Protocol of the Session on February 23, 2017

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – René Rock (FDP): Wir lesen nach, was Sie gesagt haben!)

Zweite Bemerkung. Wir können sagen, dass uns kein Fall von Doppelbezug in Hessen bekannt ist. Ich kann Ihnen sagen, dass es vier Fälle von Sozialleistungsbetrug in Hessen gegeben hat. Aufgedeckt wurden diese in der Erstaufnahme: zwei Fälle im Jahr 2015, zwei Fälle im Jahr 2016. Dabei ging es um den Doppelbezug von Taschengeld. In diesen vier Fällen wurde Strafanzeige gestellt und entsprechend gehandelt. Im SGB-II-Bereich sind uns keine nachgewiesenen Missbrauchsfälle bekannt. Ausschließen kann ich sie nicht.

Dritte Bemerkung. Lieber Kollege Rentsch, ich greife noch einmal – wie auch Herr Roth – den Titel Ihrer Aktuellen Stunde auf.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Sie sprechen in Ihrem Antrag die Regierung Bouffier konkret an: diese müsse endlich den Doppelbezug öffentlicher Leistungen stoppen. – Kommen Sie hierher ans Pult, und nennen Sie uns die Fälle, die es in Hessen gegeben hat, die die Hessische Landesregierung stoppen soll.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Nennen Sie uns am besten auch die Namen. Dann kümmern wir uns sofort darum – im Interesse aller anständigen Menschen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Sie fordern die Regierung außerdem auf, die vollständige Registrierung von Flüchtlingen zügig umzusetzen. Die Fakten hierzu habe ich Ihnen vorhin vorgetragen. Wir haben die nachträgliche Registrierung umgesetzt, und bei denjenigen, die jetzt noch zu uns kommen, setzen wir sie sofort um. Sie können sich ja in anderen Bundesländern einmal anschauen, wie es dort läuft. Beispielsweise den Wahlkämpfern in Nordrhein-Westfalen könnte ich viele Fakten aus Hessen liefern, weil es nämlich in NordrheinWestfalen noch nicht so toll läuft wie bei uns in Hessen.

(Günter Rudolph (SPD): In Hessen ist immer alles bestens, das wissen wir schon!)

Wir kämpfen – das kann ich Ihnen sagen, da ich im Bundeskanzleramt bei den Ministerpräsidentenkonferenzen immer mit dabei bin und auch Informationen aus den Sozialministerkonferenzen habe – seit Monaten mit der zuständigen Ministerin, dass ein rechtsstaatlich einwandfreier Abgleich zwischen den Sozialbehörden und den Ausländerbehörden ermöglicht wird. Das Bundeskabinett hat gestern einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Dafür sind wir sehr dankbar. Gehen Sie davon aus, dass die Sozialbehörden spätestens in der 13. Woche dieses Jahres Fingerprint-Maschinen haben werden und noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes technisch entsprechend ausgestattet sind.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Damit ist auch diese Aktuelle Stunde abgehalten.

Mir ist mitgeteilt worden, dass sich die parlamentarischen Geschäftsführer darauf geeinigt haben, dass wir jetzt in die Mittagspause eintreten. Der Setzpunkt der GRÜNEN wird unmittelbar nach der Mittagspause aufgerufen, danach der Setzpunkt der Freien Demokraten.

Wir gehen jetzt in die Mittagspause und setzen die Sitzung um 14:20 Uhr fort.

(Unterbrechung von 13:18 bis 14:22 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die Sitzung fortsetzen.

Ich mache Sie auf Folgendes aufmerksam: Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Gleichberechtigung von Frauen und Männern verwirklichen – Maßnahmen des Landes zeigen bereits Wirkung, Drucks. 19/4572. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird der Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 60 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 19 aufgerufen werden. – Dann machen wir das so.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend „Es kommt nicht darauf an, wo du herkommst, sondern wo du hin willst“ – deutliche Ausweitung des integrationspolitischen Landesprogrammes WIR – Drucks. 19/4530 –

Als erster Redner hat sich Kollege Bocklet von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute das WIR-Programm zum Setzpunkt gemacht, weil wir zeigen wollten, dass wir spätestens seit dem Herbst 2015 vor immens großen Herausforderungen stehen, da bis zum heutigen Zeitpunkt etwa 115.000 Menschen nach Hessen geflüchtet sind.

(Zurufe von der CDU: Nur?)

Wir standen vor den Fragen, wie wir diese Menschen gut versorgen, wie wir sie unterbringen und wie wir es erreichen, dass sie später tatsächlich in die Gesellschaft integriert werden können, sodass ihnen eine selbstständige Teilhabe möglich ist. Vor dieser Herausforderung standen alle Parteien – die Regierungsfraktionen natürlich in besonderem Maße –, weil es darum ging, Verantwortung zu übernehmen.

An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten ausdrücklich dafür danken, dass wir mit dem Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in diesem Land einen immensen Meilenstein mit über 1,3 Milliarden € im ersten Schritt gesetzt haben. Meine Damen und Herren, dieser Aktionsplan ist bundesweit einmalig und trägt entscheidend dazu bei, dass eine mögliche Integration gelingen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wissen, dass Integration ein Prozess ist. Wir wissen, dass das nicht automatisch gelingt. Wir wissen, dass Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlinge den Weg in die komplizierten Strukturen unserer Gesellschaft nicht alleine finden. Deswegen waren wir klug beraten, ein Programm weiterzuentwickeln. Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen Gruß an die letzte Reihe der FDP.

(Heiterkeit des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ja, wir wissen, dass das WIR-Programm damals tatsächlich schon von Jörg-Uwe Hahn mit initiiert wurde. So viel Zeit muss sein. Ich glaube aber, dass der entscheidende Fortschritt mit dem Aktionsprogramm gelang, in dem wir die finanziellen Mittel von 3,1 Millionen € auf 8,9 Millionen € nahezu verdreifacht haben. Ich finde, das ist ein besonders wichtiger Schritt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dieses Programm ist vielfältig. Es ist gut ausgebaut und neu strukturiert worden. Lassen Sie mich deshalb die wichtigsten Dinge benennen: Es gab bereits WIR-Koordinatoren, die dafür gesorgt haben, dass die vorhandenen Integrationsangebote von Sportvereinen und von anderen gut koordiniert werden. Nun gibt es eine zweite Aufstockung der Zahl dieser Koordinatoren. Wir nennen sie die WIR-Fallmanager.

Ich glaube, die WIR-Fallmanager werden zu einer neuen Qualität vor Ort führen. Uns ist aufgefallen, dass viele Flüchtlinge, nachdem sie aus der Erstaufnahmeeinrichtung den Gemeinschaftsunterkünften der Kommunen zugewiesen wurden, uns – ich sage das einmal so salopp – leicht verloren gehen. Bestimmte Zugänge zu Behörden, zu Jobcentern und zu Sprachkursen werden nur schwer gefunden. Wir müssen jedoch ein öffentliches Interesse daran haben, dass die Geflüchteten diese Kontakte schnell finden. Nur

so gelingt eine schnelle Integration. Eine schnelle Integration entlastet natürlich auch die öffentlichen Haushalte. Deswegen sind diese Fallmanager ein neues innovatives Instrument und sehr wichtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sie werden allen 33 Landkreisen, kreisfreien Städten und Sonderstatusstädten zur Verfügung stehen. Ich bin sehr gespannt, wie schnell das umgesetzt werden kann, wenn nun die Ausschreibungen beginnen. Ich bin mir sicher, dass es keine überhöhte Hoffnung ist, wenn wir davon sprechen, dass Integration dann noch schneller und leichter gelingen kann.

In der Fortschreibung des Aktionsplans I zum Aktionsplan II sind die Mittel von 1,3 Milliarden € auf 1,6 Milliarden € aufgestockt worden. Davon profitierte auch das WIR-Programm. Ich will nicht ohne Stolz erwähnen, dass wir bestimmte Schwachpunkte noch einmal unter die Lupe genommen haben.

Uns ist aufgefallen, dass insbesondere geflüchtete Frauen und Mädchen an bestimmten Integrationsmaßnahmen häufig nicht teilgenommen haben. Es kann uns nicht zufriedenstellen, darüber zu spekulieren, ob das auf die Kultur oder auf andere Gründe zurückzuführen ist. Wichtig ist, dass wir diese Probleme sehen und sie angehen. Deswegen möchte ich noch einmal hervorheben, dass wir mit Mitteln in Höhe von 500.000 € Modellprojekte in den Fokus nehmen, mit denen insbesondere die Integrationschancen von geflüchteten Frauen verbessert werden sollen. Ich finde, das ist eine hervorragende Initiative.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

400.000 € stehen für die Qualifizierung von Migrantenorganisationen zur Verfügung. So sollen diese Menschen das, was sie erlebt haben, in einem Peergroup-System weitergeben können. 400.000 € sind dafür vorgesehen.

Ein weiterer Punkt ist sehr wichtig, nämlich das Sprachförderprogramm „MitSprache – Deutsch4U“, ein niedrigschwelliges Sprachförderprogramm, für das 1,2 Millionen € mehr vorgesehen sind. Dieses Programm wurde nun durch die Möglichkeit der Kinderbetreuung verbessert.

Wir wissen, dass beispielsweise viele Frauen nicht mehr an Sprachkursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge teilnehmen konnten, weil sie bemerkt haben, dass dort die Kinderbetreuung nicht mehr stattfindet. Wie auch immer man das beurteilen mag, es ist Fakt. Diese Frauen sind nicht mehr zu den Sprachkursen gekommen.

Da Hessen jetzt zusätzlich zu dem Sprachförderprogramm „MitSprache – Deutsch4U“ auch Kinderbetreuung anbietet – natürlich eine niederschwellige Kinderbetreuung, die nicht vergleichbar ist mit einer Kinderbetreuung nach dem KJHG –, ist diesen Frauen damit die Teilnahme an den Sprachkursen möglich. Wir haben einen richtigen Akzent gesetzt, da wir die Erlernung der Sprache allen Migranten und Flüchtlingen ermöglichen wollen und nicht nur denen, die ohne Kinder nach Deutschland gekommen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Außerdem ist die Förderung von Integrationslotsen vorgesehen. Insgesamt beweist das WIR-Programm, dass wir wollen, dass Integration stattfindet.

Wir reden in diesen Tagen oft von Sorgen, die die Geflüchteten den Menschen in Deutschland bereiten. Diese Sorgen können wir ihnen nehmen, wenn wir als Landesregierung signalisieren, dass Zuwanderung und Integration große Herausforderungen sind. Dies geschieht nicht von alleine. Die Regierungen im Bund, im Land und in den Städten nehmen das in die Hand.

Wir können als Landesregierung und als die sie tragenden Fraktionen signalisieren: Wir haben nicht nur den Aktionsplan II auf den Weg gebracht, der viele Probleme angeht. Vor allem haben wir bei Migranten und Geflüchteten den Fokus explizit darauf gerichtet, dass sie schnell integriert werden und ihnen schnell eine Teilhabe gelingt. Ich glaube, mit diesem WIR-Programm haben wir bundesweit einen Leuchtturm geschaffen, um den uns andere Bundesländer beneiden.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Mit dem WIR-Programm, dessen Mittel wir verdreifacht haben, haben wir viele neue innovative Qualitätsmerkmale installiert.

Viele andere Bundesländer schauen neidvoll auf uns und sagen: Wenn es bundesweit so laufen würde, wie es bei euch in Hessen läuft, hätten wir viele rechtspopulistische Stimmungen überhaupt nicht gehabt. Eine regierungsfähige Bundesregierung hätte dann nämlich von Anfang an zum Ausdruck gebracht: Wir haben eine Herausforderung, wir haben Probleme, aber wir schaffen auch einen bundesweiten Aktionsplan, um diese Probleme anzugehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt, würde es so einen Aktionsplan geben, hätten wir solche WIR-Programme in Fülle, dann wären viele rechtspopulistische Stimmungen erst gar nicht entstanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)