Protocol of the Session on January 26, 2017

Herr Kollege Rudolph, der Minister hat längst gehandelt: bezüglich des Gesetzes und – mindestens genauso wichtig; das sollten Sie wissen – bezüglich der Optimierungen in der Aufbau- und Ablauforganisation des Verfassungsschutzes. Das ist schon längst geschehen. Da bedurfte und bedarf es keiner Aufforderung und auch keiner inhaltlichen Bereicherung durch die SPD.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der wichtigen Landesbehörde, von der sich Teile der Opposition wünschen, dass sie abgeschafft wird – DIE LINKEN haben ja schon eine Pressemitteilung herausgeschickt, bevor die Debatte angefangen hat –, bessere Vernetzungen innerhalb der Behörde und ein optimiertes Auswertungs- und Berichtswesen sprechen eine deutliche Sprache. Wenn ich gerade schon Bezug auf die Linkspartei genommen habe: Wissen Sie, wer den Verfassungsschutz abschaffen will,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wir haben doch noch gar nichts gesagt!)

wer ihn als „Unsicherheitsbehörde“ diffamiert und die Mitarbeiter als „Schlapphüte“ tituliert, ist für uns kein Gesprächspartner und darf auch nie die Möglichkeit haben, in den Verfassungsschutz reinzuregieren.

(Beifall bei der CDU – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): So viel zu Ihrem Demokratieverständnis, Herr Bellino! – Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Tobias Eckert (SPD))

Frau Wissler und Herr Schaus, wer sich wie Sie solidarisch zu einem hauptamtlichen Stasimitarbeiter Holm bekennt, hat in sicherheitsrelevanten Politikbereichen nichts zu suchen – vielleicht in Venezuela oder in Russland, aber nicht in Deutschland und nicht in Hessen.

(Beifall bei der CDU – Janine Wissler (DIE LIN- KE): Das ist eine andere Partei!)

Denn bei diesem Stasiaktivisten und früheren Staatssekretär Ihrer Partei handelt es sich schließlich nicht um einen Mitläufer, sondern um jemanden, der noch Monate vor dem Mauerfall oder in der Wendezeit bei der Stasi anheuerte. Solche Menschen waren und sind nicht von gestern. Sie waren und sind von vorgestern.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Reden Sie einmal zum Thema, Herr Bellino!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sie sind politische Plusquamperfekte.

(Beifall bei der CDU – Anhaltende Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Kollegin Wissler, bezüglich der bereits angesprochenen Optimierungen, von denen Sie gar nichts verstehen,

(Beifall der Abg. Armin Schwarz und Judith Lannert (CDU))

haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes und die 2012, Herr Kollege Rudolph, ins Leben gerufene Arbeitsgruppe „Neuausrichtung des Verfassungsschutzes“ wertvolle Arbeit geleistet. Hessen hat frühzeitig damit begonnen, aus der schrecklichen Mordserie des sogenannten NSU die Konsequenzen zu ziehen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kollege Rudolph, hierzu gehören maßgeblich Reformschritte, die durch die Regierung und durch die Verwaltung angegangen und umgesetzt wurden. Dafür bedurfte und bedarf es zunächst auch keiner Gesetzesänderung.

Ich nenne beispielhaft eben die Lehren aus dieser schrecklichen NSU-Zeit, die Einführung spezieller Weiterbildungen, die die interkulturelle Kompetenz der Sicherheitsbehörden stärken und die interne Fehler- und Arbeitskultur verbessern. Ich nenne stellvertretend das neue Personalent

wicklungskonzept, das bereits 2013 eingeführt wurde und unter anderem vorsieht, dass neue Bedienstete des gehobenen Dienstes im Landesamt dann auch in der Bundesbehörde hospitieren. Ich nenne die klare Regelung, dass bei polizeilichen Ermittlungen in Fällen, die einen rassistischen Hintergrund haben oder anderweitig politisch motiviert zu sein scheinen, das Landesamt frühzeitig eingebunden wird.

Damit werden die Erkenntnisse von Polizei und Verfassungsschutz besser vernetzt. Und ich nenne stellvertretend die Erhöhung des Personals beim Landesamt für Verfassungsschutz um ein Drittel sowie die stärkere operative Ausrichtung des Verfassungsschutzes. Alles längst umgesetzt, Herr Kollege Rudolph.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alles Maßnahmen, die in Zeiten neuer und stärkerer Bedrohungen die Schlagkraft erhöhen und dadurch Staat, Gesellschaft und Menschen besser schützen.

Die unabhängige und überparteilich besetzte Expertenkommission – von der Landesregierung zu Beginn dieser Legislaturperiode bereits eingesetzt – hat eindrucksvoll bestätigt, dass Hessen die richtigen Schritte nach der NSUMordserie eingeleitet hat, und sie – diese Kommission – hat auch wichtige Impulse für die Gesetzesarbeit geleistet.

(Günter Rudolph (SPD): Wann kommt das Gesetz? In welchem Jahrtausend? – Anhaltende Zurufe von der SPD)

Deshalb werden wir diese Initiativen der Expertenkommission in Richtung Änderung des Gesetzes und auch die neuen gesetzlichen Regelungen auf Bundesebene sinnvoll zusammenführen und in einen Gesetzestext gießen, der der Sache angemessen und nicht von Populismus gezeichnet ist, sondern die Sicherheitsbedürfnisse dieses Landes entsprechend reflektiert.

Herr Bellino, kommen Sie bitte zum Schluss.

Darauf können Sie sich verlassen: dass hier ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der die Sicherheitslage abbildet und unseren Verfassungsschutz weiter schlagkräftig macht, um unsere Sicherheit zu verteidigen. Hessen verlässlich sicherer zu machen, ist und bleibt unsere Devise auch bei diesem Thema. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Danke, Herr Bellino. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Greilich das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Bellino, die Nachfrage ist in der Tat berechtigt, ob 2017, 2018 oder in der nächsten Wahlperiode oder wann auch immer; denn das ist der Punkt, um den

es hier geht. Es geht um die Frage: Wann kommt der Gesetzentwurf für das Verfassungsschutzgesetz?

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Der ist, wie die SPD und Kollege Rudolph zutreffend festgestellt haben, längst überfällig, selbst nach Ihren eigenen Ankündigungen: Dezember 2016. Also ich habe zwischendurch Silvester gefeiert und davor Weihnachten und habe nichts dergleichen gesehen. Wir haben jetzt 2017, falls Sie es noch nicht zur Kenntnis genommen haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben den Bericht der unabhängigen Expertenkommission zur Neuausrichtung des hessischen Verfassungsschutzes zur Kenntnis genommen. Wir haben ihn sehr dankbar zur Kenntnis genommen. Ich will das hier noch einmal ausdrücklich sagen: Was diese überparteilich eingesetzte Expertenkommission an Arbeit geleistet hat, ist schlicht hervorragend – parteipolitisch neutral, an der Sache orientiert. Dafür müssen wir uns alle gemeinsam – da sind wir uns einig – sicherlich bedanken.

(Beifall der Abg. René Rock (FDP) und Nancy Faeser (SPD))

Ich nehme es auch positiv zur Kenntnis – ich habe das an dieser Stelle schon einmal gesagt –, dass die Landesregierung einige Punkte aus den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses im Bund umgesetzt hat. Das lässt sich nicht bestreiten. Das will ich auch nicht bestreiten, sondern ich belobige es ausdrücklich, weil ich es für richtig halte. Aber ein wesentlicher Punkt fehlt, und das ist die Neuregelung des Rechts des Verfassungsschutzes in Hessen. Da muss man nun auch einmal zur Kenntnis nehmen, was die Expertenkommission gesagt hat.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Sie hat gesagt, dass das, was Sie zu Beginn der Arbeit der Kommission vorschnell vorgelegt haben, die Sie damit brüskiert haben, sicherlich – ich will keinen Kraftausdruck gebrauchen; das ist unparlamentarisch – nicht beratungsfähig in diesem Hause ist, weil es in weiten Strecken gegen die Verfassung verstößt.

(Günter Rudolph (SPD): „Verfassungswidrig“ waren die Worte!)

Das ist der dicke Wermutstropfen, der in der gesamten Diskussion immer wieder festzuhalten ist. Wir brauchen – da scheint es nicht möglich zu sein, eine Einigung innerhalb der Koalition zu finden; anders lassen sich diese zeitlichen Verzögerungen und das Negieren der eigenen Ankündigungen nicht erklären – eine wohlaustarierte Regelung, die den Sicherheitsbedürfnissen unseres Landes gerecht wird, die dafür sorgt, dass wir einen effektiv arbeitenden Verfassungsschutz haben, die aber auch dafür sorgt, dass wir hier eine effektive parlamentarische Kontrolle gewährleisten können. Auch dazu hat der Kollege Rudolph schon einiges gesagt. Ich will es hier nicht wiederholen; wir haben die Debatten hier mehrfach geführt.

Es geht jetzt schlicht um die Abläufe. Das, was Sie bieten, sind nur Verzögerungen, immer wieder Verzögerungen, immer wieder nicht eingehaltene Terminzusagen, nicht eingehaltene Versprechungen. Es tut mir leid, Herr Innenminister, an der Stelle ist der Vorwurf zutreffend. Zumindest da sind Sie Ankündigungsminister geblieben. Wir brauchen mehr als Ankündigungen, wir brauchen eine Gesetzesvorlage.

(Beifall bei der FDP – Günter Rudolph (SPD): Beim Informationsfreiheitsgesetz auch!)

Ich will eines noch mit allem Ernst sagen. Ich habe, nachdem der Bericht der Expertenkommission vorlag, schon am 5. Januar 2016 die anderen Fraktionen angeschrieben und darauf hingewiesen, dass ich der Auffassung bin, dass die Neuregelung des Verfassungsschutzes und der parlamentarischen Kontrolle eine so wichtige und auch für unsere Demokratie so sensible Aufgabe ist, dass es gut wäre, hier einen Konsens über die Fraktionsgrenzen hinweg zu finden und wenigstens zwischen den vier Fraktionen, die zu der Erkenntnis und der Tatsache stehen, dass wir einen Verfassungsschutz brauchen, einen gemeinsamen Entwurf zu erarbeiten.

Die SPD hat dort schon Ansätze geliefert. Wir haben den Bericht der Expertenkommission. Dann sollte das doch möglich sein. Es hat immerhin zwei Monate gedauert, bis ich eine Antwort bekam. Mit Schreiben vom 1. März wurde aber nur mitgeteilt: Wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind, dann geben wir euch das, dann könnt ihr mal gucken. – Meine Damen und Herren, das ist nicht die Methode, wie man zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf kommt

(Beifall bei der FDP und der SPD)

und wie es dem heiklen Themenfeld angemessen wäre. Ich wiederhole an der Stelle ausdrücklich: Wenn Sie ohnehin nicht in die Pötte kommen, legen Sie das auf den Tisch, was Sie haben, kommen Sie in eine gemeinsame Arbeitsgruppe. Wir haben das damals beim Datenschutzgesetz so praktiziert. Dann können wir gemeinsam eine vernünftige Lösung erarbeiten.

Ich bin zuversichtlich, dass wir das auch hinbekommen, wenn der Wille da ist, bei diesem heiklen Thema zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Dazu fordere ich Sie ausdrücklich auf.

Meine Damen und Herren, ich sage abschließend: Wie ich gestern schon erwähnt habe, ist es schlichtweg ein Unding, dass wir heute, Jahre nach den NSU-Morden, Jahre nach der Vorlage der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundes und fast eineinhalb Jahre nach den Wegweisungen durch unsere Expertenkommission, noch immer keinen Gesetzentwurf hier vorliegen haben. Ich fordere Sie auf, endlich in die Gänge zu kommen und dieses Thema hier im Parlament mit uns zu erörtern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Greilich. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hat sich Herr Frömmrich zu Wort gemeldet.