Sie streichen nämlich weiterhin alle Sonderpauschalen, ob für die Arbeit nach dem BEP, für Kitas mit vielen benach
teiligten Kindern oder für eingruppige Einrichtungen. Stattdessen schießen Sie mit der Förderschrotflinte – könnte man sagen – unterschiedslos auf Träger und Einrichtungen und stellen sich die Frage erst gar nicht, wo welcher Bedarf herrscht und wen man wie zu intensiverer Zuwendung, geschickterer Förderung oder einfach nur engagierterem Umgang mit der Kinderseele animieren könnte.
Allerdings: Sie schreiben den Einsatz des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans kategorisch vor. Da heißt es, in allen Einrichtungen soll das eine wesentliche Grundlage des Handels sein. Das ist tatsächlich etwas Neues, aber nichts gutes Neues.
Denn wenngleich wir dieses Ziel völlig mit Ihnen teilen – wir als CDU, nicht ich persönlich, haben ja diesen BEP entwickelt –, würden sich daraus weitere vermeidbare Kosten für das Land ergeben, und es ist nicht zielführend. Denn unsere bisherige kluge Strategie des Werbens, des Anbietens von Qualifizierungsmaßnahmen und des Belohnens durch die Pauschale ist erfolgreich, und die verlassen Sie mit Ihrem Vorschlag. Das ist völlig überflüssig.
Drittens. Was mir fehlt – das ist nicht das erste Mal; es ist eben wiederum so –, ist die Wertschätzung der hessischen Trägervielfalt in der Kinderbetreuung. Über Ihren ersten Gesetzentwurf hinaus räumen Sie mit dieser aus unserer Sicht unbedingt schützenswerten Trägervielfalt gründlich auf. Denn davon ist in Ihrem gesamten neuen Gesetzentwurf überhaupt keine Rede mehr. Der entsprechende Passus im bisherigen § 26, die Aufgaben beschreibend, ist gestrichen. Auch die erhöhten Grundpauschalen für nicht staatliche Träger fallen weg.
Auch § 26 Abs. 2 fällt einfach unter den Tisch. Ich will sagen, was da drinsteht. Man hätte es ja fast übersehen können. Das ist aber auch kein Zufall. Denn die dort formulierte Verantwortung des Trägers der Tageseinrichtung „für die Ausgestaltung und Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrages … unter Mitwirkung der Erziehungsberechtigten“ wird bei Ihnen ersatzlos gestrichen. Denn diese Verantwortung – das will ich hier einfach auch noch einmal vermuten; Sie können das Gegenteil antworten – passt nicht in Ihr Weltbild. Die wollen Sie nicht. Sie sind schließlich die Linkspartei. Sie wollen Erziehung gerade nicht mit Priorität bei den Eltern verankert wissen.
Sie wollen auch nicht vielfältige, von den Eltern jeweils nach Profil, Neigung oder Bekenntnis frei gewählte Träger, sondern Sie reklamieren die Letztverantwortung für diese Dinge en passant und ohne weitere Diskussion für den Staat – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Aber ich wollte es heute mit Fassung und vielleicht auch mit Humor nehmen. Bei dem Humor bin ich mir nicht mehr so sicher nach der Diskussion eben. – Ich will wenigstens auf das hinweisen, was ein Fortschritt von Ihrem ersten zu dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf ist. Sie unterscheiden bei dem jetzigen Anlauf immerhin in den Pauschalen zwischen Halbtags- und Ganztagsbetreuung. Das ist ganz klar ein Verständnisfortschritt. Eine staatliche Förderung sollte sich tatsächlich am Umfang der geförderten Leistung orientieren. Damit sind wir ausdrücklich einverstanden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, es gibt leider nicht sehr viel richtig Gutes über diesen zweiten Versuch
zu sagen, Ihren sozial und bedarfsungerechten, qualitätsfeindlichen und der Trägervielfalt in Hessen abträglichen Ansatz durch noch mehr Nachdrücklichkeit ins Ziel zu bringen. Als Sie Ihren ersten Gesetzentwurf zurückzogen, hatte ich die Hoffnung auf eine vernünftige Korrektur. Jetzt stelle ich fest: Wunder geschehen eben immer erst in der Weihnachtsnacht. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wiesmann. Das war eine Punktlandung. – Als nächster Redner spricht nun Herr Kollege Merz von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Schott, wenn ich auf Ihre Rede angewiesen gewesen wäre, um zu erfahren, was mit diesem Gesetzentwurf beabsichtigt ist, wäre ich nicht furchtbar viel schlauer geworden. Aber da ich ihn gelesen habe, kann ich die Ziele des Gesetzentwurfs folgendermaßen zusammenfassen. Sie wollen offensichtlich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Gebührenfreiheit für die Eltern, die Trägerentlastung und die Vereinfachung der Fördersystematik.
Alle diese Ziele teilen wir. Jetzt bleibt die Frage: Werden diese Ziele mit der vorgeschlagenen Lösung, mit der Zusammenfassung aller dieser Fragen in mittlerweile vier Pauschalen gelöst? – Meine Antwort ist: nein, entweder gar nicht oder nur teilweise.
Fangen wir mit der Vereinfachung an. Albert Einstein soll einmal gesagt haben, man soll immer alles so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher. Dem schließe ich mich vollumfänglich an. Ich glaube – das habe ich beim ersten Anlauf schon gesagt –, dass man bei Weiterbestehen des Grundsystems KiföG, insbesondere bei Weiterbestehen des Systems der Personalbemessung, über das man viel sagen kann und über das wir hier streitig diskutiert haben – ein hoch differenziertes System, an dem ich viel Kritik habe –, nicht einfach mit vier Pauschalen für vier verschiedene Angebote weiterkommt. Dieser Überzeugung bin ich.
Auf den zweiten Punkt hat Frau Kollegin Wiesmann schon hingewiesen, und ich habe es beim ersten Anlauf auch gesagt: Ich halte es für nicht in Ordnung, die besonderen Förderbedarfe von Kindern einfach hinwegzueskamotieren und zu sagen: Das ist mit der Pauschale, die wir hier vorsehen, erledigt. Ich halte es auch nicht für in Ordnung, einfach zu sagen, alle sonstigen Sonderbedarfe – auch über deren Ausgestaltung kann man streitig reden; auch über die 25-%-Regelung haben wir kritisch gesprochen – seien mit einer Pauschale erledigt, deren Berechnung Sie uns bis heute nicht dargelegt haben. Sie haben uns die Höhe dieser Pauschalen bis heute nicht transparent und nachvollziehbar dargelegt. Ich glaube auch nicht, dass das geht, dass man das so machen kann, wie Sie es hier machen.
Damit bin ich bei der Frage der Trägerentlastung. Sie schreiben in der Begründung, das Land soll bis 2020 alle Kosten der Kinderbetreuung übernehmen. Ich bin der Auffassung, dass das schon im Grundsatz falsch ist. Hier bin
ich durchaus der Auffassung von Frau Wiesmann, vielleicht nicht aus denselben Gründen. Ich sage Ihnen, warum ich der Auffassung bin, dass die Kommunen durchaus auch in der finanziellen Verantwortung bleiben sollen: weil ich nicht glaube, dass wir uns als kommunale Mandatsträger, als Gebietskörperschaften, in denen viele von uns Mandate haben, zur bloßen operativen Ebene für Aufgaben machen dürfen, für deren Finanzierung andere verantwortlich sind. Das wird dazu führen, dass wir irgendwann keine eigenständigen Entscheidungen mehr auf der kommunalen Ebene zu treffen haben.
Ja, das habe ich schon ein paarmal gesagt. Er weiß schon, wie ich das meine. Wie auch immer. – Ich glaube, dass wir uns damit keinen Gefallen tun.
Zweitens bleiben Sie jede Auskunft darüber schuldig, wie das bis 2020 geschehen soll. Hier steht kein einziger Punkt dazu, ob das schon mit den Pauschalen, wie sie im Gesetzentwurf stehen, erreicht ist. Das kann eigentlich nicht sein. Aber dann müsste, bitte schön, ein Stufenplan da sein, in dem Sie darlegen, wie Sie bis 2020 die Übernahme aller Kosten durch das Land erreichen wollen.
Dann kommt ein drittes Rätsel hinzu. In der Begründung des ersten Entwurfs stand ein Mehrbedarf für das Land von 520 Millionen €. Jetzt steht dort: 260 Millionen €. Einmal abgesehen davon, dass damit eine vollständige Übernahme der Kosten durch das Land ganz sicher nicht realisiert wird: Erklären Sie mir bitte, woher diese Halbierung der Mehrkosten plötzlich kommt.
Ich lasse einmal die Frage weg, ob die 520 Millionen € für das, was man hier will, auskömmlich sind. Das ist noch eine andere Frage. Aber wie man zu einer Reduzierung von 50 % von einem Gesetzentwurf auf den anderen kommt, bloß weil man jetzt vier statt zwei Pauschalen hat, die sich in ihrem Mittelwert wieder treffen, das ist mir unerklärlich.
Letzter Punkt. Sie sind relativ klar bei der Frage der Gebührenbefreiung. Das ist auch intellektuell einfach, man streicht § 32b. – Ist es b? Sie wissen schon, welchen ich meine.
Frau Kollegin, die Frage aber, ob Sie, wenn dies tatsächlich Gesetz würde, damit durchkämen, ist eine ganz andere. Meine Prognose ist: Wenn dies Gesetz würde, dann würden wir uns alle vor dem Staatsgerichtshof wiedersehen, weil es zu einer Konnexitätsklage der kommunalen Gebietskörperschaften käme – mit einer nach meiner Prognose relativ hohen Aussicht auf Erfolg. Aber dann wäre nichts gewonnen.
Denn solange Sie nicht darlegen, dass die Pauschalen in dieser Höhe auskömmlich sind, sowohl für die Übernahme der Kinderbetreuungsgebühren der Eltern auf der einen Seite als auch für eine tatsächliche Trägerentlastung auf der anderen Seite, ist das natürlich konnexitätsrelevant und würde sicher bemängelt werden.
Zusammengefasst: Ich sympathisiere mit dem Anliegen in allen drei Teilen. Ich glaube, dass alle drei Teile erforderlich sind. Aber dies ist ein ungeeignetes Mittel.
Ich bin der Auffassung, dass es nicht verkehrt ist, über die Trägerentlastung und die Entlastung der Eltern von Kindertagesstättengebühren in einem gemeinsamen Kontext nachzudenken – ich glaube, dass viel dafür spricht – und sich sozusagen einen anderen Weg auszusuchen als über Pauschalen, die erstattet werden müssen, oder das Pauschalensystem, das hier zugrunde gelegt wird.
Aber um es noch einmal zu sagen: Das ist gesetzestechnisch und auch teilweise im Ansatz nicht der richtige Weg. Deswegen warten wir einmal ab, was in der Anhörung gesagt wird, wenn dieser Gesetzentwurf allein steht. Ich habe die letzte Anhörung nicht so wahrgenommen, dass alle zu Ihrem Entwurf auf beiden Beinen Hurra geschrien hätten; es ging im Wesentlichen auch um unseren Gesetzentwurf. Aber warten wir einmal ab. Ich bin eher skeptisch, was die Erfolgsaussichten dieses Gesetzentwurfs betrifft, zumindest was die Zustimmung meiner Fraktion angeht. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Merz. – Als nächster Redner spricht nun Herr Kollege Rock von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der LINKEN immer dankbar, wenn sie uns die Plattform bietet, zur frühkindlichen Bildung, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf hier reden zu können, auch wenn es jetzt ein Wiedergänger ist, weil wir das Thema schon intensiv besprochen haben. Aber das haben die Fraktionen, die keine Lösung gefunden haben, dass der Gesetzentwurf der LINKEN abgeändert werden kann, ein Stück weit mit zu verantworten. Dennoch, der positive Teil ist: Wir haben noch einmal die Chance, dieses Thema ausführlich zu besprechen.
Ich muss noch einmal deutlich machen, dass wir jetzt irgendwann die Evaluierung des Kinderförderungsgesetzes vorliegen haben werden. Vielleicht kann der Minister schon einmal einen kleinen Hinweis geben. Ich glaube, so schlimm, wie es erwartet wird hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen es haben könnte, wird es nicht kommen. Aufgrund dessen, was ich selbst in Kindertagesstätten erlebt habe, vermute ich einmal, dass es in Hessen durch die Mindeststandards sogar zu Anpassungen nach oben gekommen ist. Aber das werden wir erst überprüfen können, wenn die Evaluierung vorliegt.
Ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass sich die Förderung an den Kindern orientieren sollte und nicht an den Trägern und den Einrichtungen. Denn sie ist für die Kinder gedacht. Das ist einfach auch in vielen anderen Bereichen ein sozialpolitischer Standard.
Natürlich kann man sich darüber streiten, ob man es genug ausdifferenziert hat. Mehr Ausdifferenzierung bedeutet dann oftmals auch mehr Verwaltungsaufwand. Pauschali
siert man mehr, hat man vor Ort mehr Möglichkeiten. Da kann man sich im Detail auseinandersetzen. Aber der Grundsatz, dass wir auf die Kinder, deren Chancen und ihre Entwicklungspotenziale schauen, müsste doch eigentlich mittlerweile in großen Teilen unstrittig sein.
Ich merke bei Herrn Merz, dass der Furor, mit dem er einmal gegen dieses Gesetz gekämpft hat, etwas nachgelassen hat. Er nähert sich jetzt doch den Realitäten an.
Ich möchte noch einmal ganz ausführlich auf die Frage eingehen, welche Bedeutung die frühkindliche Bildung und die Kindertagesstätten für meine Fraktion, also für die Fraktion der Freien Demokraten, haben. Natürlich spielt das Anliegen, den Besuch der Kindertagesstätten beitragsfrei zu stellen, eine wichtige Rolle gerade bei der Frage der Akzeptanz der Kindertagesstätten. Das gilt gerade auch für die Akzeptanz in den Bevölkerungsgruppen, deren Kinder wir da besonders gerne sehen würden. Vielleicht tauchen sie in der Statistik momentan auf. Aber wir würden sie vielleicht auch gerne ganztags in den Kindertagesstätten sehen, um den Integrations- oder den Förderprozess länger durchführen zu können.
Das ist ein wichtiges Thema. Allerdings kann ich Ihnen auch sagen: Es gibt schon heute Kommunen in Hessen, die den beitragsfreien Besuch der Kindertagesstätten möglich machen. Warum können sie das? – Sie können das, weil der Deckungsbeitrag der Eltern erfahrungsgemäß in vielen Kommunen weit von einer 100-prozentigen Deckung entfernt ist. Wenn eine Kommune vielleicht nur noch 12 oder 15 % Deckungsbeitrag durch die Eltern hat, dann kann man dort sagen: Ich will diese 100.000, 200.000 oder 300.000 € auch noch übernehmen. – Sie stellt den Besuch dann beitragsfrei. Kommunen in Hessen können das also heute schon leisten. Das würde aber wahrscheinlich von einer Erhöhung der Grundsteuer oder anderen Dingen begleitet.
Oftmals geht es um den politischen Willen vor Ort. Dazu kann ich sagen: Es gibt Kommunen, die äußern diesen politischen Willen und setzen das auch um. Ich weise da immer gerne auf die Kommune Rodgau hin, die das schon vorbildlich durchführt.
Dort gibt es einen guten Bürgermeister und einen guten Ersten Stadtrat, der dafür verantwortlich ist. Das ist sehr richtig.
Es gibt dort eine gute Koalition. Sie funktioniert super. Es gibt auch wieder einen Koalitionsvertrag. Da sind wir uns einig.
Der integrierte Ansatz ist, zu sagen: Ich möchte die Kommunen in die Lage versetzen, diesen Spielraum vor Ort nutzen zu können. Dabei geht es um die Fragen: Wie gestalte ich die Beiträge? Wie gestalte ich die Qualität? Wie gestalte ich die Öffnungszeiten? – Man sollte den Kommunen mehr Möglichkeiten geben, indem man die finanzielle Unterstützung insgesamt erhöht.