Protocol of the Session on January 26, 2017

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Nach dieser Aktuellen Stunde werden wir den Dringlichen Antrag und den Dringlichen Entschließungsantrag abstimmen.

Es beginnt Herr Kollege Wolfgang Greilich von der FDPFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um die Erweiterung der sicheren Herkunftsstaaten um die Maghreb-Staaten läuft jetzt seit ungefähr einem Jahr, nämlich seit Beginn des Jahres 2016. Seit Februar 2016 befasst sich der Bundesrat mehr oder weniger regelmäßig mit dem entsprechenden Gesetzentwurf. Bereits am 13. Mai 2016 hat der Bundestag mit der überwältigenden Mehrheit der Abgeordneten der Fraktionen der CDU und der SPD beschlossen, dass diese Erweiterung der sicheren Herkunftsstaaten erfolgen soll. Seit dem 27. Mai 2016 liegt dies nun dem Bundesrat zur Beratung und Entscheidung vor.

Das ist der zweite Tatbestand. Im Jahr 2016 ist die Zahl der in Deutschland sich aufhaltenden Ausreisepflichtigen aus den Maghreb-Staaten immer weiter gestiegen. Die Menschen aus den Maghreb-Staaten, die uns hauptsächlich die negativen Bilder der Silvesternacht in Köln beschert haben, zeichnen sich durch eine hohe Kriminalitätsquote einerseits und durch eine extrem niedrige Anerkennungsquote andererseits aus. Man redet von 0,7 % bis 1 % Anerkennungsquote. Das ist so gut wie nichts.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Es gibt andere Menschen, die unsere Solidarität brauchen. Ich denke da etwa an die Flüchtlinge aus Syrien. Sie haben eine Anerkennungsquote von 96 %. Die aus dem Irak haben eine in Höhe von 86 %. Bei den Menschen aus Eritrea beträgt sie 88 %. Diese Menschen brauchen unsere Hilfe. Deswegen brauchen wir die Erweiterung des Kreises der sicheren Herkunftsstaaten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich glaube – da war ich mir auch mit der CDU und SPD einig, was die Bundesparteien angeht –, dass mit dem Modell der sicheren Herkunftsländer klargemacht werden kann: Wir schaffen nicht das Asylrecht ab, aber wir sorgen dafür, dass nur die anerkannt werden und hier bleiben dürfen, die auch wirklich asylberechtigt sind.

(Beifall bei der FDP)

Das Thema der individuellen Verfolgung, ob aus religiösen, politischen, sexuellen oder aus welchen Gründen auch immer, wird von diesem Konzept nicht kaputt gemacht. Das will ich ausdrücklich sagen. Es gibt weiterhin den Asylanspruch, nur die Beweislast wird ein wenig verschoben. Das ist der entscheidende Punkt.

Nun kommen wir zu dem Thema, um das es hier, in unserem Parlament, heute gehen muss. Meine Damen und Herren von der CDU und von den GRÜNEN, das ist das Thema der Lähmung des Landes Hessen durch Ihren Koalitionsstreit.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ihre Vorstellungen sind falsch!)

Das ist der entscheidende Punkt. Ich will das nur exemplarisch zeigen. Wir können das eigentlich jede Woche irgendwo verfolgen, ob in der „hessenschau“ oder in Zeitungsinterviews. Volker Bouffier erklärt, wir brauchen die Erweiterung des Kreises der sicheren Herkunftsstaaten. Michael Boddenberg macht das dann auch, nachdem Kollege Wagner, der jetzt leider nicht da ist, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der „hessenschau“ erklärt: Das, was die CDU will, geht auf keinen Fall. Das machen wir nicht mit. – Dann kommt Herr Boddenberg, gibt sein „FAZ“-Interview, in dem er wieder klarstellt, das müsse anders sein.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wo bleibt denn die Positionierung des Landes Hessen? Das ist doch die entscheidende Frage.

(Beifall bei der FDP)

Lieber Herr Kollege Boddenberg, da helfen auch Zurechtweisungen in Zeitungsinterviews nichts. Was Sie machen müssen, ist, hier einmal Farbe zu bekennen, auch bei dieser Frage wie bei anderen Fragen zum Thema Abschiebung – das bekommen wir heute Nachmittag; da wird es dann auch noch interessant.

Meine Damen und Herren, es wird immer deutlicher: Diese Koalition hat keine gemeinsamen Überzeugungen. Der einzige Zweck dieser Koalition ist es, gemeinsam zu regieren

(Florian Rentsch (FDP): Genau!)

und gemeinsam Macht auszuüben.

(Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, Sie sollten einmal darüber nachdenken. Das tut vielleicht den beteiligten Parteien gut – wenn man sich die Umfragen anschaut, offenkundig den GRÜNEN mehr als der CDU, die ihren Markenkern verliert.

(Heiterkeit bei der FDP)

Aber eines steht fest: Den Menschen in unserem Land, in Hessen, tut das nicht gut. Deshalb fordere ich Sie auf: Hören Sie mit Ihrer puren Machtpolitik auf, und handeln Sie im Interesse der Menschen in Hessen.

(Florian Rentsch (FDP): Jawohl!)

Stimmen Sie unserem Antrag zu. Sie haben heute Gelegenheit dazu.

(Beifall bei der FDP)

Ich will zum Schluss noch kurz etwas zu dem jetzt vorgelegten – eigentlich vorhersehbaren – Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen sagen. Ich finde es schon ein bisschen peinlich.

(Holger Bellino (CDU): Warum?)

Das will ich Ihnen gerne erklären, lieber Herr Kollege Bellino.

(Holger Bellino (CDU): Wenn Sie noch Zeit haben!)

Da steht unter Punkt 3:

Der Landtag stellt fest, dass ein so sensibles Thema wie die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten umfassend und verantwortungsbewusst erörtert und geprüft werden muss.

(Michael Boddenberg (CDU): Sehen Sie das anders?)

Herr Kollegen Boddenberg, Vorsicht. – Schade, dass der Ministerpräsident, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Union, nicht da ist – für den muss das besonders spannend sein. Soll das heißen, dass die CDU im Bundestag, die diesen Gesetzentwurf zur Erweiterung bereits im vergangenen Mai beschlossen hat, nicht umfassend erörtert und geprüft hat?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Michael Bod- denberg (CDU): Herr Kollege, wissen Sie schon, dass es neben dem Bundestag noch ein weiteres wichtiges Verfassungsorgan gibt, nämlich den Bundesrat?)

Herr Kollege Greilich, Sie dürfen den Satz noch sagen, bitte sehr.

Herr Kollege Boddenberg, wollen Sie sich wirklich von Ihrem Koalitionspartner dazu zwingen lassen, durch Beschluss des Hessischen Landtags festzustellen, dass die CDU in Berlin unüberlegt und vorschnell die Einstufung zu sicheren Herkunftsländern vorgenommen hat?

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wo bleibt das Selbstbewusstsein Ihrer Partei? Zeigen Sie klare Kante. Sie haben nachher Gelegenheit dazu. Ich beantrage namentliche Abstimmung für unseren Antrag. Dann können Sie sich erklären.

(Beifall bei der FDP – Unruhe)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Das Wort hat Frau Abg. Astrid Wallmann, CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland halten sich derzeit rund 21.000 Algerier, 76.000 Marokkaner und 33.000 Tunesier auf. Ganz überwiegend – das zeigen auch die Asylanträge – fliehen diese Menschen nicht vor politischer Verfolgung, sondern in der Regel mit dem Wunsch, hier in Deutschland ein besseres Leben führen zu können. Bundesinnenminister de Maizière hat ganz richtig gesagt, das Asylrecht sei nicht das richtige Instrument, um die vielen wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Herkunftsländer aufzufangen. Asylrecht ist kein Einwanderungsrecht.

Wir müssen daher dafür sorgen, dass der Zuzug in unser Land, der unter Berufung auf vermeintliche Asylgründe geschieht, umkehrbar bleibt. Gerade wenn erkennbar – das zeigen die Zahlen – keine Perspektive auf Asyl, Anerkennung als Flüchtling oder auf subsidiären Schutz besteht, müssen wir zu beschleunigten Verfahren kommen. Schnel

le Verfahren bis zur Entscheidung – das muss man ehrlicherweise auch sagen – sind keine Gewähr dafür, dass dann auch sofort die Rückkehr erfolgt. Aber sie sind natürlich ein Grundstein. Das in unserem Grundgesetz verankerte Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ist ein solches Mittel zur Beschleunigung. Ich möchte nicht, dass der 1993 mühsam erreichte Asylkompromiss heute grundsätzlich infrage gestellt wird. Deswegen stehe ich sehr klar zu dem Konzept der sicheren Herkunftsstaaten, und es steht für mich persönlich auch nicht zur Disposition.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Greilich hat die Zahlen eben schon genannt. Ich möchte das noch einmal kurz erläutern. Die Asylanträge aus den drei Maghreb-Staaten haben in der Regel keine Aussicht auf Erfolg. Im Jahr 2015 sind von den 2.600 Asylanträgen aus diesen Ländern nur 41 positiv beschieden worden. Das bedeutet eine Anerkennungsquote für Algerien von 0,98 % – also weniger als 1 % –, für Marokko von 2,29 % und für Tunesien sogar von 0 %.

Was bedeutet die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten? Sie beinhaltet die Beschleunigung der Verfahren, dass sie schneller bearbeitet werden können, dass die Menschen dann auch schneller in ihr Heimatland zurückgeführt werden können und dass ein unberechtigter Aufenthalt – das ist er nach unserer Gesetzeslage natürlich auch – damit auch beendet werden kann. Die Ausreisefrist wird auf eine Woche verkürzt. Die Klage ist innerhalb von einer Woche zu erheben. Auch die Verwaltungsgerichte müssen dann innerhalb von einer Woche über die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz entscheiden. Außerdem – auch das ist ein wichtiger Punkt – würde der Sozialleistungsbezug damit erheblich verkürzt und dadurch auch ein möglicherweise falsch gesetzter Anreiz deutlich reduziert werden.

Ich will das sehr deutlich sagen, weil Kollege Greilich das eben auch, wie ich finde, richtig ausgeführt hat und wir das bei der Debatte hier immer wieder hören: Ich sage es schon voraus – Sie werden vielleicht gleich in Ihrer Rede die Formulierung „Aushöhlung des Asylrechts“ vortragen. Das kennen wir von den LINKEN.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Aber ja!)

Das ist aber grundfalsch, was Sie hier immer wieder vortragen.