Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich damit anfangen, dass ein Erfolg des 9-€-Tickets ist, dass wir uns hier relativ einig sind – nicht über den LINKEN-Antrag. So einig wie heute war ich mit Herrn Eckert lange nicht, aber Sie haben zwei Minuten zu lang geredet.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tobias Eckert (SPD): Dann sind wir größtenteils einer Meinung; das ist doch auch schon was!)
Ja, fünfmal, bei drei Setzpunkten. Das wird also noch mehr. Es ist damit ein noch größerer Erfolg, dass wir uns darüber austauschen, welche Vorstellungen wir haben. Wir haben die Enquetekommission. Also: alles wunderbar.
Ich möchte mit dem LINKEN-Antrag anfangen; denn die Debatten ändern sich ein bisschen. Ich fand die Leidenschaft erstaunlich, mit der Herr Gerntke den Setzpunkt vorgetragen hat. So viel Engagement für den ÖPNV wünsche ich mir von Ihnen immer.
(Axel Gerntke (DIE LINKE): Elf Leute von zwei Regierungsfraktionen! Da macht es nicht so viel Spaß, zu diskutieren!)
Alles gut. – Dann hat mich die Überschrift ein bisschen gewundert: „Freie Fahrt für freie Bürgerinnen und Bürger“. Auch wenn Sie etwas hinterhergeschoben haben – Stichwort: 9-€-Ticket – ist das doch ein Framing von den Freien Demokraten, damals noch FDP: freie Fahrt für freie Bürger und kein Tempolimit. Das hat sich in den Köpfen festgesetzt. Deswegen ein kleiner Tipp am Rande: Ich würde ein anderes Framing benutzen.
(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Das ist doch der Witz! – Jan Schalauske (DIE LINKE): Das ist fürs Auge! – Weitere Zurufe DIE LINKE)
Ich habe auch verstanden, dass das ein Witz war; trotzdem ist das Framing nicht in Ordnung, wenn man etwas anderes will.
Ich habe zehn Minuten und noch einmal zehn Minuten. Da Herr Gerntke immer noch nicht verstanden hat, wie die Verteilung der Verantwortung in diesem Land ist, obwohl der Verkehrsminister bei jeder Kleinen Anfrage in der Vorbemerkung schreibt, wie der ÖPNV in Hessen organisiert ist,
Aber es ist natürlich nicht so, als würden wir keine Verantwortung übernehmen, sondern wir geben das Geld – unsere zusätzlichen Wünsche bezahlen wir auch zusätzlich, nämlich das Ticket für Schülerinnen und Schüler, das Ticket für Seniorinnen und Senioren; das haben wir gestern schon diskutiert –,
Das hat der Minister gestern in der Fragestunde, in der Antwort auf eine Kleine Anfrage und noch einmal mündlich vorgetragen, aber Sie glauben es einfach nicht; dagegen kann ich jetzt auch nichts machen.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Schauen Sie mal in die letzte Presseerklärung! Da ist nicht mehr von 30 % die Rede, sondern nur von 15 %! – Gegenruf Minister Tarek Al-Wazir)
Dann würde ich gern weiterreden. – Noch einige Worte zu Ihrem Antrag, nach dem Sie die 1. Klasse abschaffen wollen. Das hat mich auch gewundert. Zwar wollen die niedersächsischen GRÜNEN das auch, aber sie haben darauf bereits entsprechende Reaktionen bekommen. Wenn ich doch die Wahlmöglichkeit haben möchte, dass jemand während der Fahrt im ÖPNV arbeiten will, wenn das im Moment in der 2. Klasse nicht geht, weil es so voll ist, dann ist die Forderung doch eher, die Bedingungen überall so zu schaffen wie in der 1. Klasse, anstatt diejenigen auszuschließen, die jetzt den Vorteil von Bus und Bahn gegenüber dem Auto nutzen, nämlich während der gesamten Fahrt arbeiten zu können. Deswegen ist das kontraproduktiv.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Elisabeth Kula (DIE LINKE): Im Zug kann man nicht so gut arbeiten! – Weitere Zurufe)
Jetzt zum 9-€-Ticket. Wir finden, dass das der größte Verkehrsversuch ist, der jemals stattgefunden hat. Daraus können wir ganz viel lernen. Zum einen: Von Hessen lernen heißt siegen lernen.
Wir haben diese Flatrate-Tickets eingeführt. Das System ist, ein So-da-Ticket zu haben, das sowieso da ist, und es zu nutzen – statt das So-da-Auto, das 23 Stunden pro Tag herumsteht und nur eine Stunde am Tag genutzt wird. Dann schaffen die Leute auch irgendwann das Zweitauto oder sogar das Erstauto ab, weil sie das Ticket zu einem günstigen Preis haben und es dann auch nutzen.
Wir haben die Erfahrungen mit dem Landesticket. Die Einführung wurde wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Es gibt durchaus Menschen, die das Auto abschaffen, weil sie jetzt das Landesticket haben. Die Erfahrung gibt uns recht.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU – Robert Lambrou (AfD): Ein paar gibt es immer!)
Ich will hier keine Zwiegespräche abhalten, sondern meine Rede zu Ende führen. Es ist noch nicht einmal nett, mit Ihnen zu plaudern.
Das 9-€-Ticket war der größte Verkehrsversuch, der je stattgefunden hat. Die Erkenntnisse, die daraus gewonnen wurden, können wir jetzt in der Entwicklung des Tickets auch verwenden. Erste Erkenntnisse gibt es schon. Es kam tatsächlich zu Mitnahmeeffekten, jedoch gab es auch Verlagerungseffekte, sodass Menschen tatsächlich zum Pendeln Bus und Bahn genutzt haben, die sie vorher nicht genutzt haben. Die Werte des CO2-Ausstoßes sind gesunken. Das ist gut für die Verkehrswende, für das Klima und für den Autoverkehr, weil es dann mehr Platz auf der Straße gibt. Das ist also eine Win-win-Situation für alle.
Der Bund hat 1,5 Milliarden € angeboten. Diese Summe stellt gerade die Erhöhung dar, die für die Regionalisierungsmittel gebraucht wird. Die Regionalisierungsmittel brauchen wir, um die steigenden Energiekosten und die Personalkosten aufzufangen. Wir brauchen zusätzlich noch einmal 1,5 Milliarden €, um den ÖPNV auszubauen, damit wir der gestiegenen Nachfrage entsprechen können. Einmal 1,5 Milliarden € reichen da nicht. Welche Summe auf das Land zukommt, kann man erst am Ende der Beratung sehen, wenn die aus allen Verkehrsministerinnen und Verkehrsministern der Länder bestehende Arbeitsgruppe am 14. Oktober ein Ergebnis vorlegt.
Dann hat der Minister schon erklärt – ich denke, mit dem Finanzminister ist das auch abgesprochen –, dass wir dann auch das eigene Landesgeld in die Hand nehmen. Das haben wir bei den Corona-Hilfen so gemacht. Das waren 250 Millionen €. Die hat der Bund auch zugeschossen. Das werden wir auch dieses Mal machen und damit ein attraktives Angebot für alle Menschen in Hessen schaffen. Das ist dann ein Stück Entlastung, aber auch eine Verbesserung des ÖPNV-Angebots. Freibier für alle bringt uns weder mittel- noch langfristig weiter.
Dann reden Sie immer von den alternativen Finanzierungsmodellen. Herr Eckert hat das auch getan. Darüber reden wir aber alle schon ziemlich lange. Ohne die Säule der Steuergelder, Fahrgeldeinnahmen und Zuschüsse, glaube ich, wird es nicht funktionieren – also Bundesgeld, Landesgeld und Fahrpreise. Alles, was man einführen kann, beispielsweise die Arbeitgeberabgabe, die Herr
Gerntke ins Spiel gebracht hat, wird auch schon ewig diskutiert, weil Frankreich das macht. Frankreich hat aber ein ganz anderes Abgabensystem. Hier könnte jeder Arbeitgeber jetzt schon – wie es das Land Hessen macht – ein Jobticket einführen. Dann hätten wir diese Frage schon erledigt. Ganz viele machen das auch. Das Vorbild Landesticket hat dazu geführt, dass die Zahl der Jobtickets im RMV und NVV weiter nach oben gegangen ist.
Ja, aber mich überzeugt es nicht, dass Sie einen Weg finden wollen, der über eine Zwangsabgabe funktioniert und gleichzeitig rechtlich umsetzbar ist. Auch die Abgabe von allen zu fordern, ist etwas, was beim Rundfunkbeitrag schon nur gerade so funktioniert. Dazu stehen immer wieder Klagen an.
Es wird sich bei einer ÖPNV-Abgabe, wenn Sie nicht flächendeckend ein vergleichbares Angebot haben, auch nicht finanzieren.