreich darum bemüht, diesen Ausbau des Angebots finanzieren zu können,
Deswegen ist das nicht nur eine irgendwie kleinkrämerische Haltung. Da sind sich übrigens alle Länder einig. Das sind einstimmige Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz über alle Farben hinweg, und zwar von Frau Karawanskij bis zu Herrn Bernreiter, also von Linkspartei bis CSU, 16 : 0. Wir wollen, dass sich der Bund an diesen Gesamtkosten beteiligt, weil ansonsten noch nicht einmal das bestehende Angebot zu finanzieren ist, geschweige denn, der Ausbau.
Deswegen haben wir an diesem Montag in der Verkehrsministerkonferenz den einstimmigen Beschluss gefasst. Wir sind bereit, gemeinsam mit dem Bund in eine hochrangige Arbeitsgruppe einzusteigen. In der nächsten Woche werden wir die erste Sitzung haben. Wir werden dort mit spitzem Bleistift rechnen, was notwendig ist, um den bestehenden Betrieb zu finanzieren. Was tun wir in diesem und im nächsten Jahr, um die explodierenden Energiekosten zu decken, die natürlich auch für den ÖPNV ein großes Problem sind? Auch das gehört zur Wahrheit. Wie muss am Ende eine Finanzierungsstruktur sein, um ein bundesweites Flatrate-Ticket zu welchem Preis anbieten zu können?
Das müssen wir jetzt lösen. Ich hoffe, dass wir das hinbekommen. Mitte Oktober, wenn der Landtag zu seiner nächsten Plenarsitzung zusammenkommt, tagt die Verkehrsministerkonferenz in Bremerhaven. Ich entschuldige mich schon jetzt für Mittwoch und Donnerstag der nächsten Plenarwoche.
Nicht, dass Sie sagen, ich müsse hierbleiben, weil ich nicht die Nachfolge des 9-€-Tickets auf der Verkehrsministerkonferenz verhandeln dürfe. Deshalb sage ich das schon einmal vorab.
Ich glaube, wenn wir das gut und gemeinsam hinbekommen, dann wird in der kommenden Woche auch auf der Ministerpräsidentenkonferenz die Frage diskutiert, wie Bund und Länder das gemeinsam hinbekommen können, sodass wir die Chance haben, ein Ticket zu einem attraktiven Preis zu bekommen. Dieser wird höher als 9 € ausfallen, trotzdem noch attraktiv sein im Vergleich zu den jetzigen Preisen. Gleichzeitig muss die Finanzierungsstruktur des ÖPNV so aufgestellt werden, dass wir den jetzigen Betrieb und den Ausbau, den wir dringend brauchen, hinbekommen können. Das wird die große Aufgabe sein. Ich lade Sie alle ein, daran mitzuarbeiten. – Vielen Dank.