Protocol of the Session on February 22, 2017

Klare Regeln brauchen wir deshalb auch für das Personal, gerade weil es der größte Ausgabenfaktor ist. Herr Dr. Bartelt, Sie haben darauf hingewiesen: Es sind 60 %. Das ist eine ganze Menge. Da entsteht ein großer wirtschaftlicher Druck. Da wird dann natürlich als Erstes abgebaut. Deswegen brauchen wir klare Standards, die sicherstellen, dass an guten Krankenhäusern gutes Personal aller Berufsgruppen in hinreichender Zahl vorhanden ist.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Deswegen fordern wir erneut Personalmindeststandards und werden dieser Forderung auch nicht müde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie erinnern sich sicherlich an die Einbringung unserer Gesetzentwürfe in den Jahren 2013 und 2015. Damit sollten verbindliche Personalmindeststandards vorgegeben werden. Diese Gesetzentwürfe wurden beispielsweise in der Expertise von Simon als Meilensteine bezeichnet.

Wir halten daran fest: Wir wollen die Vorgabe einer verbindlichen Mindestpersonalzahl. Wir wollen die Differenzierung der Mindestpersonalzahl, insbesondere nach Berufsgruppen, Qualifikation, Erkrankungsschwere und der Art der Station sowie die Vorgabe des Verfahrens zur Berechnung des vorzuhaltenden Personals.

Die Beschäftigten im Gesundheitswesen wollen alle gute Arbeit leisten. Gute Pflege ist harte Arbeit, körperlich und auch oft seelisch. Sie verdient unseren Respekt und unser aller Anerkennung.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Janine Wissler und Marjana Schott (DIE LINKE))

Angesichts des demografischen Wandels und des damit steigenden Bedarfs an Beschäftigten im Gesundheitswesen und insbesondere bei der Pflege muss die Attraktivität dieser Berufe gesteigert werden. Dabei geht es vor allen Dingen um die Arbeitsbedingungen, also um die Einhaltung des Arbeitsrechts, des Arbeitsschutzes und der Arbeitszeiten. Marjana Schott sagte schon etwas zu den Pausenregelungen.

Natürlich geht es auch um eine gute Bezahlung, von der man leben kann. Es geht insgesamt um die Aufwertung der sozialen Berufe, um die verbesserte Gleichstellung und um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es geht aber auch um eine verbesserte Wertschätzung und um die Anerkennung solcher verantwortungsvoller Tätigkeiten.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung ist eine der wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Hand. Deswegen möchte ich es noch einmal auf den Punkt bringen. Die Vorhaltung einer ausreichenden und bedarfsgerechten Krankenhausversorgung für die Bevölkerung ist Teil der staatlichen Daseinsfürsorge. Das gehört zu den Kernaufgaben der Länder.

Im Vordergrund der staatlichen Krankenhauspolitik muss der Grundgedanke stehen, dass zum Schutz der Patienten der Schutz der Krankenhausmitarbeiter vor Überforderung und klare Regeln zur Qualitätssicherung notwendig sind. Deswegen ist sicherzustellen, dass in Krankenhäusern ausreichendes und natürlich auch gut ausgebildetes Personal

vorhanden ist. Um dies zu gewährleisten, sind gesetzliche Mindeststandards zur Personalbemessung erforderlich.

Deswegen fordern wir weiterhin die Einführung verbindlicher gesetzlicher Personalmindeststandards für Krankenhäuser, damit eine Patientengefährdung durch Personalmangel oder Überforderung ausgeschlossen ist. Wir fordern, dass die Anforderungen des Arbeitsschutzrechts und des Arbeitszeitrechts in Krankenhäusern konsequent eingehalten werden müssen. Sie dienen sowohl den Beschäftigten wie den Patienten. Gute Arbeit verdient guten Lohn. Deswegen darf sich Lohndumping im Krankenhaus nicht lohnen. Versorgung, Qualität und Sicherheit müssen für alle Krankenhäuser transparent und nachvollziehbar sein.

Last, but not least geht es auch um die Berechnung der Fallpauschalen. Sie müssen so gestaltet sein, dass sie den zuvor genannten Anforderungen genügen. Dabei müssen aber auch regionale Besonderheiten berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren, für Sozialdemokraten hat die gute Versorgung von kranken Menschen Vorrang vor wirtschaftliche Interessen.

Frau Kollegin Dr. Sommer, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Letzter Satz. Dennoch muss die gesundheitliche Versorgung bezahlbar sein. Daher bedarf es intelligenter Lösungen. – Herr Grüttner, steuern Sie, machen Sie Ihre Hausaufgaben auf Landesebene weiter. Wir unterstützen Sie gerne; denn eine gute Versorgung ist wichtig und unerlässlich. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Rentsch, FDPFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Dr. Sommer, Sie haben das sehr charmant gemacht. Ich muss zugeben, dass sicher jeder gerne in Ihre Sprechstunde kommt. Allerdings fiel mir auf, dass Sie es zwar charmanter verpackt haben, aber es kam es mir so vor wie eine Rede des Kollegen Dr. Spies, wenn ich das so sagen darf.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der FDP)

Wir haben ihn in diesem Haus ja sehr geschätzt und gemocht.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir auch!)

Wir haben ihn dann deshalb, weil wir ihn kaum entbehren konnten, als Oberbürgermeister nach Marburg entsendet. Jetzt setzen Sie das fort.

(Zurufe von der SPD)

Ich kenne auch Leute, die bei der Oberbürgermeisterwahl mitgemacht haben – so will ich es einmal formulieren.

(Heiterkeit)

Das ist ein ganz amüsanter Punkt, aber er betrifft natürlich ein ernstes Thema, und zwar die Frage: Wie sind unsere Krankenhäuser ausgestattet? Wie ist die Qualität unserer Medizin? Ich will zuerst feststellen: Frau Dr. Sommer, Sie sind auch ein Teil dieses Medizinsystems, das wir haben. Ich glaube, es ist ein sehr gutes Medizinsystem. Trotz der vielen Diskussionen, die wir hier führen, ist das System, das wir in Deutschland haben, eines mit der höchsten Qualität weltweit. Wir können stolz darauf sein, dass die medizinische Versorgung in Deutschland Gott sei Dank so ist.

(Beifall bei der FDP)

Man hat manchmal das Gefühl, wenn man solche Debatten und auch die Worte, die Frau Schott an uns gerichtet hat, verfolgt, dass wir hier eine Diskussion haben – Kollege Dr. Bartelt hat es gesagt –, als ob wir in den USA sind, nach dem Motto: Wir müssen hier über die Frage diskutieren, ob Leute überhaupt Zugang zum Gesundheitssystem haben und ob es Qualitätsprobleme gibt. – Natürlich werden wir bei jeder Diskussion auch über Probleme diskutieren müssen. Jeder von uns hat wahrscheinlich schon selbst erfahren, dass nicht immer alles glücklich läuft. Natürlich sind gerade Fehler in einem System, in dem es um Leib und Leben geht, mit hoher Sorgfalt zu bekämpfen. Ich glaube, das tun wir auch hier in den Debatten.

Frau Kollegin Schott, es ist jetzt nicht gerade eine Meisterleistung, einen Antrag, den die SPD hier schon fünfmal gestellt hat und der fünfmal abgelehnt worden ist, hier erneut zu stellen und ihn als Programm der LINKEN zu verkaufen. Das ist jetzt kein großer parlamentarischer Fortschritt, den wir heute erlebt haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich will nur offen sagen, dass Sie vorsichtig damit sein sollten, was Sie als Diktion mit dem Begriff „gefährliche Pflege“ verwenden, wenn man sich einmal die Zahlen durchliest, die Sie aufgeschrieben haben. Ehrlicherweise – das ist zu Recht gesagt worden – geht es bei der Frage, wie wir unsere Gesundheitsvorsorge in Deutschland organisieren, auch stark um Vertrauen. Das, was angesprochen worden ist, ist unbestreitbar. Wir kämpfen darum, dass Menschen bereit sind, in der Pflege zu arbeiten. Wenn man die Rede von Frau Schott heute verfolgt hat, würde ich wahrscheinlich jedem, der das gehört hat, raten, nicht in die Pflege zu gehen. Gott sei Dank sieht die Realität an vielen Stellen anders aus.

(Beifall bei der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Nein!)

Frau Schott, ich glaube, das Schwarzmalen

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

und die berechtigten parteigebundenen Interessen, die die Kollegen von ver.di verfolgen, sind völlig in Ordnung. Aber es ist nicht so, dass sich der Hessische Landtag hier alle Positionen zu eigen machen muss.

Frau Wissler schaut schon wieder – das ist die Vorstufe zu einem aggressiven Zwischenruf. Frau Wissler, lassen Sie es lieber. Ich bin heute nicht auf Krawall gebürstet. – Ich habe es gesehen.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der FDP)

Wenn man so lange mit jemandem im Parlament sitzt, sieht man doch schon, was er vorhat. Frau Wissler, ich wollte einfach – –

(Unruhe – Manfred Pentz (CDU): So alt sind Sie doch noch gar nicht!)

Ich bin trotzdem schon 15 Jahre hier. Ich weiß, es ist erschütternd. Ich stelle es hier jetzt selbst fest.

(Heiterkeit des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht abrutschen. Aber dass der Kollege Al-Wazir hier schon 25 Jahre sitzt, finde ich jetzt sehr erstaunlich.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der FDP – Mi- nister Tarek Al-Wazir: 22!)

22, sieht aber aus wie 25 – darauf können wir uns einigen.

Zurück zum Thema. Frau Schott, das, was Sie hier angesprochen haben, wird uns kein Stück weiterhelfen. Das, was wir von den Krankenhäusern und den Spezialisten wissen, ist, dass eine starre Personalvorgabe absolut untauglich ist, um sofort auf die verschiedenen Bedürfnisse einzugehen. Ich habe schon in relativ vielen Krankenhäusern Gespräche mit Klinikdirektoren, Ärzten, aber auch mit Pflegepersonal geführt: Ja, ich bin bei Ihnen bei dem Thema, dass sich viele darüber beschweren, es seien zu wenige Personen da. Aber ich habe auch schon von vielen Fachleuten bei der Diskussion um die Frage, ob eine starre Personalvorgabe die richtige Antwort sei, gehört: Nein, wir brauchen zwar mehr Personal, aber es muss weiterhin flexibel eingesetzt werden können. – Meine Damen und Herren, ich glaube, das sollte dann auch heute unser Thema sein.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Walter Ar- nold (CDU))

Wir haben uns selbst einmal kundig gemacht zu den Themen, die abgefragt worden sind. Wenn man sich z. B. einmal das Uniklinikum Frankfurt anschaut – eine unserer wirklich herausragenden Kliniken auch in der medizinischen Qualität –, stellt man fest, dass der Versorgungsgrad ein sehr guter ist. Auf die Frage nach dem, was sie sich wünschen, kommt bestimmt nicht die Antwort: „Wir brauchen weniger Flexibilität“, sondern: „Wir brauchen mehr Flexibilität in der Versorgung und in den Strukturen“. Insofern sollten wir auch alles dafür tun, dass es in diese Richtung geht.